SCHLÜSSEL ZUR MACHT
Machiavelli weist nach, dass eine Festung militärisch betrachtet immer ein Fehler ist. Sie wird zum Symbol für die Isolation der Macht und ist ein leichtes Ziel für die Feinde des Erbauers. Die Festung soll schützen, doch in Wahrheit schneidet sie die Hilfe ab und engt die Flexibilität ein. Sie mag uneinnehmbar erscheinen, doch sobald Sie sich darin verschanzen, weiß jeder, wo Sie sich befinden. Und eine Belagerung muss noch gar nicht erfolgreich sein, um die Festung schon in ein Gefängnis zu verwandeln. Ihre räumliche Enge und Beschränktheit macht Festungen zudem extrem anfällig für die Pest und andere Infektionskrankheiten. Strategisch gesehen bewirkt die Isolation in einer Festung keinen Schutz, sondern mehr Probleme, als sie löst.
Einsamkeit ist gefährlich für den Verstand, ohne der Tugend zu nützen... Vergiss nicht, dass der einsame Sterbliche sicher verschwenderisch, wahrscheinlich abergläubisch und möglicherweise verrückt ist.
DR. SAMUEL JOHNSON, 1709-1784
Weil Menschen von Natur aus gesellig sind, hängt Macht von der sozialen Interaktion und Zirkulation ab. Um Macht auszuüben, müssen Sie sich ins Zentrum der Dinge stellen. Alles sollte sich um Sie drehen, und Sie sollten alles im Blick haben, was drum herum geschieht, und alle beobachten, die sich gegen Sie verschwören könnten. Die Gefahr beginnt meistens, wenn jemand sich bedroht fühlt. Dann neigt er dazu, sich zurückzuziehen und die Reihen zu schließen, Sicherheit in einer Art Festung zu suchen. Doch damit muss er sich auf die Informationen durch einen immer kleiner werdenden Kreis von Leuten verlassen und verliert den Sinn für die Ereignisse draußen. Er verliert seine Manövrierfähigkeit, wird zur leichten Beute, und seine Isolation macht ihn paranoid. Im Krieg wie bei vielen Strategiespielen folgen auf Isolation meist Niederlage und Tod.
Der König [Ludwig XIV] erwartete nicht nur vom Hochadel, dass er am Hof präsent war, sondern verlangte das auch vom niederen Adel. Nichts entging ihm, ob bei seinem Lever und Zubettgehen, seinen Mahlzeiten oder in den Gärten von Versailles. Er empfand es als Affront, wenn die Angehörigen des höchsten Adels nicht ständig am Hof lebten, und jene, die sich selten oder gar nicht
sehen ließen, zogen sich seinen äußersten Unmut zu. Wenn so jemand mit einer Bitte kam, erklärte der König stolz: >Wir kennen ihn nicht<, und dieses Urteil war unwiderruflich.
DUC DE SAINT-SIMON, 1675-1755
Wenn Sie sich unsicher und gefährdet fühlen, müssen Sie das Bedürfnis, sich zu verkriechen, niederkämpfen und stattdessen noch erreichbarer werden, alte Verbündete aufsuchen und neue gewinnen, sich in immer mehr und andere Kreise drängen. Das war der Trick der Mächtigen schon vor vielen Jahrhunderten.
Der römische Staatsmann Cicero gehörte von Haus aus zum niederen Adel und hatte ohne einen Zugang zu jenen Aristokraten, die die Stadt beherrschten, wenig Chancen, an die Macht zu kommen. Doch das gelang ihm vorzüglich; er fand heraus, wer Einfluss hatte und welche Verbindungen diese Leute unterhielten. Er war überall anzutreffen, kannte jeden und hatte ein solch riesiges Netz an Verbindungen geknüpft, dass ein Feind an der einen Stelle leicht durch einen Verbündeten anderswo ausgeglichen wurde.
Da Menschen so gesellig sind, hat das zur Folge, dass die soziale Kunst, uns anderen angenehm zu machen, nur durch ständigen Austausch mit ihnen praktiziert werden kann. Je mehr Kontakt Sie mit anderen pflegen, umso anziehender und umgänglicher wirken Sie. Isolation hingegen lässt Sie verspröden und führt nur zu mehr Isolation, da die Leute anfangen, Sie zu meiden.
Statt sich in einer geistigen Festung zu verbarrikadieren, sollten Sie die Welt folgendermaßen betrachten: Sie ist ein riesiger Palast, wo jeder Raum mit dem anderen in Verbindung steht. Sie müssen durchlässig sein, zwischen verschiedenen Kreisen wechseln, mit den unterschiedlichsten Typen verkehren. Diese Art der Mobilität und des gesellschaftlichen Kontakts wird Sie vor Verschwörern schützen, weil sie nichts vor Ihnen verheimlichen können, und vor Feinden, weil sie Sie nicht von Ihren Verbündeten isolieren können. Sie sind immer in Bewegung, verkehren in den vielen Räumen des Palasts, bleiben nie an einer Stelle. Kein Jäger kann ein derart bewegliches Wesen ins Visier nehmen.
Symbol: die Festung. Hoch oben auf dem Berg wird sie zum Bild für all das, was hassenswert an Macht und Autorität ist. Die Bewohner unten in der Stadt verraten Sie an den erstbesten Feind, der daherkommt. Abgeschnitten von Kommunikation und Aufklärung fallt die Zitadelle leicht.
Garant: Ein kluger und ein guter Herrscher wird daher nie eine Festung bauen, einmal, um selbst gut zu bleiben, und ferner, um auch seinen Söhnen keinen Anlaß zur Schlechtigkeit zu geben, noch sie dazu anzufeuern, damit sie sich nicht auf die Festung, sondern auf die gute Gesinnung der Bürger verlassen. (Niccolo Machiavelli, 1469-1527)
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