Das Papsttum in der Geschichte
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«Papst» (vom gríechisch-lateinischen pappas, papa = Vater) ist die heute übliche Bezeichnung für den Bischof von Rom als Oberhaupt der katholischen Kirche. Der Titel kommt aus dem griechischen Be- reich des frühen Christentums, war im Osten ursprünglich Titel für Äbte, Bischöfe und Patriarchen und wurde im Westen seit dem 5. Jahrhundert zunehmend den Bischöfen von Rom vorbehalten. Der römische Bischofsstuhl galt als der dem Range nach erste Bischofs- und Patriarchensitz der Christenheit. In heutiger staats- rechtlicher Betrachtung erscheint das Papsttum als Wahlmonarchie eigentümlicher Prägung. Weit stärker noch als absolute Monarchen der älteren Zeit, die ja mit wenigen Ausnahmen in der Erbfolge ihrer Dynastie standen, ist der von den Kardinälen gewählte Papst in eine Institution eingebunden, vor allem in die mit dem Papsttum eng verbundene Römische Kurie. Das regelm äßig erscheinende «Päpst- liche Jahrbuch» («Annuario Pontificio», Citta del Vaticano) nennt gegenwärtig folgende acht Amtsbezeichnungen des Papstes, von de- nen einige eher Ehrentitel sind, als daß ihnen wirkliche Bedeutung zukäme: Bischof von Rom, Stellvertreter Jesu Christi, Nachfolger des Apostelfürsten (Petrus), Oberhaupt (Oberster Bischof) der Ge- samtkirche, Patriarch des Abendlandes, Primas von Italien, Erz- bischof und Metropolit der enprovinz, Souverän des Staates der Vatikanstadt.
Nach katholischer Glaubenslehre ist das Papsttum von Jesus Christus eingesetzt, gestützt vor allem auf die Schriftstellen im Matthäus- (16,1629; 28,20), Lukas- (22,31 f.) und Johannesevangelium (21,1519) sowie auf die Glaubenstradition. Die Päpste gelten als die Nachfolger des Apostels Petrus im römischen Bischofsamt und in dem damit verbundenen Primat (lateinisch primatus = Vor-rang). Im Amt des Bischofs von Rom dauert das besondere, von Christus dem Petrus als Erstem der Apostel übertragene Amt fort. Man spricht vom Petrusamt, um diese Kontinuität auszudrücken, auch um das bleibend Gültige vom geschichtlich Wandelbaren die- ses Amtes zu unterscheiden. In diesem Glaubensverständnis ist der Papst Nachfolger des Petrus als oberster Hirt der Universalkirche, ausgestattet nicht nur mit dem Ehrenvorrang, sondern mit der voll wirksamen höchsten und universalen Gewalt in der Kirche (Juris-diktionsprimat). Diese höchste Gewalt hat auch das Bischofskolle- gium inne, in dem das Apostelkollegium fortlebt und dessen Haupt der Papst ist. Die katholische Glaubensaussage wurde vor allem auf dem I. Vatikanischen Konzil 1870 dogmatisch festgelegt, auf dem II. Vatikanischen Konzil 1964 bestätigt und kirchenrechtlich um- schrieben im kirchlich anonici») von 1917 (heute geltend im nici» von 198 ).
Die katholische Glaubenslehre (mit Einschluß der kirchenrecht- lichen Festlegungen) und die Entwicklung des Papsttums in histo- risch-kritischer Betrachtung sind voneinander zu unterscheiden. Die Geschichte des Papsttums hängt seit den frühchristlichen Anfängen mit den geschichtlichen Veränderungen der Kirchenstruktur, der Kirchenverfassung zusammen. An deren Beginn steht die Durchsetzung des Monepiskopates, das heißt die Festigung der hervorge- hobenen Stellung der Bischöfe im Kollegium der Presbyter (Prie- ster), sowie die Entstehung von Unterschieden kirchenrechtlicher Qualität zwischen den einzelnen Bischofskirchen. Die Herausbil- dung des Papsttums erfolgte unter erheblichen Schwankungen und blieb schließlich auf die lateinische (römische) Christenheit des Westens beschränkt. Das gilt vor allem seit dem Morgenländischen Schisma (1054), der bis heute bestehenden Trennung der orthodo- xen Ostkirchen und der römisch-lateinischen Kirche des Westens.
Die Frühzeit der römischen Christengemeinde und ihrer Leitung liegt im Dunkeln. Von den römischen Bisch öfen der ersten 300 Jahre ist über die Namen hinaus nicht viel Sicheres bekannt. Die älteste erhaltene römische Bischofsliste, aufgezeichnet von Irenäus von Lyon um 180, ist eine Rekonstruktion; sie nennt die Aufeinanderfolge der Gewährsmänner der apostolischen Überlieferung in Rom. Die spä- ter geschaffene Chronologie der ältesten Bischofsliste ist historisch wertlos. Die (umstrittene) Anerkennung eines gewissen Vorrangs des Bischofs von Rom tritt fortschreitend deutlicher hervor, vor allem in Fragen der Lehre und Disziplin. Dabei erscheint in der gesamten altkirchlichen Periode das Petrusamt grundsätzlich als subsidiäre Instanz in dringenden Fällen, wenn die Autorität der Bischöfe und Patriarchen nicht ausreichte. Als höchste kirchliche Autorität galt der alten Christenheit das Allgemeine Konzil, das auch über den Papst richten konnte (etwa über Honorius I.). Seit dem 2./3. Jahrhundert berief man sich in Rom zur Begründung des Vorrangs auch auf Bibelstellen (vor allem Matthäus 16,16; 18,18). Nach den Päpsten Damasus I., Siricius und Innocenz I. begann mit Cölestin I. eine Epoche des Aufstiegs, die in Leo I. (440461) ihren Höhepunkt erreichte. Auf seinen Spuren entwickelte Gelasius I. (492496) die Grundzüge der Zweigewaltentheorie. Diese Auffas- sung gewann im Mittelalter weite Verbreitung im Sinn einer Überordnung der geistlich-päpstlichen über die weltlich-k önigliche Gewalt. Nach dem Untergang des weströmischen Reiches (476) und in der wachsenden kulturellen und sprachlichen Entfremdung zwischen dem lateinischen germanischen Westen und dem griechischen Osten wurde die katholische Taufe des Frankenkönigs Chlodwig I. um 496/98 von entscheidender Bedeutung für die Zukunft, wenn auch das Papsttum im 6. Jahrhundert völlig dem Reichskirchensy- stem Kaiser Justinians I. eingegliedert und der Papst als Reichspatri- arch wie seine Amtsbrüder im Osten (die Patriarchen von Konstantinopel, Alexandrien, Antiochien, Jerusalem) behandelt wurde. Am Ende der altkirchlichen Epoche der Geschichte des Papsttums steht die Gestalt Gregors I. (590604), der sich ganz der versinkenden Welt der christlichen Antike zugehörig wußte und dennoch Wegbe- reiter zum Aufstieg des P enden Kraft der abendländischen Kirche wurde.
Im Frühmittelalter vollendete sich unter maßgeblicher Beteili- gung des Papsttums die Christianisierung aller germanischen und teilweise auch schon der slawischen Völker. Die besondere Ver- ehrung der Germanen für den Apostelfürsten und «Himmelspfört- ner» Petrus verlieh auch dessen Nachfolgern, die unter Berufung auf Matthäus 16,19 auf Erden für den Himmel binden und lösen, hohes Ansehen. Zur selben Zeit vollzog sich, durch einzelne Perio- den äußersten Tiefstandes nur vorübergehend aufgehalten, der Aus- bau der Papstdoktrin zur universalen Geltung des Papsttums in der (lateinischen) Kirche. Dessen Schicksal im Mittelalter ist weithin bestimmt durch die (von Kaiser Konstantin I. im 4. Jahrhundert ein- geleitete) problematisch enge Verbindung von Geistlichem und Weltlichem. Die Entfremdung zwischen Rom und dem durch Kriege und Religionswirren (Bilderstreit) schwer erschütterten ost- römischen Reich, das Italien nicht mehr genügend schützen konnte, schritt weiter voran. Sie vollendete sich im Morgenländischen Schisma (1054), das durch spätere hierarchisch-politische Unions- versuche (Konzilien von Lyon 1274 und Florenz 1439) nicht mehr behoben werden konnte. Die angelsächsischen benediktinischen Missionare begründeten seit dem ausgehenden 7. und im 8. Jahr- hundert die enge Bindung zwischen Papsttum und der fränkischen Kirche. Vor allem Winfrid Bonifatius bereitete den Bund des Papst- tums mit den Franken und die folgenschwere mittelalterliche Ver- bindung zwischen Papsttum und Kaisertum vor. Der Bund mit den Franken vollendete sich unter Papst Stephan II. (752757) und König Pippin dem Jüngeren. Durch reiche Schenkungen förderten die Karolinger die Entwicklung des alten Patrimonium Petri zum späteren Kirchenstaat. Unter Hadrian I. (772795) entzog sich das Papsttum endgültig der Herrschaft des oströmischen Kaisers. Die Kaiserkrönung Karls des Großen im Jahr 800 schuf ein westliches, mit Byzanz konkurrierendes Kaisertum. Im Niedergang der karo- lingischen Macht gewann das Papsttum im 9. Jahrhundert zunächst größere Selbständigkeit (Kaiserkrönung durch den Papst). Der Pontifikat Nikolaus I. (858 – 867) bezeichnet hinsichtlich der Durchsetzung des päpstlichen Richteramtes über weltliche Herrscher und des inner kirchlichen Primats über den fränkischen Episkopat den Höhepunkt des Papsttums in karolingischer Zeit. In den folgenden Pontifikaten geriet das Papsttum zunehmend in Abhängigkeit vom römischen und mittelitalischen Adel. Eine Wende bahnte sich an mit dem Eingreifen Ottos I., des Großen, mit der Erneuerung der römi- schen Kaiserwürde 962 (Salbung und Kaiserkrönung blieben dem Papst vorbehalten) und dem Erstarken der Reformbewegu der Kirche (Cluniazensische Reform, Lothringische Reform).
Vor dem Hintergrund der Reformbewegung begann mit dem Eingreifen Kaiser Heinrichs III. (Synoden von Sutri und Rom rn46) und mit den von ihm designierten deutschen Päpsten (Clemens II., Damasus II., Leo IX., Victor II.) der unmittelbare Aufstieg des Papsttums zur geistlichen Vormacht im Abendland. Das Kardinals- kollegium entwickelte sich jetzt rasch zu einer Körperschaft, die fortan dem Papst in der Regierung der Gesamtkirche zur Seite stand (in engem Zusammenhang damit entstand die Römische Kurie). Mit der fortschreitenden Durchsetzung des Programms der nach Papst Gregor VII. (1073-1085)«Gregorianischen Reform»wuchs der Drang nach «Freiheit» und Unabhängigkeit des Papsttums (lateinisch libertas ecclesiae), das nicht einem Reichskirchen- system eingegliedert sein, sondern über allen Reichen stehen sollte. Die Gegensätzlichkeit der Auffassungen von königlicher und päpstlicher Gewalt führte unter Gregor VII. zum verheerenden Konflikt mit Kaiser Heinrich IV. im Investiturstreit, der (minder heftige) Parallelen in fast allen Ländern hatte. Die neue Geltung und Vormachtstellung des Papsttums zeigte sich in der päpstlichen Ini- tiative zur «Befreiung» des Heiligen Landes (Kreuzzüge). Das verstärkte politische Engagement des Papsttums seit der «Gregorianischen Reform» barg auch schwere Gefahren: «Verweltlichung», Macht- und Geldgier, übertriebene Zentralisation unter Mißach- tung überkommener geistlich-weltlicher Rechte und nationaler Eigenart. Im Vordergrund der zweiten großen Auseinandersetzung des Papsttums mit dem Kaisertum, unter den Staufern, stand im 12. Jahrhundert die kaiserliche Hoheit in Italien (Papst Hadrian IV., Papst Alexander III., Kaiser Friedrich I. Barbarossa), dann der päpstliche Widerstand gegen die Vereinigung des Normannenerbes Sizilien mit dem staufischen Kaisertum (Kaiser Heinrich VI., Phi- lipp von Schwaben, Friedrich II.). In der «geistlichen Weltherr- schaft» Innocenz III. (11981216) erreichte das mittelalterliche Papsttum den Höhepunkt seiner Macht. Die folgenden Pontifikate, in denen das Papsttum in den neuen Armutsorden (Franziskaner, Dominikaner) starke Stützen gewann, waren überschattet von der grausamen Verfolgung der Katharer und Waldenser, von problema- tischen Kreuzzügen, vor allem von der sich verschärfenden Ausein- andersetzung mit Kaiser Friedrich II. (Honorius III., Gregor IX., Innocenz IV., Clemens IV.) bis zum Vernichtungskampf gegen alle Staufer. Der «Schutz» der von den Päpsten nach Italien gerufenen Anjou wurde weit drückender als die Stauferherrschaft («Siziliani- sche Vesper»). In dem Kampf der «beiden Häupter der Christen- heit» gab es keinen Sieger. Nach dem Scheiter s VIII.(12941303) residierten die Päpste in Avignon.
Der Kampf Kaiser Ludwigs IV. des Bayern mit den Päpsten im Avignonesischen Exil (13091377) bewies deutlich den Verfall (übersteigerter) päpstlicher Autorität, aber auch die Emanzipationsbestrebungen gegenüber geistlichem Anspruch. Es erhob sich radikale grundsätzliche Kritik am Papsttum selbst und an der politisch-gesellschaftlichen Ord- nung («Defensor pacis» des Marsili von Ockham, John Wyclif, Jan Hus). Das Papsttum so geschwächt, daß im großen Abendländischen Schisma (13781417) seine tiefste Erniedrigung anbrach. Die Krise der kirchlichen Ver- fassung wurde verschärft durch den Konziliarismus, eine theologisch-kanonistische Doktrin, wonach das Allgemeine Konzil als Repräsentation der ganzen Christenheit die höchste Autorität in der Kirche besitze, über dem Papst stehe und diesen nötigenfalls abset- zen könne. Im Notstand der Kirche führte der Weg über das Konzil von Pisa (1409) zum Konzil von Konstanz (14141418), das die Superiorität des Allgemeinen Konzils aussprach und die Einheit der Kirche im Papsttum wiederherstellte. Die Wahl Martins V. (14171431) bildete den Wendepunkt, wenn auch vor allem durch das Ungeschick Eugens IV. (14311437) das Konzil von Basel (14311449) eine neue konziliaristische Krise brachte. Mit Nikolaus V. (14471455) begann die enge Verbindung des Papsttums mit Humanismus und Renaissance, die bis ins 16. Jahr- hundert dauerte. Das drängende Problem der Kirchenreform blieb unter seinen Nachfolgern (Pius II., Sixtus IV., Innocenz VIII., Ale- xander VI., Julius II.) ungelöst. Dies bereitete den Boden dafür, daß während des Pontifikats Leos X. (15131521) mit dem öffentlichen Hervortreten Martin Luthers 1517 und der Reformation des 16. Jahrhunderts der Geltungsbereich des Papsttums stark beschnitten wurde. Doch verhalf der Schock schließlich der Katholischen Reform, die sich zur Gegenreformation entwickelte, auch an der Kurie zum Durchbruch. Der Pontifikat Pauls III. (15341549) leitete zögernd die Wende ein. Durch aktive neue Orden, beson- ders die Jesuiten, vor allem aber durch das Konzil von Trient (1545 rstarken des Katholizismus eingeleitet.
Die politische Schwäche des Papsttums in der Neuzeit war schon im Dreißigjährigen Krieg deutlich geworden. Im Zeitalter des fürst- lichen Absolutismus und der Aufklärung mußte ein innerlich gefestigtes Papsttum den weiteren Rückgang seines politischen und kirchlichen Einflusses auch in den katholischen Staaten hinnehmen. Das Papsttum zeigte sich zunächst keineswegs bereit, bisher beanspruchte (überholte) Rechte oder auch nur mittelalterliche Wunsch- bilder päpstlicher Macht preiszugeben. Die kirchliche Doktrin päpstlicher Rechte wurde weiter ausgebaut, vor allem in der ein- flußreichen Jesuitenschule. Es kam zu härtesten Kämpfen mit dem Fürsten- und Staatsabsolutismus, mit dem Gedankengut der Aufklärung, mit Jansenismus, Gallikanismus, dem Episkopalismus (auch Febronianismus) der deutschen Reichskirche, dem Josephi- nismus der Habsburger Länder, mit der überall beanspruchten Staatskirchenhoheit. Die bedeutendsten Päpste dieser Epoche wa- ren Innocenz XI. (1676 1689) und Benedikt XIV. (1740-1758). Der Französischen Revolution stand das Papsttum feindselig, im Grunde so ratlos wie die Mächte der alten Ordnung, gegenüber. Die romantische Verklärung des Papsttums nach dem Sieg Napoleons I. über Papsttum und Kirchenstaat blieb Episode. Das Papsttum begnügte sich im 19. Jahrhundert im wesentlichen damit, unter an- derem Liberalismus, Sozialismus, Pressefreiheit, Religions- und Gewissensfreiheit feindselig abzuwehren, ohne positive Wege auf- zuzeigen. Dabei erwies sich der im Wiener Kongreß 1815 restau- rierte Kirchenstaat als schwerste Belastung der universalen Aufgabe des Papsttums (Leo XII., Gregor XVI., Pius IX.: Risorgimento). Als sich die Auflösung des Kirchenstaats abzeichnete, versuchte das I. Vatikanische Konzil 1869/70 mit seiner Definition des päpstlichen Primates und Universalepiskopates unter Einschluß der lehramt- lichen Unfehlbarkeit in Glaubens- und Sittenlehren, die päpstliche Autorität neu zu festigen. Als während des Deutsch-Französischen Kriegs 1870/71 die französische Garnison aus Rom abgerufen wurde, konnte Piemont am 20. September 1870 Rom besetzen und dem Kirchenstaat ein Ende bereiten. Seitdem konzentrierte sich das Papsttum stärker auf die geistlichen Aufgaben. Leo XIII. (18791903) versuchte, bessere Beziehungen zur modernen Welt und zu ihren Problemen herzustellen, z. B. griff er in der Enzyklika «Rerum novarum» von 1891 die Soziale Frage auf. Reformabsichten bedeutender Theologen und angesehener katholischer Laien führ- ten bald zu neuen heftigen innerkirchlichen Kämpfen, die mit den Begriffen Amerikanismus, Reformkatholizismus, Modernismus und kirchlicher Integralismus verknüpft r Pius X. (19031914) ihren Höhepunkt erreichten.
Der Pontifikat Benedikts XV. (19141922) leitete eine Zeit der Beruhigung ein, stand aber völlig im Schatten des Ersten Weltkriegs und seiner Folgen. In die Zukunft wiesen die Neufassung des Kirchenrechts («Codex Iuris Canonici» 1917/18; Neufassung 1983 durch Johannes Paul II.; beide Ausgaben mit betonter Zentralisierung) und die Abkehr von der Europäisierung der Weltmission. Pius XI. (19221939) bemühte sich um die kirchliche Konsolidierung der von Krieg und Revolutionen erschütterten Länder. Davon zeugen zahlreiche Konkordate, so das deutsche Reichskonkordat 1933 mit der nationalsozialistischen Regierung, und die Bereinigung der seit 1870 offenen «Römischen Frage» durch die Lateranverträge 1929, die den souveränen Vatikanstaat (Stato della Citta del Vaticano) schufen. Die totalitären Systeme des Nationalsozialismus, Faschismus und Stalinismus, der Zweite Weltkrieg, der Massenmord an den europäischen Juden und andere Verbrechen stellten Pius XI. und seinen Nachfolger Pius XII. (1939 1958) vor die schwierige Frage, wie sie Stellung beziehen sollten, ohne die Existenz der Kir- che und weitere Menschenleben zu gefährden. Die Pontifikate Johannes XXIII. (19581963) und seines Nachfolgers Paul VI. (19631978) ließen die Bemühung um ein zeitgerechtes Verständnis des Petrusamtes in Kirche und Welt deutlich sichtbar werden, be- sonders in der Förderung der Einheit aller Christen (Ökumene), im Einsatz für Frieden und soziale Gerechtigkeit und im klaren Zeug- nis christlichen Glaubens und christlicher Verantwortung in einer fortschreitend «säkularisierten» Welt. Deutlichster Ausdruck dafür wurde das II. Vatikanische Konzil (19621965). Ungeachtet unter- schiedlicher Strömungen und mancher Rückschläge blieb die Ziel- setzung des Konzils bestimmend, so im kurzen Pontifikat Johannes Pauls I. (1978) und in der Regierun ommenden Papstes Johannes Paul II. (seit 1978).
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