13.3 Schutzbestimmungen des II. Zusatzprotokolls
1312. Für die Anwendbarkeit der Schutzbestimmungen des II. Zusatzprotokolls (6) ist erforder- lich, dass
• ein bewaffneter Konflikt stattfindet, der keinen internationalen Charakter hat,
• der bewaffnete Konflikt auf dem Gebiet einer der Vertragsparteien entsteht,
• das I. Zusatzprotokoll nicht anwendbar ist,
• der bewaffnete Konflikt stattfindet zwischen
+ den Streitkräften einer Vertragspartei auf der einen Seite und
+ anderen organisierten bewaffneten Gruppen (z. B. abtrünnigen Streitkräften) auf der anderen Seite, und
• die organisierten bewaffneten Gruppen
+ unter einer verantwortlichen Führung stehen und
+ eine solche Kontrolle über einen Teil des Hoheitsgebiets der Hohen Vertragspartei
ausüben, dass sie anhaltende, koordinierte Kampfhandlungen durchführen und das II.
Zusatzprotokoll anzuwenden vermögen (6 1 Abs. 1).
1313. Das Diskriminierungsverbot untersagt hinsichtlich aller Personen jede nachteilige Unterscheidung nach Rasse, Hautfarbe, Geschlecht, Sprache, Religion oder Glauben, politischen oder sonstigen Anschauungen, nationaler oder sozialer Herkunft, Vermögen, Geburt oder sonstiger Stellung oder irgendeinem anderen ähnlichen Unterscheidungsmerkmal (6 2 Abs. 1).
1314. Alle Personen, die nicht unmittelbar oder nicht mehr an Feindseligkeiten teilnehmen, haben Anspruch auf Achtung ihrer Person, ihrer Ehre, ihrer Überzeugungen und ihrer religiösen Gepflogen- heiten. Sie werden unter allen Umständen mit Menschlichkeit und ohne jede nachteilige Unter- scheidung behandelt (6 4 Abs. 1). 1315. Hinsichtlich aller Personen, die nicht unmittelbar oder nicht mehr an Feindseligkeiten teilnehmen, betont das II. Zusatzprotokoll folgende Verbote:
• Angriffe auf das Leben, die Gesundheit und das körperliche oder geistige Wohlbefinden von Personen, insbesondere vorsätzliche Tötung und grausame Behandlung wie Folter, Verstümme- lung oder jede Art von körperlicher Züchtigung,
• Kollektivstrafen,
• Geiselnahme,
• terroristische Handlungen,
• Beeinträchtigung der persönlichen Würde, insbesondere entwürdigende und erniedrigende Behandlung, Vergewaltigung, Nötigung zur Prostitution und unzüchtige Handlungen jeder Art,
• Sklaverei und Sklavenhandel in allen ihren Formen,
• Plünderung sowie
• die Androhung einer dieser Handlungen (6 4 Abs. 2).
1316. Kinder unter fünfzehn Jahren dürfen weder in Streitkräfte oder bewaffnete Gruppen eingegliedert werden, noch darf ihnen die Teilnahme an Feindseligkeiten erlaubt werden (6 4 Abs. 3).
Für die Staaten, die wie Deutschland das Fakultativprotokoll zur VN-Kinderschutzkonvention (40) ratifiziert haben, gilt, dass bewaffnete Gruppen, die sich von den Streitkräften eines Staates unterscheiden, unter keinen Umständen Personen unter 18 Jahren einziehen oder in Feindseligkeiten einsetzen sollen (40 4).
1317. Personen, denen im Zusammenhang mit dem bewaffneten Konflikt die Freiheit entzogen ist,
• werden medizinisch versorgt,
• werden im gleichen Umfang wie die örtliche Zivilbevölkerung mit Lebensmitteln und Trinkwasser versorgt,
• wird Gesundheitsfürsorge und Hygiene gewährleistet, • erhalten Schutz vor Witterungseinflüssen und den Gefahren des bewaffneten Konflikts,
• sind befugt, Einzel- oder Sammelzuwendungen zu erhalten,
• dürfen ihre Religion ausüben und auf Wunsch und soweit angemessen geistlichen Beistand von Personen empfangen, die seelsorgerlich tätig sind, wie z. B. von Militärgeistlichen und
• haben, falls sie zur Arbeit herangezogen werden, Anspruch auf vergleichbare Arbeitsbedingungen und Sicherheitsvorkehrungen wie die örtliche Zivilbevölkerung (6 5 Abs. 1).
1318. Ihnen wird im Rahmen der Möglichkeiten ferner gewährleistet:
• Unterbringung von Frauen in Räumlichkeiten, die von denen der Männer getrennt sind, wobei jene der unmittelbaren Überwachung durch Frauen unterstehen,
• Befugnis zum Erhalt und Abschicken von Briefen und Postkarten, ggf. elektronischer Nachrichten,
• die Gewahrsamseinrichtungen dürfen nicht in der Nähe der Kampfzone liegen. Werden sie den aus dem bewaffneten Konflikt erwachsenden Gefahren besonders stark ausgesetzt, so werden die Gewahrsamspersonen evakuiert, sofern ihre Sicherheit dabei ausreichend gewährleistet werden kann,
• es ist ihnen Gelegenheit zu geben, sich ärztlich untersuchen zu lassen und
• ihre körperliche oder geistige Gesundheit und Unversehrtheit dürfen durch keine ungerechtfertigte Handlung oder Unterlassung gefährdet werden (6 5 Abs. 2).
1319. Die Personen, die wegen Straftaten verfolgt oder bestraft werden, die mit dem bewaffneten Konflikt im Zusammenhang stehen, erhalten elementare Justizgarantien (6 6).
1320. Alle Verwundeten, Kranken und Schiffbrüchigen werden ohne Ausnahme geschont und geschützt. Sie werden unter allen Umständen mit Menschlichkeit behandelt und erhalten so umfassend und so schnell wie möglich die für ihren Zustand erforderliche medizinische Pflege und Betreuung. Aus anderen als medizinischen Gründen darf kein Unterschied zwischen ihnen gemacht werden (6 7). Sobald die Umstände es zulassen, insbesondere aber nach einem Gefecht, werden unverzüglich alle durchführbaren Maßnahmen getroffen, um die Verwundeten, Kranken und Schiffbrüchigen zu suchen und zu bergen, sie vor Misshandlung und Plünderung zu schützen und für ihre angemessene Pflege zu sorgen sowie um die Toten zu suchen, ihre Beraubung zu verhindern und sie würdig zu bestatten (6 8).
1321. Das Sanitäts- und Seelsorgepersonal wird geschont und geschützt und erhält alle verfügbare Hilfe zur Wahrnehmung seiner Aufgaben. Es darf vom Gegner nicht gezwungen werden, Aufgaben zu übernehmen, die mit seinem humanitären Auftrag unvereinbar sind (6 9).
1322. Sanitätseinheiten und -transportmittel werden jederzeit geschont und geschützt und dürfen nicht angegriffen werden. Ihr Schutz endet nur dann, wenn sie zu feindlichen Handlungen verwendet werden und eine Warnung, die möglichst eine angemessene Frist setzt, unbeachtet geblieben ist (6 11).
1323. Unter Aufsicht der betreffenden zuständigen Behörde führen Sanitäts- und Seelsorge- personal sowie Sanitätseinheiten und -transportmittel das Schutzzeichen des roten Kreuzes, des Roten Halbmonds oder des roten Löwen mit Roter Sonne oder des Roten Kristalls auf weißem Grund.
Es ist unter allen Umständen zu achten und darf nicht missbräuchlich verwendet werden (6 12).
1324. Die Zivilbevölkerung und einzelne Zivilpersonen genießen allgemeinen Schutz vor den von Kampfhandlungen ausgehenden Gefahren. Weder die Zivilbevölkerung als solche noch einzelne
Zivilpersonen dürfen das Ziel von Angriffen sein. Die Anwendung oder Androhung von Gewalt mit dem hauptsächlichen Ziel, Schrecken unter der Zivilbevölkerung zu verbreiten, ist verboten.
Zivilpersonen genießen den durch diesen Teil gewährten Schutz, sofern und solange sie nicht unmittelbar an Feindseligkeiten teilnehmen (6 13).
1325. Das Aushungern von Zivilpersonen als Methode der Kampfführung ist verboten. Es ist verboten, für die Zivilbevölkerung lebensnotwendige Objekte wie Nahrungsmittel, zur Erzeugung von Nahrungsmitteln genutzte landwirtschaftliche Gebiete, Ernte- und Viehbestände, Trinkwasser- versorgungsanlagen und -vorräte sowie Bewässerungsanlagen zu diesem Zweck anzugreifen, zu zerstören, zu entfernen oder unbrauchbar zu machen (6 14). 1326. Es ist verboten, den Befehl zu erteilen, niemanden am Leben zu lassen (6 4 Abs. 1).
1327. Anlagen und Einrichtungen, die Kräfte gefährlicher Art enthalten, nämlich Staudämme, Deiche und Kernkraftwerke, dürfen auch dann nicht angegriffen werden, wenn sie militärische Ziele darstellen, sofern ein solcher Angriff gefährliche Kräfte freisetzen und dadurch schwere Verluste unter der Zivilbevölkerung verursachen kann (6 15).
1328. Feindselige Handlungen dürfen nicht gegen geschichtliche Denkmäler, Kunstwerke oder Kultstätten, die zum kulturellen oder geistigen Erbe der Völker gehören, gerichtet werden. Diese Kulturgüter dürfen nicht zur Unterstützung des militärischen Einsatzes verwendet werden (6 16, 24, 24 c, siehe auch Abschnitt 9).
1329. Die Verlegung der Zivilbevölkerung im Zusammenhang mit dem Konflikt darf nur angeordnet werden, wenn dies im Hinblick auf die Sicherheit der betreffenden Zivilpersonen oder aus zwingenden militärischen Gründen geboten ist. Muss eine solche Verlegung vorgenommen werden, so sind alle durchführbaren Maßnahmen zu treffen, damit die Zivilbevölkerung am Aufnahmeort befriedigende Bedingungen in Bezug auf Unterbringung, Hygiene, Gesundheit, Sicherheit und Ernährung vorfindet. Zivilpersonen dürfen nicht gezwungen werden, ihr eigenes Gebiet aus Gründen zu verlassen, die mit dem Konflikt im Zusammenhang stehen (6 17).
 
                
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