GELD UND MACHT
Im Reich der Macht hat alles seinen Preis, muss alles nach den Kosten bewertet werden, die es verursacht. Was umsonst oder zu Schnäppchenpreisen angeboten wird, an dem hängt oft ein psychisches Preisschild - komplizierte Gefühle des Verpflichtetseins, der Gegenleistung, des Kompromisses bei der Qualität, die daraus resultierende Unsicherheit und so weiter und so fort. Die Mächtigen haben früh gelernt, ihre wertvollsten Ressourcen zu schützen: Unabhängigkeit und Freiräume zum Manövrieren. Indem Sie den vollen Preis bezahlen, halten Sie sich von gefährlichen Verwicklungen und Verpflichtungen fern.
Beim freimütigen und flexiblen Umgang mit Geld lernt man auch den Wert der strategischen Großzügigkeit kennen, einer Variante des alten Tricks »gib, wenn du vorhast, dir etwas zu nehmen«. Indem Sie ein angemessenes Geschenk machen, nehmen Sie den Beschenkten in die Pflicht. Großzügigkeit stimmt zudem andere Menschen milder - sie lassen sich dann leichter täuschen. Indem Sie sich den Ruf der Freigebigkeit zulegen, erlangen Sie die Bewunderung der Leute, während Sie sie gleichzeitig von Ihren Machtspielen ablenken.
DER GEIZHALS
Ein Geizhals hatte sein ganzes Vermögen zu Gold gemacht, formte einen Barren daraus und vergrub ihn irgendwo, wobei er seine Seele und seinen Verstand mit vergrub. Jeden Tag ging er hin und sah nach. Ein Feldarbeiter aber hatte ihn beobachtet und sich gleich seinen Reim drauf gemacht, er grub den Barren aus und nahm ihn mit. Als dann der Geizhals kam und den Platz leer fand, klagte und jammerte er und raufte die Haare. Einer, der ihn so verzweifelt sah und den Grund erfuhr, sprach: »Mensch, jammere doch nicht so! Auch als du das Gold dein nanntest, besaßest du es nicht. Nimm statt Gold einen Stein und lege ihn hierhin und bilde dir ein, es sei dein Gold! Es wird dir den gleichen Nutzen bringen; denn soviel ich sehe, hast du auch, als das Gold noch da war, von deinem Besitz keinen Gebrauch gemacht.« Die Fabel zeigt, dass der Besitz nichts ist, wenn man keinen Nutzen davon hat.
FABELN VON ÄSOP, 6. JH. V. CHR.
Für jeden, der das Spiel mit dem Geld beherrscht, gibt es tausend andere, die in der selbstzerstörerischen Weigerung gefangen sind, Geld kreativ und strategisch einzusetzen. Diese Typen bilden den Gegenpol der Mächtigen, und Sie müssen lernen, sie zu erkennen - um entweder ihre die Atmosphäre vergiftende Nähe zu meiden oder um ihre Unflexibilität zu Ihrem Vorteil auszunutzen:
Der gierige Fisch. Der gierige Fisch nimmt dem Geld die menschliche Seite. Kalt und rücksichtslos sieht er nur die leblose Bilanz; andere betrachtet er nur als Unterpfand oder Hindernis bei seiner Jagd nach dem Reichtum, er trampelt auf den Gefühlen der Menschen herum und befremdet wertvolle Alliierte. Niemand will mit einem gierigen Fisch Zusammenarbeiten, und im Lauf der Jahre isoliert er sich schließlich vollständig, was oft seinen Untergang bedeutet. Locken Sie sie mit dem Köder des schnellen Geldes, und sie verschlingen nicht nur den Haken, sondern auch die Leine und das Senkblei gleich mit dazu. Sie lassen sich leicht täuschen. Gehen Sie ihnen aus dem Weg, ehe sie Ihnen Schaden zufügen, oder nutzen Sie ihre Gier zu Ihrem eigenen Vorteil.
Der Schnäppchenjäger. Mächtige Menschen bewerten alles nach den Kosten, und zwar nicht nur in Geld, sondern auch in Zeit, Seelenfrieden und Würde gemessen. Und genau das kann ein Schnäppchenjäger nicht tun. Er verschwendet wertvolle Zeit darauf, nach Sonderangeboten zu suchen, er zerbricht sich endlos den Kopf, ob er irgendwo irgendetwas für ein bisschen weniger bekommen hätte. Darüber hinaus ist das Sonderangebot, das er erwirbt, oft Schrott; manchmal bedarf es einer kostspieligen Reparatur, oder es muss doppelt so schnell ersetzt werden wie ein qualitativ hochwertiges Produkt. Dieser Typus scheint nur sich selbst zu schaden, doch seine Einstellung ist ansteckend.
In Japan gibt es eine beliebte Redensart. Sie lautet: »Tada yori takai mono va nai«, und bedeutet: »Nichts kostet mehr als das, was es umsonst gibt.«
THE UNSPOKEN WAY VON MICHIHIRO MATSUMOTO, 1988
Der Sadist. Finanzielle Sadisten treiben mit Geld bösartige Machtspielchen, weil das ihre Art und Weise ist, sich ihrer Macht zu versichern. Beispielsweise lassen sie Sie auf Geld warten, das Ihnen zusteht, indem sie versprechen, dass der Scheck schon in der Post sei. Sadisten scheinen zu glauben, für eine Sache zu bezahlen gäbe ihnen das Recht, den Verkäufer zu foltern und zu missbrauchen. Sie haben kein Gespür für das höfische Element des Geldes. Wenn Sie das Pech haben, an diesen Typus zu geraten, ist es auf lange Sicht vielleicht besser, einen finanziellen Verlust hinzunehmen, als sich in seine destruktiven Machtspielchen verwickeln zu lassen.
Der ziellos Spendable. Im Hinblick auf die Macht hat Großzügigkeit eine ganz bestimmte Funktion: Sie zieht Leute an, erweicht ihr Herz, macht sie zu Verbündeten. Doch man muss sie strategisch einsetzen, mit einem definitiven Ziel vor Augen. Wer wahllos sein Geld an andere verteilt, ist hingegen großzügig, weil er von allen geliebt und bewundert werden will. Und diese keine Unterschiede machende Großzügigkeit ist so hilflos, dass sie ihren Zweck vielleicht verfehlt: Wenn man allen und jedem gibt, warum sollte sich der Empfänger dann als etwas Besonderes empfinden? Vielleicht finden Sie den ziellos Spendablen als Opfer attraktiv, doch wenn Sie sich mit diesem Typus abgeben, werden Sie seine unstillbaren emotionalen Bedürfnisse oft als Last empfinden.
Symbol: der Fluss. Um sich zu schützen oder ihn als Ressource zu schonen, dämmen Sie ihn ein. Bald jedoch wird das Wasser trübe und fangt an zu stinken. In solch abgestandenem Wasser gedeihen nur die niedersten Lebensformen; nichts kann darauf reisen, aller Austausch unterbleibt. Zerstören Sie den Damm. Wenn Wasser fließt und zirkuliert, erzeugt es Überfluss, Reichtum und Macht in immer umfassenderen Maßen. Der Fluss muss ständig fließen, damit Gutes gedeihen kann.
Garant: Sehr töricht ist ein hoher Herr, der knauserig ist. / Ein hoher Herr kann kein Laster haben, / das ihm so sehr schadet wie der Geiz; / denn ein Geiziger kann keine Herrschaft / erwerben noch weites Land, /
denn er hat nicht genügend Freunde, / die ihm zu Willen sind. / Wer aber Freunde haben will, / dem sei sein Gut nicht zu teuer; / vielmehr erwerbe er sich Freunde durch schöne Geschenke; / denn ganz in der Weise, / wie der Magnetstein / das Eisen geschickt an sich zieht, / so zieht das Gold, das man verschenkt, / und das Silber die Herzen der Leute an. (Der Rosenroman von Guillaume de Lorris, um 1200-1238)
No Comments