6.3 Sanitätspersonal
624. Das zivile und militärische Sanitätspersonal steht unter besonderem Schutz. Es darf weder angegriffen noch in der Wahrnehmung seiner Aufgaben behindert werden (1 23 Abs. 1, 24; 2 36; 4 14, 20; 5 15; 6 9-10).
625. Zum Sanitätspersonal gehören Personen, die von einer am Konflikt beteiligten Partei ausschließlich zu sanitätsdienstlichen Zwecken, der Verwaltung von Sanitätseinheiten oder dem Betrieb oder der Verwaltung von Sanitätstransportmitteln zugewiesen sind. Ihre Zuweisung kann ständig oder nichtständig sein. Der Begriff (5 8 Buchst. c) umfasst
• das militärische oder zivile Sanitätspersonal einer am Konflikt beteiligten Partei,
• das den Zivilschutzorganisationen zugewiesene Sanitätspersonal,
• das Sanitätspersonal der nationalen Gesellschaften des Roten Kreuzes (Roten Halbmonds, Roten Löwen mit Roter Sonne) und anderer freiwilliger nationaler Hilfsgesellschaften, die von einer am Konflikt beteiligten Partei ordnungsgemäß anerkannt und ermächtigt sind33 sowie
• das Sanitätspersonal der Sanitätseinheiten oder Sanitätstransportmittel (5 9 Abs. 2).
626. Sanitätspersonal, das ausschließlich zum Aufsuchen, zur Bergung, Beförderung oder Behandlung von Verwundeten und Kranken oder zur Verhütung von Krankheiten verwendet wird sowie das ausschließlich zur Verwaltung von Sanitätseinheiten und -einrichtungen verwendete Personal und das Lazarettpersonal an Bord von Lazarettschiffen, wird unter allen Umständen geschont und geschützt (1 24; 2 30, 36, 37; 5 8c, 22 und 23).
627. Eine Sanitätseinheit oder -einrichtung verliert nicht ihren humanitär-völkerrechtlich gewährten besonderen Schutz, wenn das Personal der Einheit oder Einrichtung mit leichten Handfeuerwaffen
bewaffnet ist und von den Waffen zu seiner eigenen Verteidigung oder zur Verteidigung seiner Verwundeten und Kranken und Schiffbrüchigen Gebrauch macht (1 22 Abs. 2; 2 35 Abs. 1; 5 13
Abs. 2a). Leichte Handfeuerwaffen sind insbesondere Pistole, Gewehr und Maschinenpistole. Schwere Waffen und Waffensysteme, die Transport und Bedienung durch mehr als eine Person erfordern, fallen jedenfalls nicht mehr unter den Begriff der leichten Handfeuerwaffe.
628. Gerät Sanitätspersonal in die Hände des Gegners, darf es zurückgehalten werden, soweit der gesundheitliche Zustand und die Zahl der Kriegsgefangenen dies erfordern (1 24, 28 Abs. 1 und 2; 2 37 Abs. 2 und 3). Das Personal der Hilfsgesellschaften der gegnerischen Konfliktpartei darf unter den gleichen Bedingungen wie Sanitätspersonal zurückgehalten werden (1 26, 28 Abs. 1 und 2).
629. Einer Zurückhaltung unterliegt nicht das Personal eines neutralen oder nicht am Konflikt beteiligten Staates, das Personal einer Hilfsgesellschaft eines solchen Staates und das Personal unparteiischer internationaler humanitärer Organisationen, das einer Konfliktpartei zu humanitären Zwecken zur Verfügung gestellt worden ist (1 27, 32; 5 9 Abs. 2).
33 Gemäß § 2 Nr. 1 des DRKG (Gesetz über das Deutsche Rote Kreuz und andere freiwillige Hilfs- gesellschaften im Sinne der Genfer Rotkreuz-Abkommen vom 5. Dezember 2008, BGBl. I S. 2346) nimmt das Deutsche Rote Kreuz e. V. als freiwillige Hilfsgesellschaft die Unterstützung des Sanitätsdienstes der Bundeswehr einschließlich des Einsatzes von Lazarettschiffen wahr (1 26, 2 24); gemäß § 4 DRKG sind auch die Johanniter-Unfall-Hilfe e. V. und der Malteser Hilfsdienst e. V. freiwillige Hilfsgesellschaften im Sinne des Artikel 26 GA I (1 26); die beiden Hilfsgesellschaften sind gemäß § 5 DRKG auch zur Unterstützung des Sanitätsdienstes der Bundeswehr ermächtigt.
630. Das zurückgehaltene Personal gilt nicht als kriegsgefangen und genießt mindestens die
Vorteile aller Bestimmungen des III. Genfer Abkommens.
Zurückgehaltenes Personal darf seine Tätigkeit unter Leitung der gewahrsamsnehmenden Partei weiter ausüben, solange diese nicht selbst die notwendige Pflege der Verwundeten und Kranken sicherstellt (1 19). Seine Angehörigen sind vorzugsweise für die Betreuung der Verwundeten und Kranken der Konfliktpartei zu verwenden, der sie selbst angehören (1 28; 2 37).
Zurückgehaltenes Personal darf nicht zu einer Arbeit gezwungen werden, die mit ihrer sanitätsdienstlichen Tätigkeit in keinem Zusammenhang steht (1 28 Abs. 2 Buchst. c; 3 33 Abs. 2 Buchst. c).
631. In jedem Lager ist die dienstälteste Militärärztin bzw. der dienstälteste Militärarzt des höchsten Dienstgrades den militärischen Behörden des Lagers für die gesamte Tätigkeit des zurückgehaltenen Sanitätspersonals verantwortlich. Für alle ihre Aufgaben betreffenden Fragen haben diese Ärztin bzw. dieser Arzt sowie die Militärgeistlichen unmittelbaren Zutritt zu den zuständigen Lagerbehörden. Diese gewähren ihnen alle Erleichterungen, die für den mit diesen Fragen zusammenhängenden Schriftwechsel erforderlich sind (3 33 Abs. 2).
632. Im Verlauf der Feindseligkeiten verständigen sich die Konfliktparteien über eine etwaige Ablösung des zurückgehaltenen Personals und legen die Art ihrer Durchführung fest (3 33 Abs. 3).
633. Mitglieder des Sanitätspersonals, die nicht unbedingt zurückzuhalten sind, werden an ihre eigene Konfliktpartei zurückgesandt, sobald ein Weg für ihre Rückkehr offen ist und die militärischen Erfordernisse es gestatten. Bis zu ihrer Rücksendung gelten sie nicht als Kriegsgefangene, genießen aber mindestens die Vorteile sämtlicher Bestimmungen des III. Genfer Abkommens. Sie setzen ihre Tätigkeit unter der Leitung der gegnerischen Konfliktpartei fort; sie werden vorzugsweise für die Pflege der Verwundeten und Kranken der am Konflikt beteiligten Partei verwendet, der sie angehören. Bei ihrer Rückkehr können sie die ihnen gehörenden Sachen, persönlichen Gegenstände, Wertsachen und Instrumente mitnehmen (1 30; 2 37).
634. Militärpersonen, die besonders ausgebildet sind, um gegebenenfalls als Hilfskrankenpfleger oder Hilfskrankenträger (Helfer im Sanitätsdienst) zum Aufsuchen, zur Bergung, Beförderung oder Behandlung von Verwundeten und Kranken verwendet zu werden, werden gleichfalls geschont und geschützt, wenn sie im Zeitpunkt ihrer Berührung mit dem Gegner oder ihrer Gefangennahme die genannten Verrichtungen ausüben. Während der Ausübung sanitätsdienstlicher Verrichtungen trägt dieses Personal grundsätzlich eine weiße Armbinde mit einem verkleinerten Schutzzeichen in der Mitte (1 41). Sie werden Kriegsgefangene, werden aber, soweit ein Bedürfnis dafür besteht, für den Sanitätsdienst verwendet (1 25, 29).
635. Der Einsatz von Sanitätspersonal der Hilfsorganisationen eines neutralen oder nicht am Konflikt beteiligten Staates bedarf der Einwilligung der Regierung dieses Staates und der Ermächtigung der Konfliktpartei, bei der das Personal zum Einsatz gelangt (1 27). 636. Die Zivilbevölkerung hat die Verwundeten, Kranken und Schiffbrüchigen, auch wenn sie der gegnerischen Partei angehören, zu schonen. Sie darf keine Gewalttätigkeiten gegen sie begehen.
Der Zivilbevölkerung und den Hilfsgesellschaften, wie beispielsweise den nationalen Gesellschaften des Roten Kreuzes oder des Roten Halbmonds, ist zu gestatten, auch von sich aus Verwundete, Kranke und Schiffbrüchige zu bergen und zu pflegen. Niemand darf wegen solcher humanitärer Handlungen belästigt, verfolgt oder bestraft werden (1 18; 5 17).
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