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15.4 Vorgesetztenverantwortlichkeit

1524. Das Humanitäre Völkerrecht und das Völkerstrafrecht kennen eine eigenständige Vorgesetztenverantwortlichkeit. Vorgesetzte sind für völkerrechtswidriges Verhalten ihrer Untergebenen – auch strafrechtlich – verantwortlich (5 86, 87; 35 4). Dies gilt nicht nur für völkerrechtswidrige Befehle, sondern auch für Unterlassungen, wenn eine Rechtspflicht zum Handeln besteht, oder Aufsichtspflichtverletzungen. Einer militärischen Befehlshaberin bzw. einem militärischen Befehlshaber steht nach dem VStGB eine Person gleich, die in einer Truppe
tatsächliche Befehls- oder Führungsgewalt und Kontrolle ausübt (35 4 Abs. 2). Das VStGB sieht die Bestrafung als Täterin bzw. Täter vor, wenn eine militärische Befehlshaberin oder zivile Vorgsetzte bzw. ein militärischer Befehlshaber oder ziviler Vorgesetzter es unterlässt, ihre bzw. seine Untergebene oder ihren bzw. seinen Untergebenen daran zu hindern, eine nach dem VStGB strafbare Völkerrechtsverletzung zu begehen (35 4 Abs. 1). Eine militärische Befehlshaberin oder zivile Vorgesetzte bzw. ein militärischer Befehlshaber oder ziviler Vorgesetzter, die bzw. der es vorsätzlich oder fahrlässig unterlässt, eine bzw. einen Untergebenen zu beaufsichtigen, wird wegen Verletzung der Aufsichtspflicht bestraft, wenn die oder der Untergebene eine Tat begeht, deren Bevorstehen der Befehlshaberin bzw. dem Befehlshaber erkennbar war und die sie bzw. er hätte verhindern können (35 14). Eine miltitärische Befehlshaberin oder zivile Vorgesetzte bzw. ein militärischer Befehlshaber oder ziviler Vorgesetzter, die bzw. der es vorsätzlich oder fahrlässig unterlässt, eine Tat, die eine Untergebene bzw. ein Untergebener begangen hat, unverzüglich der für die Untersuchung oder Verfolgung solcher Taten zuständigen Stelle zur Kenntnis zu bringen, wird ebenfalls bestraft (35 15).
1525. Werden einer bzw. einem Disziplinarvorgesetzten Vorkommnisse bekannt, die den Verdacht von Verletzungen des Humanitären Völkerrechts rechtfertigen, muss sie bzw. er den Sachverhalt aufklären und prüfen, ob disziplinare Maßnahmen geboten sind. Ist das Dienstvergehen eine Straftat, hat sie bzw. er die Sache unabhängig von der disziplinaren Prüfung an die Strafverfolgungsbehörde abzugeben, wenn dies zur Aufrechterhaltung der militärischen Ordnung oder wegen der Art der Tat oder der Schwere des Unrechts oder der Schuld geboten ist (§ 33 Abs. 3 Wehrdisziplinarordnung).
Bei Verbrechen nach dem VStGB (35) ist dies grundsätzlich der Fall.