Das Papsttum
Die katholische Kirche unterscheidet sich in vielen Aspekten von den anderen christlichen Religionen. Einer davon ist das Festhalten am Papsttum. Nach der katholischen Lehre steht der Papst in Rom in einer ununterbrochenen Reihe, die sich bis auf den Apostel Petrus zurückverfolgen lässt, und er verfügt über eine beispiellose Autorität in geistlichen und dogmatischen Fragen. Die Äußerungen des Papstes in bestimmten Angelegenheiten des Glaubens und der Moral gelten als unfehlbar – das heißt, er kann sich nicht irren.
Das hierarchische System der Kirchenleitung im Christentum wurde um 160 u. Z. eingerichtet. Zuvor genossen die verschiedenen christlichen Gemeinschaften eine beträchtliche Selbstständigkeit. Eine eindeutige Führung fehlte, und deshalb kam es häufig zu Diskussionen über die wahre Lehre. Um diesem Missstand abzuhelfen, bildete sich in der Frühzeit der Kirche ein System mit mehreren Hierarchieebenen (Erzbischöfe, Bischöfe, Priester und Diakone) mit dem Papst an der Spitze. Diese Geistlichen übten ihrerseits Autorität über die einfachen, als Laien bezeichneten Menschen aus.
Theorie und Praxis In der Anfangszeit des Christentums war die Autorität des Papstes eher theoretischer als praktischer Natur. Erst Mitte des fünften Jahrhunderts, während der Amtszeit von Papst Leo dem Großen, machte sich der Einfluss des Papstes als Bischof von Rom und Nachfolger von Petrus in Europa in nennenswerten Umfang bemerkbar. Leo verschaffte sich diese Autorität durch persönliches Engagement und durch sein Vorbild in Verbindung mit einer erfolgreichen Missionstätigkeit sowie durch Bündnisse mit mächtigen Königen und Prinzen.
ca. 64 u. Z. Petrus wird hingerichtet 160 Anfänge der Hierarchie
| Papst Leo der Große Leo (440–461) ist einer von nur zwei Päpsten in der Geschichte, die den Beinamen „der Große“ erhielten. Er wurde vor allem dadurch bekannt, dass er für den Papst die höchste Autorität in der Kirche einforderte. „Er machte ein für alle Mal klar, dass das Papsttum mit Petrus identisch ist“, schrieb der Kirchenhistoriker Eamon Duffy, der in Cambridge lehrte. „Leo hatte ein fast mythisches Gespür für diese Identität. Er bezeichnete sich zwar als ‘unwürdiger Erbe’, erbte von Petrus aber alle Privilegien.“ Leo setzte seine Vorstellung vom Papsttum energisch und rücksichtslos durch und verwandelte die Kirche damit von einem System mehr oder weniger selbstständiger Prälaten und Bischöfe, die sich über das Gebiet des alten Römischen Reiches verteilten, in einen hierarchischen Apparat mit dem Papst an der Spitze. Er war nicht nur ein geschickter Redner und Diplomat, sondern auch ein sehr mutiger Mann. Im Jahr 452 stellte er sich dem Hunnen Attila entgegen, der Norditalien in Schutt und Asche gelegt hatte und nun weiter nach Süden in Richtung Rom vordringen wollte; er konnte den Eindringling überreden, sich zurückzuziehen. |
Danach erlebte das Papsttum Blütephasen mit höchster Macht, aber auch Zeiten – beispielsweise im neunten Jahrhundert –, in denen Rom und das Papsttum im Chaos versanken. Die katholische Kirche hält zwar auch heute noch an der Vorstellung einer apostolischen Nachfolge fest, durch die jeder einzelne der mehr als 260 Nachfolger Petri durch diesen mit Jesus verbunden ist, in Wirklichkeit hatten aber auch Wüstlinge, Betrüger und der Legende zufolge sogar eine als Mann verkleidete Frau das Amt inne. Die kirchliche Lehre besagt aber, dass das Versagen einzelner Päpste die Autorität des Amtes nicht ins Wanken bringen kann. Außerdem sollte man nicht vergessen, dass viele Päpste Männer mit großen geistigen Fähigkeiten, Demut, Spiritualität und ethischem Mut waren, die das Gewand Petri durchaus zu Recht trugen.
Matthäus 16, 18
440 Leo der Große erweitert seinen Herrschaftsbereich 1870 Der Papst wird für unfehlbar erklärt
Thomas Hobbes, 1651 ‘
Papstwahlen Im ersten Jahrtausend der Kirchengeschichte wurden Päpste häufig durch Abstimmung der Geistlichen in ihrem Umfeld oder auch der Bevölkerung Roms gewählt. Auch weltliche Herrscher spielten manchmal eine Rolle, da die Beziehung zwischen Kirche und Staat von großer Bedeutung war. Seit 1059 bildete sich langsam das bis heute bestehende System heraus. Jetzt wählten die Kardinäle den Papst in einer Reihe geheimer Abstimmungen aus ihrer Mitte. Ungefähr 80 Prozent der Männer, die bisher auf dem Stuhl Petri saßen, waren Italiener, und 38 Prozent stammten aus Rom. Nachdem aber heute ein immer größerer Anteil der wahlberechtigten Kardinäle aus Entwicklungsländern stammt, wird es wohl nur eine Frage der Zeit sein, bis einer von ihnen auch Papst und damit ein Symbol der heute weltweit verbreiteten Kirche wird.
Unfehlbarkeit Der Anspruch auf eine oberste, von Gott verliehene Autorität wurde von den Päpsten aller Zeiten erhoben und bildet ein Kernstück des Katholizismus. Kein Mitglied der Kirche darf demnach den Lehren des Papstes widersprechen oder sie missachten. Die Tradition, dass der Papst die Wahrheit der Apostel weiterträgt, wurde erstmals 519 in der Formel von Hormisdas festgeschrieben; diese ist nach dem Papst benannt, der sie gemeinsam mit dem römischen Kaiser Justinian durchsetzte. Im Laufe der folgenden Jahrhunderte gab es innerhalb der Kirche immer wieder langwierige Diskussionen über die Unfehlbarkeit des Papstes. Aber erst im 19. Jahrhundert – also gerade zu einer Zeit, als die weltliche Macht des Papstes, mit den Bestrebungen zur Vereinigung Italiens und dem damit verbundenen Verlust des Kirchenstaates im Jahr 1870, einen Tiefpunkt erreicht hatte – wurde der Anspruch des Papstes, in manchen geistlichen Fragen unfehlbare Lehren zu verkünden, bei einem Treffen der Kardinäle in Rom festgeschrieben. Seit jener Zeit wurde aber nur eine einzige päpstliche Äußerung – die Erklärung im Jahr 1950, wonach Maria, die Mutter Jesu, mit Leib und Seele in den Himmel aufgefahren sei (Mariä Himmelfahrt) – als unfehlbar eingestuft.
| Exkommunikation Im Mittelalter, als die Inquisition auf ihrem Höhepunkt wütete und ihre Vertreter die päpstliche Lehre häufig mit Folter und Todesstrafe durchsetzten, wurden abweichende Meinungen oft mit der Exkommunikation bestraft. Nach der Reformation bemühte sich das Konzil von Trient, solche Exzesse zurückzudrängen: Es ordnete an, die Exkommunikation nur mit „Ernsthaftigkeit und großer Umsicht“ zu verhängen. Der Kodex des Kanonischen Rechts, das Gesetzbuch der katholischen Kirche, nennt als Sünden, die mit Exkommunikation bestraft werden dürfen: Abfall vom Glauben, Ketzerei, Kirchenspaltung, Entweihung der Eucharistie, körperliche Gewalt gegen den Papst und die Schaffung der Gelegenheit zur Abtreibung. |
Mit seinem Beamtenapparat im Vatikan (der Kurie), dem weltweiten Netz der lokalen Erzbischöfe und Bischöfe sowie den Geistlichen in den Kirchengemeinden hat der Papst noch heute die Macht, einzelne Katholiken zu disziplinieren – entweder durch Ausschluss von den Sakramenten oder in seltenen Fällen durch Exkommunikation, den Ausschluss aus der Kirche. Dabei wird aber betont, dass ja nur derjenige aus der Kirche ausgeschlossen werden kann, der vorher durch die Taufe ihr Mitglied geworden ist; daher bleibt nach der Exkommunikation die Tür für Buße und Wiederaufnahme immer offen.
Worum geht es Der Papst als Oberhaupt der katholischen Kirche
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