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9.2.2 Sonderschutz

915. Die Haager Konvention sieht ein zweistufiges Schutzsystem vor, indem zunächst alle Kultur- güter den beschriebenen allgemeinen Schutz genießen. Es können jedoch bestimmte Kulturgüter unter Sonderschutz gestellt werden (24 8).
916. Sonderschutz kommt nur für folgende Kulturgüter in Betracht (24 8 Abs. 1):
• eine begrenzte Anzahl von Bergungsorten zur Sicherung beweglichen Kulturguts vor bewaffneten Konflikten,
• Denkmalsorte und
• unbewegliches Kulturgut von sehr hoher Bedeutung.
917. Die Gewährung von Sonderschutz ist an folgende Voraussetzungen gebunden:
• Das besonders zu schützende Gut muss sich in ausreichender Entfernung von einem großen Industriezentrum oder einem sonstigen wichtigen militärischen Ziel, das einen besonderen Gefährdungsgrad aufweist (Flugplatz, Rundfunksender, Rüstungsbetrieb, verhältnismäßig bedeutender Hafen oder Bahnhof, wichtiger Flussübergang oder Hauptverkehrsweg), befinden (24 8 Abs. 1 Buchst. a).
• Das besonders zu schützende Gut darf nicht für militärische Zwecke benutzt werden (5 53 Buchst. b; 6 16; 24 8 Abs. 1 Buchst. b).
• Die Verleihung des Sonderschutzes erfolgt durch Eintragung in das bei der UNESCO in Paris
geführte Internationale Register für Kulturgut unter Sonderschutz (24 8 Abs. 6; 24a 12-16).
918. Ein Bergungsort für bewegliches Kulturgut kann ohne Rücksicht auf seine Lage unter Sonderschutz gestellt werden,
• wenn er so gebaut ist, dass er aller Wahrscheinlichkeit nach bei Bombardierungen nicht beschädigt werden kann oder
• wenn sich die um Sonderschutz nachsuchende Partei verpflichtet, das in der Nähe des Kulturguts befindliche militärische Objekt im Konfliktfall nicht zu benutzen und insbesondere, falls es sich um einen Hafen, Bahnhof oder Flugplatz handelt, den Verkehr umzuleiten (24 8 Abs. 2 und 5).
Auf Antrag der Bundesrepublik Deutschland ist der sogenannte Barbarastollen in Oberried bei Freiburg im Breisgau (Hochschwarzwald) als zentraler Bergungsort für Kulturgut in das Internationale Register für Kulturgut unter Sonderschutz aufgenommen worden.
919. Weder das unter Sonderschutz stehende Kulturgut noch seine unmittelbare Umgebung dürfen für militärische Zwecke benutzt werden (24 9).
920. Ein Denkmalsort gilt auch dann als zu militärischen Zwecken benutzt, wenn er, und sei es auch nur im Durchgangsverkehr, für die Beförderung von Streitkräften oder Wehrmaterial verwendet wird. Das gleiche gilt in allen Fällen, in denen innerhalb des Denkmalsorts Handlungen unternommen
werden, die unmittelbar mit militärischen Operationen, der Stationierung von Streitkräften oder der Herstellung von Wehrmaterial zusammenhängen (24 8 Abs. 3).
921. Die Bewachung von Kulturgut durch bewaffnetes Personal, das dazu besonders befugt ist, oder die Anwesenheit von Polizeikräften, die für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung verantwortlich sind, gilt nicht als Benutzung zu militärischen Zwecken (24 8 Abs. 4).
922. Es ist ausnahmsweise zulässig, ein unter Sonderschutz stehendes Kulturgut anzugreifen,
wenn und solange dies aus Gründen einer unausweichlichen militärischen Notwendigkeit
erforderlich ist. Nach der Kulturgutschutzkonvention kann das Vorliegen einer solchen unausweichlichen militärischen Notwendigkeit nur durch eine Kommandeurin bzw. einen Kommandeur einer militärischen Einheit festgestellt werden, die der Größe einer Division oder einer höheren Einheit entspricht (24 11 Abs. 2). Die zuständige Rechtsberaterin bzw. der zuständige Rechtsberater soll zuvor gehört werden. Die gegnerische Partei ist, sofern es die Umstände erlauben, von der Entscheidung angemessen früh zu unterrichten (24 11 Abs. 2). Ist ein Generalkommissar für Kulturgut bestellt (24a 4-10), so sind diesem die Gründe schriftlich darzulegen (24 11 Abs. 3).
923. Verletzt eine Partei ihre Pflicht zum Schutz eines unter Sonderschutz stehenden Kulturguts, ist die gegnerische Partei von ihrer Pflicht befreit, die Unverletzlichkeit des Kulturguts zu gewährleisten, solange die Verletzung fortbesteht. Sie hat jedoch die gegnerische Partei, soweit möglich, zunächst aufzufordern, die Verletzung innerhalb einer angemessenen Frist einzustellen (24 11 Abs. 1). Auch dürfen nur diejenigen Maßnahmen ergriffen werden, die erforderlich sind, um die durch die Verletzung entstandene Gefahr abzuwehren.