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10.1.2 Der räumliche Anwendungsbereich des Seekriegsrechts

1011. Der räumliche Anwendungsbereich des Seekriegsrechts umfasst das den Seestreit-
kräften zugängliche Kriegsgebiet, also insbesondere
• die inneren Gewässer, die Archipelgewässer sowie die Küstenmeere der Konfliktparteien,
• die Hohe See,
• ausschließliche Wirtschaftszonen,
• Anschlusszonen,
• Festlandsockelgebiete,
• den Seestreitkräften zugängliche Landgebiete der Konfliktparteien sowie
• den Luftraum über diesen Gebieten.
Ausgenommen sind diejenigen Gebiete, in denen militärische Handlungen aufgrund völkerrechtlicher Vereinbarungen verboten sind.
1012. Innere Gewässer sind die landwärts der Basislinie des Küstenmeeres gelegenen Gewässer (48 8).
1013. Die Souveränität eines Küstenstaates erstreckt sich jenseits seines Landgebiets und seiner inneren Gewässer sowie im Fall eines Archipelstaates jenseits seiner Archipelgewässer auf einen angrenzenden Meeresstreifen, der als Küstenmeer bezeichnet wird (48 2 Abs. 1). Archipel- gewässer sind die landwärts von Archipelbasislinien gelegenen Gewässer (48 47). Die Staaten haben das Recht, die Breite ihrer Küstenmeere bis zu einer Grenze festzulegen, die höchstens 12 Seemeilen von den Basislinien entfernt sein darf (48 3). Die seewärtige Grenze des Küstenmeeres ist die Linie, auf der jeder Punkt vom nächstgelegenen Punkt der Basislinie um die Breite des Küstenmeeres entfernt ist. Die sog. Anschlusszone (max. 24 Seemeilen von der Basislinie) (48 33 Abs. 2) gehört nicht mehr zum Küstenmeer.
1014. Ausschließliche Wirtschaftszonen (48 55 ff.) dürfen sich nicht weiter als 200 Seemeilen von den Basislinien erstrecken, von denen aus die Breite des Küstenmeeres gemessen wird.
Während die Küstenstaaten bzw. Archipelstaaten in den inneren Gewässern, den Archipelgewässern und den Küstenmeeren volle Souveränität ausüben, stehen ihnen in der ausschließlichen Wirtschaftszone lediglich bestimmte souveräne Rechte und Hoheitsbefugnisse zu. Zwar zählt die ausschließliche Wirtschaftszone nicht zur Hohen See, doch genießen andere Staaten dort die Freiheiten der Schifffahrt und des Überflugs sowie eingeschränkte weitere Freiheiten. Die Rechte und Hoheitsbefugnisse des Küstenstaates schließen nicht das Recht ein, über militärische Übungen oder Manöver benachrichtigt zu werden. Es besteht keine Pflicht, für diese eine Genehmigung des Küstenstaates einzuholen. Seekriegsmaßnahmen können wie auf der Hohen See grundsätzlich auch in der ausschließlichen Wirtschaftszone neutraler bzw. nicht am Konflikt beteiligter Staaten durchgeführt werden, jedoch sind die Rechte des Küsten- bzw. Archipelstaates gebührend zu berücksichtigen. Auch Deutschland besitzt ausschließliche Wirtschaftszonen in Nord- und Ostsee.39
1015. Die Hohe See (48 86 ff.) umfasst alle Meeresteile, die nicht zur ausschließlichen Wirtschaftszone, zum Küstenmeer, zu den inneren Gewässern eines Staates oder zu den Archipelgewässern eines Archipelstaates gehören. Die Hohe See ist – ebenso wie die ausschließliche Wirtschaftszone – ein Gebiet, das nicht zu dem Hoheitsgebiet irgendeines Staates gehört und daher „Niemandsraum" oder aber „internationalen Gemeinschaftsraum" darstellt.
1016. Auch Festlandsockelgebiete neutraler bzw. nicht am Konflikt beteiligter Staaten können zu der von Kampfhandlungen betroffenen Hohen See gehören. Die Rechte der betroffenen Küsten- bzw.
Archipelstaaten sind gebührend zu berücksichtigen. Der Festlandsockel eines Küstenstaates40 umfasst den – jenseits seines Küstenmeeres gelegenen – Meeresboden und Meeresuntergrund der Unterwassergebiete, die sich über die gesamte natürliche Verlängerung seines Landgebiets bis zur

39 Zu Deutschland: Proklamation vom 25.November 1994 über die Errichtung einer ausschließlichen Wirtschaftszone der Bundesrepublik Deutschland in der Nordsee und in der Ostsee (BGBl. 1994 II 3769).
Vgl. Proklamation vom 21. Dezember 1976 über die Errichtung einer Fischereizone der Bundesrepublik Deutschland in der Nordsee (BGBl. 1976 II 1999); Proklamation vom 18.05.1978 über die Errichtung einer Fischereizone der Bundesrepublik Deutschland in der Ostsee (BGBl. 1978 II 867). 40 Zu Deutschland siehe: Proklamation vom 20.01.1964 über die Erforschung und Ausbeutung des deutschen Festlandssockels (BGBl. 1964 II 104).


äußeren Kante des Festlandrands erstrecken oder bis zu einer Entfernung von 200 Seemeilen von den Basislinien, von denen aus die Breite des Küstenmeeres gemessen wird, wo die äußere Kante des Festlandrands in einer geringeren Entfernung verläuft (48 76 Abs. 1).