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12.2 Rechte und Pflichten von Neutralen

12.2.1 Allgemeine Bestimmungen
1205. Das Gebiet eines neutralen Staates ist unverletzlich. Jede Kriegshandlung darauf ist unter- sagt (17 1).
1206. Die Missachtung der Neutralität durch eine der Konfliktparteien kann verbotene Gewaltanwendung (34 2 Nr. 4) und zugleich eine schwere Völkerrechtsverletzung sein. Das gilt unabhängig davon, ob sich die die Neutralität verletzende Konfliktpartei im Verhältnis zur anderen Konfliktpartei auf ihr Selbstverteidigungsrecht (34 51) berufen kann. Der neutrale Staat ist verpflichtet, jede Verletzung seiner Neutralität – wenn nötig mit nach Maßgabe der VN-Charta zulässiger Gewalt – zurückzuweisen (17 5; 23 2, 9, 24).
1207. Ein neutraler Staat darf keine der Konfliktparteien unterstützen. Verboten ist beispielsweise
• die Lieferung von Kriegsschiffen, Munition und sonstigem Kriegsmaterial (23 6),
• die Gestattung militärischen Transits durch das Gebiet des neutralen Staates zu Wasser, zu Lande oder in der Luft (17 2), wenngleich für den Transit von Verwundeten und Kranken (17 14) bzw. für die bloße Durchfahrt von Kriegsschiffen und ihren Hafenaufenthalt (23 10, 12) Ausnahmen bestehen oder
• die Gestattung der Errichtung von militärischen Stützpunkten oder Versorgungs- und Telekommunikationseinrichtungen (17 3; 23 5).
Humanitäre Hilfeleistung zugunsten der Konfliktopfer ist keine Verletzung der Neutralität, auch wenn sie nur zugunsten der Opfer einer Seite erfolgt.
1208. Der neutrale Staat ist zu einer gleichmäßigen Behandlung der Konfliktparteien verpflichtet und darf keine Konfliktpartei diskriminieren (17 9; 23 9). In keinem Fall darf der neutrale Staat an
Kriegshandlungen der Konfliktparteien teilnehmen.
1209. Die Staatenpraxis hat die frühere vertragliche Regel, dass ein neutraler Staat die Aus- und Durchfuhr von Kriegsmaterial durch Private zugunsten einer Konfliktpartei nicht zu verbieten braucht (17 7; 23 7), modifiziert. Soweit Exporte von Kriegsmaterial staatlich kontrolliert sind, ist die Zulassung solcher Exporte als neutralitätswidrige Unterstützung anzusehen.
1210. Angehörige von neutralen Staaten können in den Dienst einer an einem Konflikt beteiligten Partei auf eigene Verantwortung eintreten (17 6). Sie sind dann wie Angehörige dieser Konfliktpartei zu behandeln und können sich auf ihre Neutralität nicht berufen (17 17). Das Verbot der Anwerbung, des Einsatzes, der Finanzierung und der Ausbildung von Söldnern ist zu beachten (5 47; 28).
1211. Das Anwerben und das Aufstellen von Truppen zugunsten einer am Konflikt beteiligten Partei auf neutralem Staatsgebiet ist verboten (17 4).