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10.4 Lazarettschiffe

1064. Im Seekrieg stehen nachstehend bezeichnete Schiffe und Boote (Sanitätstransportmittel) unter besonderem Schutz und dürfen unter keinen Umständen angegriffen, versenkt oder aufgebracht werden:
• militärische Lazarettschiffe, also Schiffe, die von den Mächten einzig und allein dazu erbaut und eingerichtet worden sind, Verwundeten, Kranken und Schiffbrüchigen Hilfe zu bringen, sie zu pflegen und zu befördern (2 22),
• die von nationalen Gesellschaften des Roten Kreuzes/Roten Halbmonds, von amtlich anerkannten Hilfsgesellschaften oder von Privatpersonen eingesetzten Lazarettschiffe (2 24-26),
• die von einem Staat oder von amtlich anerkannten Hilfsgesellschaften eingesetzten Küsten- rettungsboote, soweit es die Erfordernisse der Kampfhandlungen gestatten (2 27) sowie
• Schiffe, die dazu bestimmt sind, verwundete und kranke Zivilpersonen zu befördern (4 21; 5 22).
1065. Die Namen der militärischen Lazarettschiffe und ihre Merkmale sind mindestens zehn Tage vor dem ersten Einsatz den am Konflikt beteiligten Parteien mitzuteilen (2 22). Das gilt auch für die Lazarettschiffe von nationalen Gesellschaften, amtlich anerkannten Hilfsgesellschaften und Privat- personen, die außerdem der vorherigen Einwilligung ihrer eigenen Regierung und der Ermächtigung einer am Konflikt beteiligten Partei bedürfen (2 22, 25).
1066. Lazarettschiffe werden auf folgende Weise gekennzeichnet:
• alle äußeren Flächen sind weiß;
• das Schutzzeichen des roten Kreuzes wird einmal oder mehrmals möglichst groß auf beiden Seiten des Rumpfes und auf den waagerechten Flächen so aufgemalt, dass es von See und aus der Luft gut sichtbar ist;
• eine weiße Flagge mit rotem Kreuz wird rundum sichtbar so hoch wie möglich gesetzt.
Außerdem führen alle Lazarettschiffe ihre Nationalflagge, neutrale Schiffe zusätzlich die Flagge der Konfliktpartei, deren Aufsicht sie sich unterstellt haben (2 43). Nachts sind nach Möglichkeit Bemalung und Schutzzeichen hinreichend sichtbar zu machen.
1067. Weitere Arten der Kenntlichmachung, etwa durch international anerkannte Erkennungssignale (Lichtsignale, Funksignale, elektronische Kennzeichnung) sind zulässig (5 6-9 Anhang I). So sollen unter dem Schutz der vier Genfer Abkommen von 1949 und des I. Zusatzprotokolls stehende Wasserfahrzeuge ein oder mehrere blaue Blinklichter aufweisen, die nach allen Seiten sichtbar sind.
Das blaue Blinklicht soll sechzig bis hundert Lichtblitze in der Minute ausstrahlen (5 6 Abs. 1 Anhang I). Geschützte Sanitätstransportmittel können zu ihrer Kennzeichnung und Ortung genormte Radartransponder verwenden; sie sollen von Unterseebooten an geeigneten akustischen Unterwassersignalen erkannt werden können, die von den Sanitätstransportmitteln gesendet werden (5 9 Anhang I).
1068. Rettungsboote von Lazarettschiffen, Küstenrettungsboote und alle im Sanitätsdienst verwendeten kleineren Wasserfahrzeuge werden ebenso gekennzeichnet wie Lazarettschiffe (2 43 Abs. 3; 5 23 Abs. 1).
1069. Lazarettschiffe müssen allen Verwundeten, Kranken und Schiffbrüchigen ohne Unterschied der Nationalität Hilfe gewähren (2 30). Sie dürfen auf keinen Fall zu militärischen Zwecken eingesetzt werden.
1070. Lazarettschiffe dürfen Funkanlagen haben. Sie dürfen jedoch für ihre Sendungen mit Funk oder anderen Nachrichtengeräten keinen Geheimcode besitzen oder verwenden (2 34 Abs. 2), wobei Digitalisierung als solche nicht als Verwendung von Geheimcodes angesehen wird. Zulässig ist ferner (2 35)
• die Verwendung von Geräten für die Sicherung der Navigation,
• die Beförderung von ausschließlich für sanitätsdienstliche Zwecke bestimmtem Material und Personal in größerem Ausmaß als üblicherweise erforderlich,
• das Mitführen und der Gebrauch von Handwaffen durch das Personal eines Lazarettschiffes zur Aufrechterhaltung der Ordnung, zur eigenen Verteidigung oder zur Verteidigung der Verwundeten und Kranken,
• das Mitführen von Handwaffen und Munition, die den Verwundeten, Kranken und Schiffbrüchigen abgenommen, aber der zuständigen Dienststelle noch nicht abgeliefert sind, und
• die Aufnahme verwundeter, kranker oder schiffbrüchiger Zivilpersonen.
Die Sicherung von Lazarettschiffen durch eigene Kriegsschiffe oder Kriegsschiffe verbündeter Staaten ist zulässig.
1071. Jedes Lazarettschiff, das in einem Hafen liegt, der dem Gegner in die Hände fällt, ist berechtigt auszulaufen (2 29). Während der Feindseligkeiten und nach ihrer Beendigung handeln Lazarettschiffe auf eigene Gefahr. Sie dürfen nicht die Bewegungen der Kämpfenden behindern (2 30).
1072. Lazarettschiffe unterliegen zwar nicht der Aufbringung, wohl aber der Kontrolle und Durchsuchung der am Konflikt beteiligten Parteien (2 31). Jedes Kriegsschiff kann sowohl von Lazarettschiffen als auch von anderen Schiffen die Auslieferung der Verwundeten, Kranken und Schiffbrüchigen verlangen, ohne Rücksicht auf die Nationalität dieser Schiffe. Voraussetzung ist allerdings, dass
• der Gesundheitszustand der Verwundeten und Kranken dies gestattet und
• das übernehmende Kriegsschiff über die zur Pflege nötigen Einrichtungen verfügt (2 14; 5 30).
1073. Die Krieg führenden sind nicht verpflichtet, die Hilfe der Lazarettschiffe anzunehmen. Sie können ihnen befehlen, sich zu entfernen, ihnen einen bestimmten Kurs anweisen, die Verwendung der Nachrichtenmittel regeln und sie bei besonders schwerwiegenden Umständen für die Dauer von
höchstens sieben Tagen zurückhalten (2 31 Abs. 1). Zur Überwachung derartiger Anordnungen kann eine Kommissarin bzw. ein Kommissar an Bord gegeben werden. Auch neutrale Beobachterinnen bzw.
Beobachter können von den Konfliktparteien zur Überwachung an Bord genommen werden (2 31 Abs. 4).
1074. Der den Lazarettschiffen und Schiffslazaretten gebührende Schutz darf nur enden, wenn diese außerhalb ihrer humanitären Aufgaben zu Handlungen verwendet werden, die den Gegner schädigen, insbesondere wenn sie für Kampfhandlungen oder für deren Vorbereitung missbraucht werden. Jedoch hört der Schutz erst auf, nachdem eine Warnung, die in allen geeigneten Fällen eine angemessene Frist setzt, unbeachtet geblieben ist (2 34).
1075. Das geistliche, ärztliche und Lazarettpersonal von Lazarettschiffen und deren Besatzung werden geschont und geschützt. Sie dürfen während des Dienstes auf diesen Schiffen nicht gefangen genommen werden. Dies gilt auch, wenn keine Verwundeten oder Kranken an Bord sind (2 36).
1076. Das Personal der Lazarettschiffe einschließlich der Besatzung trägt eine weiße Armbinde mit dem Schutzzeichen. Sie darf ebenso wie die Ausweiskarte nicht abgenommen werden (2 42).