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Verwalter der Schöpfung

Religion hat ihre Ursprünge in den Schöpfungsmythen und der Anbetung von Naturgottheiten. Deshalb beschäftigen sich die Weltreligionen in jüngerer Zeit umfassend mit der Bedrohung, die der Klimawandel für unseren Planeten darstellt. Mit ihrer Vernetzung, ihrem internationalen Zuschnitt und ihren ethischen Grundsätzen eignen sich die Religionen gut als Bewahrer der Schöpfung. Viele ihrer Überzeugungen beinhalten teils unausgesprochen, teils explizit eine Forderung nach jener radikalen Umstellung der Lebensweise, die nach Ansicht der Wissenschaftler notwendig ist, wenn wir die Umweltkatastrophe abwenden wollen.
Ein Kernstück der meisten Religionen bilden Geschichten darüber, wie die Erde entstanden ist. Viele davon sind eindimensional, wie jener Bericht, der den Christen und Juden gleichermaßen heilig ist: Danach hat Gott die Welt in sechs Tagen erschaffen und Mann und Frau als Bewohner eines Paradiesgartens gestaltet. Im Buddhismus ist die Schöpfung ein Kreislauf, und diese Überzeugung beeinflusst auch die Einstellungen gegenüber dem Klimawandel. Für einen Schöpfergott, mit dem der Ursprung des Universums zu erklären wäre, ist dabei kein Platz. Stattdessen, so die Lehre, hängt alles von allem ab. Was jetzt geschieht, wurde zum Teil durch frühere Ereignisse verursacht und übt seinerseits Einfluss auf zukünftige Ereignisse aus. Wie andere Religionen, die aus der vedischen Tradition erwuchsen und die Wiedergeburt beinhalten, so lehrt auch der Buddhismus, dass es mehrere Epochen gibt, in denen die Welt ins Dasein tritt, eine gewisse Zeit überlebt, sich selbst zerstört und wiedergeboren wird. Insbesondere im Buddhismus geschieht das alles natürlich, ohne göttliche Eingriffe, aber häufig als Folge des Verhaltens der Menschen.
ca. 1500 v. u. Z. Schöpfungsbericht im Rigveda 1990 Weltkirchenrat beschäftigt sich mit dem Klimawandel

‚Damals war weder Nicht-Existenz noch Existenz:
Es gab keinen Bereich der Lüfte, keinen Himmel dahinter.
Der Tod war damals nicht, und es war da auch nichts Unsterbliches,
kein Zeichen, welches Tag und Nacht trennte. Dunkelheit war da:
anfangs in Dunkelheit verborgen, war dieses Alles ein unterschiedsloses
Chaos. Alles, was existierte, war leer und formlos:
durch die große Macht der Wärme wurde dieses Eine geboren.

Rigveda, ca. 1500 v. u. Z. ‘
Schöpfungsmythen Die Schöpfungsmythen lassen sich in zwei Gruppen einteilen: In der einen wurde der Planet durch eine göttliche Kraft zum Nutzen der Menschheit erschaffen, in der anderen entstand er zum gegenseitigen Nutzen aller Lebewesen. Am krassesten zeigt sich dieser Unterschied bei der Betrachtung von älteren animistischen Traditionen wie dem Schintoismus, dessen Anhänger Geister in Bäumen, Gebirgen und Quellen sehen, und der jüngeren christlichen und islamischen Religion, in denen der gesamte Rest der Schöpfung traditionell dazu da ist, das Leben der Menschen zu sichern. Solche Glaubensüberzeugungen bilden den Hintergrund für die unterschiedlichen Einstellungen der Religionsgemeinschaften zu Tieren. Nach Ansicht der Jain sind Tiere und Pflanzen den Menschen gleichberechtigt, weil alle eine lebende Seele enthalten und deshalb mit Respekt und Mitgefühl behandelt werden sollten. Jain sind strenge Vegetarier und ernähren sich schon seit Jahrhunderten so, dass die Ressourcen der Welt möglichst wenig belastet werden. Der Koran dagegen erklärt, Tiere seien zum Nutzen der Menschen erschaffen worden. Man soll sie zwar freundlich behandeln, kann sie aber auch ausbeuten: „Allah ist es, der für euch das Weidevieh gemacht hat, dass ihr auf manchen davon reitet und von manchen esst. Und ihr habt davon Nutzen, indem ihr mit ihnen ein Herzensbedürfnis befriedigt. Und auf ihnen, wie auf Schiffen, macht ihr eure Reise“ (40:79/80).
2007 Vatikankonferenz über globale Erwärmung 2009 Ökumenischer Patriarch macht sich grüne Ziele zu Eigen

Mohammed und die Tiere

In den Berichten über Mohammeds Leben finden sich auch Beispiele dafür, wie er sich um Tiere kümmerte. Als einer seiner Mitreisenden ein paar Eier aus einem Vogelnest nimmt, tadelt ihn der Prophet und besteht darauf, dass er sie zurücklegt. Auf die Frage, ob Allah freundliches Verhalten gegenüber Tieren belohne, erwidert er: „Ja, es gibt eine Belohnung für Akte der Nächstenliebe gegenüber jedem lebenden Wesen.“ An anderer Stelle sagt er: „Wer einen Spatz oder irgendetwas Größeres ohne gerechten Grund tötet, wird von Allah am Tag des Gerichts dafür zur Verantwortung gezogen.“ Ein gerechter Grund ist es allerdings auch, wenn man das Tier essen will.


Eine neue Herausforderung Die Aufgabe, neue Wege zur Förderung der ökologischen Vielfalt und zur Erhaltung unseres Planeten zu finden, hat diese unterschiedlichen Einstellungen gegenüber der Schöpfung wieder stark ins Bewusstsein gerückt. Alle Religionen lehnen den Materialismus, die Anhäufung von Reichtum und übermäßigen Konsum ab. Damit haben sie das gleiche Anliegen wie Umweltschützer, die sich für ein verändertes Verhalten der Menschen gegenüber dem Planeten einsetzen.

‚Das Bild, das wir von uns selbst haben,
spiegelt sich in unserem Umgang mit der Schöpfung wider.
Wenn wir uns nur für Verbraucher halten, werden wir
die Erfüllung darin suchen, die ganze Erde zu verbrauchen;
wenn wir aber glauben, dass wir nach dem Bilde Gottes gemacht
sind, werden wir mit Vorsicht und Mitgefühl handeln und danach
streben, zu dem zu werden, als das wir erschaffen sind.

Bartholomäus, Ökumenischer Patriarch von Konstantinopel, 2009 ‘
Religionsführer spielten in dem Feldzug gegen den Klimawandel eine wichtige Rolle. Der protestantische Weltkirchenrat in Genf richtete 1990 als eines der ersten Kirchengremien eine Abteilung ein, die sich mit dem Klimawandel beschäftigen sollte. Im Sommer 2007 versammelten sich internationale Führungspersönlichkeiten aus der muslimischen, jüdischen, buddhistischen und christlichen Tradition

Papst Benedikt und die grünen Ziele

Im April 2007 hielt Papst Benedikt XVI. vor der vatikanischen Konferenz eine Rede zum Klimawandel. Er erklärte, die Misshandlung der Umwelt widerspreche Gottes Willen, und drängte Bischöfe, Wissenschaftler und Politiker, eine „nachhaltige Entwicklung“ zu fördern. Umweltschutz und die Ernährung der Armen in der Welt – welche seit langem ein besonderes Anliegen vieler Religionen ist – galten manchmal als einander widerstreitende Ziele. Insbesondere dem Christentum wurde vorgeworfen, es kümmere sich nicht um die drohende ökologische Katastrophe, weil es sich für wirtschaftliche Entwicklung einsetze und eine Kontrolle der Geburtenrate durch allgemein verfügbare Verhütungsmittel ablehnt. Papst Benedikt widersprach dem Gedanken, es gebe hier einen Konflikt; er drängte auf „Forschung und die Förderung von Lebensweisen sowie von Produktions- und Konsummodellen, welche die Schöpfung und die wahren Erfordernisse eines nachhaltigen Fortschritts der Völker respektieren“. Außerdem forderte er eine neue, verantwortungsbewusste Einstellung gegenüber dem Schicksal unseres Planeten: „Statt Umwelt… kann man Schöpfung sagen. Die Herrschaft des Menschen über die Schöpfung darf nicht despotisch oder gefühllos sein. Der Mensch muss Gottes Schöpfung kultivieren und schützen.“


neben einem schrumpfenden Gletscher in Grönland zu einem schweigenden „Gebet für den Planeten“, und 2008 kamen 1000 führende Persönlichkeiten vieler Glaubensrichtungen als Delegierte im schwedischen Uppsala zusammen, um ein Manifest zu unterzeichnen: Darin verpflichteten sich ihre Religionsgemeinschaften, Druck auf die politischen Führer auszuüben, damit diese bis 2020 eine 40-prozentige Verringerung der Kohlendioxidemissionen durchsetzten – wobei die Verantwortung vorwiegend bei den reichen Industrieländern liegen sollte. „Die Tradition unseres Glaubens bietet eine Grundlage für Hoffnung“, stellten sie fest, „und auch Gründe dafür, trotz aller Schwächen nicht aufzugeben.“
Worum geht es Wir haben die schöpfung Missachtet