Reformierte Kirchen
Einige Kirchen, die aus der protestantischen Reformation hervorgingen, bezogen ihre Anregung nicht von Martin Luther, sondern von Johannes Calvin. Diese werden zusammenfassend als Presbyterianische oder Reformierte Kirchen bezeichnet. Calvin brach radikaler als Luther mit der früheren kirchlichen Organisation und Liturgie; unter anderem lehnte er die Ausschmückung von Kirchen, Zeremonien, nahezu sämtliche Musik im Gottesdienst und auch das Amt des Bischofs ab. Deshalb entwickelte sich in der Reformierten Kirche ein ernsthafter, einfacher und würdiger Gottesdienststil mit tiefer Spiritualität. Die Bewegung hat heute weltweit rund 24 Millionen Anhänger, die meisten von ihnen in Schottland, den Niederlanden, der Schweiz und den Vereinigten Staaten.
Zu Calvins Neuerungen gehörte der Älteste oder Presbyter, der kein Geistlicher war, aber an den demokratischen Entscheidungsprozessen in der Kirche und bei der Seelsorge mitwirkte. Er – ursprünglich waren die Ältesten ausschließlich Männer – war ein nicht ordinierter Priester. Das Wort Presbyter geht auf das griechische presbyteros („älter“) zurück. Um seine Ansicht zu unterstreichen, zitierte Calvin die Apostelgeschichte, in der Älteste den geistlichen Bischöfen gleichgestellt sind: „In jeder dieser Kirchen wurden Älteste ernannt, die mit Gebeten und Fasten dem Herrn unterstellt wurden, an den sie nun glaubten.“
Die Ausbreitung des Presbyterianismus Von Genf aus, wo Calvin zuhause war, breitete sich die Reformierte Kirche schnell aus. Großen Einfluss hatte sie unter anderem auf John Knox, der in die Schweiz reiste und bei Calvin arbeitete. Nach seiner Rückkehr in seine Heimat Schottland (das damals ein von England und Wales getrenntes Königreich war) spielte Knox eine wichtige Rolle in dem Aufstand, der 1558 ausbrach, als die junge schottische Königin Maria den katholischen französischen Thronerben heiratete. Knox konnte das schottische Parlament 1560
1559 Calvin vollendet sein Hauptwerk Unterricht in der christlichen Religion 1560 Gründung der Kirk
überzeugen, den Calvinismus, der umgangssprachlich Kirk genannt wurde, zur schottischen Staatsreligion zu erklären. Auch nach dem Vereinigungsgesetz von 1707, mit dem das schottische Parlament zugunsten eines einzigen Gesetzgebers in London aufgelöst wurde, blieb die Presbyterian Church of Scotland nördlich der Grenze die beherrschende Kirche, während im Süden die anglikanische Konfession dominierte. Auch in der Republik der Niederlande gedieh der Presbyterianismus. Die Niederländische Reformierte Kirche hielt 1571 in Emden ihre erste Synode ab und gab sich offiziell ein calvinistisches Programm. Eine Zeit lang mussten alle Staatsbeamten dieser Kirche angehören, sie wurde aber nie zur Staatsreligion.
| John Knox Hätte es John Knox (ca. 1510–1572) nicht gegeben, in Schottland hätte sich vielleicht wie in England die Anglikanische Kirche anstelle des Presbyterianismus durchgesetzt. Da die Reformierte Schottische Staatskirche für viele Gläubige – nicht zuletzt für die Puritaner, die in die Vereinigten Staaten reisten – zum Vorbild wurde, kann man Knox durchaus zusammen mit Calvin als Begründer des weltweiten reformierten Glaubens bezeichnen. Er war Kaplan bei dem protestantischen König Edward VI. von England, aber nachdem dieser 1553 gestorben war, verließ Knox bei Regierungsantritt der katholischen Maria I. das Land. In Genf schloss er sich Calvins religiöser Revolution an. Er entwickelte dort eine neue Gottesdienstordnung, die später von der Kirche von Schottland übernommen wurde. In die Heimat zurückgekehrt, erwies er sich als hartnäckiger Gegner der schottischen Königin Maria. Selbst als diese in Tränen ausbrach, wies er alle ihre Bemühungen zurück, ihn für eine religiöse Toleranz zu gewinnen, mit der sowohl ihr katholischer als auch sein reformierter Glaube anerkannt worden wäre. Der unbeugsame Mann starb 1572 als gefeierter, aber bettelarmer Nationalheld. Zu seinem Vermächtnis gehört die Überzeugung, dass Religionsfreiheit wichtiger ist als die Loyalität gegenüber einem Monarchen. |
1571 erste Synode der Niederländischen Reformierten Kirche 1646 Bekenntnis von Westminster 1707 Im Vereinigungsgesetz (Act of Union) wird die schottische Staatskirche bestätigt
In England machte sich Calvins Einfluss ebenfalls bemerkbar. Das Bekenntnis von Westminster (Westminster Confession), auf das sich die Gegner des Königs Charles I. im englischen Bürgerkrieg 1646 einigten, war stark von der calvinistischen Theologie geprägt und ist in der angelsächsischen Welt bis heute einer der wichtigsten Texte der Presbyterianer. Im Jahr 1972 schloss sich die English Presbyterian Church mit der Congregationalist Church zur United Reform Church (URC) zusammen.
| Die Gemeinschaft von Iona Ende der 1930er Jahre gründete George McLeod, ein angesehener Geistlicher der Kirche von Schottland, auf einer einsamen Insel vor der Westküste Schottlands die Gemeinschaft von Iona. Im sechsten Jahrhundert hatte die Heilige Columba von dort aus der Bevölkerung Schottlands und Nordenglands eine unverkennbar keltische Form des Christentums nahegebracht. McLeod musste sich im Laufe der Jahre mit Anfeindungen der Generalversammlung seiner eigenen, konservativen Kirche auseinandersetzen, er war aber entschlossen, mit seiner Initiative weiterhin den Presbyterianismus zu erneuern. Das Ergebnis – eine ökumenische Gemeinschaft mit einem eigenen liturgischen Ansatz, der im Sinne Calvins einfach, würdig und zeitgemäß ist – wurde auf der ganzen Welt bewundert. |
St Hleronymus 347 – 420
Johannes Calvin, 1559 ‘
Das Book of Order Die Reformierten Kirchen sind Bekenntniskirchen und halten an einer Reihe grundlegender Texte fest. Einer davon ist das Book of Order, das Praxis und Formen des Gottesdienstes festlegt. Seine Grundlage war Die Form von Gebet und Anwendung der Sakramente, ein Werk, das 1556 in Genf erstmals erschien und darüber berichtete, wie Calvins Lehre dort in den Gemeinden umgesetzt wurde. Einflussreich war auch Calvins Hauptwerk mit dem Titel Unterricht in der christlichen Religion, das er 1536 begann und 1559 vollendete. Die meisten Reformierten Kirchen haben auch heute, in Übereinstimmung mit Calvins Prinzipien, die im 16. Jahrhundert in der fortschrittlichen politischen Kultur der Schweiz entwickelt wurden, eine demokratische Struktur. In Schottland genießen die lokalen Gruppen der Kirk eine beträchtliche Selbstständigkeit. Über ihnen stehen in der Hierarchie die regionalen „Presbyterien“ und als oberste Autorität die Generalversammlung mit Laien und Geistlichen als Delegierte. In der Reformierten Kirche ist jeder Einzelne aufgefordert, seine eigene, persönliche Beziehung zu Gott und Bibel zu entwickeln. Sie erklärt aber auch – im Gegensatz beispielsweise zu den Baptisten –, dass die Gruppe und die Kirche ebenso entscheidend dazu beitragen, den Glauben zu prägen.
Worum geht es Religionsfreiheit ist das oberstePrinzip
No Comments