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III. Der Begriff Politische Religion und das Individuum

Mitte des 18. Jahrhunderts können erste Belege für ein neues semantisches Feld des Begriffs Politische Religion nachgewiesen werden, das besonders im 19. Jahrhundert in vielen Schriften zur Entfaltung kam und sich von den bisher herausgearbeiteten Begriffsverständnissen grundlegend unterscheidet. Das bereits zuvor betrachtete Verständnis des Religionsbegriffs als Dichotomie zwischen einer religio interna und religio externa hatte nicht nur großen Einfluss auf Auseinandersetzungen im theologischen Bereich, sondern wirkte sich gleichfalls auf weltliche Ideen aus. Die Weiterentwicklung dieser Debatten und insbesondere die sukzessive Etablierung des Begriffs Religiosität sowie die Ausweitung des Religionsbegriffs im 18. Jahrhundert auf den Bereich der Innerlichkeit bzw. auf eine Gefühlsebene beeinflussten die Verwendung des Begriffs Politische Religion mit dem Ergebnis, dass seine bereits im 17. Jahrhundert anzutreffende Charakterisierung als eine Form der religio externa abgelöst wurde und eine Neuzuordnung zum Bereich der religio interna erfolgte. Damit wurde ein neues Begriffsverständnis des Begriffs Politische Religion geboren, das als Ausdrucksform für eine gleichzeitige Sakralisierung und Verweltlichung der religio interna gewertet werden kann und in sowohl kontextuell als auch zeitlich unterschiedlichen Veröffentlichungen anzutreffen ist: Das Interpretationsfeld des Begriffs Politische Religion im Sinne eines politischen Glaubensbekenntnisses oder einer Weltanschauung, einer inneren Überzeugung oder Innerlichkeit, befreit von seiner bis dato vorherrschenden Objektbezogenheit und fokussiert auf das Subjekt, auf Personen oder Personengruppen. Damit einhergehend wurde der Begriff Politische Religion im 18. Jahrhundert von einigen Verfassenden sukzessive seiner pejorativen Funktion befreit und erhielt einen neuen konnotativen Anstrich durch die Verschiebung zu einem sprachlich neutral bis positiv zu wertenden Begriff.