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5.4.4 Inanspruchnahme ziviler Leistungen durch die Besatzungsmacht

549. Die Besatzungsmacht kann im Rahmen der bestehenden Rechtsvorschriften Steuern, Zölle und Gebühren selbst erheben. Daraus sind die Verwaltungskosten zu tragen (16a 48). Darüber hinausgehende Geldauflagen dürfen nur zur Deckung des Bedarfs der Besatzungstruppen oder der Verwaltungskosten erhoben werden (16a 49).
550. Außerordentliche Auflagen (Kontributionen) dürfen nur aufgrund eines schriftlichen Befehls eines selbstständig kommandierenden Generals erhoben werden. In jedem Fall ist dem Leistenden eine Empfangsbestätigung auszuhändigen (16a 51).
551. Für den Bedarf der Besatzungsstreitkräfte kann ein örtlicher Befehlshaber von der Bevölkerung und von den Behörden des besetzten Gebietes Sach- und Dienstleistungen (Requisitionen) fordern (16a 52 Abs. 1 und 2). Diese müssen im Verhältnis zur Leistungsfähigkeit des Landes stehen. Die Bevölkerung zu Kriegshandlungen gegen den eigenen Staat zu zwingen, ist untersagt (16a 52 Abs. 1).
552. Für Requisitionen ist grundsätzlich bar zu bezahlen. Ist dies nicht möglich, sind Quittungen auszustellen. Die Bezahlung ist dann möglichst bald nachzuholen (16a 52 Abs. 3).
553. Bewegliches Staatseigentum, das geeignet ist, Kriegszwecken zu dienen, wird Kriegsbeute (16a 53 Abs. 1). Mit der Wegnahme geht es entschädigungslos in das Eigentum des besetzenden
Staates über. Kriegsbeute werden z. B. Bargeld, Beförderungsmittel, Waffen und Vorräte an Lebensmitteln (16a 53 Abs. 1). Letztere dürfen nur unter Berücksichtigung der Bedürfnisse der Bevölkerung beschlagnahmt werden (4 55 Abs. 2). Zunächst ist der Bedarf der Bevölkerung zu decken (4 55 Abs. 1).
554. Bewegliches Privateigentum, soweit es Kriegszwecken dienen kann, sowie unbewegliches Staatseigentum dürfen nur beschlagnahmt, nicht aber enteignet werden (16a 53 Abs. 2, 55). Ein Eigentumsübergang auf den besetzenden Staat findet nicht statt; öffentliche Gebäude, Liegenschaften, Wälder und landwirtschaftliche Betriebe, die dem gegnerischen Staat gehören und sich in dem besetzten Gebiet befinden, sollen von dem besetzenden Staat nach den Regeln des Nießbrauchs verwaltet und der Bestand dieser Güter von ihm erhalten werden (16a 55). Spätestens mit Beendigung der Besatzung sind die beschlagnahmten Gegenstände und Liegenschaften zurückzugeben.
555. Alles Privateigentum ist vor einer dauernden Beschlagnahme oder Zerstörung geschützt (16a 23 Abs. 1 Buchst. g, 46 Abs. 2). Ausgenommen sind requirierte Bedarfsgüter, die zum Verbrauch bestimmt sind. Die Erklärung, dass Rechte und Forderungen von Angehörigen der gegnerischen Konfliktpartei aufgehoben, zeitweilig ausgesetzt oder vor Gericht nicht einklagbar sind, ist untersagt (16a 23 Abs. 1 Buchst. h).
556. Das Eigentum der Gemeinden und der dem Gottesdienst, der Wohltätigkeit, dem Unterricht, der Kunst und der Wissenschaft gewidmeten Einrichtungen wird wie Privateigentum behandelt, selbst wenn es dem gegnerischen Staat zusteht (16a 56 Abs. 1).
557. Zivilkrankenhäuser dürfen nur vorübergehend und nur in dringenden Notfällen beschlag- nahmt werden. Pflege und Behandlung der Patienten müssen gewährleistet bleiben (4 57 Abs. 1).
Das Material und die Vorräte der Zivilkrankenhäuser dürfen nicht beschlagnahmt werden, solange sie für die Zivilbevölkerung benötigt werden (4 57 Abs. 2; 5 14 Abs. 2).
558. Beschlagnahme, Zerstörung oder Beschädigung von Kulturgut sind verboten (16a 56; 24 5).
Die erzwungene Ausfuhr und Übereignung von Kulturgut, die sich unmittelbar oder mittelbar aus der Besetzung eines Gebietes durch eine fremde Macht ergeben, sind rechtswidrig32.
559. Der Besatzungsmacht ist untersagt, die Bevölkerung zum Dienst in ihren Streitkräften zu zwingen (4 51 Abs. 1). Ebenfalls untersagt sind jeder Druck und jede Propaganda, die auf einen Eintritt in die Streitkräfte der Besatzungsmacht abzielen (4 51 Abs. 1).
560. Es ist verboten, unter Anwendung von körperlichem oder seelischem Zwang, von geschützten Personen wie der Zivilbevölkerung oder von Dritten Auskünfte allgemeiner (4 31) und militärischer Art (16a 44) zu erlangen.

32 So auch Artikel 11 Übereinkommen der UNESCO vom 14.11.1970 über Maßnahmen zum Verbot und zur Verhütung der rechtswidrigen Einfuhr, Ausfuhr und Übereignung von Kulturgut.

561. Zur Befriedigung der Bedürfnisse der Besatzungsstreitkräfte oder bei Notwendigkeit zur Gewährleistung der öffentlichen Dienste, der Ernährung, der Unterbringung und der Bekleidung sowie des Verkehrs- und Gesundheitswesens für die Bevölkerung, kann die Besatzungsmacht Zivilpersonen über 18 Jahre zur Arbeit zwingen. Von dieser Regelung sind Arbeiten ausgenommen, die zur Teilnahme an Kampfhandlungen verpflichten (4 51 Abs. 2; 16a 52) oder zu einer Mobilisierung für militärische oder halbmilitärische Organisationen führen würden (4 51 Abs. 4).
562. Arbeitspflichtige Zivilpersonen sollen zu Arbeiten für die Besatzungsmacht möglichst auf ihrem gewohnten Arbeitsplatz eingesetzt werden. Die bisherigen Arbeitsbedingungen (z. B.
Lohn, Arbeitszeit, Arbeitsschutz) soll die Besatzungsmacht nicht ändern (4 51 Abs. 3).
563. Es ist untersagt, geschützte Personen zu Arbeiten außerhalb des besetzten Gebietes heranzuziehen (4 51 Abs. 3).