SCHLÜSSEL ZUR MACHT
Die meisten Menschen sind wie ein offenes Buch. Sie sagen, was sie denken, posaunen bei jeder Gelegenheit ihre Meinung heraus und geben ständig ihre Pläne und Absichten preis. Das tun sie aus mehreren Gründen. Erstens ist es nur natürlich, dass man über seine Gedanken und Pläne sprechen will. Es ist anstrengend, seinen Mund zu kontrollieren und aufzupassen, was man preisgibt. Zweitens glauben viele, dass man mit Ehrlichkeit und Offenheit die Herzen der Menschen gewinnt und seinen guten Charakter offenbart. Sie geben sich Illusionen hin. Ehrlichkeit ist eine stumpfe Waffe, die mehr zerschlägt, als dass sie schneidet. Ihre Ehrlichkeit beleidigt wahrscheinlich die Leute; viel klüger ist es, mit wohlgesetzten Worten den Leuten das zu sagen, was sie hören wollen, und nicht die nackte, hässliche Wahrheit. Mehr noch: Wenn Sie sich unerschrocken offen geben, machen Sie sich so berechenbar und vertraut, dass es fast unmöglich ist, Sie zu respektieren oder zu fürchten; Macht aber wird nur dem zuteil, der solche Emotionen wecken kann.
Man darf dich nicht für einen Betrüger halten, auch wenn man heute nicht leben kann, ohne einer zu sein. Deine größte List muss sein, zu verbergen, was als List erscheint.
BALTASAR GRACIÄN, 1601-1658
Wenn Sie nach Macht streben, lassen Sie die Ehrlichkeit beiseite, und üben Sie sich in der Kunst, Ihre Absichten zu verbergen. Wenn Sie das beherrschen, behalten Sie immer die Oberhand. Dieser Strategie liegt ein schlichter Wesenszug des Menschen zugrunde: Instinktiv vertrauen wir immer der äußeren Erscheinung. Wir können nicht ständig die Realität dessen anzweifeln, was wir sehen und hören - ständig zu überlegen, ob hinter den Erscheinungen etwas anderes steckt, erschöpft und erschreckt uns. Das macht es relativ leicht, die eigenen Absichten zu verbergen. Präsentieren Sie den Leuten ein Objekt, das Sie scheinbar haben wollen, ein Ziel, das Sie scheinbar erreichen wollen, und sie werden dies für real nehmen.
Verbergen Sie Ihre Absichten nicht, indem Sie sich verschlossen geben (das macht die Leute nur misstrauisch), sondern indem Sie pausenlos von Ihren Absichten und Zielen erzählen - allerdings nicht den wahren. Damit
schlagen Sie drei Fliegen auf einen Streich: Sie wirken freundlich, offen und vertrauenswürdig; Sie verbergen Ihre Absichten; und Sie schicken Ihre Rivalen auf die zeitraubende Jagd nach dem falschen Köder.
Eine weitere Methode, falsche Spuren zu legen, ist die geheuchelte Aufrichtigkeit. Nur allzu leicht kaufen die Leute Ihnen das als Ehrlichkeit ab. Wenn Sie sich den Anschein geben, dass Sie glauben, was Sie sagen, gibt das Ihren Worten großes Gewicht. So hat Jago Othello getäuscht und vernichtet: Da er tiefbewegt war, da er offensichtlich aufrichtig um Desdemonas vermutete Untreue besorgt war, wie konnte ihm Othello misstrauen?
Wenn Sie glauben, Betrüger seien auffällige Leute, die andere mit ausgefeilten Lügen und gigantischen Geschichten auf die falsche Fährte locken, dann irren Sie sich. Die besten von ihnen bedienen sich eines banalen, unverdächtigen Äußeren, das keinerlei Aufmerksamkeit auf sie zieht. Sie wissen, dass extravagante Worte und Gesten sofort Verdacht erregen. Stattdessen maskieren sie ihre Ziele mit dem Vertrauten, dem Banalen, dem Harmlosen.
SCHMUGGELE DICH AM HELLICHTEN TAGE ÜBER DAS MEER
Das bedeutet, eine Fassade zu schaffen, die letztlich durchdrungen ist mit dem Anschein oder der Atmosphäre des Vertrauten, hinter der der Stratege ungesehen manövrieren kann, weil alle Augen gelernt haben, sich an offenbar Vertrautes zu halten.,
THE ART OF WAR VON SUN TZU, BEARBEITET VON THOMAS CLEARY, 1991
Wenn Sie die Aufmerksamkeit Ihrer gutgläubigen Opfer erst einmal mit etwas Vertrautem gefesselt haben, werden sie nicht bemerken, wie sie hinter ihrem Rücken getäuscht werden. Je grauer und gleichförmiger Ihre Nebelwand ist, desto besser verbirgt sie Ihre Absichten.
Die einfachste Form der Nebelwand ist der Gesichtsausdruck. Hinter einer verbindlichen, aber undurchdringlichen Miene kann man alles Mögliche an Ungemach aushecken, ohne entdeckt zu werden. Die mächtigsten Männer der Geschichte haben dies perfektioniert. Niemandem soll es gelungen sein, aus Franklin D. Roosevelts Gesichtsausdruck etwas herauszulesen. Baron James Rothschild hat sein Leben lang seine wahren Gedanken hinter einem verbindlichen Lächeln und einem nichtssagenden Äußeren verborgen.
Denken Sie daran: Es erfordert Geduld und Demut, seine brillanten Farben zu dämpfen, die Maske des Unverdächtigen zu tragen. Verzweifeln Sie nicht daran, eine so langweilige Maske tragen zu müssen - oft ist es gerade Ihre Undurchsichtigkeit, die die Leute anziehend finden und Sie als einen Menschen mit Macht dastehen lässt.
Symbol: ein Schaffell. Ein Schaf räubert niemals, ein Schaf täuscht niemals, ein Schaf ist entsetzlich dumm und fügsam. In ein Schaffell gehüllt, kann der Fuchs direkt bis in den Hühnerstall gelangen.
Garant: Hat man je gehört, daß ein fähiger General, der einen Überraschungsangriff auf eine Festung vorhat, seine Pläne den Feinden verkündet hätte? Verbergen Sie Ihre Absichten und verschweigen Sie Ihre Fortschritte; enthüllen Sie so lange nicht das Ausmaß Ihrer Pläne, bis Ihnen kein Widerstand mehr entgegengesetzt werden kann, bis die Schlacht geschlagen ist. Erringen Sie den Sieg, noch ehe Sie den Krieg erklären. Kurz gesagt: Imitieren Sie jene kriegerischen Menschen, deren Pläne man erst anhand des verwüsteten Landes erkennt, durch das sie gezogen sind. (Ninon de Lenclos, 1620-1705)
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