SCHLÜSSEL ZUR MACHT
Da Macht zu einem großen Teil von der äußeren Erscheinung abhängt, müssen Sie Tricks erlernen, mit denen Sie Ihre Attraktivität erhöhen können. Die Weigerung, sich an eine Person oder Gruppe zu binden, gehört dazu. Wenn Sie sich selbst zurückhalten, beschwören Sie damit keine Verärgerung herauf, sondern erheischen eine bestimmte Art von Respekt. Sie wirken mächtig, weil Sie sich dem Zugriff entziehen, statt sich einer Gruppe oder Beziehung hinzugeben, wie es die meisten Menschen tun. Mit der Zeit wächst diese Aura der Macht noch: Da Ihr Ruf der Unabhängigkeit zunimmt, werden immer mehr Menschen Sie begehren, die eine Person sein wollen, an die Sie sich binden. Das Begehren aber ist wie ein Virus: Wenn wir sehen, dass jemand von anderen Menschen begehrt wird, neigen wir dazu, diese Person gleichfalls begehrenswert zu finden.
In dem Moment, da Sie eine Bindung eingehen, ist der Zauber verflogen. Sie sind bloß noch wie alle anderen. Mit allen möglichen hinterlistigen Methoden werden Leute versuchen, Sie zu einer Bindung zu überreden. Sie machen Ihnen Geschenke und überschütten Sie mit ihrer Gunst, und das alles nur, um Sie in die Pflicht zu nehmen. Ermutigen Sie ihre Aufmerksamkeit, stimulieren Sie ihr Interesse, aber binden Sie sich um keinen Preis an sie. Akzeptieren Sie die Geschenke und die Nettigkeiten, wenn Sie das wollen, aber bleiben Sie innerlich immer auf Distanz. Sie können es sich nicht erlauben, aus Versehen sich plötzlich jemandem verpflichtet zu fühlen.
Doch denken Sie daran: Ziel ist nicht, andere Leute vor den Kopf zu stoßen oder den Eindruck zu erwecken, dass Sie der Bindung unfähig seien. Wie Elizabeth L, die jungfräuliche Königin, müssen Sie die Suppe am Kochen halten, Interesse wecken, Menschen mit der Möglichkeit verführen, Sie zu besitzen. Natürlich müssen Sie sich gelegentlich auch ihrer Aufmerksamkeit hingeben - aber niemals zu sehr.
Der griechische Krieger und Staatsmann Alkibiades beherrschte dieses Spiel perfekt. Alkibiades war es, der die große athenische Armada angeregt und dann geführt hatte, die 414 v. Chr. in Sizilien einfiel. Als missgünstige Athener zu Hause ihn niedermachen wollten, indem sie ihn frei erfundener
Missetaten anklagten, lief er zum Feind über, zu den Spartanern, statt sich einem Prozess zu Hause zu stellen. Nachdem dann die Athener bei Syrakus besiegt worden waren, verließ er Sparta und ging zu den Persern, obwohl Spartas Macht nun wuchs. Jetzt aber umwarben sowohl Athener als auch Spartaner Alkibiades, weil er Einfluss bei den Persern hatte; und die Perser überhäuften ihn mit Ehren, weil er Macht über die Athener wie die Spartaner hatte. Jeder Seite machte er Versprechungen, aber er band sich an keine, und am Ende hielt er alle Fäden in der Hand.
DER PREIS DES NEIDS
Eine arme Frau stand auf dem Markt und verkaufte Käse. Da kam eine Katze vorbei und nahm einen Käse mit. Ein Hund beobachtete die Diebin und wollte ihr den Käse wegnehmen. Die Katze widersetzte sich dem Hund. Also gingen sie aufeinander los. Der Hund bellte und biss, die Katze fauchte und kratzte, doch keiner konnte den Kampf für sich entscheiden. »Lass uns zum Fuchs gehen und ihn zum Schiedsrichter machen«, schlug die Katze schließlich vor. »Einverstanden«, sagte der Hund. Also gingen sie zum Fuchs. Der hörte sich bedachtsam an, was die beiden vorbrachten. »Ihr dummen Tiere«, tadelte er sie, »warum hört ihr nicht auf? Wenn beide wollen, teile ich den Käse, und beide sind zufrieden.« »Einverstanden«, sagten die Katze und der Hund. Der Fuchs nahm sein Messer und schnitt den Käse in zwei Teile. Doch er setzte das Messer nicht längs, sondern quer an. »Meine Hälfte ist kleiner«, beklagte sich der Hund. Der Fuchs betrachtete das Stück des Hundes prüfend durch seine Brille. »Du hast recht, ganz recht!«, entschied er. Also nahm er einen Bissen von der Hälfte der Katze. »Damit sind sie gleich!«, sagte er. Als die Katze sah, was der Fuchs tat, heulte sie: »Schau doch! Jetzt ist mein Teil kleiner!« Der Fuchs setzte erneut seine Brille auf und besah sich prüfend das Stück der Katze. »Du hast recht!«, sagte der Fuchs. »Einen Moment, das richte ich gleich.« Und er biss ein Stück vom Käse des Hundes ab. Das wiederholte sich so lange, bis der Fuchs, abwechselnd am Anteil der Katze und an dem des Hundes nagend, den ganzen Käse vor ihren Augen aufgegessen hatte.
A TREASURY OF JEWISH FOLKLORE HERAUSGEGEBEN VON NATHAN AUSUBEL, 1948
Wenn Sie nach Macht und Einfluss streben, probieren Sie es mit Alkibiades' Taktik: Positionieren Sie sich in der Mitte zwischen konkurrierenden Mächten. Verführen Sie die eine Seite mit dem Versprechen, ihr zur helfen; die andere Seite, die ihren Feind immer übertreffen will, wird Sie gleichfalls umwerben. Wenn so beide Seiten um Ihre Aufmerksamkeit buhlen, werden Sie sogleich als Person von großem Einfluss und großer Begehrlichkeit erscheinen. Mehr Macht fallt Ihnen zu, als wenn Sie sich vorschnell an eine Seite gebunden hätten.
Während der französischen Julirevolution von 1830 saß nach dreitägigen Kämpfen der nun schon ältere Staatsmann Talleyrand in Paris am Fenster und lauschte dem Glockengeläut, das das Ende der Kämpfe verkündete. Er wandte sich einem Mitarbeiter zu und sagte: »Ah, die Glocken! Wir siegen.« - »Wer ist >wir<, mon prince?«, fragte der Mitarbeiter. Talleyrand bedeutete dem Mann, zu schweigen: »Kein Wort! Ich werde Ihnen morgen sagen, wer wir sind.« Er wusste nur zu gut, dass bloß Narren blind in eine Situation hineinrennen - dass man seinen Spielraum verliert, wenn man sich zu schnell bindet. Die Menschen respektieren Sie dann auch weniger: Vielleicht binden Sie sich, fürchten sie, morgen an eine andere Sache, weil Sie sich so schnell dieser verschrieben haben. Die Bindung an eine Seite nimmt Ihnen den Vorteil der Zeit und den Luxus des Wartens. Lassen Sie andere sich in diese Gruppe oder jene vernarren, verlieren Sie aber nicht den Kopf, übereilen Sie nichts.
Symbol: die jungfräuliche Königin. Auf sie richten sich Begehren, Aufmerksamkeit und Verehrung. Da die jungfräuliche Königin nie einem ihrer Freier erliegt, kreisen alle weiter um sie wie Planeten. Sie können ihre Umlaufbahn nicht verlassen, aber auch nicht näher kommen.
Garant: Man sei Niemandem für Alles, auch nie Allen verbindlich gemacht. Denn sonst wird man zum Sklaven, oder gar zum Sklaven Aller. Freiheit ist viel köstlicher, als das Geschenk, wofür man sie hingiebt. Man soll weniger Wert darauf legen, Viele von sich, als darauf, sich selbst von Keinem abhängig zu sehn. Besonders halte man die Verbindlichkeit, die Einem auferlegt wird, nicht für eine Gunst: denn meistentheils wird die fremde List es absichtlich so eingeleitet haben, dass man ihrer bedürfen mußte.
(Baltasar Graciän, 1601-1658)
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