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1. Politische Religion im Strudel von religiösem Indifferentismus

Ein besonders im 17. Jahrhundert sehr gängiges Bedeutungs- und Verwendungsfeld des Begriffs Politische Religion bildet das begriffliche Verständnis oder die Gleichsetzung mit dem Phänomen eines religiösen Indifferentismus. Indifferenz respektive Indifferentismus beschreibt eine gleichgültige, teilnahmslose, uninteressierte Haltung gegenüber Gegebenheiten, Ereignissen oder Geistesfragen und führt zur Entscheidungs- und Meinungslosigkeit. Eine innere indifferente Einstellung kann unterschiedliche Bereiche betreffen, weswegen man etwa zwischen religiösem, politischem oder moralischem Indifferentismus unterscheidet. Im Allgemeinen wird die Indifferenz als eine Charakter- und Geistesschwäche betrachtet, weswegen der Begriff überwiegend eine pejorative oder gar polemische Verwendung erfährt.[1] Dieser negativen Konnotation unterliegt auch die spezifischere Bezeichnung des religiösen Indifferentismus, womit eine indifferente Haltung, eine Gleichgültigkeit in religiösen oder konfessionellen Fragen bis hin zum Glauben an Gott per se beschrieben wird. Religiös indifferente Personen legen sich folglich nicht auf ein Bekenntnis oder gar eine spezifische Religion fest, sondern stehen theologischen Lehren und Meinungen gleichgültig gegenüber; der Glaube an die göttliche Macht und der damit verbundene Dienst werden nach eigenem Gutdünken gestaltet. Im Gegensatz zu den vorgestellten Schriften, welche den Begriff Politische Religion in Verbindung mit religiösen
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[1] Zum religiösen bzw. konfessionellen Indifferentismus in der Frühen Neuzeit siehe Nicole Grochowina: Indifferenz und Dissenz in der Graftschaft Ostfriesland im 16. und 17. Jahrhundert (= Europäische Hochschulschriften, Reihe XXIII: Theologie, 766), Frankfurt am Main 2003, S. 46ff.; Mulsow: Mehrfachkonversion, S. 132-150.

Vorstellungen und Institutionen setzen, dient der Begriff im Kontext des religiösen Indifferentismus zur Beschreibung einer Diskrepanz innerhalb der Religiosität des einzelnen Subjektes, womit der Begriff Politische Religion in diesen Fällen auf einer individuellen Ebene angesiedelt ist.

Das Begriffskonvolut zu Indifferenz oder indifferent ist bereits im 16. Jahrhundert als Quellenbegriff belegt, besitzt aber zu diesem Zeitpunkt noch einen wertfreien oder gar positiven Bedeutungshorizont.[1] Eine negativ konnotierte Verwendung des Begriffs Indifferenz bzw. Indifferentismus - oder auch Gleichgültigkeit - mit einer Referenz zu Religionsangelegenheiten kann in Texten des 17. Jahrhunderts nachgewiesen werden,[2] wie anhand einer Schrift von Conrad Tiberius Rango gezeigt werden kann, der allerdings in einem anderen Kapitel untersucht wird. In den folgenden Quellenbeispielen dieses Abschnitts konnte eine Verwendung des Begriffs (religiöser) Indifferentismus im Zusammenhang mit dem Begriff Politische Religion nicht ermittelt werden; stattdessen wird in diesen Texten eine (religiös) indifferente Haltung mit anderen Worten umschrieben. Innerhalb theologischer und philosophischer Auseinandersetzungen sind die Überschneidungen und Verflechtungen zwischen einem religiösen oder konfessionellen Indifferentismus und anderen religionstheoretischen Ansätzen wie etwa Atheismus oder auch Synkretismus so gravierend und immanent, dass eine Untergliederung dieser religionstheoretischen Themenkomplexe wenig sinnvoll erschien und die Gefahr bestand, sich in Verwirrungen und Verirrungen einer überladenen Gliederung zu verlieren. Daher wird von einer Ausdifferenzierung an dieser Stelle Abstand genommen.


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[1] Grochowina: Indifferenz, S. 47.
[2] Laut Grochowina erhielt der Begriff der Indifferenz erst seit dem 18. Jahrhundert sukzessive eine negative Konnotation im Sinne einer moralischen Schwäche; ebd., S. 47.