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SCHLÜSSEL ZUR MACHT

Beim Streben nach Macht werden Sie immer wieder in die Lage kommen, Mächtigere um Hilfe bitten zu müssen. Um Hilfe zu bitten ist eine Kunst: Sie hängt von Ihrer Fähigkeit ab, sich in den anderen hineinzuversetzen und Ihre und seine Bedürfnisse nicht zu verwechseln.
Den meisten Menschen gelingt das nicht, weil sie zu tief in ihre eigenen Wünsche und Hoffnungen verstrickt sind. Sie gehen von der Annahme aus, dass die Leute, an die sie sich wenden, ein selbstloses Interesse haben, ihnen zu helfen. Sie reden mit diesen Leuten, als seien ihre Bedürfnisse für die Adressaten von Bedeutung - obwohl es wahrscheinlich kaum etwas gibt, was diese weniger interessiert. Manchmal beziehen sie sich auf ein großes Ganzes, einen wichtigen Fall, hehre Gefühle wie Liebe und Dankbarkeit. Sie zielen auf das Gesamtbild, wenn einfache, alltägliche Fakten viel wirkungsvoller wären. Sie erkennen nicht, dass selbst der Mächtigste in seine eigenen Bedürfnisse verstrickt ist, und dass er, solange man nicht an seine Eigeninteressen appelliert, einen Bittsteller als hoffnungslosen Fall, bestenfalls als Zeitverschwendung betrachtet.​

DER BAUER UND DER APFELBAUM
Ein Bauer hatte in seinem Garten einen Apfelbaum, der keine Früchte trug, sondern nur den Spatzen und Grillen als Heimstatt diente. Er beschloß ihn zu fällen, holte seine Axt und hieb mit einem kräftigen Schlag in die Wurzel. Die Grillen und Spatzen flehten ihn an, den Baum zu verschonen, der ihnen Schutz bot. Als Dank wollten sie für ihn singen und so seine Arbeit leichter machen. Der Bauer kümmerte sich nicht um die Bitte, sondern hieb ein zweites und drittes Mal mit seiner Axt in den Baum. Dabei stieß er auf einen Hohlraum mit einem Bienenstock voller Honig. Nachdem er von der Wabe gekostet hatte, warf er seine Axt beiseite. Von da an betrachtete er den Baum als heilig und ließ ihm eine gute Pflege angedeihen. Eigennutz allein ist es, was manche Menschen bewegen kann. FABELN VON ÄSOP, 6. JH. V. CHR.

Der entscheidende Punkt bei diesem Prozess ist, die Psyche des anderen zu verstehen. Ist er eitel? Sorgt er sich um seine Reputation oder seinen gesellschaftlichen Ruf? Hat er Feinde, bei deren Überwindung Sie ihm helfen können? Zählen bei ihm einfach nur Geld und Macht?
Als die Mongolen im 13. Jahrhundert in China einfielen, drohten sie, eine über 2.000 Jahre alte, blühende Kultur zu zerstören. Ihr Anführer Dschingis​


Khan sah in China nur ein Land, das keine Weiden für ihre Pferde bot, und so wollten sie nach dem Motto »Es ist besser, die Chinesen zu vernichten und Gras wachsen zu lassen« die Städte dem Erdboden gleichmachen. Gerettet wurde China von keinem Soldaten, keinem Feldherrn und auch keinem König, sondern von einem Mann namens Yelu Ch'u-Ts'ai. Auch er war ein Fremder, doch er hatte die Überlegenheit der chinesischen Kultur erkannt. Er schaffte es, zum Berater des Mongolenherrschers aufzusteigen und ihn davon zu überzeugen, dass ihm das Land ungeheure Reichtümer bringen würde, wenn er, statt es zu zerstören, einfach die gesamte Bevölkerung mit einer Kopfsteuer belegte. Der Khan erkannte die Klugheit dieses Rats und befolgte ihn.

Als der Khan die Stadt Kaifeng nach einer langen Belagerung eroberte und die Einwohner niedermetzeln lassen wollte (wie er das auch in anderen Städten getan hatte, die sich ihm widersetzt hatten), erklärte ihm Ch'u-Ts'ai, dass sich die besten Handwerker und Techniker Chinas nach Kaifeng geflüchtet hätten und es besser wäre, wenn er deren Können ausbeutete. Kaifeng blieb verschont. Nie zuvor hatte der Khan eine solche Milde walten lassen - allerdings war es in Wirklichkeit keine Milde. Ch'u-Ts'ai kannte den Khan gut. Er war ein barbarischer Bauer, der sich keinen Deut um Kultur scherte oder überhaupt um etwas anderes als die Kriegführung und handfeste Ergebnisse. Ch'u-Ts'ai beschloss, an die einzige Emotion zu appellieren, die solch einen Mann bewegen konnte: Gier.

Die meisten Menschen sind so subjektiv, daß sie bei Allem, was gesagt wird, sogleich an sich denken und jede zufällige, noch so entfernte Beziehung auf irgend etwas ihnen Persönliches ihre ganze Aufmerksamkeit an sich reißt.

ARTHURSCHOPENHAUER, 1788-1860

Eigennutz ist der Hebel, um Leute in Bewegung zu setzen. Sobald Sie ihnen aufzeigen, wie Sie ihren Bedürfnissen dienen oder ihr Anliegen vorantreiben können, wird ihr Widerstand Ihrer Bitte gegenüber wie mit Zauberhand weggewischt sein. Bei jedem Schritt auf Ihrem Weg zur Macht müssen Sie trainieren, sich in den anderen hineinzuversetzen, seine Bedürfnisse und Interessen zu erkennen und die Mauer aus Ihren eigenen Gefühlen loszuwerden, die die Wahrheit verdeckt. Wenn Sie diese Kunst beherrschen, sind Ihrem Erfolg keine Grenzen gesetzt.

Symbol: ein Seil, das verbindet. Das Seil aus Gnade und Dankbarkeit ist dünn und wird bei der ersten Belastung reißen. Halten Sie sich nicht an diese Rettungsleine. Das Seil der wechselseitigen Eigeninteressen ist aus vielen Fasern gedreht und kann nicht leicht durchtrennt werden. Es wird Ihnen viele Jahre sehr gute Dienste leisten.

Garant: Unter allen Mitteln, sein Glück zu machen, ist das kürzeste und beste das: den Leuten klarzumachen, daß es in ihrem Interesse liege, etwas für einen zu tun. (Jean de La Bruyere, 1645-1696)