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Vorschläge zur Vermeidung von Unterschlagungen

Die öfteren, bald plumpen, bald mit großem Raffinement vollführten Unterschlagungen und Falschbuchungen haben zu einer ganzen Reihe von Vorschlägen, wie diesem Übelstande zu steuern sei, geführt
Eine Reihe mechanisch wirkender Mittel, wie Kontroll¬kassen und dergU wurden auf den Markt gebracht Wie töricht! Als ob gegen Untreue und Missetaten, also gegen menschliche Charakterschwäche und moralische Defekte, mit solchen Mittel¬chen angekämpft werden könnte. Sie mögen gut und wirk¬sam sein in einem Ladengeschäft, in einem Betrieb mit ausschlie߬lichem Kassen verkehr. Wo dieser aufhört und der Kreditver¬kehr beginnt, da ist ihrer Wirksamkeit ein Ziel gesetzt Vollends bei Aktiengesellschaften sind solche und ähnliche Anpreisungen eitel Salbaderei. Bei diesen Gesellschaften bestehen ja ge* wohnlich schon innerdienstlich bestimmte Kontrolleinrichtungen und Vorsichtsmaßregeln. Den Prüfstein hierzu und die Sicher¬heit, ob die getroffenen Schutzmittel auch gewissenhaft ange¬wandt werden, bildet jedoch die Revision, und kein Mittel gibt es, das diese ersetzen könnte.
Es gibt nun Kaufleute, die mit den Unterschlagungen wie mit einem unvermeidlichen Übel rechnen. Sie wüßten, so sagen sie, daß bei ihnen Veruntreuungen in einem gewissen Prozent¬sätze begangen werden, aber sie müßten mit diesem Faktor rechnen, weil sie sich dagegen nicht wehren könnten. Andere wieder huldigen, bald aus „philanthropischem“ Empfinden, bald aus sonstigen Rücksichten, dem Vertuschungsprinzip» Klar ist, daß in dem einen wie in dem andern Falle eine Schwäche vorliegt, die ein Gehen- und Geschehenlassen Platz greifen läßt dort, wo Sühne angebracht wäre.
Mit diesem Gehenlassen und dieser Milde wird schwerer Schaden angerichtet. Eine Unterschlagung, und gar eine An¬zahl solcher Fälle, über die die Geschäftsinhaber hinwegsehen, können die korrumpierende Wirkung haben, erst recht zu weiteren Veruntreuungen zu verleiten. Ein Geschäft, in dem 103 
der Inhaber die Augen zudrückt über die Unterschlagung eines kleinen Postens Ware, läuft Gefahr, daß dieses System auch seinen Kassierer, wenn er sittlich nicht genügend fest steht, zu einem Fehltritt reizt Und mit der Nachsicht, die der eine Ge¬schäftsinhaber übt, trägt er auch die Verantwortung dafür, wenn bei dem Nachbar ein Unglück geschieht1).
Bei Aktiengesellschaften dürfen solche Prinzipien nicht ins Oberwasser kommen. Bei dieser Betriebsform kann Gefühls¬duselei den schwersten Schaden bringen. Hier hilft im ge¬eigneten Falle nichts als ein Durchgreifen. Wenn für dieses Durchgreifen die Einführung von Kontrollkassen und dergl. an¬gepriesen wird, so kann solchen Vorschlägen bei Aktiengesell¬schaften erst recht kein weiterer Wert als der einer Reklame beigelegt werden. Wie sollte mit solchen automatischen Behelfen einem Übel beigekommen werden, das in Betrieben wie Aktien¬gesellschaften an allen Ecken und Enden auch dort, wo der Kassen¬dienst nicht in Betracht kommt, Unterschlupf finden kann. Man muß nur immer bedenken, daß bei Aktiengesellschaften es sich immer um Großbetriebe handelt, bei welchen sich eine unfrei¬willige Erleichterung der Kasse um einige Tausend Mark oder der Lagerbestände um eine bestimmte Menge von Waren kaum oder gar nicht fühlbar macht. Das dagegen anempfohlene Kolla¬tionieren der Bücher kann dem Übel nicht steuern und ist nur eine TeiIkontrolle, abgesehen davon, daß es sehr zeitraubend ist und daß der Defraudant Maßregeln treffen kann, damit beim Kolla¬tionieren sehr wohl Übereinstimmung stattfindet. Auch der Vorschlag eines obligatorischen Urlaubs für die Beamten mit Vertrauensposten kann als ein durchschlagendes Mittel gegen Untreue und Betrug nicht angesehen werden, insoweit ihm nicht noch andere Kontrollmittel zur Seite gegeben werden.
*) So schrieb das „Berl. Tageblatt“ in seiner Nr. 538 vom 22. Oktober 1902. Dasselbe Blatt brachte in Nr. 388 vom 3. August 1903 aus kaufmännischen Kreisen zum Schute gegen Defraudationen den Vorschlag, einen Verein zu gründen, in dem nur ehrliche bezw. für ehrlich geltende Kassenbeamte, Depotverwalter, Buchhalter usw., sodann kaufmännische Firmen, erstere als ordentliche, letztere als außerordentliche Mitglieder aufgenommen werden sollen. Zweck des Vereins soll sein, alle Defrau¬dationen, welche bei außerordentlichen Mitgliedern begangen würden, zu decken. Die Mittel hierzu soUen durch Beiträge aufgebracht werden. Gegen diese Vorschläge, die noch weiter ausgesponnen wurden, hat seinerzeit der Bankbeamtenverein scharf Stellung genommen. Vergl. Bankbeamten-Zeitung, Nr. 17 vom 1. September 1903.
Gerade weil die bisher angewandten Mittel sich nur auf der Oberfläche bewegen, Palliativmittel, aber keine Prophylaxis sind, verfiel man — was in der heutigen Zeit, wo an jedes irgendwie mögliche Risiko die Versicherungsgesellschaften her¬antreten um es in ihren Tätigkeitsbereich einzuziehen, gar nicht Wunder zu nehmen braucht — auf den Gedanken, für die Aufsichtsräte eine Versicherung gegen die Folgen ihrer gesetz¬lichen Haftpflicht aus den §§ 246 ff. des Handelsgesetzbuches einzurichten. Für diese Versicherungsart sprach sich sogar seinerzeit der preußische Versicherungsbeirat auf Grund zweier hervorragender Gutachten aus *). Zweifelsohne wird diese Ver¬sicherungsart sich auch durchsetzen, die ja nichts anderes ist, als ein weiterer Schritt auf dem Wege der organisierten Selbst¬hilfe, welche sich bemüht, die Gefahren, die das moderne Wirtschafts- und Rechtsleben bietet, möglichst abzüschwächen, indem sie den eingetretenen Schaden möglichst wieder gut macht. Aber m uß das Unglück geschehen, und kann es nicht besser vermieden werden? Gewiß kann es das, kann ihm vor¬gebeugt werden. Das Gegenmittel heißt: Kontinuierliche und fachmännische Buchführungs- und Bestandskontrolle!