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12.2.4 Luftkrieg

1246. Der Luftraum eines neutralen Staates ist unverletzlich (14 40).
1247. Den Konfliktparteien ist es untersagt, mit militärischen Luftfahrzeugen, Raketen oder anderen Flugkörpern in neutralen Luftraum einzudringen (14 40), es sei denn
• einem in Luftnot geratenen militärischen Luftfahrzeug einer Konfliktpartei wird dies und die Landung in neutralem Gebiet durch den neutralen Staat erlaubt, wobei dieser zur Befolgung bestimmter Maßnahmen Anweisungen erteilen darf; der neutrale Staat muss das Luftfahrzeug zur Landung veranlassen, es beschlagnahmen und die Besatzung für die Dauer des Konflikts internieren (14 43);
• der Luftraum über neutralen internationalen Wasserstraßen und Archipelgewässern bleibt auch für die militärischen Luftfahrzeuge der Konfliktparteien jederzeit geöffnet, wobei dies auch für den Über- und Durchflug bewaffneter militärischer Luftfahrzeuge auf den festgelegten oder üblichen Routen gilt (48 44, 54),
• der neutrale Staat erlaubt militärischen Luftfahrzeugen der Konfliktparteien das Einfliegen in seinen Luftraum zum Zwecke der Kapitulation.
1248. Hiervon unberührt bleibt das Recht zur Durchfahrt und zum Überflug von internationalen Wasserstraßen und auf den in den Archipelgewässern festgelegten oder üblichen Durchfahrtswegen für die internationale Schifffahrt oder Flugstrecken für den Flugverkehr (48 44, 54).
1249. Eine Konfliktpartei darf keinen der folgenden Akte begehen:
• Angriff auf oder Gefangennahme von Personen oder Beschlagnahme von Objekten in neutralem Luftraum (14 39, 23 2),
• Nutzung neutralen Territoriums oder Luftraums als Operationsbasis für Angriffe, Zielbekämpfung oder Informationsbeschaffung gegen feindliche Ziele an Land, im Luftraum oder auf oder über See außerhalb dieses neutralen Gebiets einschließlich des Luftraums (23 5),
• Durchführung von Abfang-, Inspektions-, Umleitungs- oder Beschlagnahmemaßnahmen im Ver- hältnis zu Schiffen oder Flugzeugen in neutralem Gebiet (23 2) oder
• jede andere Maßnahme unter Anwendung von Waffengewalt oder als Beitrag zu den Anstren- gungen, den Konflikt für sich zu entscheiden, einschließlich Übertragung von Informationen oder Durchführung von Search-and-Rescue-Maßnahmen in neutralem Gebiet (14 42, 43; 23 2, 5).
1250. Der neutrale Staat ist verpflichtet, soweit seine praktisch verfügbaren Möglichkeiten es erlauben, sein Staatsgebiet zu überwachen, um Verletzungen seines Luftraumes zu verhindern.
Wird neutraler Luftraum durch eine Konfliktpartei verletzt, muss der neutrale Staat alle verfügbaren Mittel nutzen, um eine solche Verletzung zu beenden. Eingedrungene Luftfahrzeuge sind zur Umkehr, Wasserung oder Landung zu zwingen. Militärische Luftfahrzeuge einer Konfliktpartei sind für die Dauer des Konflikts zu beschlagnahmen. Die Besatzungen gelandeter Militärluftfahrzeuge einer
Konfliktpartei sind zu internieren (14 42). Solche Maßnahmen können unter keinen Umständen als feindlicher Akt gewertet werden (14 48, 17 10; 23 26).
1251. Sanitätsluftfahrzeugen kann erlaubt werden, das Gebiet des neutralen Staates zu über- fliegen und zwischenzulanden (1 37; 2 40; 5 31; 14 17).
1252. Für Überflug und Zwischenlandung ist eine Genehmigung einzuholen. Der neutrale Staat kann Bedingungen und Beschränkungen für das Überfliegen festsetzen (1 37 Abs. 2; 2 40 Abs. 2; 5 31).
1253. Neutrale Staaten müssen alle ihnen zur Verfügung stehenden Mittel nutzen, um kapitu- lierende militärische Luftfahrzeuge der Konfliktparteien im neutralen Territorium zur Landung zu veranlassen, für die Dauer des Konflikts die Luftfahrzeuge zu beschlagnahmen und die Besat- zungsmitglieder zu internieren. Sollte ein solches Luftfahrzeug feindliche Akte begehen oder den Anweisungen zur Landung nicht folgen, darf es ohne weitere Ankündigung bekämpft werden.
1254. Neutrale Staaten sind verpflichtet, den privaten Export oder die Durchfuhr von Luftfahrzeugen, Bauteilen davon oder Material, Ersatzteilen oder Munition für Luftfahrzeuge einer Konfliktpartei zu unterbinden, soweit der Export oder die Durchfuhr dieser Güter unter staatlicher Kontrolle steht (siehe hierzu schon Nr. 1209) (14 45, 17 7; 23 7). Insbesondere sind neutrale Staaten verpflichtet, alle ihnen zur Verfügung stehenden Mittel zu nutzen,
• um das Verlassen des eigenen Hoheitsbereichs durch ein Luftfahrzeug zu verhindern, das sich in einem Zustand befindet, in dem es einen feindlichen Angriff gegen eine Konfliktpartei durchführen könnte, wenn es Gründe für die Annahme gibt, dass das Luftfahrzeug zu solch einem Einsatz bestimmt ist (14 46 Abs. 1) und
• um das Verlassen des eigenen Hoheitsbereichs durch die Besatzung eines militärischen Luftfahrzeugs oder von Passagieren oder Besatzungsmitgliedern eines zivilen Luftfahrzeugs zu verhindern, die ihrerseits Mitglieder der Streitkräfte einer Konfliktpartei sind (14 46 Abs. 2).
1255. Der Umstand, dass ein ziviles Luftfahrzeug mit den Markierungen eines neutralen Staates gekennzeichnet ist, ist ein Prima-facie-Beweis (sog. Beweis des ersten Anscheins) seines neutralen Charakters. Folgende Aktivitäten lassen ein ziviles Luftfahrzeug eines neutralen Staates zu einem militärischen Ziel werden:
• Es besteht hinreichender Verdacht, ein solches Luftfahrzeug transportiere Konterbande und nach vorheriger Warnung oder dem Abfangen weigert es sich absichtlich und eindeutig, zu einem anderen als dem ursprünglichen Bestimmungsort oder zu einem vernünftigerweise erreichbaren gegnerischen Flugplatz zu fliegen, der für diese Art von Luftfahrzeug sicher ist (14 50).
• Teilnahme an feindlichen Aktivitäten zur Unterstützung des Gegners, z. B. Abfangen oder Angriff auf andere Luftfahrzeuge, Angriff auf Personen oder Objekte an Land oder auf See, Einsatz als
Angriffsmittel, Beteiligung an Maßnahmen Elektronischer Kampfführung, Weitergabe von Zieldaten an den Gegner (14 53 Buchst. c).
• Erleichtern der militärischen Aktivitäten der gegnerischen Streitkräfte, z. B. Durchführung von Truppentransporten, Transport militärischen Materials oder Auftanken militärischer Luftfahrzeuge (14 53 Buchst. c).
• Einbindung in die oder Unterstützung der gegnerischen Informationsbeschaffungsmaßnahmen, z. B.
Beteiligung an Aufklärung, Frühwarn- oder Überwachungsmaßnahmen oder Kommando-, Kontroll- und Informationsübermittlungsmaßnahmen.
• Weigerung, den Anweisungen der Militärbehörden Folge zu leisten, wenn diese Anweisungen zur Landung, Inspektion oder möglicher Beschlagnahme geben, oder die eindeutige Weigerung, Abfangmaßnahmen zu befolgen. • Jede andere Aktivität, die einen wirksamen Beitrag zu den militärischen Aktivitäten einer Konflikt- partei darstellt (14 53 Buchst. a-k).
1256. Das Recht neutraler Luftfahrzeuge zum Überfliegen des Territoriums der Konfliktparteien
richtet sich nach den allgemeinen Regeln des Völkerrechts über den Schutz des staatlichen Luft- raums und den Bestimmungen des internationalen Luftverkehrsrechts. 1257. Die Kontrolle, das Aufbringen und die Beschlagnahme von neutralen Zivilluftfahrzeugen über Seegebieten und die Behandlung ihrer Insassen richten sich nach den entsprechend anwendbaren Regeln des Seekriegsrechts bzw. Seeneutralitätsrechts (14 35, 49 ff.; 23). Ein Luftfahrzeug, das kein klar erkennbares Nationalitätskennzeichen eines neutralen Staates trägt, kann als feindliches Luftfahrzeug behandelt werden.