WIE MAN SICH IN FÜNF EINFACHEN SCHRITTEN EINE SEKTE BASTELT
Zum Religionsstifter gehört psychologische Unfehlbarkeit im Wissen um eine bestimmte DurchschnittsArt von Seelen, die sich noch nicht als zusammengehörig erkannt haben.
FRIEDRICH NIETZSCHE, 1844-1900
Wenn Sie nach Möglichkeiten suchen - und das werden Sie sicherlich wie Sie aus der geringsten Anstrengung die größtmögliche Macht gewinnen können, werden Sie irgendwann auf die sektengleiche Anhängerschaft stoßen, die zu den effizientesten gehört. Eine große Schar Menschen um sich herum zu haben eröffnet viele Gelegenheiten für Täuschungsmanöver; Ihre Anhänger verehren Sie ja nicht nur, sie werden Sie auch vor Ihren Feinden verteidigen und auch noch freiwillig die Aufgabe übernehmen, andere für Ihre eben flügge gewordene kleine Sekte zu gewinnen. Solch eine Macht hebt Sie in eine andere Sphäre: Sie brauchen keine Drohungen und keine Ausflüchte mehr, um anderen Ihren Willen aufzuzwingen. Sie werden bewundert und können einfach nichts falsch machen.
Eine solche Anhängerschaft um sich zu scharen halten Sie vielleicht für eine ungeheure Aufgabe, doch im Grunde ist es ganz einfach. Da wir immer danach gieren, an etwas zu glauben, basteln wir uns aus jedem Mist Heilige und Glaubensinhalte. Es wäre doch schade, diese Leichtgläubigkeit an Nutzloses zu verschenken: Machen Sie sich selbst zum Objekt der Verehrung. Lassen Sie die Leute einen Kult um Sie formen durch folgende fünf einfache Schritte.
Schritt 1: Wähle vage Worte, wähle einfache Worte. Um eine Sekte zu gründen, müssen Sie zunächst einmal Aufmerksamkeit erregen. Das machen Sie besser nicht mit Taten, weil die zu offensichtlich und eindeutig sind. Arbeiten Sie mit Worten, die nebulös und irrlichternd sind. Ihre ersten Reden, Gespräche und Interviews müssen unbedingt zwei Elemente enthalten: auf der einen Seite das Versprechen von etwas Großem, Transformativem, auf der anderen Seite etwas total Verschwommenes. Diese Kombination regt ihre Zuhörer zu allen möglichen undefinierbaren Träumen an, sodass sie dann ihre eigenen Zusammenhänge herstellen und das sehen, was sie sehen wollen.
Die Menschen sind ja so einfältig und gehorchen so leicht den Bedürfnissen des Augenblicks, dass der, der betrügen will, immer einen findet, der sich betrügen lässt.
NICCOLO MACHIAVELLI, 1469-1527
Versuchen Sie Ihren Kult als so jung und frisch darzustellen, dass nur wenige ihn ganz verstehen werden. Wenn Sie es richtig anstellen, wird die Kombination von vagen Versprechungen, wolkigen, aber verführerischen Konzepten und glühender Begeisterung die Menschen ins Herz treffen, und eine Gruppe wird sich um Sie scharen.
Schritt 2: Gib dem Visuellen und dem Sinnlichen den Vorzug vor dem Intellektuellen. Wenn sich die Menschen erst einmal um Sie zu scharen begonnen haben, bringt das zwei Gefahren mit sich: Langeweile und Skepsis. Langeweile lässt die Menschen woandershin abwandern; Skepsis gibt ihnen die Distanz, rational über das nachzudenken, was Sie ihnen anbieten. Mit anderen Worten: Die Skepsis bläst den Nebel fort, mit dem Sie so trickreich Ihre Ideen verhüllt haben, sodass sie plötzlich als das dastehen, was sie sind. Sie müssen also dafür sorgen, dass sich die Leute amüsieren und nicht langweilen, und Sie müssen sich die Zyniker vom Leib halten.
Am besten gelingt das mit großem Theater und anderen vergleichbaren Mitteln. Umgeben Sie sich mit Luxus, blenden Sie Ihre Anhänger mit visuellem Glanz, geben Sie ihnen ein Spektakel, das ihre Augen fesselt. Dann sehen sie nicht nur nicht die Lächerlichkeit Ihrer Ideen, die Löcher in Ihrem Glaubenssystem, sondern Sie gewinnen auch noch mehr Aufmerksamkeit, noch mehr Anhänger.
Schritt 3: Borge dir die Formen organisierter Religion, um deine Gruppe zu strukturieren. Ihre Anhängerschaft wächst: Es wird Zeit, sie zu organisieren. Sie muss das als erhebend und zugleich als beruhigend empfinden. Unzählige Gläubige haben jahrhundertelang die Autorität der organisierten Religionen nie infrage gestellt, und in unserem angeblich so aufgeklärten Zeitalter ist es noch immer so. Denken Sie sich Rituale für Ihre Anhänger aus; organisieren Sie sie in einer Hierarchie, verleihen Sie ihnen Namen und Titel, in denen stets das Religiöse mitschwingt; verlangen Sie von ihnen Opfer, die Ihre Truhen füllen und Ihre Macht mehren werden.
Schritt 4: Verheimliche deine Einkommensquelle. Ihre Anhängerschaft ist gewachsen, und Sie haben sie wie eine Kirche strukturiert. Ihre Truhen füllen sich nun mit dem Geld der Gläubigen. Doch Sie dürfen niemals den Eindruck erwecken, als hätten Sie es auf dieses Geld abgesehen - und auf die daraus resultierende Macht. Genau an diesem Punkt müssen Sie verschleiern, woher Sie Ihr Einkommen beziehen.
Ihre Anhänger wollen glauben, dass ihnen alle möglichen Güter in den Schoß fallen, wenn sie Ihnen folgen. Umgeben Sie sich daher mit Luxus und machen Sie sich zum lebenden Beweis für die Gültigkeit Ihres Glaubenssystems. Enthüllen Sie niemals, dass Ihr Reichtum in Wirklichkeit den Taschen und Sparstrümpfen Ihrer Anhänger entstammt; stellen Sie vielmehr alles so dar, dass es die Richtigkeit Ihrer Methoden bestätigt.
Schritt 5: Schaffe eine »Wir gegen sie«-Dynamik. Ihre Sekte ist jetzt groß und stark, ein Magnet, der immer mehr Partikel anzieht. Wenn Sie jedoch nicht aufpassen, macht sich Trägheit breit, und zu viel Zeit und Langeweile entmagnetisieren die Gruppe. Um Ihre Anhänger zusammenzuhalten, müssen Sie jetzt das tun, was schon alle anderen Religionen und Glaubenssysteme zuvor getan haben: eine Dynamik des »wir gegen sie« schaffen.
Stellen Sie zunächst sicher, dass Ihre Anhänger überzeugt sind, einem exklusiven Zirkel anzugehören, der von einem Band gemeinsamer Ziele geeint wird. Um dieses Band zu festigen, bringen Sie die Vorstellung auf, da draußen lauere ein verschlagener Feind, der Sie vernichten will. Wenn Sie keinen Feind haben, erfinden Sie einen.
Dem Charlatan muss daran gelegen sein, den disponierten Menschentyp, der seine Erfolgsgarantie bedeutet, zu standardisieren, er soll als Individuum so zahlreich vorkommen, dass er zur Masse wird und somit einen noch größeren Spielraum garantiert.
DIE MACHT DES CHARLATANS VON GRETE DE FRANCESCO, 1937
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