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Die Revision der Bilanz an sich

Bei Einbringung des Geschäftsvermögens in die Bilanz müssen die Bewertungen nach den. Grundsätzen der §§ 39 und 261 des H.-G.-B. mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns vorgenommen werden. Der Einbringung muß eine Inventari¬sierung sämtlicher Vermögensbestände vorausgehen. Denn In¬ventar und Bilanz sind nicht nur begrifflich, sondern auch ge¬setzlich voneinander verschieden. Freilich gibt es Kaufleute und Direktoren von Aktiengesellschaften genug, die sich um 4as Gesetz ebensowenig kümmern, wie um die Technik der Buchführung. Ihnen geht der Betrieb an sich über alles, weil sie nicht wissen, daß eine falsche Buchung, eine Vernach¬lässigung der Bücher oder eine unsachliche Buchführung das Geschäft ebenso schädigen kann, wie ein Mangel in der Fabri¬kation ). Es ist daher wichtig, daß außer der Aufstellung eines Inventars jedes Jahr auch eine Bilanz gezogen wird. Die Nichtbeachtung dieses Erfordernisses zieht im Konkurs¬falle Strafe nach sich. Die Berufung auf einen Rechtsirrtum würde den Kaufmann nicht straffrei ausgehen lassen, weil der Grundsatz gilt, daß „Unkenntnis der Gesetze nicht vor Strafe schützt".
Dem Kaufmanne (und sämtliche Aktiengesellschaften haben gemäß § 6 und § 210, Abs. 2, des H.-G.-B. Kaufmannseigen¬schaft), der nach Lage seines Geschäftes nicht imstande ist, jährlich das Inventar seines Lagers aufzunehmen, hat das Gesetz (§ 39, Abs. 3, H.-G.-B.) nachgelassen, dieses Inventar alle zwei Jahre anzufertigen. Hiervon wird „die Verpflichtung, alljährlich Bilanz zu ziehen, nicht berührt“. Das Gesetz läßt hiernach keinen Zweifel zu, daß es sich um zwei getrennte Schriftstücke handelt, die gefordert werden.
Hierbei sei auf eine interessante Meinungsverschiedenheit zwischen Handelsgesetz und Reichsgerichtsentscheidung bezüg¬lich der Inventarisierung des Warenlagers hingewiesen. Das Handelsgesetzbuch schreibt nämlich in' § 39, Abs. 3 diesbe¬züglich vor:
„Hat der Kaufmann ein Warenlager, bei dem nach der Beschaffenheit des Geschäfts die Aufnahme des Inventars nicht füglich in jedem Jahre geschehen kann, so genügt es, wenn sie alle zwei Jahre erfolgt Die Verpflichtung zur jährlichen Aufstellung der Bilanz wird hierdurch nicht be¬rührt“
Das Verkehrte dieser Anordnung (zweijähriges Inventar bei einjähriger Bilanz) leuchtet ein1). Denn wenn das Gesetz in den Jahrgängen, in welchen die Inventarisierung des Warenlagers ruht, dennoch die Ziehung der Warenbilanz fordert, so kann dies nur auf Grund von Schätzungen ge¬schehen. Schätzungen aber sind von den Tatsachen mehr oder minder abweichende Vermutungen, also für eine Bilanz unbrauch¬bare Wertgrößen. Denn die Bilanz soll Tatsachen, Wahr¬heiten enthalten. Wie soll sie das aber, wenn das Gesetz selbst Gegensätze schafft, die ihr die getreue Darstellung einer Vermögenslage unmöglich machen? ♦
Nun hat ganz richtig das Reichsgericht (Entsch. IV, Straf¬senat, vom 2. November 1900), was folgt ausgesprochen:
„Angesichts des Umstandes, daß die Aufnahme des In¬ventars des Warenlagers sich als wesentliche Grundlage und Vorbedingung für die Bilanzziehung darstellt, erscheint es nicht rechtsirrig, wenn einem Vermögensverzeichnisse, das
x) Eingehend behandelt ist die Frage des gesetzlich zugelassenen zweijährigen Wareninventars bei einjähriger Bilanz in R. Beigel, Die Buchführung nach den gesetzlichen Bestimmungen des Deutschen Reichs und des gesamten Auslandes, S. 84, 85 (Leipzig 1891), und in R. Beigel, Allgemeines deutsches Buchführungs¬recht, S. 65 ff., Leipzig 1900. 
an deren Stelle sich prinzipiell mit einer mehr oder weniger i willkürlichen Schätzung von Bestand und Wert des Waren* lagers begnügt, jede Bedeutung als Bilanz, mithin die Eigen¬schaft einer solchen selbst, abgesprochen wird.“
Wenn in vorstehender Entscheidung dem fraglichen Ver-mögensverzeichnis jede Bedeutung als Bilanz abgesprochen wird, so hat dies zweifellos seine Richtigkeit Nicht richtig aber ist, wenn das Reichsgericht einem Vermögensverzeichnis nur darum die Bilanzeigenschaften abspricht weil darin das Warenlager schätzungsweise aufgenommen ist.
Unseres Erachtens ist entgegen der Behauptung des Reichs¬gerichts, das Vermögensverzeichnis auch dann nicht Bilanz, wenn in demselben das Warenlager nicht schätzungsweise, sondern bei tatsächlicher Aufnahme und Bewertung nach den Marktpreisen Aufnahme gefunden hat und zwar von Gesetzes wegen; denn das Gesetz verlangt zwei formell getrennte Urkunden: ein Inventar und eine Bilanz (§ 39, Abs. 2, H.-G.-B.). j
Ist nach den Grundsätzen doppelter Buchführung gebucht ) worden, so müssen, sobald diese Buchungen aus dem Haupt¬buche auf die Bilanz gebracht sind, die Sollspalte und Haben- ’ spalte der Bilanz miteinander übereinstimmen. Die Bilanz an sich braucht darum noch nicht richtig zu sein. Jene Überein¬stimmung ist lediglich eine rein formale, mechanische; sie schützt aber mitnichten die haftpflichtigen Aufsichtsräte vor fingierten Buchungen, Buchungsverschleierungen und Unter¬lassungen. Diesen Schutz vermag nur eine materielle Prüfung der einzelnen Bilanzposten und der damit zusammenhängenden Unterlagen zu bieten.
Findet eine ständige Überwachung und Revision der Buch¬führung statt, so bietet die Prüfung der Bilanz keinerlei Schwie¬rigkeit Denn da die Konti des Hauptbuchs nach den Vor- büchem und diese nach den Belegen regelmäßig geprüft wer¬den, so müssen die Saldi, so wie diese bei doppelter Buch¬führung allmonatlich von der Monatsbilanz und am Jahres¬schluß von der Jahresschlußbilanz nach dem Hauptbuche aus¬gewiesen werden, mechanisch und mathematisch stimmen.
Die Jahresschlußbilanz ist dann auch nichts anderes als eine Monatsbilanz, mit dem Unterschiede, daß auf diesen Monat gerade der Schluß des Geschäftsjahres fällt und daß aus der 26 
Jahresschlußbilanz sämtliche Gewinn- und Verlustkonti durch Abgabe ihrer Resultate an Kapitalkonto ausgeschieden sind.
Findet also eine kontinuierliche Buchführungsrevision statt, so kann von einer eigentlichen Bilanzrevision in dem von der Praxis angenommenen Sinne des Wortes keine Rede sein. Es ist vielmehr nur nachzuprüfen, ob die Saldi der Hauptbuch¬konti richtig in die Aktiva und Passiva der Bilanz einge¬stellt sind.
Als Bilanzposten besonderer Art sind anzusehen die spe¬ziellen Saldi der Hauptbuchkonti, wie solche bei Emissions¬banken, bei Pfandbriefinstituten, bei Versicherungsgesellschaf¬ten, bei Straßenbahnen und bei Gas- und Elektrizitätswerken vorkommenx).
Von einer gesunden Bilanz muß man verlangen können, daß die mobilen Passivposten durch die mobilen Aktiv¬posten gedeckt werden, denn nur in diesem Falle ist der von der Bilanz nachgewiesene Status ein liquider1).
Bei Prüfung der Bilanzposten, als der Ausläufer der hinter ihnen stehenden Hauptbuchkonti, empfiehlt es sich, die einzelnen Aktiv- und Passivsummen mit den analogen Beträgen der letzten Jahrgänge zu vergleichen, um im Vergleichsbilde festzustellen, ob wesentliche Veränderungen gegeneinander stattgefunden haben. Starke Abweichungen, sei es nach oben oder nach unten, müssen auf ihre Begründung hin untersucht werden.