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Die Kabbala

In allen drei monotheistischen Religionen gibt es die Vertreter eines mystischen, von Fantasie und Intuition geprägten Glaubens. Im Judentum wird diese Richtung als Kabbala bezeichnet. Ihr wichtigster Text, das Sefer ha Zohar („Buch des Glanzes“), erschien erstmals in den 1280er Jahren in Spanien; nach den Behauptungen seiner Anhänger repräsentiert es aber eine verborgene, erotisch-spirituelle Tradition im Judentum, die bis ins erste Jahrhundert u. Z. oder noch weiter zurückreicht. Es verlieh den Gebeten und dem geistlichen Leben vieler Juden neue Energie und trug dazu bei, dass sie in ihrem Glauben einen Sinn erkennen konnten, der über Regeln, Riten und Rituale hinausgeht. Andere Vertreter der jüdischen Hauptrichtung halten aber die verschiedenen Ausprägungsformen der Kabbala für Aberglauben, der Visionen und bösen Geistern eine zu große Bedeutung beimisst.
Das Zohar wurde 1280 von dem spanischen Rabbiner Moses de Leon (ca. 1250– 1305) verfasst oder zusammengestellt. Seinen eigenen Aussagen zufolge bearbeitete er einen wesentlich älteren Text von Rabbi Shimon bar Yochai, der um 70 u. Z., als der zweite Tempel in Jerusalem zerstört wurde, ein bekannter Lehrer war. Wie er aber an diesen Text gelangt war, wurde nie ganz klar. Das antike Dokument, eine Sammlung der mündlichen Kommentare von Shimon bar Yochai über die Thora, war nach de Leons Angaben später aus dem Talmud weggelassen worden und verloren gegangen oder in Vergessenheit geraten. Im Zusammenhang mit den Behauptungen Moses de Leons über das Zohar gab es viele Diskussionen. Der Text enthält Bezüge zu Ereignissen, die sich lange nach dem Jahr 70 abspielten. Nach Ansicht der Gläubigen ist das ein Beweis, dass Shimon bar Yochai ein Prophet war. Manche behaupten sogar, er habe vorausgesagt, dass seine Schriften 1200 Jahre lang im Verborgenen bleiben würden, bevor sie auf wundersame Weise wieder auftauchen und den Juden als Richtschnur dienen würden.
ca. 70 u. Z. Shimon bar Yochai schreibt seine Lehren nieder 1280 Moses de Leon schreibt das Zohar
Allgemein wird aber berichtet, nach de Leons Tod habe seine mittellose Witwe ein Kaufangebot für den ursprünglichen Text erhalten und darauf geantwortet, einen solchen Text gebe es nicht. Ihr Mann habe ihn einfach neu erfunden. Dennoch blieben die Anhänger des Zohar bei ihrer Ansicht, die Worte des Buches seien unter göttlichem Einfluss geschrieben worden.
Innere Bedeutung In seiner Untersuchung der Thora beschreibt das Zohar vier Bedeutungsebenen: die buchstäbliche, die allegorische, die von

Die Sefirot

Die Sefirot sind in der Kabbala die zehn „Emanationen“ Gottes, die er im Universum erschafft. Sie entsprechen verschiedenen Schöpfungsebenen oder Zweigen am Baum des Lebens und sind das Mittel, mit dem Gott sich selbst und seine ethischen Grundsätze seinem Volk offenbart. Das sind Kether (Wille), Chochma (Weisheit), Bina (Einsicht), Chessed (Gnade), Gewura (Gerechtigkeit), Tiferet (Harmonie), Netzach (Sieg), Hod (Glanz), Yesod (Macht) und Malchut (Königreich).

den Lehren der Rabbiner geleitete und schließlich die innere Antwort oder Sod. Die Anfangsbuchstaben dieser vier Ebenen im Aramäischen (der antiken Sprache, derer sich Moses de Leon bediente) ergeben ein Wort, das „Obstgarten“ oder „Paradies“ bedeutet. Auf der Suche nach der inneren Bedeutung, so das Zohar, müssen sich Juden der Liebe Gottes in Gehorsam und Gebet hingeben; dann beginnt ein spiritueller Weg, der durch heilige Visionen gekennzeichnet ist und in sieben mit Farben markierten Stadien der Ekstase gemessen wird. Das letzte Stadium ist farblos, und der Gläubige betrachtet das undurchschaubare Mysterium Gottes. Insgesamt haben die Beschreibungen der Beziehung zwischen den Menschen, Gott und der Thora im Zohar einen erotischen Unterton; dieser ist so stark, dass es im 17. Jahrhundert Bestrebungen gab, nur Männern über 40 Jahren die Lektüre des Zohar zu gestatten.

‚[Die Kabbala] macht den Menschen Angst,
deshalb bemühen sie sich, sie zu leugnen oder kleinzureden,
damit sie sinnvoller erscheint.

Madonna, 2005 ‘
1480er Jahre Vertreibung der Juden aus Spanien ca. 1500 Isaac Luria verfeinert die Kabbala
Der Gott, den man nicht kennen kann Die wichtigsten religiösen Lehren des Zohar sprechen den Menschen viel Macht zu. Gute Männer und Frauen, so heißt es dort, können das Universum durch ihre Taten verbessern und so einen Strom der göttlichen Gnade in Gang setzen. Dies ist insgesamt einer der wichtigsten Grundsätze der Kabbala-Bewegung: Sie ist bestrebt, zwischen einem unendlichen, ewigen Schöpfergott und den Individuen, die seine endliche Schöpfung bevölkern, einen Zusammenhang herzustellen. Die Kabbala setzt sich aus Wegen zur spirituellen Selbstverwirklichung zusammen. Dazu gehören Gebete, Reflexion und die Bereitschaft zu einer mystischen Reise, in der sich die äußere religiöse Praxis (jüdische Riten und Rituale) mit ihrer inneren Bedeutung versöhnt. Sie ist aber im Vergleich zum Zohar ein umfassenderes theologisches und mystisches System. Ihre Anhänger behaupten, sie gehe auf das 10. Jahrhundert v. u. Z. zurück und sei damals für die jüdische Bevölkerung im antiken Israel das Normale gewesen. Erst während der späteren Aufstände, Kriege, Vertreibungen und anderen Leiden, so die Behauptung, wurde sie begraben oder vergessen. Im Talmud bedeutet das Wort Kabbala einfach „empfangenes Wissen“, aber im Laufe der Jahrhunderte, die auf die weite Verbreitung des Zohar im Judentum des Mittelalters folgten, fanden die darin skizzierten mystischen Grundsätze ihren Weg in die Hauptrichtung des jüdisch-theologischen Denkens. Beschleunigt wurde diese Entwicklung durch die Zerstörung und Zerstreuung der jüdischen Gemeinschaft, die in Spanien seit 1490 einsetzte. Parallel zu diesem Prozess wurde die Lektüre der Kaballa, die bisher fast ausschließlich der jüdischen Oberschicht vorbehalten war, nun zu einer volkstümlichen Bewegung; kabbalistische Werke kursierten in der jüdischen Diaspora und beschrieben einen esoterischen Weg zur unmittelbaren Vereinigung mit Gott.

‚Wertvoller als das Gewand ist der Körper, welcher es trägt,
und noch wertvoller als er ist die Seele, welche den Körper belebt.
Toren sehen nur das Gewand der Thora, die Klügeren sehen
den Körper, die Weisen sehen die Seele, ihr eigentliches Sein;
und in messianischer Zeit wird sich die ‘höhere Seele’
der Thora offenbaren.

Zohar ‘

Madonna und die Kabbala

Die Sängerin Madonna wurde zwar katholisch erzogen, entwickelte sich aber zu einer prominenten Anhängerin der Kabbala, nachdem sie 1997 von ihrer Freundin, der Schauspielerin und Komikerin Sandra Bernhard, mit der Lehre bekanntgemacht worden war. Eigenen Angaben zufolge verdankt sie der Kabbala ein größeres Selbstwertgefühl und spirituelle Orientierung. Vor dem Hintergrund dieser Verbindung nahm sie den hebräischen Namen Esther an und trug in der Öffentlichkeit am Handgelenk ein rotes, siebenmal geknotetes Band, das böse Geister abwehren soll. Sie hat sich einer besonderen Form der Kabbala angeschlossen, die von dem Rabbiner Philip Berg vertreten wird; dieser gründete 1969 in Jerusalem das erste Kabbala-Zentrum und später weltweit 50 weitere. In ihrem 1998 erschienenen Album Ray of Light dankt Madonna dem Kabbala-Zentrum für die „kreative Richtschnur“, und in einem Kinderbuch, das sie 2003 herausbrachte, äußert sie Gedanken über die ethische Ablehnung von Habgier und Neid durch die Bewegung.


Die Kabbala wurde zum Gegenstand vieler Diskussionen und Neubewertungen, insbesondere durch Isaac Luria (1534–1572) und seine Schule für kabbalistische Studien in Safed im Norden Galiläas. Die Lurianische Kabbala legt besonderes Gewicht auf den Kosmos, die Meditation und die Wiederkehr eines jüdischen Messias. Sie unterscheidet deutlich zwischen Ein Sof – dem Aspekt Gottes, den man nie kennen kann, weil er endlos und unpersönlich ist – und den Sefirot, jenen zehn offenbarten Aspekten, die das Leben der Juden, das Schicksal Israels und die Menschheitsgeschichte prägen.
Worum geht es Das Mysterium Gotttes lässt sich teilweise enträtseln