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Auflösung aller Gesellschaftsstrukturen

Die Moderne ist gekennzeichnet durch einerseits einen fundamentalen Zerfall alter Werte und Traditionen, und zweitens, und damit zusammenhängend, einer Philosophie der vermeintlichen Freiheit. Vermeintlich deshalb, weil zwar jeder scheinbar frei ist, zu denken und sagen, was ihm beliebt, dass im Endeffekt aber die Freiheit des Handelns in dramatischer Weise abgenommen hat. Dies hat nicht nur damit zu tun, dass Ressourcen und Rechte auf mehr Menschen verteilt werden müssen, denn Platz ist auf der Welt noch immer genug, und es hat auch genug Anbauflächen zur Erstellung landwirtschaftlicher Erzeugnisse. Das Problem liegt mehrheitlich in der Verteilung von Ressourcen und Rechten. Verteilt wird auch hier nicht nach dem jeweiligen Bedarf von Menschen, sondern nach dem Recht auf Eigentum, denn alles gehört jemandem. In einer modernen Gesellschaft mit Arbeitsteilung und Automatisierung gehört jedes Material und sogar jede Dienstleistung einem Eigentümer. Und nicht jeder Mensch hat genau dasjenige Eigentum, was er zu seiner Existenz benötigt. Arbeitsteilung bedingt zwar noch nicht, dass man mit fremdem Eigentum produzieren muss. Das Mittelalter bestätigt dies, da das Handwerk dereinst noch Mehrheitlich im Besitz von Familienclans war. Aber durch die Regeln der Finanzwelt, welche in späterer Zeit immer mehr in diesen Produktionsprozess eingegriffen haben, wurde das Eigentum umverteilt, wurden Arbeitsvermietende geschaffen und wurde Eigentum ausgelagert. Es gab zwar schon immer das Lohnabhängigkeitsverhältnis, aber dieses war unterteilt in Stände.
Immer mehr nun griffen diejenigen Eigentümer in die ursprünglichen Produktionsprozesse ein, welche über die Umverteilung von Geld oder Arbeitsleistung sich neues Eigentum beschaffen konnten. So geriet die Welt immer mehr in Abhängigkeit von fremdem Eigentum. Dieser Vorgang war nicht umkehrbar, und führte schlussendlich auch bei gut funktionierenden Clans zu einer derart dramatischen Umverteilung von Eigentum, dass die meisten von ihnen in vollständige Abhängigkeit von fremdem Produktionseigentum gerieten. Das Bürgertum, und im Hintergrund die Finanzindustrie, hatten einen wesentlichen Anteil an dieser Form der Umverteilung von Recht, Eigentum und Arbeitleistung. Heute ist dieser Vorgang so weit fortgeschritten, dass das heutige Bürgertum mit der gleichen Voraussetzung eine Sonderstellung innehat, vergleichbar mit dem Ancien Régime. Es herrschen heute die gleichen Feudalstrukturen wie damals. Die Revolution bleibt aber deswegen aus, weil die materielle Befriedigung die Menschen ruhig stellt, und sie in Sicherheit wähnt. Die Wahrheit hinter allem aber ist, dass jeder Mensch jederzeit alles verlieren kann. Die Mietwohnung kann ihm jederzeit gekündigt werden. Der Vertrag zum geleasten Auto kann ihm jederzeit aufgekündigt werden. Alles, was er vermeintlich als Eigentum hat, weil er ja nur Besitzer ist, kann er jederzeit verlieren. Solange er es aber in Händen hält, fühlt er sich sicher und es macht ihm keinen Unterschied, ob der Eigentümer jemand anders ist. Dies ist auch der Trick, durch welches diese Umverteilung über die Zeit immer weiter fortschreiten konnte, um in unserer Zeit bereits den Endzustand zu erreichen. Die meisten Menschen sind bereits vollständig enteignet durch das System, und merken es nicht einmal, oder nehmen es eben solange nicht wahr, wie sie die Güter in ihren Händen halten und nutzen können.
Durch die unterschiedlichsten Eigentumsverhältnisse in allen modernen Gesellschaften, die einen müssen, wenn sie überhaupt etwas vom Staat erhalten, von Essensmarken leben wie in Kriegszeiten, die anderen sind mit ihren Familienclans Multimilliardäre, geht ein tiefer Graben mitten durch die Gesellschaft. Solche Gesellschaften besitzen keinen inneren Zusammenhalt mehr, da die verbindende Grundregel ist, dass jeder sich holt, was er will, und immer bei den anderen. Dass unter solchen Umständen keine Solidarität, kein Gemeinschaftssinn und kein Zusammenhalt mehr entstehen oder sich erhalten können, muss jedem einleuchten. Die Grundregel ist: Jeder gegen jeden, und alle gegen alle. Und der Stärkere obsiegt über den Schwächeren. Deshalb herrscht in unserer heutigen Gesellschaft ein unvorstellbares Chaos.
Keiner kann mehr den Aussagen, dem Denken und dem Handeln des anderen trauen. Die Lüge ist verbreiteter als die Wahrheit, weil jeder den anderen täuschen will, um zu mehr Eigentum zu gelangen als der andere. Eigentlich stellt man sich so die Hölle vor. Und die Wirklichkeit bestätigt dies alles in unendlicher Variabilität. Überall gibt es Verbrechen von Menschen gegen Menschen, und immer spielt das Eigentum oder das Recht daran, die zentrale Rolle. Allerdings ist dieser Zustand bereits so weit fortgeschritten, dass fast alle dies als "normal" betrachten. Mit anderen
Welt-Erneuerung durch Eigentumsreform
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Worten, das Chaos wird als Normalzustand betrachtet, oder zumindest als nicht änderbar, und dass man dies hinnehmen müsse, weil es quasi ein Naturgesetz ist. Und wenn dem einen oder anderen vielleicht noch erkenntlich wird, dass dieses Chaos verursacht wird dadurch, dass der eine mehr und der andere weniger Geld und deshalb Potential zu Macht hat, so verstehen doch nur die wenigsten, dass nicht das Kapital diesen Zustand bereitet, sondern die Eigentumsrecht im Hintergrund. Es ist nicht das Kapital, welches die Leute zu Tieren macht, sondern es ist das Recht, welches durch das Eigentum über die Menschen gebracht wird. Denn hierdurch entstehen Sklavenverhältnisse, und in den wenigsten Fällen, weil sich jemand bezahlen lässt durch Geld, und sich sozusagen zur Prostitution verleiten lässt.
So ist denn mit der Idee des absoluten Eigentums, und dass in den modernen Gesellschaften jeder sich soviel Eigentum entweder selber erarbeiten kann, oder es von anderen entwenden kann durch die Gesellschaftsgesetze, auch das Chaos in die Welt gekommen. In christlichem Sinne würde man zu diesem Zustand vielleicht sagen, dass der Teufel in die Welt gekommen ist, und die Menschen Himmel von Hölle nicht mehr unterscheiden können, weil sie die Hölle als den paradiesischen Zustand des Himmels annehmen gelernt haben, durch die Verlockungen des Eigentums und der daraus entstehenden Machtausübungsmöglichkeit. Offensichtlich wird dies vor allem in den Megastädten, wo die Menschen sich nicht mehr persönlich kennen oder kennen wollen, und wo die gegenseitige Solidarität fast auf Null gesunken ist. Stirbt jemand am Strassenrand, so zeugen viele Fälle davon, dass kein einziger Autofahrer auf der Strasse oder Fussgänger auf dem Trottoir inne hält und sich um den Verletzten oder Sterbenden kümmert. Ich kann mich selbst daran erinnern viele Jahre in Zürich gelebt zu haben, um zu verstehen, dass man nicht einmal den Nachbarn der Türe gleich nebenan kennt. Es ist alles so anonym. Städte gelten als Attraktionspunkte für verwahrloste Menschen, ziehen sie an wie ein Magnet, weil sie dort nicht mit Reaktionen aus der Bevölkerung auf sich selbst konfrontiert sind. Jeder Mensch kann fast vollständig anonym leben. Die Anonymität ist so stark, dass selbst in höchster Bedrängnis und bitterster Not kein Mensch sich mehr um den anderen kümmert. Man wird verstehen, dass unter solchen Umständen die Eigentumsrechte, welche sonst schon einen Keil zwischen die Menschen treiben, noch zusätzlich dafür sorgen, dass keiner mehr sich um die Mitmenschen kümmert. Der Eigentümer ist nur am Profit der Arbeitsleistung des Benutzers interessiert. Ob der Mieter krank ist, schizophren, Hilfe benötigt oder ein Problem hat, interessiert ihn nicht, solange er die Miete bezahlt und sich eines grossen Teiles der Arbeitsleistung berauben lässt. Nur ein zahlender Sklave ist ein guter Sklave, so könnte man sagen. In der Praxis bestätigt sich dies denn auch, wenn z.B. wegen Lärmbelästigung ein Nachbar sein Umfeld in der Nacht nicht mehr schlafen lässt. Bei Meldung an die Liegenschaftsverwaltung kommt in vielen Fällen keine Reaktion, wie ich von vielerorts erzählt erhielt. Oder es stirbt ein Mieter, und die Miete dauert an, weil die Mietzahlungen von einem Dauerauftrag der Bank getätigt wird, und wegen der Vereinsamung des Mieters keine Nachkommen bekannt sind, welche die Kündigung als gesetzliche Stellvertreter vornehmen könnten. So weiss ich von einem Fall, in welchem die Liegenschaftsverwaltung bis ein Jahr nach dem Tode des Mieters die Mietzahlungen dankend entgegengenommen hat. Die Liegenschaftsverwaltung kümmert sich erst dann um Ordnung im Hause und Gerechtigkeit, wenn die Mieter kündigen, und die Verwaltung Gefahr läuft, den Mietzins zu verlieren, oder wenn die Polizei benachrichtigt wird. Es ist ein typisches Beispiel davon, dass Eigentumsverhältnisse in der Praxis unhaltbare Zustände hervorrufen, und Gesetzmässigkeiten einführen, welche an diejenigen in Diktaturen erinnern. Aber genau genommen ist es ja auch eine Diktatur, nämlich eine Eigentumsdiktatur. Und diese führt Gesetze mit sich, welche jede Gesellschaft bis hinunter auf die täglichen Bedingungen zum Leben korrumpiert, und nicht in der Lage ist, normale, menschenwürdige Bedingungen zu erschaffen und zu erhalten. Es ist meiner Meinung nach gänzlich ausgeschlossen, dass unter den heutigen Eigentumsverhältnissen jemals eine echte und wahre Kulturnation entstehen und sich erhalten kann, sondern die Gesellschaft früher oder später durch diese chaotischen Bedingungen von innen heraus in sich zusammenfallen wird. Eine Gesellschaft, so gross sei auch sein möge, kann sich schlussendlich langfristig nur erhalten, wenn sie auf echten Werten gründet, und wenn die Solidarität, der Zusammenhalt und die Identität der Menschen in dieser Gesellschaft die ungefähr gleichen ausmachen. Dies ist in allen heutigen, westlichen Gesellschaften aber nicht der Fall. Sondern in diesen herrscht die rohe Gewalt des Eigentums, welches sich immer über die Menschenrechte hinwegsetzt. So kann man weder eine
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Kulturgesellschaft begründen, noch eine mittel- oder langfristig erhalten. Und wenn wir in die Zukunft der Zeit schauen, und wie viele Millionen von Jahren es noch Gesellschaften geben muss, welche einigermassen funktionieren müssen, so wird jedem, aber auch wirklich jedem ersichtlich sein, dass unter diesen chaotischen Zuständen der Eigentumsrechte es nicht funktionieren kann, weil es zu dauerhaften und immer wieder eintretenden Zerfallszyklen führen wird, sei es über Revolutionen und die Anwendung von Gewalt, oder durch innere Zerfallserscheinungen, welche sich schlussendlich in allen Köpfen der Menschen verankern und durchfressen. Diesen Zustand des geistigen Zerfalles, haben wir längst erreicht. Die Wachstumsbedingungen haben uns noch einen Aufschub vor dem endgültigen Zerfall gewährt. Die Anwendung von Gewalt, Drogen und von geistigen Irrlehren in den modernen Gesellschaften zeigt aber bereits den langsamen und stetigen Zerfall von innen heraus. Und solange die Eigentumsrechte nicht einer Reform erfahren, wird es niemals eine stabile und nachhaltige Gesellschaftsform geben können. Diese Erkenntnis mag den weltweiten, reichen und mächtigen Eigentümern gefallen oder nicht, sie entspricht einer Wahrheit.
Entweder wird Eigentum in einer zukünftigen Gesellschaftsreform neu definiert, oder aber die Zyklen des Zerfalles werden uns immer und immer wieder heimsuchen wie eine verzehrende Seuche. Das Chaos der Eigentumsverhältnisse muss schlussendlich aus der Welt verschwinden, sonst kann sich die Welt nicht weiterentwickeln.
Das äussere Erscheinungsbild der Gesellschaft kann in materieller Hinsicht alles bieten, was eine Gesellschaft zu bieten hat. Jedes Haus kann ein perfektes Äusseres aufweisen, jede Strasse kann blitzblank sein, alle Immobilien können glänzen und den Anschein geben, als ob alle Menschen darin glücklich seien und jeder im Paradies leben würde. In Tat und Wahrheit befinden sich die einen Menschen in unserer Gesellschaft tatsächlich im Paradies, weil sie darin über alles Eigentum verfügen, und die anderen befinden sich faktisch in der Hölle, weil ihnen kein einziger Ziegelstein, kein einziger Quadratzentimeter und kein einziger Anteil an fiktivem Recht an Eigentum, an sonstigen Rechen oder an Verfügungsgewalt gehört. Einige haben gerade einmal noch Besitz, so dass sie über diesen überleben können. Manche haben nicht einmal mehr dies, und sind in Bezug auf die historische Gesellschaftsentwicklung zurückkatapultiert worden in eine Zeit, in welcher es noch gar keinen Gesellschaftsvertrag gab. Man muss also bei der Betrachtung einer Gesellschaft immer das äussere Erscheinungsbild unterscheiden lernen von den inneren Werten und den wahren Eigentumsrechten, und deren Ausübung von Macht. Das Mass der Weiterentwicklung einer Gesellschaft bemisst sich daran, inwiefern ein Gesellschaftsvertrag einhaltbar ist, und wie gut er Sicherheit, Solidarität, Nachhaltigkeit, Gerechtigkeit, Gleichheit, Wahrheit, Liebe, Wohlstand und Kooperation unter den Menschen sichern kann. Diese Betrachtung einer Gesellschaft sind die Menschen der Moderne weitgehend nicht in der Lage zu machen. Der Grund hierfür dürfte klar sein. Das Eigentum ist nicht daran interessiert, den Sklavenmenschen sich selbst bewusst werden zu lassen. Deshalb wird derselbe bis zur Bewusstlosigkeit mit Konsumgütern eingedeckt. Jeder Mensch hat seinen Preis. Und der Preis für die Freiheit des Eigentums ist der uneingeschränkte Konsum.​