8 Schutz der Kriegsgefangenen
8.1 Allgemeines
801. Zweck der Kriegsgefangenschaft ist der Ausschluss gegnerischer Kräfte von weiteren Kampfhandlungen. Sie sind keine Strafgefangenen, sondern nur Sicherungsgefangene.
Kriegsgefangene sind Gefangene des gegnerischen Staates, dessen Gewalt sie unterstehen
(Gewahrsamsstaat).
802. Der Gewahrsamsstaat ist für die Behandlung der Kriegsgefangenen verantwortlich (3 12 Abs. 1). Die Kriegsgefangenen können unter keinen Umständen auf die ihnen durch das III. Genfer Abkommen gewährten Rechte – auch nicht teilweise – verzichten (3 7).
803. Ein Gewahrsamsstaat darf Kriegsgefangene nur dann an eine andere Macht übergeben, wenn
• die andere Macht Vertragspartei des III. Genfer Abkommens ist und
• der Gewahrsamsstaat sich vergewissert hat, dass die andere Macht willens und in der Lage ist, die Regeln des III. Genfer Abkommens zum Schutz der Kriegsgefangenen anzuwenden (3 12 Abs. 2).
804. Für die Behandlung von Kriegsgefangenen gelten folgende Grundregeln:
• Es ist verboten, Kriegsgefangene unmenschlich oder entehrend zu behandeln (3 13, 14);
• Benachteiligungen aufgrund von Rasse, Nationalität, Religion, politischer Meinung oder ähnlichen Merkmalen sind unzulässig (3 16);
• Repressalien gegenüber Kriegsgefangenen sind untersagt (3 13 Abs. 3).
Es ist verboten, an Kriegsgefangenen Verstümmelungen oder medizinische oder wissenschaftliche Versuche irgendwelcher Art vorzunehmen, die nicht durch die ärztliche Behandlung des betreffenden Kriegsgefangenen gerechtfertigt sind und nicht in seinem Interesse liegen (3 13 Abs. 1 Satz 3). Im Übrigen gelten auch hier die Verbote nach Nr. 606.
805. Folter ist international geächtet und völkerrechtlich verboten (1 12; 2 12; 3 13, 17 Abs. 4; 5 75 Abs. 2 Buchst. a ii). Die Folter von Kriegsgefangenen ist unter keinen Umständen erlaubt und als Kriegsverbrechen strafbar (33 8 Abs. 2 Buchst. a ii).
806. Vertreterinnen bzw. Vertreter der Schutzmacht und Delegierte des IKRK dürfen die Kriegsgefangenen jederzeit in ihren Lagern besuchen und sich einzeln und ohne Zeuginnen bzw.
Zeugen mit ihnen unterhalten. Das Humanitäre Völkerrecht gibt dem IKRK den Auftrag, in internationalen bewaffneten Konflikten Kriegsgefangene (3 126 Abs. 4) zu besuchen. Die Gefangenenbesuche des IKRK umfassen Gespräche mit der Lagerleitung, die Inspektion des Lagergeländes und aller relevanter Räumlichkeiten, das Gespräch mit den einzelnen Gefangenen sowie die Möglichkeit für die Gefangenen, mit Standardformularen kurze Nachrichten an ihre Familien zu senden. Aus den gewonnenen Informationen und Erkenntnissen werden Berichte erstellt, die grundsätzlich streng vertraulich sind und ausschließlich an die verantwortlichen Behörden des Gewahrsamsstaates weitergeleitet werden.
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