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GESETZ 26 MACHE DIR NICHT DIE FINGER SCHMUTZIG

WAS HEISST DAS?

Geben Sie sich so zivilisiert und effizient wie möglich: Keine Fehler und keine Missetaten dürfen Ihre weiße Weste beflecken. Verschaffen Sie sich ein makelloses Erscheinungsbild, indem Sie andere zu Handlangern und Sündenböcken machen, hinter denen Sie Ihre eigenen Machenschaften verstecken können.

Gelegentliche Fehler sind unvermeidlich - die Welt ist einfach zu unberechenbar. Menschen an der Macht werden jedoch nicht von ihren Fehlern zu Fall gebracht, sondern von der Art und Weise, wie sie mit ihnen umgehen. Wie Chirurgen müssen Sie den Tumor schnell und ein für alle Mal wegschneiden. Ausflüchte und Entschuldigungen sind für eine so heikle Operation viel zu stumpfe Werkzeuge; Mächtige meiden sie. Mit Entschuldigungen wecken Sie bloß alle möglichen Zweifel hinsichtlich Ihrer Kompetenz, Ihrer weiteren Pläne und möglicher anderer Fehler, die Sie nicht eingestanden haben. Ausflüchte stellen niemanden zufrieden, und bei einer Entschuldigung fühlt sich keiner wohl. Der Fehler verschwindet dadurch nicht; er vertieft und festigt sich bloß. Schneiden Sie ihn besser unverzüglich heraus, lenken Sie die Aufmerksamkeit von sich ab und fokussieren Sie sie auf einen passenden Sündenbock, ehe die anderen Zeit finden, über Ihre Verantwortung beziehungsweise über Ihre mögliche Inkompetenz nachzudenken.
Es empfiehlt sich, als Sündenbock ein möglichst unschuldiges Opfer zu suchen. Solche Leute sind meist nicht mächtig genug, um sich zu wehren, und ihre naiven Proteste wirken, als protestierten sie zu heftig - mit anderen Worten, als seien sie Anzeichen für ihre Schuld. Passen Sie jedoch auf, dass Sie keinen Märtyrer schaffen. Es ist wichtig, dass Sie das Opfer bleiben, der bemitleidenswerte Führer, der von all den Inkompetenten um sich herum im Stich gelassen wurde. Wenn der Sündenbock zu schwach erscheint und seine Bestrafung zu grausam, sind am Ende Sie vielleicht das Opfer Ihrer eigenen Inszenierung. Manchmal müssen Sie sich als Sündenbock einen Mächtigeren suchen - einen, der auf lange Sicht weniger Sympathien wecken wird.
Immer wieder hat die Geschichte gezeigt, dass es Sinn macht, einen Nahestehenden zum Sündenbock zu machen. Das ist als der »Sturz des Favoriten« bekannt.
Als Anführer dürfen Sie sich die Hände nie durch hässliche Aufgaben oder blutige Geschäfte beschmutzen, alles, das Ihre hohe Stellung schlecht aussehen lässt oder als Missbrauch wahrgenommen wird. Die Macht kann andererseits nicht überleben, ohne dass ständig Feinde zerschmettert werden

- immer wieder müssen kleine, schmutzige Jobs erledigt werden, damit Sie an der Macht bleiben. Sie brauchen einen Handlanger, jemand, der die dreckige und gefährliche Arbeit für Sie erledigt. Wie ein Sündenbock wird der Handlanger Ihnen helfen, Ihren makellosen Ruf zu bewahren.
In der Regel wird das eine Person sein, die nicht Ihrem unmittelbaren Umfeld angehört, und der aus diesem Grund höchstwahrscheinlich nicht aufgehen wird, dass sie nur benutzt wird. Solche Gimpel lassen sich in der Regel leicht finden - Menschen, denen es Spaß macht, Ihnen einen Gefallen zu tun, vor allem wenn als Gegenleistung mal ein, zwei Knochen für sie abfallen. Sie erledigen Dinge für Sie, die sie für völlig harmlos, zumindest aber für gerechtfertigt halten, in Wirklichkeit aber räumen sie Ihnen Gegner aus dem Weg, verbreiten die Informationen, mit denen Sie sie gefüttert haben, graben Menschen das Wasser ab, von denen sie nicht wissen, dass sie Ihre Rivalen sind, treiben Ihre Sache ungewollt weiter voran, wobei sie sich die Finger schmutzig machen, während die Ihren makellos rein bleiben.
Am einfachsten, aber effektivsten lassen sich Handlanger einsetzen, wenn es darum geht, Ihrem Primäropfer gezielt Informationen zukommen zu lassen. Falsche oder gezielt gestreute Informationen sind ein machtvolles Werkzeug, vor allem, wenn man sie von einem Gimpel verbreiten lässt, dem niemand misstraut. Wie Sie merken werden, ist es ganz einfach, das Unschuldslamm zu spielen und nicht als Quelle der Information in Erscheinung zu treten.
Was Gunst erwirbt, selbst verrichten, was Ungunst, durch Andre. Durch das erstere gewinnt man die Liebe, durch das Andre entgeht man dem Uebelwollen... Von Oben kann man nur durch Lohn und Strafe wirken: da ertheile man das Gute unmittelbar, das Schlimme mittelbar.
BALTASAR GRACIÄN, 1601-1658
Sie müssen für jeden Vorfall einen Ausführenden oder einen Überbringer von schlechten Nachrichten haben, während Sie selbst nur Freude und frohe Botschaften überbringen.
Symbol: der unschuldige Ziegenbock. Am
Versöhnungstag bringt der Hohepriester den Bock in den Tempel, legt seine Hände auf seinen Kopf und bekennt die Sünden des Volkes, wodurch er die Schuld auf das unschuldige Tier überträgt, welches dann in die Wüste geführt und fortgejagt wird, sodass diese Sünden und die Schande der Menschen mit ihm verschwinden.
Garant: Dumm ist nicht, wer eine Dummheit begeht; sondern wer sie nachher nicht zu bedecken versteht... Alle Menschen begehn Fehltritte, jedoch mit dem Unterschiede, daß die Klugen die begangenen verhehlen, die Dummen aber die, welche sie erst begehn wollen, schon zum voraus lügen. Unser Ansehn beruht auf dem Geheimhalten, mehr als auf dem Thun: denn nisi caste, tarnen caute. (Baltasar Graciän, 1601-1658)