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3.2.3 Kombattantenprivileg und -immunität

319. Das Humanitäre Völkerrecht sieht im internationalen bewaffneten Konflikt die rechtmäßige unmittelbare Beteiligung von Personen an Feindseligkeiten grundsätzlich nur bei Vorliegen einer Autorisierung durch eine Konfliktpartei vor; diese Autorisierung ist das rechtliche Band zwischen der Konfliktpartei und dem von ihr zum Kampf autorisierten Organ, also den Kombattanten. Die Berechtigung, unmittelbar an Feindseligkeiten teilzunehmen, wird auch als Kombattantenprivileg bezeichnet.
320. Den Personen mit Kombattantenstatus ist im bewaffneten Konflikt die Bekämpfung recht- mäßiger militärischer Ziele gestattet. Dies bedeutet die Befugnis zur Verletzung oder Tötung von Personen (gegnerische Kombattanten und Zivilpersonen, die ohne dazu berechtigt zu sein, unmittelbar an Feindseligkeiten teilnehmen, 5 51 Abs. 3) sowie zur Beschädigung, Neutralisierung oder Zerstörung von Objekten, die als militärisches Ziel einzuordnen sind (5 52 Abs. 2 Satz 2, siehe auch Nrn. 407 ff.).
321. Nur Kombattanten sind nach dem Humanitären Völkerrecht berechtigt, Schädigungs- handlungen vorzunehmen. Hält sich ihr Verhalten in dem vom Humanitären Völkerrecht vorgegebenen Rahmen, so ist es von allen Konfliktparteien als rechtmäßig zu behandeln.
Kombattanten dürfen daher für ihre bloße Teilnahme an rechtmäßigen Kampfhandlungen nicht bestraft werden (Kombattantenimmunität). Das gilt auch, wenn der Staat, dessen Kombattanten sie waren, untergegangen ist. Handlungen, die im bewaffneten Konflikt zulässige militärische Schädigungshandlungen an Personen und Objekten des Gegners darstellen und im Auftrag eines Völkerrechtssubjekts (Staates) vorgenommen werden, wären im Frieden als Straftat verboten; da solche Handlungen im bewaffneten Konflikt erlaubt sind, gewährt das Humanitäre Völkerrecht den handelnden Staatsorganen (Kombattanten) Straffreiheit, solange sie sich an den vorgegebenen rechtlichen Rahmen halten, insbesondere keine schweren Verletzungen des Humanitären Völkerrechts bzw. Kriegsverbrechen begehen, indem sie z. B. bei Angriffen auf ein erlaubtes militärisches Ziel exzessive Kollateralschäden unter der Zivilbevölkerung verursachen (5 51 Abs. 5 Buchst. b; 57 Abs. 2 Buchst. a iii).
322. Vom Kombattantenstatus ist der Kriegsgefangenenstatus zu unterscheiden. Alle Kombattanten haben im Falle der Gefangennahme durch eine gegnerische Konfliktpartei grundsätzlich Anspruch auf den Status als Kriegsgefangene (5 44); aber nicht alle Personen mit Anspruch auf Kriegsgefangenenstatus sind oder waren Kombattanten (3 4).
323. Begeht ein Kombattant Verletzungen des Humanitären Völkerrechts, verwirkt er allein dadurch jedoch nicht das Recht, als Kombattant zu gelten (5 44 Abs. 2). Völkerrechtsverletzungen können nach dem Recht des Heimatstaates, des Gewahrsamsstaates oder nach dem Völker- strafrecht geahndet werden. Eine Bestrafung darf nur in einem Urteil ausgesprochen und nur aufgrund eines Urteils vollstreckt werden. Das Urteil muss von einem Gericht gefällt werden, das die allgemein anerkannten Grundsätze eines ordentlichen Gerichtsverfahrens beachtet (3 84; 5 75 Abs. 4).
324. Es wird vermutet, dass die Person, die an Feindseligkeiten teilnimmt und in die Gewalt einer gegnerischen Partei gerät, Anspruch auf den Kriegsgefangenenstatus besitzt, wenn
• sie den Kriegsgefangenenstatus beansprucht,
• sie Anspruch darauf zu haben scheint oder
• die Partei, der sie angehört, in einer Mitteilung an die Gewahrsamsmacht oder die Schutzmacht diesen Status für sie beansprucht (5 45 Abs. 1).
325. Bestehen Zweifel, ob eine Person, die eine kriegerische Handlung begangen hat und in Feindeshand gefallen ist, Anspruch auf den Kriegsgefangenenstatus hat, so genießt diese Person solange eine Behandlung wie ein Kriegsgefangener, bis ihre Rechtsstellung durch eine zuständige Stelle des Gewahrsamsstaates („competent tribunal"), beispielsweise ein Gericht, festgestellt worden ist (3 5 Abs. 2; 5 45 Abs. 1 Satz 2).

326. Ein Kombattant, der zu dem Zeitpunkt, in dem er in die Hände des Gegners fällt, selbst den in Nr. 316 genannten Mindestregeln nicht genügt, verwirkt sowohl seinen Kombattanten- als auch seinen Kriegsgefangenenstatus (5 44 Abs. 2 bis 4). Er bzw. sie genießt in diesem Falle gleichwohl in jeder Hinsicht den Schutz, der dem entspricht, der den Kriegsgefangenen durch das III. Abkommen und das I. Zusatzprotokoll gewährt wird. Das gilt auch, wenn eine solche Person wegen einer von ihr begangenen Straftat vor Gericht gestellt und bestraft wird.
Ein Kombattant, der in die Gewalt einer gegnerischen Partei gerät, während er nicht an einem Angriff oder an einer Kriegshandlung zur Vorbereitung eines Angriffs beteiligt ist, verwirkt wegen seiner früheren Tätigkeit nicht sein Recht, als Kombattant und Kriegsgefangener zu gelten (5 44 Abs. 5).
327. Personen, die von sich behaupten, den Kombattantenstatus zu besitzen, können diesen bei drohender Strafverfolgung gerichtlich klären lassen. Wer
• in die Gewalt einer gegnerischen Partei geraten ist,
• nicht als Kriegsgefangener in Gewahrsam gehalten wird und
• von dieser Partei wegen einer im Zusammenhang mit den Feindseligkeiten begangenen Straftat gerichtlich verfolgt werden soll, ist berechtigt, sich vor einem Gericht („judicial tribunal") auf seinen Status als Kriegsgefangener zu berufen und eine Entscheidung des Gerichts herbeizuführen. Diese Statusentscheidung soll vor der Verhandlung über die Straftat getroffen werden (5 45 Abs. 2).