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Die Baptisten

Die Taufe (lat. baptisma) ist in allen christlichen Konfessionen der Augenblick, in dem ein Mensch in die Kirche aufgenommen wird. In einer Zeremonie, die auf die Taufe Jesu durch seinen Vetter Johannes zurückgeht, werden neue Mitglieder in der Kirche willkommen geheißen. Die Baptisten lehnen jedoch die traditionelle christliche Praxis ab, Säuglinge zu taufen. Nach ihrer Ansicht kann die Taufe – die häufig durch völliges Untertauchen in Wasser vollzogen wird – erst dann stattfinden, wenn der Einzelne erwachsen ist und sich bewusst dafür entscheiden kann, dem Vorbild Christi in seinem Leben zu folgen.
Weltweit gibt es rund 110 Millionen Baptisten, die sich auf viele selbstständige Kirchen verteilen. Allen gemeinsam ist ihre besondere Einstellung gegenüber der Taufe. In sämtlichen anderen Fragen der christlichen Lehre gibt es deutliche Unterschiede und in vielen Fällen sogar tiefe Risse. Im Jahr 2004 trat beispielsweise die US-amerikanische Southern Baptist Convention mit 16 Millionen Mitgliedern aus der weltweiten Dachorganisation der Baptist World Alliance aus, weil diese „zu liberal“ sei. Die Ursprünge der Baptisten lassen sich bis in die Zeit der Reformation zurückverfolgen. Damals nahmen Abweichler sich die Botschaft von Zwingli, Luther und Calvin zwar zu Herzen, gingen aber noch einen Schritt weiter: da Jesus in den Evangelien nirgendwo Kinder tauft, wollten sie es ebenfalls nicht tun. Die ursprünglichen Führungsgestalten der Reformation sprachen sich gegen diese Ansicht aus, aber die „Baptisten“ blieben hartnäckig; gleichzeitig entwickelte sich bei ihnen eine tiefe Abneigung gegen Hierarchien und alle Versuche, ihnen Doktrinen und einheitliche Lehrmeinungen aufzuzwingen.

‚Ein Leck lässt
ein Schiff sinken,
und eine Sünde
zerstört den Sünder.

John Bunyan, 16‘
1524 erste Kirche der Wiedertäufer 1609 John Smyth geht ins Exil

John Bunyan

John Bunyan war ursprünglich ein fahrender Kaufmann, der Haushaltswaren in englischen Kleinstädten und Dörfern verkaufte. Im Jahr 1653 wurde er Baptist: Er wurde im Fluss Great Ouse getauft und erwarb sich anschließend landesweit den Ruf eines besonders überzeugten Wanderpredigers. Als 1660 nach dem Bürgerkrieg und Cromwells Commonwealth die Monarchie wiederhergestellt wurde, verringerte sich die Toleranz gegenüber den meisten Formen des protestantischen Glaubens. Bunyan verweigerte die Anpassung und setzte seine Predigertätigkeit fort. Deshalb saß er nach 1660 mehrmals im Gefängnis. Während einer Haft im Jahr 1676 schrieb er den ersten Entwurf zu seinem Werk The Pilgrim’s Progress (dt. Pilgerreise zur seligen Ewigkeit); darin schilderte er in Umgangssprache die Zweifel, Versuchungen und Mühsale des Alltagslebens auf dem rituellen Weg zwischen der „Stadt der Zerstörung“ und der „himmlischen Stadt“. Es war bis ins 19. Jahrhundert das meistgelesene englischsprachige Buch nach der Bibel.

Wiedertäufer Die historischen Wurzeln der Baptistenbewegung liegen bei den Wiedertäufern, die den Puritanern nahestanden und Anfang des 17. Jahrhunderts unter Einfluss von John Smyth und Thomas Helwys die Kirche von England verließen. Diese radikale Gruppe, deren erste Kirche vermutlich 1524 in Augsburg gegründet wurde, lehnte nicht nur die Säuglingstaufe ab, sondern auch alle anderen Forderungen der weltlichen Behörden, wie den Beitritt zur Armee, die Teilnahme an Gerichtsverhandlungen, das Ablegen von Eiden und sogar die Anerkennung des Herrschaftsrechts von Prinzen oder Königen. Deshalb galten sie als Aufständische und Verräter, und sie mussten lange Phasen der Verfolgung erdulden. In England machte sich der Einfluss der Wiedertäufer in der religiösen Bewegung der Separatisten bemerkbar; wie der Name schon sagt, lehnten sie jede Verbindung zwischen Religion und Staat ab, und damit wandten sie sich auch gegen die Ansprüche der Kirche von England. Zusammen mit den Separatisten wurden auch Smyth und Helwys festgenommen. Beide mussten 1609 in die Republik der Niederlande flüchten, die damals ein Zufluchtsort für die Nonkonformisten war; dort gründeten sie eine englischsprachige Gemeinde, die sich im Hinterzimmer einer Bäckerei traf. Smyth taufte sich zunächst selbst und entwickelte dann eine Reihe von Ansichten, derentwegen er als Begründer der Baptistenbewegung bezeichnet wird. Er lehnte jede Form der Liturgie ab, da sie einen Keil zwischen die Gläubigen und Gott treibe, und setzte sich für eine einfache, doppelte Führungsstruktur mit Pastoren und Deka-
1634 erste Baptistengemeinde in den späteren Vereinigten Staaten 1676 Bunyan beginnt mit der Arbeit an The Pilgrim’s Progress 1792 Gründung der Baptist Missionary Society
nen ein (während die anderen protestantischen Konfessionen ein dreistufiges Modell bevorzugten).

‚Erwarte Großes
von Gott; bemühe dich
um Großes für Gott.
William Carey, 17‘

Recht auf Selbstständigkeit Im Jahr 1612 kehrten die Baptisten nach England zurück und gründeten in Spitalfields im Osten von London ihre erste Gemeinde. Helwys vertrat in einem dem König James I. gewidmeten Buch die Ansicht, der Monarch habe kein Recht, über das Gewissen des Einzelnen zu bestimmen, „denn die Religion eines Menschen ist eine Sache zwischen diesem und Gott selbst“. Deshalb wurde er verhaftet und starb als erster einer ganzen Reihe baptistischer Märtyrer im Gefängnis. Im Jahr 1620 segelten Baptisten auf der Mayflower nach Massachusetts und gründeten in der neuen Kolonie erste Gemeinden. Diese waren demokratisch organisiert. Kein Geistlicher durfte anderen seine Ansichten aufzwingen. Alle Fragen mussten in der Gemeinde demokratisch entschieden werden. Der Glaube an die individuelle und lokale Selbstständigkeit hatte zur Folge, dass es nie eine einheitliche Baptistische Kirche gab, sondern immer nur eine Reihe miteinander verbundener Bewegungen, die sich alle als Baptistengemeinschaften bezeichneten. Als die Bewegung der Baptisten sich auf die südlichen US-Bundesstaaten ausbreitete, musste sie sich mit der Sklaverei auseinandersetzen. Die Baptisten waren in ihrer Mehrzahl überzeugt, dass alle Menschen, ob schwarz oder weiß, vor Gott gleich seien; eine Minderheit jedoch, die Southern Baptist Convention, verteidigte die Sklaverei. Sie behauptete, es gebe dafür in der Bibel eine Rechtfertigung, und spaltete sich ab. In Großbritannien waren die Baptisten zur gleichen Zeit allgemein anerkannt und standen im Kampf für die Abschaffung der Sklaverei an vorderster Front. Sie erkannten in der Behandlung der Farbigen eine Parallele zu ihrer eigenen früheren Verfolgung als religiöse Abweichler. Im Jahr 1792 gründete man in London die Baptist Missionary Society, um die Botschaft der Gemeinschaft nach Indien und in den Fernen Osten zu tragen. Zu ihren bekanntesten Mitgliedern gehörte William Carey (1761–1834), ein Schuster, der die letzten 40 Jahre seines Lebens in Indien verbrachte und dort die Bibel in 25 lokale Sprachen und Dialekte übersetzte.
Die Taufe der Gläubigen Bis heute eint alle Baptisten das Prinzip der „Taufe der Gläubigen“, das sie im Gegensatz zur Praxis der Säuglingstaufe

Was es heißt, Baptist zu sein

Baptisten nennen den Namen ihrer Konfession manchmal als Abkürzung für ihre wichtigsten Glaubensüberzeugungen: Biblische Autorität; Autonomie der lokalen Kirchengemeinde; Priestertum aller Gläubigen; zwei (engl. two) Sakramente (Taufe und Eucharistie); Individuelle Freiheit der Seele; Separation (Trennung) von Kirche und Staat; und zwei (two) kirchliche Ämter (Pastor und Diakon).

vertreten. (In manchen Baptistenkirchen dürfen die Kinder überhaupt nicht am Gottesdienst teilnehmen, und sie werden erst als Teenager vollwertige Kirchenmitglieder.) Im Gegensatz zu anderen evangelikalen Gruppen gilt die Taufe nicht als Augenblick der „Wiedergeburt“, sondern als öffentlicher Ausdruck eines inneren Bekenntnisses zu Gott. Das Untertauchen im Wasser ist also ein dreifaches Symbol: für das Abwaschen des alten Lebens, für die Wiederauferstehung in einem neuen Leben mit Gott und für den tagtäglich gelebten Glauben. Eine andere Gemeinsamkeit der Baptisten ist ihr Glaube an die vier Freiheiten, wie sie häufig genannt werden: die Freiheit der Seele des Einzelnen, der Kirche (Andacht ist an jedem Ort und in jeder Form möglich), der Bibel (die man interpretieren kann, wie man es für gut hält) und der Religion (der Weg zu Gott wird nicht vom lokalen Herrscher aufgezwungen, sondern man kann ihn sich selbst wählen). Aber auch diese übereinstimmenden Überzeugungen werden in den verschiedenen Baptistengemeinden unterschiedlich umgesetzt. Allein in den Vereinigten Staaten gibt es 50 verschiedene Baptistenkirchen, und in manchen Ländern bevorzugen die Baptisten eine „offene Mitgliedschaft“: Auch die Angehörigen anderer Konfessionen dürfen mit ihnen beten, und manchmal wird nicht einmal die Taufe der Gläubigen vorausgesetzt. Damit setzen sie die Freiheiten, von denen sie so überzeugt sind, tatsächlich in die Tat um.
Worum geht es nur Erwachsene können sich für Christus entscheiden