Samsara
Der Kreislauf aus Geburt,Tod und Wiedergeburt, der im Hinduismus als Samsara und an anderen Orten auch als Reinkarnation bezeichnet wird, steht in ausgeprägtem Gegensatz zu den Vorstellungen der monotheistischen Religionen über den endgültigen Tod und das Jenseits. In der hinduistischen Lehre findet eine ständige, fortschreitende Beurteilung statt, manchmal über viele Lebenszeiten hinweg; sie unterliegt dem Karma. Dieser Begriff bezeichnet in ungefährer Übersetzung die Taten des Einzelnen während seines Lebens, umfasst aber auch die Vorstellung von einem Erbe, das von einem Leben zum nächsten mitgenommen wird.
Das Wort Karma kommt aus dem Sanskrit und bedeutet wörtlich „Tat“. Es geht auf die Upanischaden zurück, insbesondere jene von Yajnavalkya, dem Hofphilosophen des Königs Janaka von Videha. Dieser war ein führender Unterstützer einer friedlichen, inneren Spiritualität, die dem vedischen Glauben seit 800 v. u. Z. ein neues Gesicht gab. Zuvor hatte man im Tod ein Vorspiel zum Aufenthalt im Land der Götter gesehen, welcher den Menschen zuteil wurde, wenn sie die Rituale befolgten. Yajnavalkya und andere Weise seiner Zeit formulierten eine neue Idee: Danach zählten die Taten, und nur wenn ein Gläubiger mit Taten bewies, dass er sich vom Streben nach allem Irdischem losgesagt hatte, wurde er in einem Leben nach dem anderen von der Last der Krankheit, des Alters und der Sterblichkeit befreit, ohne dass aber Hoffnung auf eine endgültige Erlösung bestand. Diesen Kreislauf des Leidens bezeichnete man als Samsara. Er konnte nur durch vollständige Selbsterkenntnis durchbrochen werden, die dann zur Mokscha führte, der endgültigen Befreiung und ewigen Vereinigung mit dem höchsten Gott in einem unklar definierten Himmel. Die neuen Ideen von Karma und Samsara waren anfangs umstritten, aber im fünften Jahrhundert v. u. Z. hatten sie sich in der Hauptrichtung des Hinduismus durchgesetzt.
ca. 800 v. u. Z. In den Upanischaden werden Karma und Samsara definiert
Ursache und Wirkung Karma macht deutlich, wie stark im Hinduismus die konkrete Lebensweise im Kontrast zu abstrakten Prinzipien von „richtig“ und „falsch“ im Mittelpunkt steht. Nach dem Glauben der Hindus hat jede Tat, ob gut oder schlecht, entweder unmittelbar oder in einem zukünftigen Leben ihre Auswirkungen. Schlechte, gegen das Dharma gerichtete Taten – Hindus sprechen von Paap – bringen ein schlechtes Karma mit sich, gute Taten (Punya) führen zu einem guten Karma. Dennoch handelt es sich nicht nur um eine einfache Beziehung von Ursache und Wirkung, bei der jeder Einzelne sein Schicksal in der Hand hat. Hindus glauben auch, dass die Götter unmittelbar eingreifen und das Karma eines Menschen verändern können. Eine Geschichte – im Hinduismus sind solche Geschichten ebenso beliebt wie Gleichnisse im Christentum – handelt von Sandipani, einem Guru Krishnas, der irdischen Verkörperung des Gottes Vishnu. Sandipani hat seinen Sohn an einen Mee-
Ca. 500 v. u. Z. Die neuen Definitionen sind allgemein anerkannt
resdämon verloren, der ihn nach Yama gebracht hat, den Bereich des Herrschers der Toten. Dies soll am schlechten Karma des Sohnes gelegen haben. Aus Achtung vor seinem früheren Lehrer setzt Krishna/Vishnu seine Autorität ein, um den Sohn von Yama zurückzuholen und seinem Vater wiederzugeben. Er macht das schlechte Karma zu einem guten. Genau diese Machtausübung, die über die persönlichen Bemühungen des Einzelnen hinausgeht, beweist für manche Hindus die Existenz Gottes.
| Prayopavesa Prayopavesa, das Fasten bis zum Tod, ist im Hinduismus eine anerkannte Übung, man sollte es aber nicht unmittelbar mit Selbstmord gleichsetzen. Der Vorgang unterliegt strengen Vorschriften. Es muss ohne Anwendung von Gewalt und mit natürlichen Mitteln stattfinden. Man darf nur darauf zurückgreifen, wenn der Körper erschöpft ist und nicht mehr funktioniert. Aus einem Impuls heraus kann man es nicht unternehmen: Es bedarf einer Vorbereitungszeit, in der man Freunden und Verwandten erklärt, was geschehen wird. Außerdem muss man es mit ernster Gesinnung antreten, nicht aber, wenn man sich in einem Höhenflug der Gefühle befindet. Im November 2001 nahm sich Satguru Sivaya Subramuniyaswami, ein angesehenes Oberhaupt der hinduistischen Gemeinschaft in den Vereinigten Staaten, durch Prayopavesa das Leben. Er hatte Darmkrebs im Endstadium. Nachdem er eine Zeit lang meditiert hatte, nahm er keine Nahrung mehr zu sich und trank nur noch Wasser. Er starb nach 32 Tagen. |
Tulsidas, hinduistischer Schriftgelehrter, 1532–16‘23
Varianten des Karma Im Hinduismus kann das Karma mehrere Formen haben. Sanchita karma ist die Gesamtheit des Karma aus allen früheren Leben – eine Art Summe der Schulden. Den Teil der Schuld, den der Einzelne in seinem jetzigen Leben tilgen kann, nennt man Prarabdha karma; das Agami karma dagegen wird am Ende des jetzigen Lebens zur Gesamtschuld jeder Seele (Atman) hinzugefügt oder von ihr abgezogen. Flüchtiger ist das Kriyamana karma, manchmal auch „Karma des Augenblicks“ genannt: Es entsteht durch Alltagsvorgänge im Leben und hat keine langfristigen Auswirkungen. Unter Hindus gibt es Diskussionen darüber, wie das Karma in einzelnen Gruppen funktioniert. Manche vertreten die Ansicht, man könne Kinder und Tiere nicht für ihre Taten verantwortlich machen, und deshalb seien sie vom Agami karma ausgenommen. Sie tragen aber das Sanchita karma. Der Schlüssel zur Befreiung vom Samsara liegt für alle Hindus darin, dass man das Sanchita karma zur Neige gehen lässt, und das schafft man nur durch ein moralisch einwandfreies Leben und die Hilfe der Götter. WWir
Worum es geht Wir alle Leben viele Male
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