8.2 Beginn der Kriegsgefangenschaft
807. Der Status als Kriegsgefangener beginnt, sobald eine Person, der das Völkerrecht den Anspruch auf Kriegsgefangenschaft zuspricht, in die Gewalt der gegnerischen Partei gerät (5 44 Abs. 1). 
808. Ein die Waffen streckender oder wehrloser Gegner, der sich ergibt oder sonst kampf- oder verteidigungsunfähig ist, darf nicht mehr bekämpft werden (5 41 Abs. 1; 16a 23 Abs. 1). 
809. Den Status eines Kriegsgefangenen erlangen folgende Personen, wenn sie in die Hand des Gegners fallen: 
• Kombattanten (3 4 A Nr. 1-3, 6; 5 44, 45 Abs. 1), 
• ziviles Gefolge (3 4 A Nr. 4), 
• Besatzungen der Handelsschiffe und der Zivilluftfahrzeuge der am Konflikt beteiligten Parteien, wenn sie aufgrund anderer Bestimmungen des internationalen Rechts keine günstigere Behandlung genießen (3 4 A Nr. 5) sowie 
• Angehörige des in Zivilschutzorganisationen diensttuenden Militärpersonals (5 67 Abs. 2). 
810. Die Kriegsgefangenen haben unter allen Umständen Anspruch auf Achtung ihrer Person und ihrer Ehre (3 14 Abs. 1). Sie sind zu schützen, insbesondere vor jeder Gewalttätigkeit oder Einschüchterung, Beleidigung oder öffentlicher Neugier (3 13 Abs. 2). Unter öffentlicher Neugier sind nicht nur körperlich anwesende Menschenansammlungen zu verstehen, sondern auch die Medienöffentlichkeit (z. B. Druckmedien, Fernsehen, Rundfunk, Internet). 
811. Das Humanitäre Völkerrecht verbietet nicht jede Bildberichterstattung über Kriegsgefangene, dagegen jedoch eine Bildberichterstattung, die geeignet ist, die Würde oder die Ehre der Kriegsgefangenen anzugreifen oder zu Gewalttätigkeit, Einschüchterung oder Beleidigung zu führen.
Aus diesem Grunde ist Bildberichterstattung mit individuell identifizierbaren Kriegsgefangenen regelmäßig völkerrechtswidrig. Aufnahmedauer, Filmausschnitt und Situation der Gefangenen bestimmen dabei den Grad der tatsächlichen Individualisierbarkeit.
Eine Einwilligung der Kriegsgefangenen schließt die Völkerrechtswidrigkeit nicht aus (3 7). Bei diesen Regelungen handelt es sich nicht nur um an den Gewahrsamsstaat gerichtete Verbote, sondern sie umfassen auch Gebote (Schutzpflichten), um unerlaubte Einwirkungen Dritter zu verhindern. In bestimmten Fällen können Verletzungen dieser Regelungen als unmenschliche Behandlungen Kriegsverbrechen sein (33 8 Abs. 2 Buchst. a). 
812. Die bzw. der Kriegsgefangene wird entwaffnet und durchsucht. Ihre bzw. seine militärische Ausrüstung und Schriftstücke militärischen Inhalts sind ihr bzw. ihm abzunehmen (3 18 Abs. 1). 
813. Der bzw. dem Kriegsgefangenen verbleiben alle persönlichen Sachen und Gebrauchs- gegenstände, der Gefechtshelm und die zum persönlichen Schutz dienenden Gegenstände wie die ABC-Schutzausrüstung sowie alles, was zu ihrer bzw. seiner Bekleidung und Verpflegung dient (3 18 Abs. 1). Sie bzw. er behält ihre bzw. seine Dienstgrad- und Nationalitätsabzeichen, ihre bzw. seine Auszeichnungen sowie Gegenstände, die hauptsächlich persönlichen oder gefühlsmäßigen Wert besitzen, wie z. B. Bilder von Familienangehörigen (3 18 Abs. 3, 40). Die Kriegsgefangenen müssen stets im Besitz eines Ausweispapiers sein. Der Gewahrsamsstaat stellt denen, die keinen Ausweis besitzen, einen solchen aus (3 18 Abs. 2). 
814. Der Gewahrsamsstaat ist verpflichtet, über das Schicksal von Kriegsgefangenen ebenso Auskunft zu geben (3 122) wie über Verwundete, Kranke, Schiffbrüchige und Gefallene (1 16; 2 19) sowie geschützte Zivilpersonen (4 136-141). Jede Konfliktpartei hat zu diesem Zweck bei Ausbruch eines Konflikts und in allen Fällen einer Besetzung ein Amtliches Auskunftsbüro einzurichten (3 122 Abs. 1), das mit der Zentralauskunftsstelle beim Internationalen Komitee vom Roten Kreuz zusammenarbeitet (3 122 Abs. 3, 123). Das Deutsche Rote Kreuz (DRK) nimmt gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 4 DRKG35 als freiwillige Hilfsgesellschaft die Aufgaben eines Amtlichen Auskunftsbüros wahr (3 122; 4 136; siehe auch Nr. 517). 
815. Wertgegenstände dürfen Kriegsgefangenen nur aus Gründen der Sicherheit abgenommen werden. Werden Geldbeträge oder Wertgegenstände abgenommen, so darf dies nur auf Befehl eines Offiziers der Gewahrsamsmacht und gegen Empfangsbestätigung erfolgen. Die aufbewahrten Wertgegenstände und Geldbeträge sind ihr bzw. ihm bei Beendigung der Gefangenschaft in ihrer ursprünglichen Form zurückzuerstatten (3 18 Abs. 4-6). 
816. Kriegsgefangene sind möglichst bald in Lager zu schaffen, die vom Operationsgebiet so weit entfernt sind, dass sie sich außer Gefahr befinden. Bis zu ihrer Wegschaffung dürfen 
5 Gesetz über das Deutsche Rote Kreuz und andere freiwillige Hilfsgesellschaften im Sinne der Genfer Rotkreuz-Abkommen vom 5. Dezember 2008 (BGBl. I S. 2346).
Kriegsgefangene nicht unnötig Gefahren ausgesetzt werden (3 19). Der erforderliche Aufenthalt in Durchgangslagern ist so kurz wie möglich zu bemessen (3 20 Abs. 3). 
817. Der Transport der Kriegsgefangenen muss unter menschenwürdigen Bedingungen – entsprechend der Verlegung von Truppen des Gewahrsamsstaates – vor sich gehen. Die genügende Versorgung mit Trinkwasser, Verpflegung, Bekleidung und ärztlicher Pflege ist zu gewährleisten (3 20). 
818. Können Kriegsgefangene unter ungewöhnlichen Kampfbedingungen nicht weggeschafft werden, sind sie freizulassen; auch dann sind alle praktisch möglichen Vorkehrungen für ihre Sicherheit zu treffen (5 41 Abs. 3). 
819. Um die Gleichmäßigkeit in der Behandlung der Kriegsgefangenen gleichen Dienstgrades zu gewährleisten, geben sich die am Konflikt beteiligten Parteien bei Eröffnung der Feindseligkeiten gegenseitig die Rangbezeichnungen und Dienstgrade aller Personen mit Anspruch auf Kriegsgefangenenstatus bekannt. Werden Rangbezeichnungen oder Dienstgrade erst nachträglich geschaffen, so werden sie in gleicher Weise bekannt gegeben. Der Gewahrsamsstaat erkennt die Beförderungen von Kriegsgefangenen an, wenn sie ihm von der Macht, von der diese Gefangenen abhängen, ordnungsgemäß mitgeteilt werden (3 4, 43). Die Konfliktparteien verständigen sich beim Beginn der Feindseligkeiten auch über die vergleichbaren Dienstgrade ihres Sanitätspersonals (3 33 Abs. 2 Buchst. b). 
820. Mit Ausnahme der Offiziere schulden die Kriegsgefangenen allen Offizieren des Gewahrsams- staates den Gruß. Die kriegsgefangenen Offiziere haben nur die Offiziere höheren Dienstgrades des Gewahrsamsstaates zu grüßen; auf jeden Fall schulden sie der Lagerkommandantin bzw. dem Lagerkommandanten, ohne Rücksicht auf deren bzw. dessen Dienstgrad, den Gruß (3 39). 
821. Bei Vernehmungen sind Kriegsgefangene nur verpflichtet, die sog. Pflichtangaben zu machen, also 
• (Familien-)Namen, 
• Vornamen, 
• Dienstgrad, 
• Geburtsdatum und 
• ihre bzw. seine Matrikelnummer (in der Bundeswehr: Personenkennziffer) zu nennen (3 17 Abs. 1). 
822. Kriegsgefangene dürfen zur Erlangung der Pflichtangaben oder anderer Auskünfte weder körperlicher noch seelischer Folter ausgesetzt, noch darf irgendein anderer Zwang auf sie ausgeübt werden. Die Kriegsgefangenen, die eine Auskunft verweigern, dürfen weder bedroht, noch beleidigt, noch Unannehmlichkeiten oder Nachteilen irgendwelcher Art ausgesetzt werden (3 17 Abs. 4).
823. Verstößt eine Kriegsgefangene bzw. ein Kriegsgefangener jedoch wissentlich gegen die Verpflichtung, die Pflichtangaben zu machen, so setzt sie bzw. er sich der Gefahr einer Beschränkung der Vergünstigungen aus, die Kriegsgefangenen ihres bzw. seines Dienstgrades oder ihrer bzw. seiner Stellung zustehen (3 17 Abs. 2). 
824. Die Vernehmung ist in einer Sprache durchzuführen, die die bzw. der Kriegsgefangene versteht (3 17 Abs. 6). Kriegsgefangene dürfen keinen Befragungen durch Medienvertreterinnen bzw.
Medienvertreter ausgesetzt werden (3 13 Abs. 2, 14 Abs. 1). 
825. Die Kriegsgefangenen dürfen auch zur Erlangung irgendwelcher Auskünfte weder körper- licher noch seelischer Folter ausgesetzt werden, noch darf irgendein anderer Zwang auf sie ausgeübt werden. Kriegsgefangene, die eine Auskunft verweigern, zu bedrohen, zu beleidigen oder sie Unannehmlichkeiten oder Nachteilen irgendwelcher Art auszusetzen, ist untersagt (3 17 Abs. 4).
 
                
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