Die ersten Spuren des Begriffs Politische Religion
Bevor mit der Untersuchung der Quellenfunde zur frühen Verwendung des Begriffs Politische Religion begonnen wird, soll ein kurzer spekulativer Blick in die Zeit vor dem 16. Jahrhundert gewagt werden. Diese kleine Rückschau scheint an dieser Stelle insofern notwendig, als von mehreren Forschenden die Vermutung aufgeworfen wird, dass die begriffsgeschichtlichen Wurzeln der Politischen Religion bzw. entsprechender Lehnwörter - wie zum Beispiel religio politica - bis ins antike Ägypten zurückreichen, weil etwa in den griechischen und römischen Staatskulturen eine enge Verwobenheit zwischen dem politischen und dem religiösen Bereich vorherrschte.[1] Allerdings konnten entsprechende Quellenbelege zur Untermauerung dieser These weder von bislang veröffentlichten Studien geliefert, noch von der Verfasserin im Rahmen dieser Forschungsarbeit ermittelt werden.
Geht man nun davon aus, dass der Begriff Politische Religion bzw. eine etwaige anderssprachige Entsprechung wie religio politica tatsächlich bereits in vor- und frühchristlicher Zeit Verwendung fand, so stellt sich die Frage, welche Bedeutung diesem Begriff zukam und in welchem Kontext er Anwendung fand. Bezogen auf die lateinische Entsprechung religio poli- tica kann aufgrund fehlender Quellen ein möglicher Bedeutungshorizont des Begriffs an dieser Stelle nur auf hypothetischer bzw. spekulativer Ebene konstruiert werden. Dem im Einleitungskapitel erläuterten antiken bzw. vorchristlichen Begriffsverständnis von religio nach Cicero im Sinne einer (den göttlichen Mächten gegenüber) gewissenhaften Pflichterfüllung oder tugendhaften Haltung folgend müsste der Begriff religio politica als eine genaue Beachtung oder gewissenhafte Ausführung politischer Pflichten gedeutet werden. Diese Überlegung stützt sich in erster Linie auf den Verweis einer gelegentlichen Verwendung des religio-Begriffs für weltliche Belange und der erwähnten Deutung der religio iudicis als gewissenhafte Durchführung eines weltlichen Gerichtsverfahrens.[2] Erst die Deutung des religio-Begriffs durch Laktanz als eine Bindung oder Rückbindung (an Gott) führt zu einer möglichen Verwendung der religio politica in frühchristlicher Zeit als Bezeichnung für eine - spekulativ eruierte - politisch motivierte oder weltlich orientierte Bindung oder Rückbindung (an Gott) und rückt damit in die Nähe des Anwendungs- und Bedeutungsspektrums, das die Politische Religion in Quellen des 17. Jahrhunderts und darüber hinaus einnimmt.
Die Recherche für eine frühe Verwendung der Politischen Religion beförderte zwei Quellenfunde aus dem 16. Jahrhundert zu Tage, einen lateinischen und einen französischen Text, die beide aus der Feder zweier französischer Gelehrter stammen und im Folgenden untersucht werden sollen. Beide Verfasser führten den Begriff nur an einer Stelle ihrer Abhandlungen an, ohne den Lesenden begriffserläuternde Ausführungen an die Hand zu geben, d. h. sie fügten ihn vielmehr wie selbstverständlich in ihren jeweiligen Text ein, als liege dem Begriff ein selbsterklärendes Begriffsverständnis zugrunde.
Die früheste Fundstelle einer Verwendung des Begriffs Politische Religion konnte in einer 1572 veröffentlichten französischen Übersetzung von Plutarchs (ca. 45-125 n. Chr.) Mora- lia
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[1] Die Religionswissenschaftler Hans Otto Seitschek, Jürgen Moltmann und Werner Ustorf erwähnen zwar, dass sich der Begriff bis mindestens ins 16. Jahrhundert zurückverfolgen ließe, doch versäumen sie es, Quellenbelege zu liefern, die ihre - vermutlich nicht falsche - Annahme unterstützen (Moltmann: Theologische Kritik, S. 20; Seitschek: Politischer Messianismus, S. 135; Ustorf: Robinson Crusoe, S. 147, Neddens: Politische Religion, S. 312).
[2] Siehe die Ausführungen zum Religionsbegriff im Einleitungskapitel.
aus der Feder des Klerikers und Bischofs von Auxerre, Jacques Amyot (1513-1593), aufgespürt werden. Für die Untersuchung von besonderem Interesse ist die Übersetzung Amyots zu den Ausführungen Plutarchs in Ei npeoßmeprn noAiT£UT£ov. Hierbei handelt es sich um eine Auseinandersetzung mit der Frage, ob auch alten bzw. betagten Menschen die Verwaltung eines Staates bzw. Staatsämter anvertraut werden könnten oder ob sie von allen öffentlichen Ämtern zurücktreten und sich in ihr Privatleben zurückziehen sollten. Plutarch, welcher dem Inhalt nach vermutlich selbst bereits an der Grenze zu einem hohen Alter stand, richtet diesen Essay über die Wahrnehmung von Staatsämtern im hohen Alter an seinen Freund Euphanes und bezieht sich in seinen Darstellungen und Argumentationen auf andere Philosophen wie etwa Pythagoras und Plato, um seinen Ansichten Euphanes gegenüber Gehalt und Autorität zu verleihen. So fragt Plutarch, der sich gegen eine Altersbegrenzung für staatliche Ämter ausspricht, seinen Dialogpartner Euphanes, ob dieser von ihm verlange, aufgrund seines hohen Alters von seinem Priesteramt im Apollontempel in Delphi zurückzutreten. Dieser möglichen Positionierung entgegnet Plutarch, dass Inhaber staatlicher und religiöser Ämter nicht die Berechtigung besäßen, die ihnen verliehene Amtswürde aufgrund eines Alters oder anderer persönlicher Beweggründe von sich aus niederzulegen. In der französischen Übersetzung von Amyot heißt es hierzu:
„a cause de ton grand aage, abandonner le sainct service de lupiter, garde des villes & president aux assemblees de conseil de ville, toy qui es souverain presbtre & grand prophete des sainctes ceremonies de la religion politique, en laquelle tu as de si longue main faict profession."[1]
Was Amyot in seinem Text mit religion politique übersetzt, lautet im altgriechischen Original an betreffender Stelle nokiTiKrov tspföv, eine begriffliche Wendung, die nur an dieser einen Stelle in Plutarchs Moralia ermittelt werden konnte und in anderen Übersetzungstexten in unterschiedlichen Varianten aus dem Altgriechischen übertragen wurde.[2] Mit nokiTiKrov tspföv - bzw. in der französischen Übersetzung religion politique - wird eine enge Verknüpfung zwischen Politik und Religion umschrieben, die dem griechischen und römischen Staatswesen immanent war und in staatlichen und die Politik beeinflussenden Kulthandlungen und Zeremonien Ausdruck fand. So wurde etwa die Ausführung eines Priesteramtes im antiken Griechenland oder im Römischen Reich nicht als rein religiöse und kultische Angelegenheit verstanden, sondern als ein Staatsamt mit staatlich-administrativen Charakter, in dem es vor allem um die Erfüllung organisatorischer Aufgaben im kultischen Staatsbetrieb ging, die als essenziell zur Schaffung und Sicherung des Staatswesens und der in ihm lebenden Gemeinschaft galten. Entsprechend wurden griechische Priesterämter nicht etwa an Personen aufgrund ihrer religiösen Überzeugung, Frömmigkeit oder einem religiös begründeten Altruismus übertragen, sondern durch die Polis an angesehene Mitglieder der Gemeinschaft vergeben, die bestimmte soziale Kriterien erfüllen und teilweise auch über genügend finanzielle Mittel verfügen mussten, um die Erfüllung ihrer kultischen Aufgaben mitfinanzieren zu können. Die begriffliche Übersetzung religion politique fungiert in diesem Text als eine Bezeichnung mit deskriptiv neutralem Charakter, der keine versehentlich oder bewusst provozierte positive oder negative
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[1] Jacques Amyot: Les oeuvres morales et melees de Plutarque. Paris 1572, S. 185. Im Original heißt es in Ei npeoßmeprn noXiTeweov an dieser Stelle: „oükow gn^e neauTÖv oiou 5eiv, tmv no/.iTiKrnv isprnv acap/ov ovTa Kai npo(pi']Tnv. «xpsivai tuc top no/.ismc Kai AYopaiou Tipuc Aioc. EKna/.ai KaTrnpYiaogevov airraic (Plut. mor. 792, F.11-14).
[2] Johann Friedrich Salomon Kaltwasser übersetzte nomucmv iepöv mit „politische Mysterien" (Plutarchs moralische Abhandlungen. Übers. von Johann Friedrich Salomon Kaltwasser. Bd. 6. Frankfurt am Main 1795. S. 391). während Otto Apelt als Übersetzung den Ausdruck „heilige Staatseinrichtungen" verwendete (Plutarch. Moralische Schriften. Übers. von Otto Apelt. Bd. 3. Leipzig 1927. S. 47).
Konnotation inhärent ist. Dieser Schluss ist schon allein dem Umstand geschuldet, dass Plutarch als Verfasser des Originaltextes ein Zeitgenosse des antiken griechischen Staates war, in dem die Vermischung der religiösen und politischen Ebene als selbstverständlich galt. Warum sich Amyot zur Übersetzung des Ausdruckes nokiTiKrov isprov für die Wendung religion politique entschied, kann nicht eruiert werden. Dass die Anwendung des Begriffs Politische Religion im Kontext oder zur Charakterisierung des griechischen oder römischen Staatskults nicht unüblich war, wird in einem späteren Abschnitt dieser Arbeit näher beleuchtet.
Eine für das 16. Jahrhundert nachweisbare Fundstelle des lateinischen Begriffs religio politica befindet sich in der erstmals 1577 veröffentlichten Schrift De sacra politia forensi Libri III des französischen Rechtsgelehrten und Parlamentsberaters Rene Choppin (1537-1606), der katholischen Glaubens sowie Befürworter und Förderer der Sainte Ligue war, einer Vereinigung französischer Katholiken, die gegen die französischen Calvinisten bzw. Hugenotten im Lande agierten. Entsprechend ist seine Schrift De sacra politia forensi in das von konfessionellen Machtkämpfen zwischen Katholiken und Hugenotten überschattete Frankreich des 16. Jahrhunderts zu kontextualisieren. Choppin schuf mit seinem Werk eine umfangreiche Abhandlung über den Macht- und Einflussbereich kirchlicher Institutionen sowie ihre Eingriffsbereiche und -möglichkeiten auf säkularer Ebene wie etwa der königlichen Gerichtsbarkeit. Wie der Buchtitel verrät, ist die Schrift in drei Hauptabschnitte untergliedert, auf deren thematisches Feld jeweils ein griechisches Adjektiv als Kapiteltitel verweist, obgleich die Schrift selbst in Latein gehalten ist: MONAETIKOE, nOAITIKOE und OIKONOMIKOE. Der erste Teil beschäftigt sich mit klösterlichen respektive kirchlichen Institutionen und dem theologischen sowie moralischen Anspruch an kirchliche Würdenträger und Begünstigte hinsichtlich der Wahrnehmung ihrer Vorbildstellung und ihrer Einflussnahme auf das zivilgesellschaftliche Leben. Der darauffolgende zweite Abschnitt wendet sich der Frage nach den politischen Rahmenbedingungen und Gestaltungsmöglichkeiten klerikaler Machthaber insbesondere auf der Ebene der (weltlichen) Gerichtsbarkeit zu. Der dritte und letzte Abschnitt widmet sich den ökonomischen Konditionen weltlicher Kirchengüter und der Frage um die Organisation und die Ausgaben für ihre Pflege und Verwaltung. Für die vorliegende Untersuchung ist eine Stelle aus dem zweiten Buch von Interesse, in der es im Rahmen einer Diskussion über Eingriffe und Machtpositionen kirchlicher Würdenträger oder Institutionen in staatliche Angelegenheiten heißt:
„Paucis ut expediam, tot sanctissimorum Principum exempla calcar addunt summo cuique Mag- istratui ad Religionem cum Republica sociandam arctissime, neque hanc ab illa omnino diuellen- dam: uti et Politica Religio, et Politia Religiosissima auspicato simul in regendis Populis excol- antur."[1]
Choppin geht davon aus, dass einerseits der Staat oder die weltliche Herrschaft eine religiöse Ader und andererseits die christliche Religion bzw. Kirche eine politische Komponente besäßen, die nicht voneinander zu trennen seien und jene Schnittstellen zwischen Religion und Politik bilden, die im oben zitierten Abschnitt mit den Begriffen Politica Religio und Politia Re- ligiosissima beschrieben werden. Zwar sollten beide Ebenen ihren Einflussbereich nicht in die Sphäre des Gegenübers ausweiten, doch gebe es nach Choppin besondere Umstände, unter denen sich weltliche und kirchliche respektive religiöse Herrschaftsmächte zum Wohle des Staates zu einer Einheit zusammenschließen müssen, um einen gemeinsamen (äußeren) Feind oder eine gleichsam empfundene Gefahr gegen das Land besiegen bzw. abwenden zu können. Die politica
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[1] Rene Choppin: De sacra politia forensi, Libri III. Paris 1577, S. 316f.
religio dient folglich zur Umschreibung der religiösen Komponente eines Staatsgebildes, mit dem der Staat bzw. das Gemeinwesen durch die Religion zusammengebunden und gefestigt wird. Choppin lieferte weder an dieser noch an einer anderen Stelle seiner Abhandlung eine erläuternde Auseinandersetzung mit dem von ihm verwendeten Begriff politica religio. Dadurch entsteht der Eindruck, dass es sich um einen bereits zur Entstehungszeit von Choppins Werk bekannten oder gebräuchlichen Begriff handelte, der keiner weiteren Erläuterung bedurfte. 1589 veröffentlichte Choppin eine erweiterte Ausgabe, deren Zusätze unter anderem auch die eben zitierte Stelle betreffen. Denn während in der Erstausgabe von 1577 die oben zitierte Passage den Endpunkt des betreffenden Abschnittes darstellt, erweiterte Choppin in der zweiten, erweiterten Ausgabe seines Werkes von 1589 den betreffenden Abschnitt um einen nicht geringen Teil. Allerdings befasste er sich auch in dieser zweiten Ausgabe nicht ausführlicher mit dem von ihm gewählten Begriff politica religio.[1] Zudem befinden sich sowohl in der Erst- als auch allen folgenden Ausgaben der De sacra politia forensi keine weiteren Textstellen, in denen Choppin auf den Begriff politica religio zurückgegriffen hat.
1617 gab der als Anwalt am Pariser Parlement tätige Jean Tournet (Lebensdaten unbekannt) eine französische Übersetzung heraus, die sich an einer erweiterten Ausgabe von 1589 orientiert. Choppins politica religio wurde von Tournet mit dem französischen Lehnwort religion politique wiedergegeben:
„Pour le faire court, toutes ces exemples de tant de saincts personnages et Princes servent comme d'esperson pour exciter les Magistrats a conjoindre la Religion avec l'Estat, et les associer d'un lien tres-estroict, sans iamais les separer l'une de l'autre: afin que et la Religion Politique et la police tres-religieuse soient ensemblemet employees pour heureusement gouverner les su- jects."[2]
Zusammenfassend kann für beide Quellenfunde des 16. Jahrhunderts festgehalten werden, dass die Begriffe religio politica bzw. religion politique in beiden Quellen als eine wertfreie, deskriptive Bezeichnung für die religiöse Komponente des Staatswesens stehen. Weder Amyot noch Choppin haben den Begriff positiv oder negativ konnotiert oder gar im Sinne einer Polemik oder pejorativen Umschreibung von konfessionellen oder religiösen Gruppierungen verwendet, was sich in den ermittelten Schriften des 17. Jahrhunderts schlagartig änderte. Allerdings sollte nicht aus dem Blick gelassen werden, dass sich die Recherchen für die Studie lediglich auf den deutschsprachigen Raum konzentrierten, was bedeutet, dass der Fund dieser zwei Schriften des 16. Jahrhunderts einem Zufall geschuldet ist und von einer weiteren Quellenrecherche in nicht-deutschensprachigen Texten vor dem 17. Jahrhundert abgesehen wurde. Daraus folgend sollte dem hier erzielten Untersuchungsergebnis einer wertfreien Verwendung des Begriffs im 16. Jahrhundert im Bewusstsein der spärlichen Quellenlage begegnet und nicht als generelle Feststellung für das gesamte Jahrhundert betrachtet werden. Im deutschen Sprachraum konnten keine Quellenbelege für eine Verwendung der Politischen Religion im 16. Jahrhundert (oder gar noch weiter zurückreichend) ermittelt werden. Allerdings können ähnlich anmutende Begriffs- oder Wortkombinationen gefunden werden, die eine dem Begriff Politische Religion ähnliche Semantik zu transportieren scheinen.[3]
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[1] Rene Choppin: De sacra politia forensi, Libri III. Paris 1589, S. 224f.
[2] Rene Choppin: Trois livres de la police ecclesiastique. Übers. v. M. Jean Tournet. Paris 1617, S. 361.
[3] Hierfür soll als Beispiel auf eine Veröffentlichung des katholischen Theologen Andreas Dorkenius von 1576 verwiesen werden, der in Reaktion auf das Konzil von Trient eine soziale Öffnung bezüglich der Besetzung geistlicher Pfründe forderte und in seinem Schreiben unter anderem Kombination wie „Politische Domherrn" (S. 15) und „Politischen Kyrchendiener Orden" (S. 26) verwendete (Andreas Dorkenius: Von der Hochbe- rümpter Religionsfreiheit ein kurtzer bericht. Colonia Agrippina 1576).
Angesichts dieser sich bereits in den ersten Abschnitten der Arbeit offenbarenden Verbreitung des Begriffs Politische Religion in verschiedenen Sprachräumen sollen kurz die möglichen Faktoren dieser bereits im 16. Jahrhundert sichtbaren und sich im 17. Jahrhundert deutlich entfaltenden translingualen Ausbreitung angerissen werden. Wenn auch nur wenige Quellenbeispiele aus dem späten 16. Jahrhundert ermittelt werden konnten, so kann doch als recht wahrscheinlich angenommen werden, dass die begriffliche Komposition in ihrer lateinischen Variante religio politica bereits vor dem 17. Jahrhundert eine breitere Verwendung fand, als bisher in der Forschung angenommen wurde. In seiner lateinischen Form wandelte der Begriff Politische Religion vermutlich schon im 16. Jahrhundert durch verschiedene Sprachräume und Texte von Verfassenden mit verschiedenen Muttersprachen. Latein war - neben Griechisch - in verschiedenen europäischen Sprachräumen als Verkehrs- und Gelehrtensprache üblich und verdrängte lange Zeit die jeweilige regionale Sprache in wissenschaftlichen Auseinandersetzungen. Spätestens im 17. Jahrhundert setzte der Vormarsch der Nationalsprachen in der europäischen Publikationslandschaft ein, die sich neben Latein und Griechisch in den darauffolgenden Jahrhunderten sukzessive als Sprache der Gelehrten und Wissenschaftler etablierten und auch mit dem Latein bereits eingeflossene Begriffe wie religio politica allmählich als Lehnwörter in die jeweils eigene Nationalsprache transportierten. Diese Entwicklung verdankt der Begriff Politische Religion jedoch weniger einer eigenen Popularität, sondern vielmehr dem Umstand, dass die Begriffsteile religio und politica für sich gesehen als Lehnwörter Eingang in die verschiedenen Sprachräume fanden und die Bildung der begrifflichen Kombination aus Bestandteilen, die bereits als Übersetzungen vorlagen, keine weiteren Mühen bereitete.[1]
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[1] Für den deutschen Sprachraum siehe bspw. Wolf Peter Klein: Die deutsche Sprache in der Gelehrsamkeit der frühen Neuzeit. Von der lingua barbarica zur HaubtSprache, in: Herbert Jaumann (Hg.): Diskurse der Gelehrtenkultur in der frühen Neuzeit. Ein Handbuch. Berlin, New York 2011, S. 465-516.
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