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Die Methodisten

John Wesley, der Begründer des Methodismus, wollte nie eine neue Kirche gründen. Er war während seines ganzen Lebens anglikanischer Geistlicher, aber er bemühte sich im 18. Jahrhundert darum, die Kirche von England zu reformieren, weil er sie für zu selbstgefällig und weltfremd hielt. Das Ergebnis war eine weltweite Bewegung, die heute 70 Millionen Anhänger hat.
Ähnlich wie der Pietismus, der aus einem Unbehagen gegenüber der bewahrenden Haltung der meisten Lutheraner erwuchs, so war auch der Methodismus ein Aufbegehren gegen einen, wie Wesley es sah, Mangel an Mitleid, Visionen und Engagement der Kirche von England, insbesondere wenn es um die Bedürftigen ging. Wesley meinte, die Anglikanische Kirche habe als Staatsreligion zu bereitwillig an dem wachsenden Wohlstand teilgehabt, der sich in England während der Industriellen Revolution breitmachte. Zu viele Kirchengemeinden nahmen die neuen Fabrikbesitzer mit größerem Wohlwollen auf als ihre Arbeiter.
Der „Heilige Club“ Wesleys Vater und Großvater waren anglikanische Geistliche gewesen. Während seiner Priesterausbildung in Oxford trat er einer Gruppe gleichgesinnter, junger, evangelikaler Anglikaner bei, die als „Heiliger Club“ (Holy Club) bekannt wurde. Die Kritiker bezeichneten sie wegen ihrer methodischen Annäherung an Leben und Glauben als „Methodisten“. Die Gruppe fastete, studierte die Bibel und leistete gemeinnützige Arbeit bei Häftlingen und Armen. Im Mai 1738 hörte Wesley bei einem pietistischen Gottesdienst, wie Worte von Martin Luther laut vorgelesen wurden. Dabei spürte er, wie sein Herz sich „seltsam erwärmte“, und von nun an betrachtete er es als seinen Auftrag, einen ähnlichen Reformgeist auch in der Kirche von England zu wecken. Er wollte die anglikanische Lehre zu einer „Religion der Herzen“ machen, wie er es formulierte.
1738 Wesleys Berufung 1791 Wesley stirbt als Anglikaner 1795 Gründung der Methodistischen Kirche

‚Oh, dass ich tausend
Zungen hätte!

Charles Wesley, 1‘
Im Jahr 1739 begab sich Wesley auf eine Missionsreise durch England. Er predigte, die Kirche müsse ihre soziale Tätigkeit verstärken. Seine Zusammenkünfte fanden als „Feldgottesdienste“ vielfach unter freiem Himmel statt, weil die örtlichen Kirchengemeinden sowohl ihm als auch den Arbeitern, die zu seinen Gottesdiensten strömten, die kalte Schulter zeigten. Seine Predigten wurden von den Kirchenliedern seines Bruders Charles begleitet, der insgesamt 9000 solcher Gesänge schrieb, darunter „Love Divine, All Loves Excelling“ und „Hark! The Herald Angels Sing“.
Die „Four Alls“ Obwohl Wesley von anglikanischen Kollegen kritisiert, in der Presse lächerlich gemacht und gelegentlich sogar mit dem Tode bedroht wurde, inspirierte er viele andere Wanderprediger, darunter auch Frauen, die in seine Fußstapfen traten. Aus ihren Botschaften kristallisierten sich die „vier Alle“ heraus,

Methodismus in Amerika

Seit den 1760er Jahren schickte Wesley Prediger in die damaligen britischen Kolonien in Amerika. Mit Beginn des amerikanischen Unabhängigkeitskrieges (1775– 1783) musste die Verbindung zwischen den methodistischen Predigern in den Vereinigten Staaten und der Kirche von England (deren Mitglied Wesley immer noch wahr) zwangsläufig aufgelöst werden. Wesleys Lösung: 1784 ernannte er Thomas Coke zum Oberhaupt einer eigenständigen methodistischen Episkopalkirche in den Vereinigten Staaten. Sie verbreitete sich von ihrem Zentrum in Baltimore aus schnell über das ganze Land. Dabei gab es eine Reihe von Kirchenspaltungen, die erst 1968 überwunden wurden: In diesem Jahr schlossen sich die Methodistische Kirche und die Kirche der Vereinigten Brüder zur Vereinigten Methodistischen Kirche zusammen, die nun mit rund acht Millionen Mitgliedern die zweitgrößte protestantische Gruppierung der Vereinigten Staaten war. Sie verbindet Wesleys soziale Botschaften mit einem evangelikalen Predigtstil. Ihr Logo ist die Flamme, das Symbol des Heiligen Geistes. Sie wendet sich gegen Alkoholkonsum, Glücksspiel, Todesstrafe und Krieg.

1810 Abspaltung der Ursprünglichen Methodisten 1931 Vereinigung der Methodisten 1972 Abbruch der Vereinigungsgespräche mit der Kirche von England
wie sie im Methodismus genannt werden: Alle müssen gerettet werden, alle können gerettet werden, alle wissen, dass sie gerettet werden und alle können vollständig gerettet werden. Die Elemente der Redekunst, der Erweckungsinbrunst und der mitreißenden Musik wurden von Wesley schließlich in einer methodistischen Gesellschaft zusammengeführt, die zwar noch anglikanisch war, aber eigene Kirchen und Verbindungen hatte. In den 1760er Jahren machten sich einige Prediger der Gesellschaft nach Amerika auf. Wesley bemühte sich immer wieder darum, Mitglied der Anglikanischen Kirche zu bleiben, und verfasste 1758 eine Denkschrift mit dem Titel Reasons Against a Separation from the Church of England („Gründe gegen eine Trennung von der Kirche von England“), er ordinierte aber auch eigene Geistliche. Die offizielle Spaltung ließ sich nun nicht mehr vermeiden und erfolgte 1795, vier Jahre nach seinem Tod.
Nonkonformismus Als Wesley starb, zählte seine methodistische Gesellschaft 57.000 Mitglieder. Fünfzig Jahre später war sie auf eine halbe Million Mitglieder in Großbritannien und eine Million in den Vereinigten Staaten angewachsen. Die neue Kirche wurde häufig als nonkonformistisch bezeichnet, weil sie nicht den Normen der Kirche von England entsprach, sondern Elemente aus der lutherischen Theologie mit dem hochanglikanischen Festhalten an den Sakramenten und energischer sozialer Tätigkeit verband. Ihre Gottesdienstordnung wurde im Book of Offices festgeschrieben, das auf dem 1662 erschienenen anglikanischen Book of Common Prayer basierte. In den 1960er Jahren handelten die Methodisten eine Wiedervereinigung mit der Kirche von England aus, die aber 1972 von den Anglikanern blockiert wurde. Der Methodismus erfreute sich vor allem in Industrie- und Bergbaustädten sowie unter Kleinbauern und Landarbeitern großer Beliebtheit. In viktorianischer Zeit verkörperte er die „protestantische Arbeitsmoral“ mit harter Arbeit und strengen moralischen Grundsätzen. Er lehrte die Tugenden der Ehrlichkeit, Sparsamkeit und Abstinenz. Glücksspiel war verpönt, und die Gemeindemitglieder wurden ständig aufgefordert, sich materiell und spirituell hochzuarbeiten.

‚Verdiene so viel du kannst. Spare so viel du kannst,
gib so viel du kannst.

John Wesley, 1760 ‘

Ursprüngliche Methodisten

Als die Methodistenkirche nach Wesleys Tod als eigene Konfession begründet wurde, verlor die Bewegung einen Teil ihrer radikalen Einstellungen. Sie wurde zwar als nonkonformistisch beschrieben, war aber nach dem Eindruck mancher Mitglieder zu konventionell geworden. Deshalb setzten sich die beiden Bauern Hugh Bourne und William Clowes – beide ohne Schulbildung – das Ziel, den ursprünglichen Eifer in einer Bewegung namens „Ursprüngliche Methodisten“ wiederzubeleben. Sie spalteten sich 1810 von der Hauptrichtung ab und wurden als „Großmäuler“ abgetan, weil sie den ganzen Tag über Freiluftgebete abhielten, Kirchenlieder zu den Melodien von Volksliedern sangen, Wunderheilungen vornahmen und auf einer einfachen Sprache, einfacher Kleidung, einfachen Gottesdiensten und einem einfachen Leben beharrten. Die Ursprünglichen Methodisten rühmten sich, sie seien eine demokratische Kirche der Armen für die Armen. In vielen Industriestädten und ländlichen Dörfern bauten sie kleine Kapellen als Konkurrenz zur methodistischen Hauptkirche. Im weiteren Verlauf des Jahrhunderts gab es zunehmend Bemühungen, die Spaltung rückgängig zu machen, und 1931 vereinigten sich beide Bewegungen schließlich in der Methodistischen Union. In den Vereinigten Staaten gibt es bis heute eine eigene Kirche der Ursprünglichen Methodisten (die Primitive Methodist Church).

Mit der Expansion des britischen Kolonialreiches wurde auch die methodistische Religion mit ihrer typischen Energie und Entschlossenheit in die ganze Welt exportiert. Als demokratische, engagierte, internationale Kirche ist sie noch heute in Form von Distrikten und Kirchenkreisen organisiert. Ihre Oberhäupter werden in den meisten Ländern gewählt, haben das Amt nur für eine festgelegte Zeit inne und lehnen jeden Personenkult ab; in anderen gibt es aber auch methodistische Bischöfe. Eine eindeutige, gemeinsame Theologie und Praxis gibt es nicht, ein Mangel, der die Gemeinschaft im Vergleich zu anderen Konfessionen anfälliger für Spaltungen macht. In den Vereinigten Staaten gibt es derzeit bis zu 40 verschiedene Kirchen, die alle das Wort „methodistisch“ im Namen führen.
Worum geht es Das Christentum verlangt einen radikalen sozialen Ansatz