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GESETZ 31 LASS ANDERE MIT DEN KARTEN SPIELEN, DIE DU AUSTEILST

WAS HEISST DAS?

Die besten Täuschungsmanöver sind die, bei denen der Gegner scheinbar eine Wahl hat: Ihr Opfer glaubt, es hielte das Heft in der Hand - in Wirklichkeit ist es Ihre Marionette. Räumen Sie anderen nur Wahlmöglichkeiten ein, bei denen jede Entscheidung für Sie günstig ausfällt. Zwingen Sie sie, das kleinere von zwei Übeln zu wählen, die beide Ihren Zwecken dienen. Bringen Sie andere in eine Zwickmühle: Wohin sie sich auch wenden, sie gehen in die Falle.

Mit Begriffen wie »Freiheit«, »Optionen« und »Wahl« assoziieren wir in der Regel ein Spektrum von Möglichkeiten, das weit über das hinausgeht, welches die Realität für uns bereithält. Bei näherer Betrachtung tendieren unsere Wahlmöglichkeiten dazu - auf dem Markt, bei Wahlen, im Berufsleben -, rasch an erhebliche Grenzen zu stoßen: Oft geht es nur darum, sich zwischen A und B entscheiden zu können, wobei der Rest des Alphabets ausgeblendet bleibt. Doch solange auch nur ein Hauch der Wahlfreiheit bleibt, kümmern wir uns kaum um die fehlenden Optionen.
Den Schlauen und Gerissenen eröffnet das ungeahnte Gelegenheiten für Täuschungsmanöver. Denn Menschen, die sich zwischen Alternativen entscheiden können, wollen kaum glauben, dass sie manipuliert oder getäuscht werden; sie sehen einfach nicht, dass Sie ihnen eine kleine Menge freien Willens zugestehen und im Austausch dafür ihnen in viel machtvollerem Umfang Ihren eigenen Willen aufzwingen. Ihrem Opfer ein kleines Auswahlspektrum zu lassen sollte also immer Teil Ihrer Täuschungsstrategie sein.
J. P. Morgan sen. erzählte einmal einem Juwelier aus seinem Bekanntenkreis, dass er daran interessiert sei, eine Krawattennadel mit einer Perle zu kaufen. Nur ein paar Wochen später stieß der Juwelier auf eine großartige Perle. Er ließ sie entsprechend fassen und schickte sie zusammen mit einer Rechnung über 5.000 Dollar an Morgan. Am nächsten Tag kam das Päckchen zurück. Im Begleitbrief schrieb Morgan: »Die Nadel gefällt mir, nicht aber der Preis. Wenn Sie den beigefügten Scheck über 4.000 Dollar akzeptieren, schicken Sie mir bitte die Schachtel mit unversehrtem Siegel zurück.« Der empörte Juwelier wies den Scheck ab und schickte den Boten ungnädig zurück. Dann öffnete er die Schachtel, um die unerwünschte Nadel herauszunehmen. Doch die befand sich nicht mehr darin. An ihrer Stelle lag ein Scheck über 5.000 Dollar.
THE LITTLE, BROWN BOOK OF ANECDOTES HERAUSGEGEBEN VON CLIFTON FADIMAN, 1985
Im Folgenden die gängigsten Verfahren zur »Kontrolle der Optionen«:
Frisiere die Optionen. Das war eine Lieblingstechnik von Henry Kissinger. Als Präsident Richard Nixons Außenminister hielt sich Kissinger in der Regel für besser informiert als sein Boss. Doch wenn er versuchte, die Richtlinien der Politik zu bestimmen, würde er seinen stets unsicheren Chef vor den

Kopf stoßen oder gar gegen sich aufbringen. Folglich schlug Kissinger in jeder Situation drei oder vier Optionen zur Auswahl vor, die er so präsentierte, dass die von ihm bevorzugte im Vergleich zu den anderen immer am besten dastand. Jedes Mal nahm Nixon den Köder an, und nie kam ihm der Verdacht, dass er das tat, was Kissinger wollte.

Erzwinge Widerstand. Das ist eine gute Technik für Kinder und andere eigenwillige Menschen, die gern das Gegenteil dessen tun, worum man sie bittet: Zwingen Sie sie, die Option zu »wählen«, die Sie wollen, indem Sie ihnen zum Schein zum Gegenteil raten.

Ändere das Spielfeld. In den 60er-Jahren des 19. Jahrhunderts wollte sich John D. Rockefeller das Monopol auf öl verschaffen. Wenn er versuchte, die kleineren Ölgesellschaften aufzukaufen, würden sie merken, was er vorhatte, und sich wehren. Stattdessen begann er im Stillen die Eisenbahngesellschaften aufzukaufen, die das öl transportierten. Rockefeller änderte das Spielfeld dahin gehend, dass die kleinen Ölproduzenten nur die Optionen hatten, die er ihnen übrig ließ.

Der deutsche Kanzler Bismarck war derartig erbost über die ständige Kritik, die Rudolf Virchow (der berühmte Pathologe und Abgeordnete der Fortschrittspartei) an ihm übte, dass er seine Sekundanten zu dem Mediziner schickte, um ihn zum Duell zu fordern. »Als der Geforderte habe ich die Wahl der Waffen«, sagte Virchow, »und ich wähle diese.« Er hielt zwei große und offenbar gleiche Würste hoch. »Eine davon«, fuhr er fort, »ist mit todbringenden Keimen versetzt, die andere ist absolut in Ordnung. Seine Exzellenz soll entscheiden, welche er essen will, und ich werde die andere essen.« Unverzüglich kam die Nachricht zurück, der Kanzler habe entschieden, das Duell abzusagen.

THE LITTLE, BROWN BOOK OF ANECDOTES HERAUSGEGEBEN VON CLIFTON FADIMAN, 1985

Die schrumpfenden Optionen. Setzen Sie den Preis herauf, jedes Mal, wenn der Kaufinteressent zögert und ein weiterer Tag verstrichen ist. Das ist eine ausgezeichnete Verhandlungsstrategie gegenüber chronisch Unentschlossenen, die so glauben, heute ein besseres Geschäft zu machen, und dann lieber nicht bis morgen warten.

Der schwache Mann am Abgrund. Diese Taktik ähnelt dem »Frisieren der Optionen«, doch bei schwachen, unentschlossenen Menschen müssen Sie aggressiver sein. Arbeiten Sie mit ihren Gefühlen - versetzen Sie sie in Angst und Schrecken, um sie zum Handeln zu bringen. Wenn Sie es mit Vernunft probieren, finden sie immer eine Möglichkeit, die Angelegenheit zu verschleppen.

Beschreiben Sie alle Arten von Gefahren, und übertreiben Sie so viel wie möglich, bis das Opfer in jeder Richtung einen gähnenden Abgrund sieht, außer in einer: die, in die Sie sie drängen.

Die Hörner des Dilemmas. Das ist eine klassische Technik von Prozessanwälten: Der Anwalt zwingt die Zeugen, sich zwischen zwei möglichen Erklärungen eines Ereignisses zu entscheiden, die beide ihre Geschichte durchlöchern. Sie müssen auf die Fragen des Anwalts antworten, doch was immer sie sagen, schadet ihnen selbst. Entscheidend ist bei dieser Taktik die Schnelligkeit: Geben Sie dem Opfer nicht die Zeit, über eine Ausflucht nachzudenken. Während es sich zwischen den Hörnern des Dilemmas windet, schaufelt es sich sein eigenes Grab.

Symbol: die Hörner des Stiers. Der Stier zwingt Sie mit sei nen Hörnern in die Enge: Nicht mit einem Horn, dem Sie vielleicht noch entkommen können, son dern mit einem Paar Hör nern, in dessen Spann weite Sie gefangen sind. Laufen Sie nach rechts oder nach links: In je de Richtung rennen Sie dann in eine der Spitzen und werden unweigerlich von ihm aufgespießt.

Garant: Wunden und jedes andere Übel, das sich der Mensch aus freien Stücken und aus eigener Wahl selber zufügt, schmerzen viel weniger als Wunden und Übel, welche ihm von anderen zugefügt werden. (Niccolo Machiavelli, 1469-1527)