10.1.3 Seekriegsmaßnahmen, Zuständigkeiten und Grundsätze
a) Seekriegsmaßnahmen, Zuständigkeiten
1017. In bewaffneten Konflikten sind Seekriegsmaßnahmen im Sinne dieses Kapitels der
Einsatz von Waffen, einschließlich der (besonderen) Mittel und Methoden der Seekriegführung, auch Versenken sowie vor allem die folgenden Maßnahmen des Seehandelskrieges (sog. prisenrechtliche Maßnahmen):
• Anhaltung und Durchsuchung,
• Kursanweisung,
• Aufbringung von Schiffen,
• Beschlagnahme von Ladung,
• Einbringung und
• Einziehung.
Die Blockade ist keine prisenrechtliche Maßnahme. Der Bruch einer Blockade führt jedoch im prisenrechtlichen Sinne zur Einziehung des Schiffes. Darüber hinaus wird das Schiff dadurch zu einem militärischen Ziel.
1018. Bestimmte Maßnahmen von Kriegsschiffen gegen Schiffe, die in Ausübung seevölkerrechtlicher Befugnisse außerhalb bewaffneter Konflikte getroffen werden, können Seekriegsmaßnahmen äußerlich entsprechen, ohne deswegen notwendig dem Humanitären Völkerrecht zu unterliegen. Solche völkerrechtlichen Befugnisse bestehen auf Hoher See beispielsweise zur Bekämpfung
• der Seeräuberei (Piraterie) (48 105 i. V. m. 107, 110),
• des Sklavenhandels (48 110),
• unerlaubter Rundfunksender (48 109, 110) sowie
• des Drogenhandels41, ferner zur Ausübung des Rechts der Nacheile (48 111) und zur Wahrnehmung von Durchsetzungsbefugnissen zum Schutz der Meeresumwelt (48 224).
41 Artikel 17 Übereinkommen der VN vom 20.12.1988 gegen den unerlaubten Verkehr mit Suchtstoffen und psychotropen Stoffen (BGBl. 1993 II 1136, 1994 II 496); Artikel 11 Übereinkommen über den unerlaubten Verkehr auf See zur Durchführung des Artikels 17 des Übereinkommens der VN gegen den unerlaubten Verkehr mit Suchtstoffen und psychotropen Stoffen vom 31. Januar 1995 (BGBl. 1998 II 2233).
Aus dem Völkerrecht, insbesondere aus Resolutionen des VN-Sicherheitsrates auf der Grundlage von Kapitel VII der VN-Charta (34) können sich entsprechende Befugnisse ergeben (beispielsweise: maritime Operationen zur Bekämpfung der Weiterverbreitung von Massenvernichtungswaffen).
Den Staaten steht es frei, den Kriegsschiffen die Ausübung dieser völkerrechtlichen Befugnisse durch ihr nationales Recht zuzuweisen oder ihnen diese zu verwehren.
Flaggenstaaten haben auf Hoher See die Rechtshoheit über die ihre Flagge führenden Schiffe. Das Völkerrecht sieht also vor, dass alle Vorgänge, die sich auf Schiffen auf Hoher See ereignen, dem Recht des Flaggenstaates unterworfen sind. Hierdurch werden die Schiffe jedoch kein „schwimmendes Territorium" des Flaggenstaates. 1019. Zur Durchführung von Seekriegsmaßnahmen sind berechtigt:
• Kriegsschiffe,
• militärische Luftfahrzeuge und
• Einheiten der Land- und Luftstreitkräfte.
1020. Nicht berechtigt zur Durchführung von Seekriegsmaßnahmen sind:
• Staatsschiffe, die nicht Kriegsschiffe sind, auch wenn sie Hilfsaufgaben für die Seestreitkräfte ausführen,
• Handelsschiffe,
• Fischereifahrzeuge und andere zivile Schiffe,
• Prisenbesatzungen aufgebrachter Schiffe,
• Staatsluftfahrzeuge, die nicht militärische Luftfahrzeuge sind, und
• zivile Luftfahrzeuge.
Die Besatzungen aller Schiffe und Luftfahrzeuge sind jedoch berechtigt, sich gegen Angriffe gegnerischer Streitkräfte zu verteidigen. b) Grundsätze des Rechts des bewaffneten Konflikts zur See
1021. Soweit keine Sonderregelungen bestehen, sind im Seekrieg die allgemeinen Regeln des Humanitären Völkerrechts zu beachten. Im Seekrieg ist beispielsweise das Niederholen der Flagge ein Zeichen der Aufgabe des Widerstandes, sodass das betreffende Schiff nicht mehr angegriffen werden darf.
1022. Kriegslisten sind auch im Seekrieg zulässig. Anders als im Land- und Luftkrieg ist im Seekrieg darüber hinaus auch der Gebrauch falscher Flaggen und Kennzeichen – auch elektronischer Signaturen – außerhalb von Feindseligkeiten erlaubt (5 39 Abs. 3). Vor der Eröffnung des Gefechts muss jedoch stets die eigene Nationalität offengelegt, insbesondere die eigene Flagge gezeigt werden.
1023. Heimtücke ist auch im Seekrieg völkerrechtswidrig. Verboten ist insbesondere, zum Zweck der Tarnung das Rotkreuz-Zeichen zu führen oder einem Schiff auf andere Weise das Aussehen eines Lazarettschiffes zu geben. Ferner ist das missbräuchliche Führen der anderen dem Roten Kreuz gleichgestellten Schutzzeichen und der Parlamentärflagge untersagt (2 45; 5 37). Verboten ist ebenso das Vortäuschen einer Übergabe oder von Seenot durch Senden von Notsignalen oder Besetzen der Rettungsboote.
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