4.3 ABC-Kampfmittel
a) Nuklearwaffen
462. Es bestehen bereits zahlreiche multilaterale und bilaterale Verträge, die eine Weitergabe von Nuklearwaffen verbieten, Nuklearwaffentests einschränken oder verbieten, die Stationierung von Nuklearwaffen verbieten, nuklearwaffenfreie Zonen schaffen, den Umfang der nuklearen Bewaffnung beschränken oder den Ausbruch eines Nuklearkriegs verhüten sollen, insbesondere:
• Vertrag über die Nichtverbreitung von Kernwaffen vom 1. Juli 1968,
• Vertrag über das Verbot von Kernwaffenversuchen in der Atmosphäre, im Weltraum und unter Wasser vom 5. August 1963,
• Weltraumvertrag vom 27. Januar 1967,
• Vertrag über das Verbot von Kernwaffen in Lateinamerika vom 14. Februar 1967,
• Meeresbodenvertrag vom 11. Februar 1971,
• Abkommen über bestimmte Maßnahmen hinsichtlich der Begrenzung von strategischen Angriffswaffen vom 26. Mai 1972 (SALT I-Vertrag),
• Vertrag über die Errichtung einer kernwaffenfreien Zone im Südpazifik vom 6. August 1985,
• Vertrag über die Beseitigung der amerikanischen und sowjetischen Flugkörper mittlerer und kürzerer Reichweite vom 8. Dezember 1987 (INF-Vertrag),
• Vertrag über die Reduzierung und Begrenzung amerikanischer und sowjetischer strategischer Offensivwaffen vom 31. Juli 1991 (START-Vertrag) mit Protokoll vom 23. Mai 1992,
• Vertrag zwischen den USA und der Russischen Föderation über die weitere Reduzierung und Begrenzung strategischer Offensivwaffen vom 3. Januar 1993 (START II-Vertrag),
• Vertrag über das umfassende Verbot von Nuklearversuchen vom 24. September 1996,
• Moskauer Vertrag über die Reduzierung der strategischen Offensivwaffen vom 24. Mai 2002 (SORT-Vertrag) sowie
• Prager Vertrag vom 8. April 2010 zwischen der USA und der Russischen Föderation zur weiteren Reduzierung und Begrenzung strategischer Offensivwaffen.
463. Die Bundesregierung und eine Reihe weiterer Staaten gehen davon aus, dass die vom I.
Zusatzprotokoll zu den Genfer Abkommen (5) eingeführten neuen vertraglichen Regeln nur für konventionelle Waffen gelten. Das schließt nicht aus, dass andere, insbesondere gewohnheits- rechtliche Regeln auf Nuklearwaffen Anwendung finden.
464. Die Bundesrepublik Deutschland hat auf Nuklearwaffen verzichtet. Die Bundesrepublik
Deutschland hat sich gemäß Artikel I des Protokolls Nr. III zum Brüsseler Vertrag (WEU-Vertrag) vom 23. Oktober 1954 (42) verpflichtet, in ihrem Gebiet keine Nuklearwaffen herzustellen. Sie hat sich in
dem Vertrag über die Nichtverbreitung von Kernwaffen vom 1. Juli 1968 verpflichtet, Nuklearwaffen
und sonstige Nuklearsprengkörper oder die Verfügungsgewalt darüber von niemandem unmittelbar oder mittelbar anzunehmen, Nuklearwaffen oder sonstige Nuklearsprengkörper weder herzustellen, noch sonst wie zu erproben und keine Unterstützung zur Herstellung solcher Waffen zu gewähren oder anzunehmen. Dieser Verzicht wurde im 2+4-Vertrag vom 12. September 1990 mit Wirkung für das vereinte Deutschland bekräftigt (43 3). Das deutsche Gesetz über die Kontrolle von Kriegswaffen (KWKG) bedroht Zuwiderhandlungen mit Strafe, soweit es sich nicht um Nuklearwaffen handelt, die der Verfügungsgewalt von NATO-Mitgliedstaaten unterstehen oder in deren Auftrag entwickelt oder hergestellt werden.
Der IGH in Den Haag hat in seinem auf Antrag der VN-Generalversammlung erstellten Gutachten zu den Nuklearwaffen vom 8. Juli 1996 ausgeführt, dass weder Völkervertragsrecht noch geltendes Völkergewohnheitsrecht eine spezielle Ermächtigung zur Androhung oder zum Einsatz von Nuklearwaffen enthalte, allerdings auch keine der genannten Quellen ein spezifisches auf Nuklearwaffen als solche bezogenes Verbot vorsehe.
Dennoch müsse eine Androhung oder ein Einsatz von Nuklearwaffen in jedem Fall mit den Erfordernissen des in bewaffneten Konflikten anwendbaren Völkerrechts in Einklang stehen, insbesondere mit den Prinzipien und Regeln des Humanitären Völkerrechts sowie den besonderen Verpflichtungen aus Verträgen und anderen Abkommen, die ausdrücklich Nuklearwaffen zum Gegenstand haben.
465. Entsprechend dem strategischen Konzept der NATO von 2010 bleibt die Notwendigkeit zur nuklearen Abschreckung durch das Bündnis bestehen, solange nukleare Waffen ein Mittel militärischer Auseinandersetzung bleiben können. In diesem Sinne kommt Nuklearwaffen friedenssichernde und konfliktverhütende Bedeutung zu. Daher hat die Bundesregierung bereits anlässlich der Ratifikation des I. und II. Zusatzprotokolls zu den Genfer Abkommen erklärt, dass nach dem Verständnis der Bundesrepublik Deutschland die vom I. Zusatzprotokoll eingeführten Bestimmungen über den Einsatz von Waffen in der Absicht aufgestellt worden sind, nur auf konventionelle Waffen Anwendung zu finden, unbeschadet sonstiger, auf andere Waffenarten anwendbarer Regeln des Völkerrechts. b) Chemische Waffen
466. Die Bundesrepublik Deutschland hatte sich bereits mit Artikel I des Protokolls Nr. III zum WEU-Vertrag vom 23. Oktober 1954 (42) verpflichtet, in ihrem Gebiet auch keine chemischen Waffen herzustellen. Sie hat darüber hinaus bei Unterzeichnung des B-Waffen-Übereinkommens am 10. April 1972 erklärt, dass sie chemische Kampfstoffe, auf deren Herstellung sie bereits verzichtet hat, entsprechend ihrer bisher eingenommenen Haltung weder entwickeln, noch erwerben noch unter eigener Kontrolle lagern wird. Dieser Verzicht wurde im 2+4-Vertrag vom 12. September 1990 mit Wirkung für das vereinte Deutschland bekräftigt (43 3), wobei ausdrücklich der Besitz von und die Verfügungsgewalt über chemische Waffen mit in den Verzicht einbezogen wurden.
467. Nach dem Chemiewaffenübereinkommen (CWÜ) vom 13. Januar 1993 (29) ist es unter allen Umständen verboten, chemische Waffen zu entwickeln, herzustellen, auf andere Weise zu erwerben, zu lagern oder zurückzubehalten oder an irgendjemanden unmittelbar oder mittelbar weiterzugeben oder einzusetzen (29 I Abs. 1 Buchst. a und b). Um die umfassenden Verbote des Übereinkommens abzusichern, enthält das Chemiewaffenübereinkommen ein detailliertes Abrüstungs- und Kontrollregime.
468. Bereits vor Inkrafttreten des Chemiewaffenübereinkommens war die Verwendung von erstickenden, giftigen oder gleichartigen Gasen sowie allen ähnlichen Flüssigkeiten, Stoffen oder ähnlichen Verfahren im Krieg durch Völkervertragsrecht verboten, vor allem durch das Genfer Gifgasprotokoll von 1925 (10). Der Umfang des Einsatzverbotes ist jedoch durch einseitige Erklärungen zahlreicher Staaten bei ihrer Bindung an das Genfer Giftgasprotokoll beschränkt, dass ihre darin eingegangene Verpflichtung endet, wenn die gegnerische Konfliktpartei oder einer ihrer Verbündeten selbst gegen die niedergelegten Verbote verstößt.
469. Chemische Waffen im Sinne des Chemiewaffenübereinkommen sind Chemikalien, die, ungeachtet ihrer Herkunft oder der Art ihrer Produktion, durch ihre chemische Wirkung auf die Lebensvorgänge den Tod, eine vorübergehende Handlungsunfähigkeit oder einen Dauerschaden bei Mensch oder Tier herbeiführen können (29 II Abs. 2).
470. Zur Zulässigkeit des Einsatzes von Mitteln zur Bekämpfung von Unruhen29 („Riot Control Agents", z. B. Reizstoffe, Pfefferspray) gilt Folgendes: Einerseits verpflichtet das CWÜ gemäß Artikel I Abs. 5 die Vertragsstaaten, Mittel zur Bekämpfung von Unruhen nicht als Mittel der Kriegführung („method of warfare") einzusetzen. Damit ist die Verwendung von Reizstoffen in bewaffneten Konflikten zur Bekämpfung des Gegners verboten. Andererseits erlaubt das CWÜ jedoch den Einsatz solcher Reizstoffe zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung („law enforcement") einschließlich der innerstaatlichen Bekämpfung von Unruhen (Artikel II Nr. 9 Buchst. d CWÜ).
471. In nationales Recht umgesetzt wurde diese Vorgabe des CWÜ mit dem deutschen Ausführungsgesetz zum CWÜ (CWÜAG) vom 2. August 1994 in der Fassung vom 11. Oktober 2004 (50). Soweit die bundesgesetzliche Rechtslage einen nationalen Rechtsrahmen geschaffen hat, der engere Grenzen für den Einsatz von Reizstoffen als das völkerrechtliche Übereinkommen aufweist, geht dieser nationale Rahmen dem völkerrechtlichen vor. Das CWÜAG ermöglicht den Einsatz von Mitteln zur Bekämpfung von Unruhen zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, auch durch die Bundeswehr im Rahmen verfassungsrechtlich zulässiger Einsätze (bei Einsätzen im Rahmen eines Systems gegenseitiger kollektiver Sicherheit (Artikel 24 Abs. 2 des GG) sowie die Ausbildung zu einem solchen Einsatz.
29 Nach Artikel II Nr. 7 handelt es sich bei Mitteln zur Bekämpfung von Unruhen um Chemikalien, die – wie etwa Reizstoffe und Pfefferspray – bei Menschen spontan sensorische Irritationen oder handlungsunfähig machende Wirkungen hervorrufen können, die innerhalb kurzer Zeit nach der Exposition verschwinden. Diese Mittel zur Bekämpfung von Unruhen dürfen nur Substanzen enthalten, die nicht als verbotene Substanzen in den Listen des CWÜ aufgeführt sind.
472. Verboten sind im bewaffneten Konflikt die Vergiftung von Einrichtungen der Wasser- versorgung, von Nahrungsmitteln und von Objekten zur Nahrungsmittelerzeugung (5 54 Abs. 2; 6 14).
Unbeabsichtigte und unerhebliche Nebenwirkungen von ansonsten erlaubten Kampfmitteln sind von dem Verbot nicht betroffen.
473. Zuwiderhandlungen gegen die C-Waffen betreffenden Verbote sind in Deutschland nach dem Gesetz über die Kontrolle von Kriegswaffen und nach dem Völkerstrafgesetzbuch (35 12 Abs. 1 Nr. 2) strafbar. Die Verwendung erstickender, giftiger oder gleichartiger Gase sowie aller ähnlichen Flüssigkeiten, Stoffe oder Vorrichtungen ist als Kriegsverbrechen strafbar (33 8 Abs. 2 Buchst. b xviii). c) Biologische Waffen und Toxinwaffen
474. Das Verbot des Einsatzes biologischer Waffen stellt Völkergewohnheitsrecht dar.
Insbesondere lebende Organismen wie Viren, Bakterien und Mikroben sowie aus ihnen gewonnene Stoffe (Toxine) können biologische Waffen darstellen.
475. Die Verwendung bakteriologischer Kampfmittel ist seit dem Genfer Protokoll von 1925 verboten (10).
476. Entwicklung, Herstellung, Erwerb und Lagerung von bakteriologischen (biologischen) Waffen und von Toxinwaffen sind verboten (11). Diese Verbote gelten sowohl für biotechnologische als auch für synthetische Verfahren, die anderen als friedlichen Zwecken dienen. Sie schließen gentechnische Verfahren und gentechnisch veränderte Mikroorganismen ein.30
477. Das deutsche Gesetz über die Kontrolle von Kriegswaffen und das Völkerstrafgesetzbuch (35 12 Abs. 1 Nr. 2) bedrohen Zuwiderhandlungen gegen die B-Waffen-Verbote mit Strafe.
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