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DIE DAUMENSCHRAUBE FINDEN

Eine strategische Handlungsanweisung

Wir alle leisten Widerstand. Wir leben in einem Panzer, mit dem wir uns vor Veränderungen und vor Übergriffen unserer Freunde und Feinde schützen. Mit zum Wichtigsten, was Sie über Menschen wissen müssen, gehört daher, dass sie alle eine Schwäche haben, irgendeinen Teil in ihrem psychischen Panzer, der keinen Widerstand leistet, sondern sich Ihrem Willen beugt, wenn Sie die Stelle finden und dagegendrücken. Bei einigen Menschen liegen diese Schwächen frei zutage, andere halten sie versteckt. Letztere sind aber meist besonders leicht zu knacken, wenn man den Schwachpunkt in ihrem Panzer findet.

DER LÖWE, DIE GEMSE UND DER FUCHS

Der Löwe jagt die Gams auf Felsenstegen, fast packt er sie schon im Genick, das leckre Mahl schlingt schon sein gierig heißer Blick - wie kam es ihm gelegen! Die Gemse konnte sich, so schien's, nicht retten mehr, denn eine breite Schlucht durchschnitt die Straße quer, und doch verzagt das Tier noch nicht am Heile. Es sammelt seine letzte Kraft, und wie ein Pfeil vom Bogen schnellt übern Abgrund es, der unten klafft, und stehet drüben auf der Felsensteile; der Leu sieht sich betrogen. Da kommt sein Freund, der Fuchs, herangeschlichen, wirft einen Blick auf diese schroffen Wände. Und spricht: »Wie, du, der Starke, der Behende, wärst einer solchen Ziege ausgewichen? Wenns dir beliebt, kannst Wunder du vollbringen. Wenn auch der Abgrund gähnt, nur ein Entschluss, und flugs wirst du hinüberspringen. Glaub mir aufs Wort, ich sage, was ich muss, und setzte nicht, als Freund, aufs Spiel dein Leben, wär' es mir nicht bekannt, wie kraftvoll du und wie gewandt.« Im Löwen kocht das Blut, die Pulse beben, dreist wagt er den gewalt'gen Sprung, doch nimmer reicht so weit sein Schwung. - Er überstürzt sich, fällt, sich nie mehr zu erheben. Was hat sein edler Freund getan? Er sucht zur Tiefe sacht sich eine Bahn, und da er sieht, dass Schmeicheln und Hofieren beim Leu zu nichts mehr führen, so hat die Totenfeier er vollbracht - und binnen Monatsfrist den Freund ganz kahl genagt.

FABELN VON IWAN KRYLOW, 1769-1844

Bei der Planung Ihres Anschlages halten Sie sich die folgenden Prinzipien in Gedanken:

Achte auf Gesten und unbewusste Signale. Sigmund Freud sagte: »Kein Sterblicher kann ein Geheimnis für sich behalten. Wessen Lippen schweigen, der schwätzt mit den Fingerspitzen; aus allen Poren dringt ihm der Verrat.« Das ist ein entscheidender Punkt bei der Suche nach Schwachstellen anderer Menschen - sie offenbaren sich durch nebensächliche Gesten und so dahingesagte Worte.

Entscheidend ist nicht nur, wonach Sie suchen, sondern auch, wo und wie Sie suchen. Alltagsgespräche bieten einen besonders reichen Fundus von Schwächen, also lernen Sie, zuzuhören.

Wenn Sie Verdacht hegen, dass eine Person einen bestimmten wunden Punkt hat, sondieren Sie das indirekt. Richten Sie Ihre Aufmerksamkeit auf Details - wie jemand Trinkgelder verteilt, was eine Person erfreut, welche versteckten Signale ihre Kleidung aussendet. Finden Sie die Idole anderer, die Dinge, die sie bewundern und unbedingt haben wollen - vielleicht können Sie ihren Fantasien Nahrung geben. Denken Sie daran: Da wir alle versuchen, unsere Schwächen zu verbergen, lässt sich anhand unseres bewussten Verhaltens kaum etwas erkennen. Was bei den kleinen Dingen außerhalb unserer bewussten Kontrolle durchsickert, das ist es, was Sie finden müssen.

Finde das hilflose Kind. Die meisten Schwachpunkte bilden sich in der Kindheit aus, noch ehe das Selbst zur kompensatorischen Selbstverteidigung greift. Vielleicht wurde das Kind in gewisser Hinsicht verwöhnt und verhätschelt, vielleicht wurde auch ein bestimmtes emotionales Bedürfnis nicht befriedigt; wenn es dann heranwächst, wird die Verzärtelung oder das Defizit vielleicht verschüttet, verschwindet aber nie ganz. Etwas über die Kindheit zu wissen, gibt Ihnen einen wichtigen Schlüssel zu den Schwachstellen einer Person an die Hand.

Ein sicheres Anzeichen für solch eine Schwachstelle ist, wenn eine Person sich auf einmal kindisch verhält, wenn dieser Punkt berührt wird. Achten Sie daher auf Verhaltensweisen, die eigentlich schon längst abgelegt sein müssten.

Suche nach Gegensätzen. Hinter einem offenen Wesenszug verbirgt sich oft das Gegenteil. Wer sich an die Brust schlägt, ist oft ein großer Feigling; die Ängstlichen gelüstet es oft nach Abenteuern. Schauen Sie hinter die Kulissen, dann werden Sie meist feststellen, dass die Schwachstellen der Menschen genau das Gegenteil der Qualitäten sind, die sie Ihnen darbieten.

Fülle die Leere. Unsicherheit und Unglücklichsein sind die beiden wichtigsten emotionalen Mangelzustände, denen Sie abhelfen können. Die Unsicheren sind für jede Art von sozialer Anerkennung dankbar, bei den chronisch Unglücklichen müssen Sie nach den Ursachen für ihren Zustand suchen. Die Unsicheren und die Unglücklichen sind diejenigen Menschen, die ihre Schwachpunkte am wenigsten verbergen können. Ihnen das Gefühl der inneren Leere zu nehmen ist eine Quelle erheblicher Macht - und sie versiegt praktisch nie.

Bediene dich unkontrollierbarer Emotionen. Nicht beherrschbare Gefühle können etwa eine paranoide Furcht sein - die der Situation völlig unangemessen ist - oder jedes andere Grundbedürfnis wie Lust, Gier, Eitelkeit oder Hass. Menschen im Griff solcher Gefühle haben sich oft selbst nicht unter Kontrolle, und dann können Sie sie steuern.

Symbol: die Daumenschraube. Ihr Feind hat Geheimnisse, die er beschützt, hegt Gedanken, die er nicht offenbart. Doch sie sickern durch, ohne dass er das ändern kann. Irgendwo in seinem Kopf, in seinem Herzen oder in seinem Bauch gibt es eine Schwachstelle. Finden Sie sie, und üben Sie Druck darauf aus, bis der andere tut, was Sie wollen.

Garant: Die Daumenschraube eines Jeden finden.

Dies ist die Kunst den Willen Andrer in Bewegung zu setzen. Es gehört mehr Geschick als Festigkeit dazu. Man muß wissen, wo einem Jeden beizukommen sei. Es giebt keinen Willen der nicht einen eigenthümlichen Hang hätte, welcher, nach der Mannigfaltigkeit des Geschmacks, verschieden ist. Alle sind Götzendiener, Einige der Ehre, Andre des

Interesses, die Meisten des Vergnügens. Der Kunstgriff besteht darin, daß man diesen Götzen eines Jeden kenne, um mittelst desselben ihn zu bestimmen. Weiß man welches für Jeden der wirksame Anstoß sei; so ist es als hätte man den Schlüssel zu seinem Willen. (Baltasar Graciän, 16011658)