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Die deutschen Treuhand- und Revisionsgesellschaften

Die Bezeichnung „Treuhänder“, eine Weiterbildung des Wortes Treuhand (manus fidelis), ist dem Reichshypotheken¬gesetz vom 13. Juli 1899 entlehnt Mit Unrecht, wenigstens insoweit als dabei die Revisionstätigkeit in Betracht kommt, denn dort wurde der Ausdruck angenommen, um Verwechslungen mit dem nach dem Schuldverschreibungsgesetz vom 9. Dezember 1899 gewählten Vertreter der Gläubiger auszuschließen *). Treu¬händer ist auch der Ausdruck des badischen Landrechts für Testamentsvollstrecker (vergl. auch die §§ 2197—2229 des B.- G.-B.). Das Hypothekenbankgesetz macht in § 29 die Bestellung eines Treuhänders für jede Hypothekenbank obligatorisch. Die Ernennung erfolgt durch die Aufsichtsbehörde. Die Rolle, die
x) Vergl. die Gutachten von Hahn und Clauß in der Zeitschrift für die ge¬samte Versicherungs Wissenschaft Bd. n. S. 317.
a) Im Reichstag wurde der Treuhänder als ein Aufsichtsbeamter zweiten Ranges bezeichnet, der nicht den Gläubigern und nicht den Hypothekenbanken, sondern der Aufsichtsbehörde verantwortlich ist. 
das Gesetz in den §§ 29—34 dem Treuhänder zuweist, ist die eip.es Pfandhalters und Vertreters der Pfandbriefgläubiger auf Grund gesetzlicher Vollmacht Seine Tätigkeit erstreckt sich lediglich auf das Hypotheken- und Pfandbriefgeschäft und wird von der Staatsbehörde überwacht Seine Prüfung ist formal, nicht materiell. Die Bezeichnung, die die hier in Frage kommen¬den Gesellschaften annahmen, ist somit geeignet, den Schein zu erwecken, als ob ihnen, bezw. ihren sog. Treuhändern, irgend welche behördliche, d. h. staatliche Autorität beiwohnte, was natürlich nicht zutrifft. Ganz und gar nicht paßt der Ausdruck । auf die Revisionstätigkeit der Gesellschaften.
Die Treuhandgesellschaften sind Kinder der Neuzeit und Schößlinge des Kapitalismus. Zum Teil fußen sie auf der in weiten Kreisen erwachten Erkenntnis, daß, soweit wenigstens die gesellschaftliche Buchführung in Betracht kommt, der Auf- sichtsrat bei Aktiengesellschaften nicht geeignet erscheint, die Kontrolle dieser Buchführung zu übernehmen. Aus dieser Er-kenntnis heraus sind die sog. Trenhan dgeael Isch aften entstanden. Es haben sich in Deutschland drei Revisionsgesellschaften auf Aktien, an der Spitze die „Deutsche Treuhandgesellschaft“, entwickelt. Im Prinzip wäre gegen die Ausführung von Buch- führungsrevisionen durch eigens für diesen Zweck gegründete Gesellschaften nichts zu erinnern. Sie wären im Gegenteil unter Umständen dem Einzelrevisor vorzuziehen, wenn sie die Bedingungen erfüllten, die an sie gestellt werden müssen. Diese Bedingungen sind:
1. materielle Unabhängigkeit von Aktienbanken oder son¬stigen Finanzinstituten und daher völlige Selbständigkeit bei Ausübung der Revisionstätigkeit;
2* Vorhandensein eines buchtechnisch und handelsrechtlich gehörig geschulten Personals, welches alle gewünschte Garantien bietet und zahlreich genug ist, um auch größeren Aufgaben schnellstens gerecht zu werden.
Erfüllen nun die in Deutschland bestehenden Revisions¬gesellschaften und obenan die deutschen Treuhandgesellschaften zurzeit diese Bedingungen? Antwort: nein1). „Entstanden als
>) Das gleiche wird wohl auch von der torn Schweiz. Bankverein im Oktober 1906 gegründeten Schweizerischen Treuhandgesellachaft (Soctetd anonyme fiduciaire snisse; Swiss Trust Company) mit einem eingezahlten Aktienkapital von 1OÖ 
Schöpfungen des Großkapitals, das bei seinen tausendfältigen Beziehungen zur Industrie ein vitales Interesse daran hatte, den inneren Vermögensstand der einzelnen industriellen Gesellschaften zu kennen und dauernd unter Kontrolle zu halten, sind sie die gefügigen Diener dieses Kapitals, Werkzeuge bestimmter Bank*: gruppen1). Hinter jeder Revisionsgesellschaft steht eine solche Gruppe, deren oberste Aufgabe es gar nicht sein kann, das Re¬visionswesen im allgemeinen und objektiven Interesse zu hand¬haben und auszubauen. Die derzeitigen drei Revisionsgesell¬schaften handhaben als Spezialität die sogenannte Sanierungs¬Revision, und soweit sie auch laufende (ständige) Revisionen besorgen, dienen solche im Grunde auch nur dem Zweck, speziell die hinter ihnen stehenden Bankkonzerns vor Schaden zu be¬wahren. Nun wäre ja auch das schon immerhin ein Gewinn, inso» fern als der Schaden der Bankkonzerns im Grunde mit dem Schaden des Publikums identisch ist. Allein der „Knüppel liegt auch hier nicht weit vom Hund“. Denn das in den Bankkonzerns organisierte Großkapital fördert die Industrie durchaus nicht immer in gesunder Weise. Dadurch entstehen dann notleidende Werte, die von den Banken wieder „saniert“ werden müssen. Da aber die Banken das Sanieren bekanntlich nicht umsonst be¬sorgen, sondern dafür meist recht erklecklichen Gewinn ein¬heimsen, so entsteht die Gefahr, daß von den Großbankbetrieben . das Sanieren und Revidieren schließlich Selbstzweck wird, mit dem nicht dem Allgemeinwohl, sondern nur dem Wohl des Großkapitals gedient wird. Es ist daher keine Frage, daß wirk¬lich unabhängige Revisionsinstanzen, wie sie in tüchtigen Berufs¬revisoren gefunden werden, vor den bestehenden Revisions¬gesellschaften zurzeit noch immer den Vorzug verdienen.
Gewiß bieten die Revisionsgesellschaften eine größere mate¬rielle Garantie als der Berufsrevisor in seiner Vereinzelung, eine Tatsache, die die fraglichen Gesellschaften oft genug als Trumpf ausspielen. Aber wenn trotz der durch die Revisions-
250000 fr. und dem Site in Basel, gesagt werden können. Die Gesellschaft, welche im Januar d. Js. ihre Prospekte hinaussandte, scheint in ihrer Einladung etwas kühn und zu viel zu versprechen, da sie neben der Revision noch sieben andere Branchen, darunter die Übernahme von Konkursverwaltungen, kultivieren will.
J) In obiger Weise äußert sich Ernst Römer in seinem bekannten Buche über Bücherrevisorenpraxis (Berlin, E. E. Römers Verlag).    . 
gesellschaft vorgenommenen Revision die Sache „schief“ geht und Unregelmäßigkeiten vorkommen, so ist es nicht die Re¬visionsgesellschaft, sondern nach Recht und Gesetz der Auf¬sichtsrat, der bluten muß. Diese gesetzliche Haftpflicht des Aufsichtsrats wird oft auch gegenüber dem einzelnen Berufs¬revisor ins Feld geführt Allein auch dieser Trumpf ist eigent¬lich nur ein Protzentrumpf. Denn wie oft kam es nicht vor, daß auch der Aufsichtsrat den Schaden nicht decken konnte und die Gesellschaft darüber zugrunde ging. Man sieht, daß die materielle Schadendeckung, die oft für den heutigen Zu¬stand ins Feld geführt wird, auch nur eine Scheindeckung ist, die versagen kann. Aber was tut’s? In einer Zeit, in der fast überall das Kapital über die Arbeit gesetzt wird, genügt schon der Schein, wenn damit nur der „beste aller Zustande“ von heute gerettet wird.
Die arme Arbeit! Sie ist heute noch Bettlerin, verschämt, und wie oft muß sie vergebens an die Tür der Reichen klopfen, um Einlaß zu begehren. Diese Bettlerin trägt aber den Adel an der Stirn, weil sie allein es ist, die dem Leben Zweck und Inhalt gibt Darum wird und muß die Zeit kommen, wo man sie zur Königin proklamieren wird. Was ist auch das Geld ohne Arbeit Das größte Kapital wäre ein toter Klotz, würde . es nicht von der Arbeit — der zielbewußten und Zwecksichern Arbeit — bewegt und befruchtet Die Vermögen allein, über welche die Aufsichtsräte verfügen, bieten daher immer nur eine fragwürdige Garantie und können so lange nicht als vollwertig betrachtet werden, als neben dem Vermögen nicht das nötige Verständnis für das aktiengesellschaftliche Rechnungswesen vorhanden ist Es ist wiederholt aktenmäßig bei Zusammen¬brüchen von Aktiengesellschaften festgestellt worden, daß König¬liche Kommerzienräte — geheime und gewöhnliche — sich da¬mit entschuldigt haben, daß sie von ‘der Buchführung nichts verstanden hätten, eine Ungeheuerlichkeit, die schon mehr an Unverfrorenheit grenzt Da aber das große Publikum von der Bedeutung der Kontrollpflichten des Aufsichtsrates nur eine mangelhafte Vorstellung hat, dagegen an die Allmacht des Mammons glaubt und sich von hochtönendem Namen und hohem Rang und Titel imponieren läßt, so liegt in diesem Zustande ein sehr gefährliches Moment Dabei soll ohne weiteres zuge- 108 
geben werden, daß die meisten Aufsichtsräte vom besten Willen der Welt beseelt sind, eS mit der Revisionspflicht ernst zu nehmen; denn wer will so leicht heute sein Vermögen verlieren. Aber die Leute verstehen, wie männiglich bekannt, einfach nichts vom modernen Rechnungswesen, und der Satz: „Ein Schurke, wer mehr gibt als er hat“, gilt auch vom geistigen Vermögen.
Durch die Revisionsgesellschaften ist an dieser Sachlage durchaus nichts geändert: In gleicher Weise, wie die Banken bisher ihre direkten Angestellten als „Revisoren14 bei den von ihnen finanzierten oder sonst abhängigen Gesellschaften fun¬gieren ließen, so werden sie künftig die Revisionen durch das Personal der von ihnen gegründeten und daher von ihnen ab¬hängigen Revisionsgesellschaften ausführen lassen, und solche Revisionen werden nicht einen Deut mehr wert sein, als die derzeitigen Buch- und Bilanzprüfungen.
Die Deutsche Treuhandgesellschaft, welche an der Spitze der Revisions- und Verwaltungsgesellschaften marschiert und daher für die Kollegialgesellschaften typisch ist, wurde im Jahre 1890 mit einem Aktienkapital von 20 Millionen Mark von der Deutschen Bank gegründet. Als Vorbild dienten 'die amerikanischen Trustgesellschaften. Ihre Aufgabe sollte an¬fänglich sein, für amerikanische Werte (Dividendenpapiere) fest¬verzinsliche Titel (Obligationen) auszugeben. Der Plan mißlang, weil die Verhältnisse des amerikanischen Effektenmarktes die Betätigung auf diesem Gebiete nicht rätlich erscheinen ließen. Aber auch ihre sonstigen Aufgaben blieben weit hinter dem gesteckten Ziel zurück, so daß das Aktienkapital nach und nach bis zum Jahre 1894 auf 1 Million Mark herabgesetzt werden mußte. Im Jahre 1901 wurde es wieder auf i1/, Million erhöht.
Zwar sagt die Gesellschaft in ihren Berichten (1901), daß mit den gesetzlichen Vollmachten ausgestattete Gläubigerver¬tretungen lediglich nur einen teilweisen Erfolg hinsichtlich des Schutzes der ihnen anvertrauten Interessen zu erzielen ver¬mögen und daß die Wirksamkeit der Vertretung vielmehr durch Kontrolle und Revision des Geschäftsbetriebes des be¬treffenden Schuldners ausgiebiger zu gestalten sei. Aus diesem Grunde stellt sie als ihre Aufgabe hin: 1. Fehler und Unregel¬mäßigkeiten, wie sie bei den reorganisierten Hypothekenbanken 
früher vorgekommen seien, durch Einsetzung einer anerkannten Revisionsinstanz im Sinne der englischen und amerikanischen Accountants fernzuhalten; z. durch Schaffung dieser Einrich¬tung dazu beizutragen, daß das öffentliche Vertrauen in jene Banken befestigt werde. Die versuchsweise Einführung einer derartigen, für Deutschland noch neuen Einrichtung, sagt der Bericht dann weiter, erscheine um so mehr am Platze, als nicht nur die Funktionen der vom Staate ernannten Treuhänder, sondern daß auch die staatliche Beaufsichtigung das Vorkommen selbst grober Unregelmäßigkeiten nicht verhindert habe.
Was die finanziellen Erträgnisse der Deutschen Treuhand-gesellschaft anlangt, so steht es fest, daß sie nur zum kleinsten Teil aus Revisionen, in der Hauptsache aus Bankgeschäften u. dergl. stammen. Dies bestätigt ihr eigenes Gewinn- und Verlustkonto, welches mit nichten die Revisionstätigkeit als eine Gewinnquelle zeigt. Wo bei ihr der Schwerpunkt liegt, geht schlagend aus der veröffentlichten Bilanz des Geschäfts¬jahres 1905 hervor. Dieselbe lautet nämlich:
Deutsche Treuhand-Gesellschaft, Berlin.
Bilans per 31. December 1905.
Aktiva.    Mk.    Pf.
Kassa und Bankguthaben    -    613 5°4    39
Debitoren        114 401    —
Eigene ESekten und Beteiligungen an Konsortialgeschäften    2 916 238    74
Mobilien-Konto        I    —
    3 644145    13
Passiva.    Mk.    Pf.
Aktien-Kapital        I 500000    —
Ordentliche Reserve             1 000000    —
Spezial-Reserve .                375000    —
Kreditoren        354 885    5l
Gewinn- und Verlust-Konto .             414 »59    62
    3 644 »45    13
Wenn eine Gesellschaft, die sich BücherrevisionsgeseUschaft nennt, bezw. sich mit Bücherrevisionen befaßt, in ihrer Bilanz einen Kassen- und Bankguthabenbestand von weit über einer halben Million und einen Posten unter der Bezeichnung „Eigene Effekten und Beteiligungen an Konsortialgeschäften“ mit 
2 gib 238,74 Mk. ausweist, so sieht man schon, von welcher Richtung her der Wind weht Man weiß, daß das vorgehängte Schild der Bücherrevisionstätigkeit eben nur ein Deckschild ist um dahinter andere Betätigungen sorgsam zu hüten. Und wenn man erfährt, daß diese Gesellschaft zum gleichen Ab¬schlußtage als Gewinn:
- auf Effektengeschäfte . . . 223 960,15 Mk.
„ Provisionskonto .... 149944,90 „ „ Zinsen-und Devisenkonto 122919,3 t „ zusammen 496 824,36 Mk. ausgewiesen hat, so begreift man ferner, daß dieser Gewinn nicht mit Bücherrevisionen verdient sein kann!
An dieser Bilanz ist aber noch weiter interessant daß die Gesellschaft die Richtigkeit ihrer Bilanz durch den Revisor Th. Veyer mit folgendem Vermerk bescheinigen läßt:
„Vorstehende Bilanz nebst Gewinn- und Verlustkonto so¬wie die Bücher der Deutschen Treuhandgesellschaft habe ich im Auftrage des Aufsichtsrats eingehend geprüft Ich bestätige, daß die Bücher ordnungsgemäß geführt sind, die Abschlu߬ziffern mit den Büchern übereinstimmen und die Bilanz den gesetzlichen Vorschriften entsprechend aufgestellt ist Die Be¬stände an Kasse, Bankguthaben und Effekten wurden festge¬stellt und in Ordnung befunden.
Berlin, den 18. Februar 1906.“
Wie ersichtlich, ist in dieser etwas umständlich gehaltenen Bescheinigung zwar aufgenommen, in wessen Auftrage die Bilanzprüfung vorgenommen wurde, aber mit keiner Silbe wird der Belege gedacht, die doch ungleich wichtiger sind wie z. B. die Erwähnung, daß die Abschlußziffern mit den Büchern übereingestimmt haben. Dieser Wortlaut der Bescheinigung beruht aber auch noch auf einem Lapsus calami, denn da die „Abschlußziffern“ sich nur auf die „Bücher“ beziehen, und nur in diesen enthalten sein können, so heißt der Ausdruck: „die Abschhißziffem stimmen mit den Büchern“ soviel als: „die Ab¬schlußziffern der Bücher stimmen mit den Büchern überein“. Richtig sollte es heißen: „die Bilanzposten stimmen mit den Abschlußziffern der Bücher überein“. Es läßt sich an-nehmen, daß die Treuhandgesellschaft ihrem Revisor die Be¬scheinigung in der mitgeteilten Form vorgeschrieben hat; wenn
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nicht, so hat sie dieselbe jedenfalls genau gelesen. Was soll man aber dazu sagen, wenn eine Gesellschaft, welche sich an¬bietet, berufsmäßig ständige Revisionen durchzuführen, es nicht einmal versteht, unter ihrer eigenen Bilanz eine richtig ab¬gefaßte Prüfungsbescheinigung anzubringen!
Die Treuhandgesellschaft verteilte an Dividenden seit ihrem Bestehen 3%, 4%, —, —, 2% %, 4°/<M von 1896—1899 je io°/0, im letzten Jahre 15%. Diese Gewinne sind, wie ge¬sagt, keineswegs das Ergebnis ihrer Revisionstätigkeit. Nur bei einem .winzig kleinen Teil trifft diese Voraussetzung zu. Den Löwenanteil hat sie aus ihrer Vertretung von Pfandbrief¬gläubigern und Obligatären, aus ihrer Funktion als Geschäfts-stelle einiger Aktiengesellschaften, aus der Führung der Sekre-tariatsgeschäfte der am 30. August 1902 ins Leben getretenen Vereinigung der deutschen Besitzer türkischer Staatspapiere, aus der Übernahme von Pfandbriefschaften für Anleihen und Hypotheken, sowie von sonstigen Gläubigervertretungen (so u. a. im Jahre 1904 10000000 Mk. 41/s°/o Teilschuldverschrei¬bungen der Elektrizitäts-Aktiengesellschaft vormals W. Lah- meyer & Cie., Frankfurt a. M.; 2 500000 Mk. Obligationen der Gewerkschaft Ville zu Brühl bei Köln a. Rh.) eingeheimst.
Der Geschäftskreis der Deutschen Treuhandgesellschaft ist wie folgt festgestellt:
1.    Die Übernahme des Amtes als Pfandhalter oder Treu¬händer (trustee).
2.    Die Ausstellung, Mitausstellung oder Gegenzeichnung von Zertifikationen oder Quittungen an Stelle hinterlegter Wert? papiere.
3.    Die Vertretung inländischer und ausländischer Gesell¬schaften zum Zweck von Aktienregistrierungen und zur Vor¬nahme von Aktienumschreibungen.
4.    Die Vertretung der Besitzer in- und ausländischer Wert¬papiere; insbesondere die Übernahme von Vertretungen im Sinne des Reichsgesetzes vom 4. Dezember 1899, betreffend die gemeinsamen Rechte der Besitzer von Schuldverschrei¬bungen sowie des Bürgerlichen Gesetzbuches § 1189; ferner die Errichtung von Schutzvereinigungen, die Beteiligung an solchen und die Übernahme von deren Sekretariatsgeschäften.
5.    Die Übernahme dauernder oder vorübergehender Über- 
wachungs- und Revisionsfunktionen, insbesondere auch von Bilanzprüfungen, Abrechnungen und ähnlichen Tätigkeiten.
6.    Die Übernahme der Reorganisation von Gesellschaften und verwandten Transaktionen.
7.    Die Übernahme des Amtes als Testamentsvollstreckerin, von Vermögensverwaltungen auf Grund testamentarischer oder anderer Bestimmungen und Verträge, sowie die Ausübung antichretischer und antichreseähnlicher Verwaltungen.
8.    Die Übernahme der Funktion als Fiskalagentin für fremde Staaten, Gesellschaften und Korporationen.
9.    Die Übernahme aller mit den vorstehenden Tätigkeiten oder der Anlage der Mittel der Gesellschaft nach dem Ermessen der Verwaltung im Zusammenhang stehenden Geschäfte und Funktionen. Die Gesellschaft ist insbesondere berechtigt zur Diskontierung, zum Kauf, zur Beleihung von Wechseln, zum Kauf, Verkauf und zur Beleihung von Wertpapieren und zu sonstigen Bank- und Finanzgeschäften, zum Erwerb, zur Ver¬äußerung sowie zur Verpfändung von ihr erworbener Immobi¬lien, ferner von Hypotheken und von sonstigen Forderungen und Rechten, dies alles sowohl für eigene, als auch für fremde Rechnung.
Übrigens ist speziell der ersten Deutschen Treuhandgesell¬schaft, d. i. der vornehmsten von allen, wie E. Römer in seinem mehrfach zitierten Werke erzählt, bei der Aktiengesell-schaft vormals James Eick & Straßer im Jahre 1904 inso¬fern ein penibler Fall passiert, als sie Unterschleife größeren Umfanges (108000 Mk.) durch eine von ihr vorgenommene Revision nicht aufzudecken verstand. Zwar brachte sie für das „kleine Malheur“ die Entschuldigung vor, daß sie die be¬treffende Revision durch einen von ihr für jenen speziellen Zweck engagierten vereidigten Bücherrevisor vornehmen ließ. Aber das Odium fiel doch auf sie zurück, abgesehen davon, daß diese Entschuldigung vollständig als mißglückt zu be-trachten ist Bezeichnend für die „Unabhängigkeit“ der Deut¬schen Treuhandgesellschaft als „Revisorin“ ist, daß sie, wie aus dem von ihr selbst veröffentlichten Geschäftskreis ersicht-lich, eine umfangreiche Bankpraxis betreibt, daß sie enge Be¬ziehungen zu der Bankwelt unterhält, die sie organisiert hat und sodann rein äußerlich schon, daß sie ihre Zelte im Palast
R. Beigel, Theorie und Praxis.    8    IIS der Deutschen Bank aufgeschlagen hat Unter diesen Um¬ständen hat es seine Bedenken, daß Bankkreise, die an sich in keiner Beziehung zu den revisionsbedürftigen Gesellschaften stehen, von deren Lage eine eingehende Kenntnis erhalten. Nun sichert zwar die Deutsche Treuhandgesellschaft den Ge-sellschaften, die von ihr revidiert zu werden wünschen, Diskre¬tion zu. Diese Diskretion wird sie jedoch immer nur innerhalb der durch die tatsächlichen Verhältnisse gegebenen Grenzen üben können. So wird sie niemals den in ihr vertretenen Banken die Verhältnisse der von ihr revidierten Gesellschaften verschweigen dürfen. Weiß aber die hinter der Treuhandgesell-schaft stehende Bank über die Verhältnisse einer Gesellschaft einmal Bescheid, so wird sie daraus auch ihre Konsequenzen ziehen können. Sie wird z. B., falls die Verhältnisse der re-vidierten Gesellschaft rückgängige sind und sie Aktien dieser Gesellschaft besitzt, bei Zeiten und noch bevor der Kursrück¬gang durch die Börsennotiz verkündet ist, dieses Aktienbesitzes sich (entäußern können. Es könnten Schiebungen vorkommen, durch welche leicht die Kreditfähigkeit der revidierten Gesell¬schaft empfindlich getroffen werden würde. Anderseits könnte die in der Treuhandgesellschaft vertretene Bank, falls sie von der erstem vorzeitig über das Emporblühen einer von ihr revi¬dierten Aktiengesellschaft informiert wird, durch Ankauf von Aktien dieser Gesellschaft leicht sich einen Vermögensvorteil ver¬schaffen, der ihr sonst ausgeblieben wäre ... Es ist daher nicht übertrieben, [wenn gesagt wird, daß die Großbanken, welche an sich einen Staat im Staate bilden, die Treuhandgesellschaften als Schrittmacher einseitiger kapitalistischer Interessen ge¬brauchen.
Der Vollständigkeit halber sei hier das Vorkommnis regi¬striert, das der Treuhandgesellschaft seinerzeit mit der Bilanz der „Kyffhäuserhütte“ passiert ist Die Unaufrichtigkeit dieser Bilanz soll, wie „der Ratgeber auf dem Kapitalmärkte“ (Jahr¬gang 1906, Nr. 38) schrieb, in die Augen gesprungen sein. Die wichtigsten Dinge sollen zwischen den Zeilen gestanden haben, so daß es „auf eine ganz grobe Irreführung der Aktio¬näre“ abgesehen gewesen sei. Die Treuhandgesellschaft hatte alles geprüft und in Ordnung befunden. Die Tatsache, daß ein solcher Bericht mit dem Placet dieser Revisionsgesellschaft 114    ,
versehen werden konnte, gewann unter diesen Umständen be¬sondere Bedeutung. Zwischen der Bescheinigung der Prüfungs¬Stelle und der Kritik des oben zitierten Finanzblattes klafft ein tiefer Widerspruch. Wenn es möglich ist, so schreibt das Blatt, eine Bilanz wie diejenige der Kyffhäuserhütte mit dem Giro einer tadellosen Firma zu versehen und sie damit passierfähig zu machen, so müssen den betreffenden Beamten entweder schwere Fehler unterlaufen sein, oder man hat sich von den Aufgaben der Treuhandgesellschaften bisher ein falsches Bild gemacht, und es wird notwendig sein, eine Korrektur daran vorzunehmen./. . .
„Die geschäftlichen Erfolge1) der Treuhandgesellschaft und die mittlerweile fortgeschrittene Konzentration, vielleicht auch das Erscheinen des Römerschen Buches — sind wohl der Anlaß gewesen, daß auch die übrigen Banken sich „ihre Treuhandgesellschaft“ zulegten. Anfang Juni 1906 gingen durch die Presse Mitteilungen des Inhalts, daß die Gruppe der Dis¬kontogesellschaft, wie auch Dresden-Schaafhausen sich mit der Absicht trügen, eigene Treuhandinstitute ins Leben zu rufen. In einem Artikel über: „Antagonistische Bestrebungen im Bank¬gewerbe“ heißt es wörtlich: Es konnte den konkurrierenden Bankgruppen keineswegs gleichgültig sein, wenn die Revisions¬tätigkeit von einer Treuhandgesellschaft ausgeübt wurde, die in enger Beziehung zu einer Konkurrenzbank steht. Gerade die unaufhaltsam fortschreitende Konzentration im Bankgewerbe zwingt daher die einzelnen Gruppen, die ihnen eventuell nach¬teilig erscheinenden Faktoren auszuschalten.
Hieraus folgt die Richtigkeit obiger Behauptung und ferner, daß die Gründung weiterer Revisionsgesellschaften keinem Be¬dürfnisse entsprang.
Es entstand also die „Revisions- und Vermögensverwaltungs¬Aktiengesellschaft“ und die „Treuhandvereinigung, Aktiengesell¬schaft“, beide in Berlin, mit je 1 Million Aktienkapital Erstere errichtete im Oktober 1905 Zweigstellen in Leipzig und München und formulierte ihren Geschäftskreis wie folgt: Übernahme von Geschäftsrevisionen, Vermögensverwaltungen, Testamentsvoll-
Streckungen und allen mit der Organisation, Reorganisation und Kontrolle kaufmännischer und industrieller Unternehmungen zusammenhängenden Transaktionen.
Letztere befaßt sich mit allen Arten Treuhandgeschäften, insbesondere mit Rechnungsprüfungen, Übernahme des Amtes als Testamentsvollstreckerin, Vertretung von Besitzern von Wert¬papieren usw.
Gegründet waren die Revisionsgesellschaften, nun galt es Arbeit zu schaffen. In außerordentlich geschickter Weise wurde dazu die Tagespresse benutzt, auch die Mutterinstitute halfen. Dazu nur einige Beispiele. Die Diskontogesellschaft übernimmt die Vermittlung für den An- und Verkauf von Anteilscheinen von Gesellschaften mit beschränkter Haftung, natürlich nur von solchen, die sich der Prüfung der Revisions- und Vermögens-verwaltungs-Aktiengesellschaft unterwarfen. Es wird bekannt, daß bei der Gewerkschaft Hattorf eine Anzahl Kuxscheine doppelt ausgefertigt wurden. — Die Treuhandgesellschaften teilen mit, daß sie „infolge mehrfacher Anregungen“ die Führung des Kuxenbuches, die Umschreibungen von Kuxen und Bohr¬anteilen besorgen. Die Frage der Aufsichtsrats-Haftpflicht-versicherung wird erörtert, gewiß sehr interessant, aber noch in weiter Ferne — bis dahin empfiehlt sich die Revision durch die neutralen Treuhandinstitute. Die Mutterinstitute begleiteten die Mitteilungen von der Gründung in den Geschäftsberichten für 1905 mit geschickt abgefaßten Hinweisen, z. B. „die Tätig¬keit ist in der Mitte des Berichtsjahres bereits in umfangreichem Maße aufgenommen worden“ usw.
Anfang 1906 entstand unter der Patenschaft der Bank¬häuser Delbrück, Leo & Co., Hardy & Co. und anderer das vierte Treuhandinstitut, die Allgemeine Revisions- und Verwal¬tungs-Aktiengesellschaft, die ihr Arbeitsgebiet wie folgt skizzierte: Prüfung der Bücher, Abschlüsse usw. von Betrieben jeglicher Art, Vermögensverwaltungen, das Amt als Pfandhalterin oder Treuhänderin, die Vertretung der Besitzer von Wertpapieren und notleidenden Hypotheken, die Führung von Aktien- und Kuxenbüchern sowie Mitgliederverzeichnissen, das Amt als T estamentsvollstreckerin.
Näheres darüber ist dem Verfasser noch nicht bekannt geworden, ebensowenig über die von der Mecklenburgischen. 116 
Hypotheken- und Wechselbank im April dieses Jahres mit i Million Stammkapital errichtete „Mecklenburgische Treuhand¬gesellschaft m. b. H.u
Ist nun schon, wie oben gezeigt, die Revisionstätigkeit bei der Treuhandgesellschaft eine etwas weit hergeholte, ein etwas künstlich ihr Aufgepfropftes, so wirft es ferner ein Schlaglicht auf diese ihre Tätigkeit, wenn die Gesellschaft wegen des Um¬fangs der ausgeübten Revision sowie wegen des Honorars in Streit mit ihren Auftraggebern gerät. So veröffentlichte, wie das „Berliner Tageblatt“ berichtete, die deutsche Treuhand¬gesellschaft im vorigen Jahr folgendes Zirkular: „Das Eisenwerk Barbarossa, Aktiengesellschaft in Sangerhausen, hat ihre von der letzten ordentlichen Generalversammlung genehmigte Bilanz im Reichsanzeiger vom 4. Juli a. c. mit dem Vermerk veröffent¬licht, daß ihre Geschäftsbücher per 1904 durch einen Bücher¬revisor und durch die Deutsche Treuhandgesellschaft revidiert worden sind. Zur Vermeidung mißverständlicher Auffassung gibt die Deutsche Treuhandgesellschaft bekannt, daß dieser ohne ihr Vorwissen beigesetzte Vermerk nicht auch auf die veröffentlichten Abschlußziffern zu beziehen ist, welche bei der vorgenommenen Revision ihrer Begutachtung nicht unterstellt waren.
Hierzu teilte dem zitierten Blatte das Eisenwerk Barbarossa, Aktiengesellschaft, was folgt mit: Die Deutsche Treuhandgesell¬schaft hat im Frühjahr dieses Jahres die Geschäftsbücher des Eisenwerkes Barbarossa wochenlang revidiert und hierüber einen umfangreichen Bericht erstattet; sie hat dafür ein Honorar von 1400 Mark liquidiert. Die erstere Tatsache 'mit der Bilanz¬veröffentlichung bekannt zu geben, dazu hatte das Barbarossa- Werk ein unstreitbares Recht, und die Erlaubnis der Treuhand¬gesellschaft war hierzu nicht nötig. Vom Eisenwerk Barbarossa ist niemals und nirgends — auf Verlangen stellen wir Ihnen die gesamte Korrespondenz hierüber zur Verfügung — be¬hauptet worden, daß die Treuhandgesellschaft auch den ver¬öffentlichten Abschluß geprüft habe. Einen solchen Auftrag ’jvürde die Treuhandgesellschaft vom Eisenwerk Barbarossa nach dem, was zwischen beiden an Meinungsverschiedenheiten vorgekommen ist, auch nicht erhalten haben. Zu diesen, Mei¬nungsverschiedenheiten zählt, daß die Treuhandgesellschaft für 
ihre Mühewaltung ein Honorar von 1400 Mark verlangte, während das Eisenwerk Barbarossa nur einen Anspruch von 700 Mark der getroffenen Vereinbarung gemäß für begründet hält und auch nur so viel gezahlt hat Eine Klage wegen der angeblich restierenden 700 Mark hat die Treuhandgesellschaft bisher nicht angestellt
Die Honorarfrage scheint also in den Differenzen zwischen der Deutschen Treuhandgesellschaft und dem Eisenwerk Bar¬barossa eine nicht unerhebliche Rolle gespielt zu haben. Es ist beachtenswert, daß gerade in den letzten Tagen mit dem Hinweis auf die hohen Kosten Einwände gegen die Hinzuziehung einer Treuhandgesellschaft zur Revision des Statuts auch in der Versammlung der Aktionäre der Ver¬mögensverwaltungsstelle für Offiziere und Beamte geltend ge¬macht wurden.“
Zieht man das Fazit der Tätigkeit der deutschen Revisions-Aktiengesellschaften, so sieht man, daß es sich bei ihnen um Finanz- und Verwaltungsorganisationen handelt, die zu einem sehr kleinen Teil sich auch mit Revisionen befassen, im übrigen aber im Dienste von Großbanken stehen, denen sie ihr Dasein verdanken. Man erkennt weiter, daß, soweit die Revisionen in Betracht kommen, diese meist nicht, wie sich das gebührt, im Auftrage und im Interesse der Aktionäre, sondern von den Verwaltungen, d. h. den Prüflingen ausgehen. Oft ressortieren die Revisionsgesellschaften von Banken, die gerade die Aktien der zu revidierenden Gesellschaften an die Börse gebracht haben. Sie sind also sehr weit entfernt, das zu sein, was die Chartered Accountants in England und die Trustgesellschaften in Amerika sind.
Die Deutsche Treuhandgesellschaft, die, wie gesagt, für die Revisionsgesellschaften auf Aktien, wie sie spöttisch ge¬nannt werden, typisch ist, hängt der von ihr revidierten Bilanz gewöhnlich die Formel an: „Die vorstehende Bilanz nebst zu¬gehörigem Gewinn- und Verlustkonto haben wir mit den ord¬nungsmäßig geführten Büchern der Gesellschaft übereinstimmend gefunden.“ Dieser Vermerk weist eine klaffende Lücke auf, Wo bleiben die Belege, die doch eine Hauptrolle bei der Revision spielen. Denn es müßte ein plumper Stümper sein, der bei seinen Fälschungen vergäße, Buchungsresultat und 118 
Bilanzposten in Übereinstimmung zu bringen. Aber die Be¬lege, auf denen die Buchungen beruhen und die den Rechts¬stand ersehen lassen sollen, sind es, die bei der Revision die Hauptsache bilden und einer scharfen Kontrolle unterzogen werden müssen. Es ist daher wichtig, in dem Richtigkeitsbe¬fund der Belege Erwähnung zu tun. Bei den Revisionsgesell-schaften scheint dies anders zu sein. Sie scheinen sich nur mehr auf die formelle Seite der Bücherprüfung zu beschränken, während das Hauptgewicht auf die materielle Seite dieser Prüfung zu legen ist Diese „bilanzmäßige“ Prüfung, die die Treuhandgesellschaften ausüben, hat ihre Gefahren. Sie be¬stehen darin, daß die geprüften Gesellschaften sich auf die Be¬scheinigung der Revisionsgesellschaften berufen können. Es lassen sich, so schrieb seinerzeit „Der Ratgeber“, Fälle denken, in welchen Verwaltungen, von den Verhältnissen gedrängt, in der geschilderten Weise „Herz und Nieren“ des Rechnungs¬wesens untersuchen lassen — nur um sich hierauf von der Treuhandgesellschaft eine Ehrenerklärung in der bekannten Form zu verschaffen. Dies genügt oft, um auf den Durchschnitts¬aktionär wie eine Beruhigungspille zu wirken. Die Prüfungs¬Stelle braucht hierbei auch nicht der Schatten von Schuld zu treffen, und doch kann in der Sache ein Element der Verdunke¬lung liegen, das im Dienste der schuldbewußten Verwaltung entstanden ist Abhilfe kann nur geschaffen werden, wenn die Treuhandgesellschaften das Gebiet der Revisionstätigkeit den Berufsrevisoren überlassen, und diese eine Vereinigung mit einem moralisch und wirtschaftlich festen Untergründe und dem ausschließlichen Zweck der Bücherrevisionen sowie der damit zusammenhängenden Arbeit bilden!