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III. Vertragsrechtstraditionen in Dtn 13 und 28

In Dtn 5,2 heißt es programmatisch:

yhwh >lhynw krt 'mnw bryt b"rb

„Jhwh, unser Gott, hat einen Bund/Vertrag mit uns geschlossen am Horeb."

Dass die Ausbildung des in Dtn 5,2 pointiert ausgedrückten Gedankens, Jhwh habe unter Mose am Horeb mit Israel einen Bund geschlossen, mit der Rezeption vertragsrechtlicher Vorstellungen und Sprachformen einherging, ist inzwischen opinio communis der Forschung. Strittig sind vor allem die Herkunft der rezipierten Traditionen sowie der Zeitpunkt und die näheren Modalitäten der Rezeption. Damit eng verbunden ist die Frage, wo sich die Bundestheologie, die schon im Alten Testament selbst eine grandiose Wirkungsgeschichte entfaltet hat,[1] literarhistorisch erstmals festmachen lässt.[2] Nachdem erkannt ist, dass weder die Sinaiperikope, deren bundestheologische Abschnitte bereits das dtr Deuteronomium voraussetzen,[3] noch die späte Bundesschlusserzählung in Jos 24 als Quellorte der Bundestheologie in Frage kommen,[4] stehen in der gegenwärtigen Diskussion Texte aus dem Deuteronomium selbst im Zentrum der Debatte: „Die Entscheidung über das Alter der Bundestheologie fällt in der Exegese des Deuteronomiums."[5]

Die Bundestheologie ist im Deuteronomium auf mehreren literarischen Ebenen beheimatet. Verschiedene Textblöcke, die gleichwohl vertragsrechtliche Vorstellungen und Sprachformen rezipieren, können aus literarhistorischen (z.B.


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[1] Vgl. zu den verschiedenen alttestamentlichen Bundeskonzepten Groß, Zukunft, 13-152, sowie komprimiert Kaiser, Theologie 3, 11-38.
[2] Gemeint ist hier die ausgebildete Vorstellung, nach der Jhwh am Horeb mit dem Volk Israel einen Bund geschlossen hat. Dass es schon vorher bundestheologische Interpretationsversuche in der Prophetie gegeben hat, die zwar den Terminus bryt vermeiden, aber ebenfalls vertragsrechtliche Vorstellungen und Sprachformen rezipiert haben, steht außer Frage; vgl. dazu u. S. 270f.
[3] Vgl. dazu Groß, Zukunft, 13-26.
[4] Vgl. zu Jos 24 als Quellort der Bundestheologie im Alten Testament Perlitt, Bundestheologie, 239-284. - Vgl. dagegen Levin, Verheißung, 114-119; zu Jos 24 als spätem Scharnier zwischen der vorangehenden Heils- und der nachfolgenden Unheilsgeschichte vgl. Becker, Kontextvernetzungen, bes. 147-149.
[5] Levin, Entstehung, 93.

Dtn 4 und 29-30)6 oder konzeptionellen Gründen (z.B. Dtn 7-9)7 für die Frage nach den entstehungsgeschichtlichen Quellorten von vornherein übergangen werden. Zu den relativ ältesten Texten, die die ausgebildete Bundestheologie voraussetzen und dabei traditionsgeschichtlich tief im altorientalischen Vertragsrecht verwurzelt sind, werden in jüngerer Zeit die Kernschichten von Dtn 13 und 28 gezählt,8 obwohl sie den Begriff bryt verschweigen.9 Sie erscheinen deshalb am ehesten geeignet, um der Frage nach der Rezeption des altorientalischen Vertragsrechts im Zusammenhang mit der Ausbildung der Bundestheologie im Alten Testament nachzugehen. Das vorliegende Kapitel bietet literarische und traditionsgeschichtliche Analysen der beiden Kapitel, wobei ein Vorteil gegenüber früheren Analysen darin besteht, dass Dtn 13 und 28 erstmals ausführlich in einem Zusammenhang behandelt werden. Dies legt sich nicht zuletzt aufgrund forschungsgeschichtlicher Vorgaben nahe, da Dtn 13 und 28 einerseits als „kommunizierende Röhren"10 gelten, wobei der traditionsgeschichtliche Befund von Dtn 28 gelegentlich auf den ambivalenteren Befund in Dtn 13 übertragen wird;[1] [2] andererseits bilden die Kapitel E. Otto zufolge „eine literarische Einheit der Gattung des Loyalitätseides", der näherhin aus 13,2-10*; 28,15* und 28,20-44* bestünde.12

Deuteronomium 13

Problemstellung

Dtn 13 beinhaltet drei paradigmatische Fälle der Verführung zu Nachfolge und Dienst anderer Götter. Ein Kernbestand von Dtn 13 gilt in der Deuteronomiumsforschung bis in die jüngste Zeit hinein als Teil des joschijanischen Urdeuteronomiums bzw. als diesem bereits vorgegebene Tradition.[3] Ausschlaggebend
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[1]6 Vgl. zu den Entstehungsbedingungen von Dtn 4 z.B. Otto, Deuteronomium 4, und von Dtn 29-30 ders., Studien, 138-155.
7 Vgl. Lohfink, Bund, 105, der im Hinblick auf Kap. 7-9 den Schluss zieht, dass diese „offen
sichtlich schon die priesterschriftliche Abwandlung der Bundestheologie ins Deuteronomium eintragen und mit der deuteronomistischen zusammenführen wollen".
8 Vgl. etwa zu Dtn 13 (und 28) Otto, Deuteronomium, 15-90, und zu Dtn 28 Steymans, Deuteronomium 28, passim.
9 Dieser hat nach einer ansprechenden These von Aurelius in Dtn 5,2 seinen ältesten Beleg (vgl. ders., Ursprung, 17).
10 Rüterswörden, Dtn 13, 190.
[2] Vgl. Otto, Deuteronomium, 37; Seebass, Dtn 13,10, 188, Anm. 10: „[...] wegen der höchstwahrscheinlich antiassyrischen Übernahme von Formulierungen des Treueides in Dtn 28 [...] ist auch eine antiassyrische Übernahme der §§ von Propheten/Träumern und nächster Umgebung aus Asarhaddons Treueid nach Dtn 13,2-12 wahrscheinlich."
12 Otto, Deuteronomium, 68f: „Die Texte Dtn 13,2-10*; 28,15*.20-44* sind Übersetzungen aus den VTE [= EST], die zusammengefügt eine literarische Einheit der Gattung des Loyalitätseides ergeben."
[3] Vgl. Preuß, Deuteronomium, 134.

hierfür war auf der einen Seite die Stellung des Kapitels im Kontext des angenommenen ältesten Gesetzeskerns in Dtn 12-26; auf der anderen Seite seine mit dem Urdeuteronomium übereinstimmende Anrede Israels im singularischen „Du", die nur selten in den Plural wechselt.

Die Parallelen zwischen Dtn 13 und altorientalischen Vertragstexten sind erstmals von M. Weinfeld systematisch gesammelt worden.[1] Im Einklang mit der älteren Deuteronomiumsforschung schließt er aufgrund der Übereinstimmungen speziell zu neuassyrischen Dokumenten des 7. Jh. auf eine joschijazeitliche Entstehung des Kapitels.[2] Da die „Du"-Anrede Israels eine dtr Herkunft von Dtn 13 aber keinesfalls ausschließt und nachdem der dtr Textanteil auch innerhalb des dtn Gesetzeskerns in der gegenwärtigen Forschung größer veranschlagt wird, mehren sich die Stimmen derer, die schon den Kernbestand von Dtn 13 als einen dtr Einschub in die dtn Zentralisationsgesetze (Dtn 12.14-16) betrachten.[3]

Eine entscheidende Voraussetzung für die gegenwärtig florierende (exilisch)- dtr Ansetzung des Kapitels ist die Analyse P. E. Dions, dem mittels sprachstatistischer Erhebungen der Nachweis gelingt, dass Dtn 13 schon in der Grundschicht das dtr Idiom zu erkennen gibt.[4] Der dtr Provenienz entspreche weiterhin die Beobachtung, dass das Kapitel wenig mit seinem Kontext (Dtn 12.14-16) gemein habe und folglich einen Nachtrag darstelle. Im Anschluss an Weinfeld bietet auch Dion zahlreiches altorientalisches, vor allem aber neuassyrisches Vergleichsmaterial auf, das den Einfluss des altorientalischen Vertragsrechts auf Dtn 13 über allen Zweifel erhebt.[5] Allerdings hält Dion aufgrund der Nähe zum neuassyrischen EST und der von ihm speziell in Bezug auf den dritten Fall in

Dtn 13,13-19 vorausgesetzten historisch-politischen Rahmenbedingungen an der in der Forschung bis dato vorherrschenden spätvorexilischen Datierung des Kapitels fest:[6]


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[1] Weinfeld, Deuteronomy, 91-100; vgl. dazu kritisch McCarthy, Treaty, 171 mit Anm. 27.
[2] Weinfeld, Deuteronomy, 100: „The present style of the laws and their affinities with political documents from the seventh century prove their connection with Josianic times."
[3] So m.E. erstmals Levin, Verheißung, 87.
[4] Vgl. Dion, Deuteronomy 13, 175-192, mit dem Resümee: „Deuteronomy 13 is the work of a deuteronomistic writer, who placed it after 12.29-31. This chapter was expanded in a theological direction (vv. 2b-3a, 4b-5, 6a*) by a later dtr redactor with a widened horizon (v. 8), who also tried to build a special unit covering 12.28-13.19."
[5] A.a.O., 198-204.
[6] A.a.O., 204f. Freilich weiß auch Dion, dass die in Dtn 13 anzutreffenden vertragsrechtlichen Vorstellungen und Sprachformen das Assyrerreich überlebt haben, vgl. a.a.O., 204: „No doubt the political information and the educational background revealed by the parallels that we have sampled could still be found among the remnant of Judah in the decades that followed the fall of the kingdom. We know through allusions like Ezek. 17.13 and through surviving documents such as the treaty between Hannibal and Philip V (Polybius 7.9) that the Near Eastern treaty form long survived the Neo-Assyrian era; and students of Deuteronomy agree that this book is most heavily indebted to political treaties in some of its latest ingredients (especially in chs. 4; 29-30)." - Dions Argumente für eine Datierung des Kapitels in joschijanische Zeit sind von Kreuzer, Exodustradition, 91, mit guten Gründen in Zweifel gezogen worden. Dions wichtigstes Argument, dass nämlich ein in Dtn 13,13ff geforderter Kriegszug gegen eine abgefallene israelitische Stadt allein in der Zeit Joschijas, nicht aber in den Jahrzehnten danach, vorstellbar sei, ist Kreuzer zufolge als realpolitisches Ziel Joschijas „fraglich" (ebd.). Insbesondere in Bezug auf 2Kön 23,15-20 stellt Kreuzer zu Recht fest: „Bezeichnenderweise zerstörte Josia nur den Altar und nicht den Ort Bethel, dessen Einwohner doch zweifellos das Heiligtum benützten." (ebd.)

„Nonetheless, the closer to 672 BC one places the composition of Deuterononomy 13, the easier to understand are its precise contacts with the vassal treaties of Esar- haddon. Furthermore, we noted that law 3 could only have been implemented under a king devoted to YHWH, a situation that would disappear for several centuries after the fall of Jerusalem to the Babylonians."

Voraussetzung von Dions vorexilischem Deuteronomismus ist freilich die „Double Redaction Theory", nach der ein erster vorexilischer Deuteronomist das joschijanische Geschichtswerk zunächst mit 2Kön 23,25 enden ließ, bevor ein zweiter exilischer Deuteronomist eine erweiterte und redigierte Auflage des DtrG geschaffen habe.[1]

T. Veijola teilt mit Dion die ausnahmslos dtr Prägung von Dtn 13 sowie die isolierte Stellung des Kapitels im Kontext der Zentralisationsgesetze. Im Gegensatz zu Dion sieht er aber im weitgehend einheitlichen Kernbestand des Kapitels eine dtr bundestheologische Redaktion (DtrB) am Werk, „die das Deuteronomium nicht nur in den Kapiteln 12 und 13, sondern auch an vielen anderen Stellen im Sinne des Hauptgebots tiefgreifend bearbeitet hat".[2] Neben dem in Dtn 13* gebrauchten Vokabular sprechen Veijola zufolge kompositionskritische Erwägungen sowie die Abhängigkeit vom dtr redigierten Jeremiabuch für die Annahme, dass das Kapitel „eine relativ späte Stufe innerhalb des Deute- ronomismus darstellt, die geistig dem nomistischen Schulhaus (DtrN) nahesteht und zeitlich nach 538 anzusetzen ist."[3] Veijola korreliert seine extreme Spätdatierung des Kapitelkerns mit den offensichtlichen Parallelen zu vertragsrechtlichen Vorstellungen und Sprachformen mit dem Verweis auf deren Konventionalität und Perseveranz:[4]

„Die Tradition der Vertragskonventionen ist bekanntlich zählebig, wie ihr Weiterleben in dem diplomatischen Sprachgebrauch der griechisch-römischen Antike augenfällig beweist."

Eine völlig andere Interpretation des Kapitels vertritt E. Otto, der in Dtn 13,2-10* (sowie Dtn 28,15*.20-44*) einen Loyalitätseid für Jhwh zu Tage fördert.[5]
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[1] Vgl. zu dieser Zweistufenhypothese Kaiser, Grundriss 1, 87f, und zum DtrG allgemein o. Anm. S. 11, Anm. 55.
[2] Veijola, Wahrheit, 310.
[3] Ebd.
[4] Ebd.
[5] Vgl. den rekonstruierten Wortlaut bei Otto, Deuteronomium, 67f; vgl. für die These einer literarischen Abhängigkeit zwischen Dtn 13* und einzelnen EST-Paragraphen schon ders., Treueid; ders., Archimedischer Punkt; ders., Ursprünge.

Wie Dion und Veijola erkennt auch Otto die deplatzierte Lage des Kapitels im dtn Gesetzeszusammenhang an.[1] Im krassen Gegensatz zu Veijola war Dtn 13,2-10* jedoch nach Otto der dtn-vorexilischen Redaktion bereits vorgegeben, die den Text redigiert und an die jetzige Stelle gesetzt hat.[2] Ottos These lautet im Ergebnis:[3]

„Die Texte Dtn 13,2-10*; 28,15*.20-44* sind Übersetzungen aus den VTE [= EST], die zusammengefügt eine literarische Einheit der Gattung des Loyalitätseides ergeben. Der Zeitraum der Abfassung dieses Loyalitätseides kann auf die Jahre zwischen 672 v. Chr., dem Jahr der Abfassung der VTE als terminus a quo, und 612 v. Chr., dem Jahr des Untergangs des neuassyrischen Reiches als terminus ad quem, eingegrenzt werden. Diese Datierung wird durch die bislang nicht ausreichend berücksichtigte Tatsache gestützt, dass die neuassyrische Gattung der Loyalitätseide ihre Funktion in der Sukzessionssicherung bei irregulärer Thronfolge hat und derartige Loyalitätseide in spätbabylonischer und persischer Zeit unbekannt sind. Durch die Übersetzung des neuassyrischen Textes und die Übertragung der Loyalitätsforderung auf JHWH wird subversiv dem neuassyrischen Großkönig die Loyalität entzogen. Das setzt voraus, dass der Loyalitätseid Asarhaddons noch als Autorität heischender Text galt, was nur in der neuassyrischen Zeit Sinn machte. Eine derartige subversive Loyalitätsübertragung ist historisch am ehesten zur Zeit Josias möglich gewesen."

Den Analysen von Dion, Veijola und Otto ist gemeinsam, dass Dtn 13 mehrschichtig ist und der Kapitelkern einen Einschub in einen vorgegebenen Gesetzeszusammenhang darstellt. Offen ist neben dem genauen Umfang der

Fortschreibungen einerseits, ob der eingeschobene Grundtext das Produkt einer Redaktion (Veijolas DtrB) oder eine vorgegebene Quelle (Ottos Loyalitätseid) ist. Offen ist weiterhin - ganz gleich, ob man eine Ergänzungs- oder eine Fragmentenhypothese vertritt -, in welcher Zeit der Einschub erfolgt ist. Eng verknüpft mit dem Datierungsproblem ist die Frage nach den traditionsgeschichtlichen Wurzeln des Kapitels. Die Forschungsgeschichte zum Problemfeld Deuteronomium und Vertragsrecht zeigt, dass nicht nur die external evidence der altorientalischen Referenztexte für die Altersbestimmung der Bundestheologie in Beschlag genommen wird, sondern dass auch umgekehrt das vorausgesetzte Bild von der Entstehung des Deuteronomiums Folgen für die Auswahl der Vergleichstexte zeitigt.[4] Anders wäre es kaum zu erklären, dass in der gegenwärtigen Debatte eine weitgehende Beschränkung auf das neuassyrische Vergleichsmaterial zu beobachten ist, das mit der angenommenen Entstehung des Deuteronomiums im ausgehenden 7. Jh. am besten zu
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[1] Otto, Deuteronomium, 64.
[2] Ebd.; vgl. die Kritik an Veijola a.a.O., 37.
[3] A.a.O., 68f. Vgl. die Kritik an Otto bei Pakkala, Deuteronomium 13, passim, der „[a]ngesichts der verfügbaren Beweislage" zu dem vorsichtigen Ergebnis kommt, „dass ein unbekanntes, politisches Dokument hinter Dtn 13 steht" (a.a.O., 134).
[4] S. o. S. 2-14.

vereinbaren ist. Nachdem also in der gegenwärtigen Forschungssituation eine generelle Abhängigkeit von Dtn 13 vom altorientalischen Vertragsrecht weitgehend akzeptiert ist, soll in der anstehenden traditionsgeschichtlichen Analyse näherhin gefragt werden, ob sich einzelne Elemente identifizieren lassen, die spezifisch neuassyrische oder spezifisch westliche (hethitische bzw. aramäische) Einflüsse spiegeln. Im Zentrum des Vergleichs stehen dabei einerseits der ausgezeichnet erhaltene neuassyrische Sukzessionsvertrag Asarhaddons (EST), nach dessen Einfluss auf Dtn 13 jeweils gesondert zu fragen ist, und andererseits die aramäischen Inschriften von Sfire, die die bislang einzigen Vertreter der aramäischen Vertragsrechtstradition sind und den biblischen Texten geopolitisch und sprachlich am nächsten kommen.

1.2 Literarische Analyse von Dtn 13

Abgrenzung und Gliederung des Kapitels​


Was die Abgrenzung von Dtn 13 nach vorn betrifft, so ist die Beobachtung wichtig, dass sich die Forderung in V. 1, alles Gebotene im Wortlaut zu bewahren, vermutlich nicht auf Kap. 13, sondern auf Kap. 12 bezieht. Dies zeigt schon die Wendung tsmrw l'swt in 13,1a an, die, indem sie die zentrale Forderung aus Dtn 12,1 (tsmrwn l'swt) wieder aufnimmt (statt des älteren Doppelausdrucks "qym wmsp—ym steht das Wort dbr), einen Rahmen um die in Kap. 12 versammelten Zentralisationsgebote legt. Für eine Zugehörigkeit von 13,1 zu Kap. 12 spricht des Weiteren die Kanonformel in Dtn 13,1b (l tsp 'lyw wl' tgr' mmnw) (vgl. 4,2),[1] die ihre Vorbilder überwiegend im Bereich der altorientalischen Gesetzes- und Vertragstexte hat, wo sie „ausnahmslos am Ende der eigentlichen Inschrift"[2] begegnet. Von daher liegt auch für 13,1 nahe, dass der Vers nicht den Anfang von Kap. 13, sondern das Ende von Kap. 12 markiert,[3] wobei der Numeruswechsel zwischen 13,1a und b wohl auf der einen Seite der Stichwortaufnahme aus 12,1 und auf der anderen Seite dem singularischen Kontext (12,29-31; 13,2ff) geschuldet ist.[4] Die Abgrenzung nach hinten ist klarer: Formal fällt in 14,1 der Wechsel in die pluralische Anrede auf; inhaltlich geht es nicht wie in Dtn 13,2-19 um Verführung zum Abfall von Jhwh, sondern um den Totenkult, der verboten wird. Die eigentliche Textbasis der folgenden Analyse liegt somit in Dtn 13,2-19 vor.

Dtn 13,2-19 kann mühelos in drei weitgehend parallel laufende Einheiten gegliedert werden (V. 2-6.7-12.13-19).[5] Jede der Einheiten besteht aus einem
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[1] Vgl. zu dieser Formel auch Veijola, Deuteronomium, 113f.
[2] Reuter, Dtn 13,1, 112.
[3] Vgl. auch Dohmen/Oeming, Kanon, 83.
[4] Vgl. Reuter, Kultzentralisation, 96f.
[5] S. dazu die Übersetzung des Kapitels S. 168-170.

Vordersatz (Protasis) und einem Nachsatz (Apodosis). Die Protasis - eingeleitet mit der Konjunktion ky „wenn" - definiert mit wechselnden Subjekten (Prophet oder Traumseher/Verwandte oder Freund/böse Menschen) den Tatbestand, der in der Verführung zum Dienst anderer Götter besteht und mit einer aus den Elementen hlk (}"ry) + cbd + 'Ihym ,"rym zusammengesetzten Formel zum Ausdruck gebracht wird. Die Apodosis bestimmt die Rechtsfolge, die in den beiden ersten Einheiten mit einem Verbot, auf die Rede des Verführers zu hören (V. 4a; ausführlicher: V. 9), beginnt und mit einem Gebot, den/die Verführer zu töten, endet. Die Apodosis der dritten Einheit folgt einer Bestimmung über das Ermittlungsverfahren (V. 15) und fordert die Vernichtung der abgefallenen Stadt. Die drei Einheiten schließen mit einer Begründung der Rechtsfolge, die wiederum mit ky „denn" eingeleitet wird, sowie einer paränetischen Formel.

Die drei konditionalen Satzgefüge sind formal den kasuistisch formulierten Gesetzen vergleichbar, die im Alten Testament jedoch selten mit direkter Anrede begegnen.[1] Eine allzu rasche Identifikation der in Dtn 13,2-19 zusammengestellten Einheiten mit der Gattung der kasuistischen Gesetze wäre gleichwohl übereilt.[2] Die drei Fälle weichen nämlich auf der einen Seite in mehreren Punkten von den üblichen Rechtssätzen ab;[3] auf der anderen Seite sind Wenn- Dann-Satzgefüge in der altorientalischen Literatur nicht auf die so genannten

Gesetze der Rechtsbücher beschränkt, sondern in den unterschiedlichsten Textgattungen breit bezeugt, so z.B. in den Omina, in medizinisch-diagnostischen Texten sowie in Staatsverträgen der westlichen, durch hethitische und aramäische Texte repräsentierten Tradition.[4] Die vergleichende Untersuchung wird zeigen, dass es sich bei den Wenn-Dann-Satzgefügen in Dtn 13 aus formalen und inhaltlichen Gründen am ehesten um Vertragsstipulationen bzw. deren Imitation handelt.[5] [6]

Literarkritik von Dtn 13,2-1939​


Von den Textauffälligkeiten, die darauf hindeuten, dass 13,2-19 nicht in einem Zuge entstanden ist, sind zwei Kategorien kurz anzusprechen. Die weitgehend parallele Struktur der drei in 13,2-19 zusammengestellten Einheiten ist an einigen
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[1] Vgl. zu den Belegen im Alten Testament Liedke, Gestalt, 20-26.
[2] So z.B. Richter, Bearbeitungen, 83.
[3] Vgl. auch Veijola, Wahrheit, 290, der deshalb formuliert: „Es handelt sich in Dtn 13 nicht um echte Gesetze, sondern eher um eine die Form der Rechtssätze imitierende Paränese."
[4] Vgl. Maul, Omina, 46: „Allen Satzgefügen dieser Art ist in jedem Falle gemein, dass der durch die Verknüpfung von Protasis und Apodosis hergestellte Zusammenhang im altorientalischen Weltbild das Offenlegen einer Gesetzmäßigkeit des dynamischen Weltgefüges darstellt."
[5] Vgl. u. S. 150.
[6] Die folgende Literarkritik schließt relevante textkritische Entscheidungen mit ein. Hinter diesem Vorgehen steht eine Verhältnisbestimmung der beiden Methodenschritte, nach der die Textkritik als eine Spielart der Literarkritik betrachtet wird, vgl. z.B. Stipp, Textkritik, sowie ders., Verhältnis.

Stellen offensichtlich durchbrochen. Als Faustregel kann gelten, dass abweichende Textpassagen, die nur in einer der drei Einheiten erscheinen und nicht sachlichen Notwendigkeiten geschuldet sind, erheblichen Zweifeln unterliegen. Ein weiteres, nicht unproblematisches Kriterium ist der Numerus- wechsel. Bekanntermaßen spricht das älteste Deuteronomium „Israel" mit dem singularischen „Du" an, während die dtr Bearbeiter sowohl pluralische als auch singularische Sektionen ergänzen. In spät-dtr Texten kann in der Folge der Wechsel in der Anrede „Israels" geradezu als Stilmittel eingesetzt werden.[1] Für ein Kapitel wie Dtn 13, das nicht ungeprüft dem Urdeuteronomium zugeschlagen werden kann, ergibt sich daraus, dass ein rein mechanischer Gebrauch des Numeruswechselkriteriums nicht geeignet ist, Tradition und Redaktion zu scheiden.[2] Gleichwohl kann der Numeruswechsel im Verbund mit anderen

Textauffälligkeiten auch in Dtn 13 ein probates Instrument sein, redaktionelle Nacharbeit zu identifizieren.[3]

a.) Verführung durch einen Propheten oder Traumseher: Dtn 13,2-6

Die erste Stipulation thematisiert den Versuch der Verführung zum Abfall von Jhwh durch einen Propheten oder Traumseher, der sich mittels eines Zeichens oder Wunders legitimieren kann. Die literarische Beschaffenheit der ersten Einheit ist höchst umstritten. Die Bandbreite der Meinungen reicht vom Postulat einer weitgehenden Einheitlichkeit der Verse[4] bis zu einer feingliedrigen Aufteilung in vor-dtn, dtn und dtr Anteile.[5] Im Folgenden sollen die problematischen Stellen der ersten Stipulation der Reihe nach überprüft werden.

(1.) Bei der in 13,2b.3aa überlieferten Auskunft, der zufolge der Prophet oder Traumseher seine konspirative Botschaft zusätzlich durch ein Zeichen oder Wunder legitimieren kann, sind zwei Auffälligkeiten zu konstatieren, die nicht selten Anlass geben, das Stück aus dem Grundtext zu entfernen:[6] Zum einen
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[1] Vgl. dazu etwa Braulik, Einleitung, 129: „Können spätere Verfasser die ,Numerusmischung' nicht als typisch dtn Stil betrachtet und in ihren eigenen Texten imitiert haben, so dass dort trotz ,Numeruswechsels' keine verschiedenen Schichten vorliegen? Der Numeruswechsel könnte dann z.B. dazu gedient haben, thematische Höhepunkte rhetorisch herauszuheben oder Gliederungen zu signalisieren (z.B. in 4,1-40)."
[2] Vgl. Veijola, Wahrheit, 292f: „Wenn in Dtn 13 nicht axiomatisch davon ausgegangen werden kann, dass hier ein Text des Urdeuteronomiums in frühdeuteronomistischer Bearbeitung vorliegt, dann lässt sich der Numeruswechsel als literarkritisches Kriterium nicht mechanisch auf diesen Text anwenden."
[3] Dafür, dass der Wechsel in der Anrede Israels nicht allein ein Problem der modernen Exegese ist, sondern schon antiken Rezipienten als störend aufgefallen ist, sind die Angleichungen in der Textüberlieferung von Dtn 13 ein beredter Beweis (vgl. etwa im Apparat der BHS zu Dtn 13,6).
[4] Vgl. etwa Veijola, Wahrheit, 291-293, der lediglich das Verb wn'bdm aus dem Grundtext ausscheidet.
[5] Vgl. etwa die Rekonstruktion von Otto, Deuteronomium, 38-40.
[6] So schon Löhr, Deuteronomium, 174.

liegt eine enge sachliche Beziehung zu V. 4b vor, der seinerseits gemeinhin als Nachtrag angesehen wird; zum anderen werden in syntaktischer Hinsicht Bedenken geltend gemacht. Diese haben insofern ihre Berechtigung, als das prophetische Beglaubigungszeichen in V. 2b.3aa seinen eigentlichen Ort nicht vor, sondern erst nach der prophetischen Botschaft V. 3b gehabt hätte,[1] wie z.B. die in 1Kön 12,33-13,10 überlieferte Prophetenlegende demonstriert (vgl. auch 1Sam 2,34; 10,7.9; 2Kön 19,29//Jes 37,30 ; 2Kön 20,8f//Jes 38,7.22; Jes 7,11.14; Jer 44,29). Die umgekehrte Reihenfolge bringt es nun mit sich, dass erstens nicht ganz deutlich wird, wann das Beglaubigungszeichen ergangen ist, und zweitens das l'mr am Ende von V. 3a mehr schlecht als recht an das Vorangehende anschließt. Vor diesem Hintergrund ist es begreiflich, dass es in der Literatur nicht an Versuchen fehlt, die Spannungen literarkritisch zu beheben. Ein älterer Vorschlag bezieht den Relativsatz V. 3aß ('sr dbr 'lyk l'mr) nicht auf das eintreffende Zeichen oder Wunder (V 3aa), sondern auf den Propheten oder Traumseher in V. 2a, da andernfalls ein 'sr ntn zu erwarten gewesen wäre.[2] In diesem Fall müsste das Perfekt }sr dbr allerdings gegen den üblichen Gebrauch (vgl. z.B. Dtn 1,1; 4,45; 9,10.28; 10,4; 19,8) präsentisch übersetzt werden („der zu dir spricht"), wofür im Hebräischen 'sr ydbr bereitgestanden hätte (vgl. z.B. Dtn 5,27; 18,19.22; 1Sam 9,6).[3] Überzeugender wäre es dann schon, das l'mr direkt an V. 2a anschließen zu lassen (vgl. auch Ri 20,8: wyqm kl h'm k'ys 'hd Imr ).[4]

Doch eine Abtrennung der V. 2b.3aa ist nicht zwingend notwendig. Die zu Recht beobachtete Nähe zu V. 4b erklärt sich, wie sich zeigen wird, schlicht und ergreifend mit der Charakterisierung von V. 4b.5 als Nachinterpretation der theologisch anstößigen Passage 13,2b.3aa.[5] Der problematische Satzbau dürfte hingegen der eingangs geschilderten parallelen Struktur der drei Einheiten geschuldet sein, in der die wörtliche Rede der Verführer jeweils am Ende der Protasis stehen sollte. Wie eine analoge Formulierung in 1Kön 13,3 zeigt (zh hmwpt 'sr dbr yhwh), spricht auch syntaktisch nichts dagegen, den Relativsatz 'sr dbr 'lyk l'mr einfach auf das angekündigte Zeichen oder Wunder zu beziehen.[6] Rose übersetzt dementsprechend: „... das Zeichen oder Wunder trifft [...] ein, das er dir angesagt hatte mit den Worten: Lasst uns anderen Göttern nachfolgen
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[1] Vgl. die versuchsweise Umstellung bei Dion, Deuteronomy 13, 168.
[2] So die Argumentation von Löhr, Deuteronomium, 174, der sich in jüngerer Zeit Otto, Deuteronomium, 38, anschließt.
[3] Vgl. auch Veijola, Deuteronomiumsforschung, 295, der hier gar eine Übersetzung „gegen die Grammatik" sieht.
[4] So Merendino, Gesetz, 62; Dion, Deuteronomy 13, 167f; Pakkala, Monolatry, 25.
[5] Horst, Privilegrecht, 44, betont daher zu Recht, dass sich V. 4b.5 im Vergleich zu V. 2b.3aa „anderer und späterer Hand" verdanken.
[6] Vgl. auch Veijola, Wahrheit, 292; Köckert, Ort, 84, Anm. 21; Veijola, Deuteronomiumsforschung, 295. Vgl. auch die Relativierung der eigenen Entscheidung bei Dion, Deuteronomy 13, 188: „[T]he case for the secondary origin of these verses still leans predominantly on the less than ideal arrangement of vv. 2-3, an argument which is admittedly not compelling."

[.]"[1] Die durch den Passus vom eintreffenden Zeichen oder Wunder ausgeschmückte Protasis hat im Übrigen eine strukturelle Entsprechung in der Protasis der nachfolgenden Stipulation. Während hier eine dramaturgische Steigerung durch das Eintreffen des prophetischen Beglaubigungszeichens erzielt wird, so in V. 7 durch die extensive und stark emotional gefärbte Aufzählung von nahe stehenden Menschen, die als potentielle Verführer in Frage kommen.

(2.) Der stereotyp wiederkehrende Satz 'sr l yd't(m) „die du nicht kennst" (13,3b.7b) bzw. 'sr l' ydctm „dir ihr nicht kennt" (14b)[2] wird gelegentlich aus inhaltlichen Gründen ausgeschieden, da solch ein die eigenen schlechten Absichten entlarvender Satz in der Rede der Verführer nicht zu erwarten sei.[3] Dagegen ist zu sagen, dass bei näherem Hinsehen nicht erst der Relativsatz, sondern schon die für Dtn 13 elementare Aufforderung, anderen Göttern zu dienen, die nichts weniger als eine Übertretung des Ersten Gebots verlangt, als werbende Rede der Verführer völlig utopisch ist.[4] Die offensichtlich pejorativen Formeln werden den potentiellen Verführern bewusst in den Mund gelegt, um den alles entscheidenden Gegensatz zwischen Jhwh und den anderen Göttern herauszustreichen.[5] Es besteht somit kein Anlass für eine Entfernung der Relativsätze 'sr l yd't(m) in V. 3b, 7b und 14b.

(3.) Bei dem Kohortativ wn'bdm „und ihnen dienen" in V 3b zeigt schon die Textgeschichte seine deplatzierte Lage an. So überliefern 11QT 54,10 und LXX das Verb nicht nach, sondern vor dem Relativsatz 'sr l yd'tm.5[6] Da die MT- Lesart aber lectio difficilior ist, ist die „nachhinkende" Position des Kohortativs den beiden glättenden Varianten vorzuziehen und wahrscheinlich als Glosse zu beurteilen. Der Sinn der Fortschreibung liegt auf der Hand: „Der in Dtn 13,3 durch ~yrxa ~yhla yrxa $lh beschriebene ,Tatbestand' wurde durch db[w an die Tatbestände in 13,7.14 angeglichen."[7]

(4.) In 13,4b.5 fällt zunächst der abrupte Wechsel in die pluralische Anrede auf.
[HR=3][/HR]
[1] Rose, 5. Mose, 295.
[2] Vgl. im Dtn noch 11,28; 28,64; 29,25 und zur Bedeutung der Wendung von Rad, Theologie 1, 223: „Tatsächlich wird von den fremden Göttern nicht selten nur dies ausgesagt, dass sie keine Geschichte mit Israel haben; die Väter haben sie nicht ,gekannt', d.h. sie waren mit ihnen nicht vertraut [.]"
[3] Vgl. z.B. Seitz, Studien, 145.
[4] Vgl. auch Dion, Deuteronomy 13, 163 mit Anm. 2, und Pakkala, Monolatry, 26, der richtig feststellt, „that the whole statement is artificial in any case".
[5] Vgl. auch Horst, Privilegrecht, 36, Anm. 30: „Die Formulierung erweckt den Anschein, als wolle der Verfasser sein eigenes Urteil den Redenden in den Mund legen (vgl. Jes 28,15; 29,15; 30,11)."
[6] Vgl. Veijola, Wahrheit, 292, Anm. 23; dass das Verb „außerhalb des Zitats" stehe (ebd.), stimmt allerdings nicht, da vermutlich auch der dazwischen liegende Satz }sr l yd(tm Teil der wörtlichen Rede der Verführer ist.
[7] Floss, Jahwe dienen, 286.

Hinzu kommt die Beobachtung, dass die in V. 4b mit ky eingeleitete Begründung den natürlichen Zusammenhang zwischen dem Verbot, auf den Verführer zu hören (V. 4a), und der Deklaration seiner Todeswürdigkeit in V. 6 unterbricht (vgl. dagegen den Zusammenhang zwischen V. 9 und V. 10aa) und überdies keinerlei Entsprechung in den beiden folgenden Stipulationen hat. Diese Textbeobachtungen führen in aller Regel zu einer Entfernung der V. 4b.5 aus dem Grundtext,[1] so dass die zweiteilige Apodosis der ersten Stipulation, bestehend aus V. 4a und V. 6*, ursprünglich folgenden Wortlaut gehabt hätte:
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[1] Vgl. Puukko, Deuteronomium, 253; Hölscher, Komposition, 192, Anm. 4; Steuernagel, Deuteronomium, 102; Horst, Privilegrecht, 43f; Merendino, Gesetz, 63f; Seitz Studien, 151; Preuss, Deuteronomium, 134; Nielsen, Deuteronomium, 144f.

„dann sollst du auf die Worte dieses Propheten oder Traumsehers nicht hören.

Und dieser Prophet oder Traumseher soll getötet werden [.]"

Bei dem so rekonstruierten Text stört aber ganz offensichtlich die ungerechtfertigte Verdopplung des Objekts (hnby' hhw' 'w "lm h"lwm hhw'),[1] was in den neueren Arbeiten zu Dtn 13 zu ganz unterschiedlichen Lösungsvorschlägen geführt hat.

So fragt sich etwa P E. Dion, „if, before 4b-5 was inserted, v. 4a was not shorter", woraufhin er den Halbvers kurzerhand nach V. 9 (wl' tsm' 'lyw) um- formuliert.[2] Allerdings sollten solch freie Textrekonstruktionen lediglich die ultima ratio sein. Veijola löst das Problem, indem er auf den Numeruswechsel als literarkritisches Kriterium und infolgedessen auf eine Ausscheidung der V. 4b.5 verzichtet. Es ist zwar richtig, dass die Anrede in spät-dtr Schichten sowohl im Plural als auch im Singular erfolgen kann;[3] jedoch erscheint der Numerus- wechsel an dieser Stelle äußerst willkürlich[4] und ist darüber hinaus im Verbund mit den anderen Indizien, die für eine redaktionelle Erweiterung sprechen, zu sehen. Otto macht sich demgegenüber wieder für eine Herauslösung der V. 4b.5 stark. Wie aus seiner Übersetzung hervorgeht, in der er das Objekt in V. 4a als Zusatz markiert, versucht er das Problem mit dem wiederholt vorkommenden Objekt durch Streichung desselben in V. 4a zu bewältigen, wobei er seine Entscheidung mit dem Hinweis auf das literarkritische Prinzip der Wiederaufnahme legitimiert. Ein Blick auf den hebräischen Text zeigt freilich, dass bei dieser Rekonstruktion der Constructus dbry merkwürdig in der Luft hängen bleibt.[5] Einen ganz neuen Lösungsweg präsentiert J. Pakkala.[6] Auch nach ihm markiert V. 4b aufgrund des Perspektiven- und Numeruswechsels eine literarische Naht. Im Gegensatz zum breiten Konsens trennt er aber V. 4b von V. 5 und rechnet letzteren unbeschadet seiner pluralischen Anrede der Grundschicht zu, wobei V. 5 mit der Aufforderung, Jhwh nachzufolgen (}"ry yhwh 'lhykm tlkw), eine Antithese zu V. 3b (nlkh '"ry 'lhym ,"rym) bilde. Dem ist entgegenzuhalten, dass die Antithese zwischen V. 3b und V. 5 ebenso gut der
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[1] Vgl. z.B. Dion, Deuteronomy 13, 172: „In immediate succession these two verses seem exceedingly repetitious [...]." Veijola, Wahrheit, 293, sieht in dem Grundtext gar „eine unnötige, ja unerträgliche Tautologie".
[2] Dion, Deuteronomy 13, 172.
[3] Vgl. Veijola, Wahrheit, 292f.
[4] Otto, Deuteronomium, 39, macht zu Recht darauf aufmerksam, dass ein als Stilmittel gebrauchter Wechsel in die pluralische Anrede bereits „für die Paränese in Dtn 13,4a im Gegensatz zu der konkreten Rechtsfolgebestimmung in Dtn 13,6aa und nicht erst für ihre Begründung und Fortsetzung mit den positiven Forderungen in V. 4b.5" zu erwarten wäre.
[5] Otto, Deuteronomium, 38. - Oder möchte Otto im Anschluss an Dion dbry zu dbryw konjizieren? (vgl. a.a.O., 40)
[6] Vgl. Pakkala, Monolatry, 26-28.

Absicht der Redaktoren entspringen kann, die möglicherweise in V. 5 bewusst an V. 3b angeknüpft haben. Das Problematische an Pakkalas Rekonstruktion ist aber in erster Linie, dass sie nicht plausibel zu machen vermag, warum sich V. 5 durch die pluralische Anrede von seinem Kontext abhebt, zumal dieser Vers das Ergebnis einer Kombination einschlägiger Formulierungen in den Rahmenkapiteln des Deuteronomiums zu sein scheint, die nun gerade in singularischer Anrede stehen (vgl. Dtn 6,13f; 10,12f; vgl. vor allem die Reihenfolge in 10,20: ' yhwh 'lhyk tyr 'tw t'bd wbw tdbq).[1] Es liegt nahe, dass V 5 seine pluralische Anrede allein seiner literarischen Zugehörigkeit zu V. 4b verdankt,[2] mit dem er im Übrigen in einem engen traditionsgeschichtlichen Zusammenhang steht, der eine Trennung der Verse nachgerade verbietet.[3]

Wenn aber 13,4b.5 zusammengehören und eine sekundäre Erweiterung der ursprünglichen Stipulation darstellen, bleibt die zu Recht beanstandete Verdopplung des Objekts am Anfang von V. 6 plausibel zu machen. Weiterführend ist hier m.E. das von Otto ins Spiel gebrachte Prinzip der Wiederaufnahme. Während Otto selbige aber in V. 4a erblickt, dürfte es der redaktionellen Technik der Wiederaufnahme, mit deren Hilfe ein Redaktor nach einem Einschub den ursprünglichen Erzählfaden wieder aufnimmt,[4] eher entsprechen, sie nach der redaktionellen Erweiterung in V. 4b.5 und damit zu Beginn von V. 6 zu vermuten.

Dann wäre das - wie in V. 10aa[5] - ehedem adversativ gemeinte ky sekundär für die redaktionell eingefügte Begründung in V. 4b in Beschlag genommen worden. Weiterhin wäre auch die Wiederholung des Objekts am Anfang von V. 6 (whnby1 hhw' 'w "lm h"lwm hhw') der Fortschreibung in V. 4b.5 geschuldet, durch die der natürliche Zusammenhang zwischen der Nennung des Objekts in V. 4a und der Deklaration seiner Todeswürdigkeit in V. 6 (ky ywmt „vielmehr soll er getötet werden")[6] unterbrochen wurde, so dass eine Wiederaufnahme des Objekts für
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[1] Die von 10,20 nicht abgedeckten - und die Dreierreihe unterbrechenden! - Elemente w't mswtyw tsmrw wbqlw tsm(w dürften aus Dtn 13,19 stammen. Das erste Element in V. 5 ist wohl aus V. 3 (nlkh '"ry 'lhym '"rym) herausgesponnen.
[2] Pakkala, Monolatry, 27, verweist dagegen auf das Objekt der Verführung in V. 3b oder V. 2, welches allerdings stets im Singular angesprochen wird. Der Kohortativ in V. 3b dürfte den Sprecher (nby' 'w "wlm "lwm) mit einbeziehen.
[3] Dieser zeigt sich z.B. in Dtn 8,2, wo das Motiv der Prüfung Jhwhs ebenfalls in direktem Zusammenhang mit Israels Gebotsgehorsam steht (vgl. htsmr mswtw in 8,2 mit w't mswtyw tsmrw in 13,5); Belege wie Dtn 8,2; 10,12; 11,13.22; 30,20 machen überdies den engen Zusammenhang von Gottesliebe und Gebotsgehorsam deutlich, der auch in 13,4b.5 begegnet.
[4] Zum Unterschied zwischen Wiederholungen und literarkritisch relevanten Wiederaufnahmen vgl. grundlegend Kuhl, Wiederaufnahme, 2: „Es lässt sich [...] die Beobachtung machen, dass die Wiederholung dadurch bedingt ist, dass in den ursprünglichen Text ein Einschub erfolgt ist, und dass nach solchem Einschub der ursprüngliche Faden der Erzählung durch Wiederholung der letzten Worte, ja ganzer Sätze und zum Teil sogar größerer Abschnitte, wieder aufgenommen wird. Wir wollen diese eigentümliche Erscheinung zum Unterschied von anderen Wiederholungen mit dem Ausdruck ,Wiederaufnahme' bezeichnen, da hierbei ja der ursprüngliche Text wieder aufgenommen wird."
[5] Vgl. zu dieser Stilfigur mit adversativem ky noch Num 35,31.
[6] Dass hier im Gegensatz zu V. 10aa dem ky kein Inf. abs. folgt, braucht nicht weiter zu beunruhigen, da ywmt und mwt ywmt in alttestamentlichen Rechtssätzen nachgewiesenermaßen promiscue gebraucht werden (vgl. z.B. Lev 24,21b mit Ex 21,12 und Ex 35,2 mit 31,15; vgl. auch Lev 24,16; Dtn 17,6); vgl. dazu auch Schulz, Todesrecht, 74, der in diesem Zusammenhang von einer „Kurzform der Todessätze" spricht. Denkbar wäre aber auch, dass die redaktionelle Einfügung von hnby1 hhw1 1w "lm h"lwm hhw1 die Ersetzung des ursprünglichen Inf. abs. mwt ywmt durch das schlichte ywmt befördert hat, da der Inf. abs. für gewöhnlich eine x-yiqtol-Funktion wahrnimmt, die nach dem Einschub des Objekts hnby1 hhw1 1w "lm h"lwm hhw1 in V. 6 aber schon erfüllt ist; vgl. dazu Liedke, Gestalt, 50.

das Verständnis der Apodosis unabdingbar war. Die zweiteilige Rechtsfolgebestimmung in Dtn 13,4a.b*.6* dürfte demnach ursprünglich folgenden Wortlaut gehabt haben:

l tsmc 'l dbry hnby' hhw1 'w 'l "wlm h"lwm hhw1 „dann sollst du auf die Worte

dieses Propheten oder Traumsehers nicht hören,

ky [•••] ywmt [•••] vielmehr [...] soll er getötet

werden [...],

ky dbr srh 'l yhwh lhdy"k mn hdrk [.] denn er hat Falsches geredet

gegen Jhwh, um dich von dem Weg abzuführen [•]"

Die vorgelegte Rekonstruktion hat den weiteren Vorteil, dass sie eine syntaktische Struktur freilegt, die eine Entsprechung in dem auch sonst weitgehend parallel laufenden zweiten Fall (13,7-12*) besitzt. Der formale Vergleich mit altorientalischen Vertragstexten wird offen legen, dass beide Fälle nach dem Vorbild aramäischer Vertragsbestimmungen gestaltet worden sind.

Die Frage nach Sinn und Zweck des nachgetragenen Abschnitts 4b.5[1] kann aufgrund der theologisch problematischen Aussage im vorangehenden Vers einigermaßen sicher beantwortet werden. Demnach reagiert der begründende V. 4b mit seinem Hinweis auf eine Prüfung Jhwhs (nsh pi)[2] auf den anstößigen Passus über das Eintreffen des (pseudo)prophetischen Beglaubigungszeichens in V. 3aa und versucht, diesen zu entschärfen,[3] indem er erklärt, „warum es auch antijahwistisches Mantikertum geben kann, das zeichenmächtig ist".[4] Damit gelingt dem Nachtrag V. 4b.5 zugleich die Vermittlung der überholten Vorstellung, nach der die 'Ihym J"rym offenkundig in der Lage sind, Zeichen und Wunder zu wirken, mit einem in den späteren Schichten des Deuteronomiums weiter entwickelten Gotteskonzept; denn während der Kernbestand von Dtn 13 mit seiner Warnung vor den 'lhym ,"rym ein monolatrisches Gotteskonzept impliziert,[5] vertritt V. 4b mit seiner Betonung der Alleinwirksamkeit Jhwhs
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[1] Mit V. 4b.5 ist im Anschluss an die hier vorgetragene Rekonstruktion im Folgenden näherhin
der Textbestand von mnsh in V. 4b bis whnby1 hhw1 1w "lm h"lwm hhw1 in V. 6 gemeint.​

[2] Vgl. zu Prüfungen Israels durch Jhwh (nsh pi) Dtn 8,2.16: der 40jährige Wüstenzug; Ri 2,22;
3,1.4: die übrig gelassenen Völker.
[3] Deshalb können V. 2b.3aa und 4b.5 schwerlich ein und derselben Redaktionsstufe angehören; s. o. S. 115, Anm. 50.
[4] Horst, Privilegrecht, 43.
[5] S. dazu u. S. 140f.

einen konsequenten Monotheismus, wie er im Deuteronomium etwa in Kap. 4 zu finden ist.[1] Auch dieses tendenzkritische Argument spricht für eine Ausscheidung der V. 4b.5 aus dem Grundtext von Dtn 13.

(5.) In V. 6 fallen einerseits die im Kontext störenden pluralischen Suffixe der Wörter 'Ihykm und 'ikm auf, die deshalb von LXX und Samaritanus sekundär geglättet worden sind; andererseits birgt der sichtlich überladene Satz die Gefahr, Jhwh als Subjekt von lhdy"k in V. 6ab aufzufassen. Beide Schwierigkeiten werden behoben, wenn die zweigliedrige Exodusformel als Interpolation betrachtet wird, deren Absicht es ist, den ersten Fall an den zweiten anzugleichen (vgl. die Exodusformel in V. 11b).[2] Der Nachtrag schließt im Numerusgebrauch zunächst an den pluralischen Zusatz V. 4b.5 an. Die plötzliche Rückkehr in die singularische Anrede durch das Partizip whpdk dient dann wohl dem Zweck, den Anschluss an den nachfolgenden singularischen Grundtext zu erleichtern (vgl. den analogen Numeruswechsel in Dtn 7,8).[3]

Demnach sind in der ersten Stipulation lediglich das Verb wn'bdm in V 3b, der Abschnitt V. 4b.5 sowie die zweigliedrige Exodusformel in V. 6 als Nachträge zu beurteilen.

b.) Verführung durch einen Verwandten oder einen Freund: Dtn 13,7-12 Die zweite Stipulation behandelt den Versuch der Verführung zum Abfall von Jhwh durch ein Familienmitglied oder einen Freund. Hier kommen im Wesentlichen zwei Stellen für literarkritische Eingriffe in Frage.[4]

Erstens unterliegt die Authentizität der in V. 8 begegnenden Näherbestimmung der 'lhym frym aus V 7b erheblichen Zweifeln.[5] Für eine Fortschreibung spricht hier neben dem plötzlichen Wechsel in die pluralische Anrede vor allem die Beobachtung, dass die wörtliche Rede der Verführer durch die Erweiterung um V. 8 ganz erheblich von den Parallelstellen in V. 3b und V. 14b abweicht. Sachlich dürfte die Erweiterung - wie die in V. 4b.5 - an der in Dtn 4 begegnenden universalen Perspektive orientiert sein, nach der die - dort bewusst
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[1] Braulik, Monotheismus, 140, stellt zu Recht fest, dass das konsequent monotheistisch formulierende Kap. 4 im Kommentar zum Ersten Gebot die 'lhym '"rym bewusst verschweigt; vgl. auch Otto, Deuteronomium 4, 206: „Fremde Götter gibt es in der Perspektive von Dtn 4,1-40 nicht (Dtn 4,35.39), sondern nur Götzen (Dtn 4,28)."
[2] Vgl. auch Kreuzer, Exodustradition, 88, und zuletzt Pakkala, Monolatry, 28, der sich zu Recht dagegen ausspricht, die mit ky dbr srh anhebende und in V. 6ab fortgesetzte Begründung für die Todessanktion als sekundär auszuscheiden (so z.B. Merendino, Gesetz, 65f). Insbesondere das Verb nd" hi ist in Dtn 13 fest verankert, da es in jeder der drei Einheiten erscheint (V. 6.11.14).
[3] Vgl. auch Dion, Deuteronomy 13, 172.
[4] In V. 7 ist die kürzere Lesart von MT, die bewusst auf bn 'byk verzichtet, zu bevorzugen; vgl. Weinfeld, Deuteronomy, 98, Anm. 5, und erschöpfend Levinson, Deuteronomy 13:7a.
[5] Vgl. zuletzt Pakkala, Monolatry, 29.

verschwiegenen - 'lhym '"rym „allen Völkern unter dem ganzen Himmel" zugewiesen sind (4,19). Dabei wurden entsprechende Formeln aus Dtn 6,14 (m'lhy hcmym 'sr sbybwtykm; vgl. auch Ri 2,12), 20,15-17 (V. 15: kn t'sh Ikl hcrym hr"qt mmk m'd 'sr l' mcry hgwym h'lh hnh; vgl. auch Jos 9,6.9) und 28,64 (bkl h'mym mqsh h'rs w'd qsh h'rs) aufgenommen und miteinander verknüpft.[1] Der Numeruswechsel innerhalb der Erweiterung dürfte auf den unterschiedlichen Numerusgebrauch in den aufgenommenen Formeln zurückzuführen sein, der getreu übernommen worden ist.[2]

Auch die komplexen Strafbestimmungen in 13,10f zeigen Spuren literarischen Wachstums. Jedoch ist in V. 10aa zuerst eine textkritische Entscheidung zu fällen, da sich die beiden wichtigsten Textzeugen, MT und LXX, ganz erheblich widersprechen:

MT: ky hrg thrgnw

LXX: avnagge,llwn avnaggelei/j peri. avutou/ = hgd tgydnw

Weil die LXX mit ihrer sich besser in den Kontext integrierenden Lesart allein steht und sich leicht als Angleichung an Dtn 17,4 (whgd lk) verstehen lässt, ist der masoretische Text als lectio difftcilior zu bevorzugen, der die spontane Tötung der aus dem Familien- bzw. Freundeskreis stammenden Verführer verlangt (vgl. dagegen Dtn 21,18-21).[3]

Dass nach MT die Tötung des Verführers gleich zweimal befohlen wird (vgl. V. 10aa mit 10abb.11a),[4] erfordert m.E. einen literarkritischen Eingriff,[5] zumal V. 10abb.11a eine wörtliche Parallele in 17,2-7 hat, wo sich die Ausführungen zur Steinigung besser in den Kontext einfügen. Die Wendung wsqltm bbnym wmtw, die in 17,5b das konditionale Satzgefüge des kasuistischen Rechtssatzes beendet (vgl. 22,21.24),[6] hat in 13,11a lediglich die - nach V. 10aa eigentlich überflüssige - Funktion, den Todeserfolg bei Steinigung sicherzustellen. Von der Zeugenregel in 17,6.7a ist in 13,10abb aus einsichtigen Gründen allein V. 7a (yd hcdym thyh bw br'snh Ihmytw wyd kl Ihm b'hrnb) eingetragen worden, da bei einem sich heimlich (bstr) abspielenden Versuch der Verführung kaum mit einer Mehrzahl von Zeugen zu rechnen ist. Nur am Rande
[HR=3][/HR]
[1] Vgl. auch Veijola, Wahrheit, 301.
[2] Der Numeruswechsel innerhalb einer Redaktionsschicht begegnet in Dtn 13 auch in V. 1 und V. 6.
[3] Vgl. dazu bahnbrechend Levinson, Deuteronomy 13:10; ihm folgen Veijola, Wahrheit, 302; Otto, Deuteronomium, 41-45, der darüber hinaus eine instruktive Zusammenfassung der Problematik bietet; Pakkala, Monolatry, 29; anders Aejmelaeus, Septuaginta, 19-21.
[4] Dass MT an dieser Stelle gleich drei Rechtsfolgebestimmungen zur Todessanktion biete, wie Otto, Deuteronomium, 42, vorauszusetzen scheint, vermag ich jedoch nicht nachzuvollziehen, da V. 11a lediglich den Todeserfolg bei Steinigung fordert; vgl. z.B. Dtn 21,21 und Horst, Privilegrecht, 52, Anm. 78.
[5] Es sei denn, man interpretiert V. 10aa als eine Art summarische Prolepse der folgenden Anweisungen zur Art und Weise der Hinrichtung.
[6] Vgl. Gertz, Gerichtsorganisation, 51.

sei angemerkt, dass in 13,10abb.11a eine Bestimmung, die zu steinigende Person vor der Exekution hinauszuführen, fehlt, die in Strafbestimmungen mit sql „steinigen" in aller Regel vorangeht (ys' hi + hpt" [Dtn 22,21]; h s'r [22,24]; 'l s'ryk [17,5]; vgl. auch Jos 7,24-26; 1Kön 21,10.13; Apg 7,58) bzw. aus dem Kontext erhellt (Dtn 21,21). Auch dieses Detail dürfte für die Annahme sprechen, dass der in 13,7-12* geschilderte Fall sekundär an ein ordentliches Gerichtsverfahren angeglichen worden ist, wie schon M. Löhr vermutete: „Hinter V. 10 Anfang ist später eine Verbesserung dieser Thora, welche die Lynchjustiz guthieß, vorgenommen im Sinne einer ordnungsmäßigen Exekution durch Steinigung."[1]

Damit entspricht die Apodosis von Dtn 13,7-12* in ihrer syntaktischen Struktur (l' + Impf. - ky + Impf. bzw Inf. abs. - ky + Begründung im Perf. + lhdy"k) im Wesentlichen der ebenfalls zweiteiligen Rechtsfolgebestimmung der vorangehenden Stipulation (13,4-6*):

Dtn 13,4-6*
l' tsm' d dbry luiby1 bbw1 w d hwlm h"lwm hhw'
ky [.] ywmt [.]
ky dbr srh d yhwh [.] lhdyhk mn
Dtn 13,9-12*
l' fbh lw wl' tsm' dyw wl' thws 'ynk dyw wl' thml wl' thsh dyw
ky hrg thrgnw [.]
ky bqs lhdyhk md yhwh dhyk [.]
hdrk [...]

Während sich die Exodusformel in V. 6 als Nachtrag erwiesen hat, liegen in V. 11 keine hinreichenden literarkritischen Argumente vor, die eine Ausscheidung von​


hmwsy'k m'rs msrym mbyt cbdym erforderlich machen.[2] Für die Ursprünglichkeit der Exodusformel in 13,11 spricht demgegenüber, dass eine entsprechende Formel in den Rahmenkapiteln des Deuteronomiums häufig im Zusammenhang mit der Fremdgötterthematik und dem Ausdruck 'lhym 1"rym begegnet (vgl. Dtn 4,20; 5,6; 6,12; 7,8; 8,14; 29,24).

Exkurs: Dtn 13 und Dtn 17,2-7

Die formale und inhaltliche Nähe von Dtn 13,2-19 und 17,2-7, die bis zu wortwörtlichen Entsprechungen reicht, ist schon in der Antike gesehen worden (vgl.
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[1] Löhr, Deuteronomium, 174.
[2] Auch Kreuzer, Exodustradition, 88, muss im Hinblick auf den Satz zugeben, „dass es keinen literarkritischen Grund gibt, ihn nicht zum Grundbestand zu rechnen". Unter der Prämisse einer dem joschijanischen Deuteronomium zuzurechnenden Grundschicht von Dtn 13 spricht er sich dennoch gegen seine Ursprünglichkeit aus.

11QTempelrolle LIV 12-LVI 1[1]). Versuche, die Übereinstimmungen durch postulierte spätere Textumstellungen zu erklären,[2] deren Gründe aber kaum plausibel zu machen sind, sind in der jüngeren Forschung der Einsicht gewichen, die Verwandtschaft als Folge literarischer Abhängigkeit zu begreifen. Umstritten ist allerdings, welchem Text die literarische Priorität zukommt.

Im Gegensatz zu Dtn 13 geht es in 17,2-7 nicht um Verführung zum Abfall von Jhwh, sondern um den Tatbestand der Apostasie selbst, wobei der Akzent „auf dem Gerichtsverfahren als solchem" liegt.[3] Für die Richtung des Abhängigkeitsverhältnisses ist nun entscheidend, dass 17,2-7 literarische Bezüge zu allen drei in Dtn 13 subsumierten Fällen enthält:[4] „17,2-7 umgreift somit die einzelnen Fälle von Kap. 13 und trägt zusammenfassenden Charakter."[5] Darüber hinaus lassen sich weitere Textbeobachtungen für die Priorität von Dtn 13 anführen: 1. Dtn 17,2 nennt im Gegensatz zu Dtn 13,2.7.13f keine bestimmten Personen bzw. Personenkreise, sondern verallgemeinert zu 'ys W 'sh; 2. Der Abfall von Jhwh, der in 13,3b.7b.14b jeweils mit einer zweigliedrigen Formel (hlk + 'bd + 'lhym '"rym) definiert wird, erscheint in 17,3a in einer um wyst"w lhm vermehrten Reihe. Eine spätere Streichung von wyst"w lhm ist aber wenig wahrscheinlich;[6] 3. Dasselbe gilt für die Formel 'br bryt in 17,2b, die in Dtn 13 keine Entsprechung hat; 4. Die Vorschrift einer genauen Untersuchung in 13,15, die reichlich redundant formuliert ist (wdrst w"qrt ws'lt), wird in 17,4b leicht verkürzt übernommen und - zusammen mit der Zeugenregel in 17,6.7a - für alle Fälle verbindlich gemacht.[7]

Der Abschnitt Dtn 17,2-7, dessen literarischer Charakter auch aus der „durchgängig dtr Terminologie und Vorstellungswelt der Definition des Straftatbestandes in den Vv.2.3a" hervorgeht,[8] ist somit als „deuteronomistisches Kompilat aus Dtn 13"[9] zu begreifen, das wohl deutlich machen soll, „worin nach Ansicht des Redaktors das vornehmste Betätigungsfeld der Gerichtsbarkeit in Israel besteht: In der Sorge um die Reinheit des Kultes."[10]

Alles in allem ist Dtn 17,2-7 zwar auf der einen Seite von Dtn 13* literarisch abhängig und als Kompilation der dort zusammengefassten drei Einheiten zu
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[1] Vgl. Steudel, Texte, 116-121.
[2] Vertreter solcher Umstellungsthesen benennt Gertz, Gerichtsorganisation, 43, Anm. 66.
[3] Hölscher, Komposition, 198.
[4] Vgl. die Synopse bei Pakkala, Monolatry, 59; zu ergänzen wäre hier noch die kontrastierende Aufnahme der Formel l(swt hysr b(yny yhwh }lhyk aus 13,19 in 17,2: }sr y(sh }t hr( b(yny yhwh 'lhyk.
[5] Seitz, Studien, 153f.
[6] Vgl. auch Floss, Jahwe dienen, 286.
[7] Vgl. auch Richter, Bearbeitungen, 83.
[8] Gertz, Gerichtsorganisation, 52; Gertz betrachtet lediglich die V. 3b und 5a (außer whws't 't h'ys hhw' 'w 't h'sh hhw') als noch spätere Zusätze.
[9] Rüterswörden, Schultheologie, 235; vgl. auch Dion, Deuteronomy 13, 161f, der zu dem Ergebnis kommt, „that 17,2-7 was composed by a late redactor, who imitated ch. 13 and also inspired himself of the criminal laws already collected in the book".
[10] Gertz, Gerichtsorganisation, 59.

begreifen;[1] auf der anderen Seite hat aber auch 17,2-7 auf Kap. 13* zurückgewirkt, indem die V. 10abb.11a aus Dtn 17,5b.7 stammen und 13,7-12* verfahrensrechtlich an 17,2-7 angleichen sollen.[2]

c.) Verführung einer israelitischen Stadt: Dtn 13,1319

Was die dritte und letzte, den Abfall einer ganzen israelitischen Stadt behandelnde Stipulation betrifft, so ist vor der eigentlichen literarischen Analyse kurz auf den - in der Forschungsgeschichte zu Dtn 13 m.E. einmaligen - Versuch einer gänzlichen Eliminierung der Einheit durch Otto einzugehen.[3] Dieser verweist zunächst auf die inhaltlichen Unterschiede zu den beiden vorangehenden Fällen: War dort lediglich von der versuchten Verführung zum Abfall die Rede, so ist hier die Verführung bereits in die Tat umgesetzt; handelte es sich dort um einzelne Menschen, die mit der Todesstrafe belegt wurden, so hier um das Kollektiv einer ganzen Stadt; schließlich begegnet nur im dritten Fall die Forderung einer gründlichen Untersuchung der Angelegenheit, ehe die Vernichtung der Stadt geboten wird (V. 15). Neben diesen inhaltlichen Argumenten führt Otto den Sprachbeweis zu Felde. Der dritte Fall sei durchgehend dtr formuliert und greife auf die Ausdrücke „ein Greuel" (twcbh), „Söhne" (bnym) und „mit Feuer verbrennen" (srp b's) in Dtn 12,31 zurück: „Die Grundstruktur dieses Gesetzes ist also aus der dtr Rahmung in Dtn 12 entwickelt."[4] Nun fehlt es aber seit der Studie von Dion nicht an Stimmen, die schon den Grundbestand von Dtn 13 für dtr halten, weshalb der Sprachbeweis an dieser Stelle mit äußerster Vorsicht zu gebrauchen ist. Was aber die vagen terminologischen Bezüge zu 12,31 angeht, so sind diese zu Recht von Rüterswörden in Zweifel gezogen worden, wobei er im Hinblick auf das in 13,14 ganz anders gebrauchte Wort „Söhne" (in der Verbindung bny bly'l) von „Überinterpretation" und bei dem Verb s'rp von einer „Zufallsparallele" spricht und letztlich einzig den Begriff tw'bh als anknüpfungsfähig anerkennt.[5] Auch die vermeintlichen inhaltlichen Differenzen zwischen den vorangehenden und der letzten Stipulation lassen sich m.E. entkräften. Die dritte Stipulation führt die beiden voranstehenden insofern logisch fort, als sie bestimmt, was zu geschehen hat, wenn die versuchte Verführung (bqs lhdy"k in V 11) nicht verhindert werden konnte, sondern bereits in die Tat umgesetzt wurde (wydy"w in V. 14). Dabei wendet sie sich, den vorangehenden entsprechend, an ein konkretes „individuelles Du", dem die bereits erfolgte Apostasie zu Ohren gekommen ist.[6] Alle weiteren Abweichungen ergeben sich aus der veränderten Ausgangslage. So erklärt sich etwa das Fehlen
[HR=3][/HR]
[1] Vgl. in diesem Sinn Seitz, Studien, 153-155; Gertz, Gerichtsorganisation, 45-52; Levinson, Deuteronomy, 118-123.
[2] So auch Veijola, Wahrheit, 302; Otto, Deuteronomium, 41-43; Pakkala, Monolatry, 29.
[3] Vgl. Otto, Deuteronomium, 45-50.
[4] A.a.O., 47.
[5] Vgl. Rüterswörden, Dtn 13, 195, mit dem abschließenden Votum: „Sprachliche Varianz kann man in Rechnung stellen, aber die Entsprechung ist nicht vollkommen."
[6] Vgl. dazu Gertz, Gerichtsorganisation, 50, Anm. 97, der m.E. zu Recht darauf aufmerksam macht, dass „das individuelle Du' des jeweiligen Rechtsfalls immer auch das ,kollektive Du' des Rechtskreises" ist.

eines entsprechenden Verbotes, auf die Worte der Verführer zu hören (vgl. V. 4 und V. 9), das seinerseits verhindert, dass die Forderung der Todesstrafe in Analogie zu V. 10 mit einem adversativen ky eingeleitet wird. So erklären sich aber auch die eingeflochtenen verfahrensrechtlichen Angaben in V. 15, die nicht ausgeschieden werden dürfen,[1] weil die allein vom Hörensagen (ky tsm' in V. 13)[2] bekannte Apostasie der israelitischen Stadt einer gründlichen Untersuchung bedarf.[3] Einmal abgesehen von diesen notwendigen, weil kontextbedingten Abweichungen, entspricht die dritte Einheit formal und terminologisch den vorangehenden. Wie dort, so wird auch hier der Tatbestand, eingeleitet durch ky + Impf., sehr ausführlich geschildert. Es geht ebenfalls um Verführung zum Abfall von Jhwh (nd" hi; vgl. V. 6 und 11), und auch hier kommen die Verführer gewissermaßen aus den eigenen Reihen (mqrbk; vgl. V. 2, 6 und 12) und werben mit dem altbekannten Motto (V 14b), das lediglich durch ein Pluralsuffix am

Ende dem neuen, größeren Kontext angepasst worden ist. Schließlich verwendet die Rechtsfolgebestimmung in Analogie zu V. 10 den Inf. abs. Aus alledem ergibt sich, dass sich die V. 13-19 nicht gänzlich aus Dtn 13* herauslösen lassen, sondern vielmehr zum Kernbestand des Kapitels zu rechnen sind.

Aber auch die dritte Stipulation zeigt Spuren literarischen Wachstums. So erweckt die in den V. 16-18 im Vergleich zu den knappen Anweisungen in den vorangehenden Einheiten breit ausgeschmückte Rechtsfolgebestimmung schon auf den ersten Blick den Eindruck, das Ergebnis einer redaktionellen Überarbeitung zu sein. Und in der Tat scheint zwischen V. 16a und b eine literarische Nahtstelle zu liegen; denn während in V. 16a von den Einwohnern der Stadt die Rede ist, bezieht sich der präzisierende Infinitiv h"rm 'ih in V. 16b auf die Stadt selbst, die ausdrücklich erst in V. 17aa2 erwähnt wird. Hinzu kommt, dass in den folgenden Versen eine thematische Verschiebung zu beobachten ist, da sich spätestens ab V. 17 alles um die Beute der zu vernichtenden Stadt dreht, was offenkundig „in contrast with the overall theme of the chapter, apostasy", steht.[4] Demnach handelt es sich ab V. 16b um eine spätere Überarbeitung der dritten Stipulation.[5] [6]

Ist der Beginn der Überarbeitung nach V. 16a gemeinhin anerkannt,111 so ist die Frage nach ihrem Ende nicht leicht zu beantworten.[7] Sie ist m.E. eng
[HR=3][/HR]
[1] So etwa Veijola, Wahrheit, 304, und zuletzt Pakkala, Monolatry, 30.
[2] Vgl. Gertz, Gerichtsorganisation, 47, Anm. 84, der darauf hingewiesen hat, dass mit sm( im Gegensatz zu ms( ni „eine nur mittelbare Zeugenschaft" zum Ausdruck gebracht wird.
[3] Vgl. auch Horst, Privilegrecht, 37; Dion, Deuteronomy 13, 164 und 174; Otto, Deuteronomium, 48.
[4] Pakkala, Monolatry, 30.
[5] Dion, Deuteronomy 13, 174f, und Otto, Deuteronomium, 45-49, gehen im Gegensatz dazu von der Einheitlichkeit der dritten Stipulation aus.
[6] Vgl. aber dagegen Merendino, Gesetz, 69-71, der die literarische Naht hinter V. 16b vermutet.

[7] Nach Horst, Privilegrecht, 38f, umfasste die Überarbeitung 16b.17aa.g.18; nach Merendino,
Gesetz, 69-71, dagegen 17f; Veijola, Wahrheit, 304-306, rechnet ihr 16b.17aa1.3bb.18a zu.​

verknüpft mit der Frage nach der thematischen und terminologischen Herkunft der Überarbeitung. Die Nähe der Verse zu den ätiologischen Erzählungen in Jos 6-8 ist seit langem bekannt.[1] In jüngster Zeit hat sich J. Pakkala aufgrund der zahlreichen bis in die Terminologie reichenden Entsprechungen für eine literarische Abhängigkeit der Verse von Jos 6-8 stark gemacht, wobei sich die Richtung der Abhängigkeit daraus ergäbe, dass die Entsprechungen in Jos verschiedenen Schichten angehörten.[2] Eine Gegenüberstellung der Texte veranschaulicht deren große Nähe:

Dtn Jos
13,16b hhrm 'th w't kl 'sr bh 6,21 wyhrymw 't kl 'sr b'yr m'ys
w't bhmth lpy hrb w'd 'sh mn'r w'd zqn w'd
swr wsh whmwr lpy hrb
13,17a w't kl sllh tqbs 'l twk rhbh 8,2ab rq sllh wbhmth tbzw 1km
wsrpt b's 't h'yr w't kl sllh 6,24 wh'yr srpw b's wkl 'sr bh
klyl lyhwh 'lhyk 6,17 whyth h'yr hrm hy' wkl 'sr
bh lyhwh
13,17b whyth tl 'wlm l' tbnh wd 8,28 wysrp yhws' 't h'y wysymh
tl 'wlm smmh
6,26b 'rwr h'ys lpny yhwh
'sr yqwm wbnh 't h'yr hz't 't yryhw
13,18a wl' ydbq bydk m'wmh mn 6,18 wrq 'tm smrw mn hhrm
hhrm
7,1b wyqh 'kn [...] mn hhrm
wyhr 'p yhwh
lm'n yswb yhwh mhrwn 7,26ab wysb yhwh mhrwn 'pw

'pw

V. 16b übernimmt aus Jos 6,21 die ansonsten selten belegte (vgl. noch Jos 11,11f und 1Sam 15,8) Formel "rm lpy "rb und fasst die dort breit entfaltete Aufzählung der Bannopfer an Menschen und Tieren zusammen. Damit erklärt sich auch die - als „Stichwortglosse" missdeutete[3] - Wiederholung von lpy "rb am Ende von V. 16. Die Aufforderung, die Stadt mit allem, was in ihr ist, zu verbrennen (V. 17a), hat eine Entsprechung in Jos 6,24 und ist damit wohl ebenfalls als sekundär einzustufen.[4] V. 17b mit dem Stichwort tl 'wlm ist eine Kombination aus Jos 6,26 und 8,28. Das Verbot, die Beute ("rm) an sich zu nehmen, hat seinen ursprünglichen Ort in der Erzählung von Achans Diebstahl (vgl. Jos 6,18; 7,1), was zusätzlich für die Vermutung spricht, dass Jos 6-8 die gebende und Dtn 13
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[1] Vgl. Merendino, Gesetz, 69f, der freilich über Jos 6-8 hinaus noch weitere Stellen des DtrG im Blick hat, und Veijola, Wahrheit, 305f.
[2] Vgl. Pakkala, Monolatry, 30f.
[3] Vgl. Horst, Privilegrecht, 39, Anm. 36; Nielsen, Deuteronomium, 148, vermutet hier gar den „Zusatz eines tierfreundlichen L*sers [sic!]".
[4] Gegen Veijola, Wahrheit, 305f.




die nehmende Seite ist. Schließlich dürfte auch die etwas unvermittelt auftauchende Rede vom Zorn Jhwhs in der - in dieser Form selten bezeugten[1] - Wendung swb mhrwn 'p in V. 18b (lm'n yswb yhwh mhrwn 'pw) Teil der Überarbeitung sein, denn sie stimmt wörtlich mit Jos 7,26 (wysb yhwh mhrwn 'pw) überein, wo sie durch 7,1 überdies besser eingeführt ist.[2] Ganz nebenbei könnte die Vorlage auch plausibel machen, warum an dieser Stelle hinter yhwh die sonst in Dtn 13 übliche Apposition 'lhyk fehlt.

Für die Frage nach dem Umfang der Überarbeitung ergibt sich aus dem Vergleich mit Jos 6-8, dass diese jedenfalls bis lmcn yswb yhwhmhrwn 'pw gereicht hat.[3] An dieser Stelle eine literarische Naht zu postulieren, hält jedoch der bei literarkritischen Eingriffen unabdingbaren Gegenprobe nicht stand, weil erstens das Subjekt des unmittelbar anschließenden wntn unklar bliebe[4] und zweitens den Perfecta consecutiva die den Satz einleitende Imperfektform (yswb) abhanden käme, die gemäß der hebräischen Consecutio temporum die futurische Bedeutung der Verben sicherstellt. Von daher liegt es näher, den ganzen V. 18 als dem Einschub zugehörig zu betrachten - unbeschadet der Tatsache, dass die Fortsetzung in V. 18b keine Entsprechung in Jos 6-8 hat. Demnach umfasst die Überarbeitung der dritten Einheit die V. 16b-18. Sie ist von Jos 6-8 literarisch abhängig und vertritt eine radikalisierte spät-dtr Bannvorstellung, „nach der die gebannten Städte restlos, einschließlich der Einwohner, des Viehs und der materiellen Güter, zu vernichten sind, und überträgt sie selbst auf eine israelitische Stadt, die abtrünnig geworden ist".[5]

Nachdem sich auch V. 18b als Teil der Überarbeitung erwiesen hat, besteht allerdings die berechtigte Frage, ob V. 16a einen befriedigenden Abschluss der dritten Stipulation abgibt, zumal die vorangehenden Einheiten nach der eigentlichen Rechtsfolgebestimmung noch eine Begründung (eingeleitet mit ky) sowie eine paränetische Formel zu erkennen geben. So bleibt nur der schwierige V. 19 als möglicher Kandidat für den Abschluss der dritten Einheit. Gegen die Ursprünglichkeit von V. 19 wird gerne eingewandt, dass er aus häufig belegten Formeln bestehe und zudem neben V. 16a eine weitere Bedingung für den in V. 18b verheißenen Segen nachtrage.[6] Doch die Argumente sind nicht stichhaltig. Zunächst werden auch die vorangehenden Einheiten mit geprägten paräne- tischen Formeln beschlossen. Was aber das zweite Argument angeht, so ist es in der Tat so, dass das in aller Regel konditional verstandene ky in V. 19 schlecht an den Finalsatz in V. 18b (mit lm'n) anschließt.[7] Wenn aber die Überarbeitung
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[1] Vgl. noch Ex 32,12; Num 25,4; 2Kön 23,26; Jona 3,9; Ps 85,4.
[2] Vgl. auch Pakkala, Monolatry, 31.
[3] So Pakkala (ebd.).
[4] Pakkala vermutet, dass das Tetragramm im Zuge der Überarbeitung der dritten Einheit abhanden gekommen ist (ebd, Anm. 66).
[5] Veijola, Wahrheit, 306; vgl. zu Bannkriegen allgemein Lohfink, ~rx; Dietrich, David, 146-156.
[6] Vgl. zum ersten Argument etwa Puukko, Deuteronomium, 253, und zum zweiten zuletzt Pakkala, Monolatry, 31f.
[7] So aber Veijola, Wahrheit, 307. Wenn er ebd., Anm. 111, auf die Abfolge von Verheißung und nachfolgender Bedingung in Dtn 19,8 und 9a verweist, so ist zu sagen, dass auch dort keine finale Bestimmung zusätzlich durch ein ky konditioniert wird.

der dritten Einheit den ganzen V. 18 umfasst hat, steht der Ursprünglichkeit von V. 19 nichts im Wege. Gegen seine Entfernung spricht zudem, dass damit auch das Dtn 13* gliedernde ky sowie eine den vorangehenden Einheiten analoge paränetische Formel wegfiele. Somit folgt in V. 19 wie in den vorhergehenden Einheiten auf die knapp formulierte Forderung der Tötung aller Einwohner der Stadt in V. 16a direkt eine mit einem kausalen ky eingeleitete und die dritte Stipulation abschließende paränetische Formel (vgl. zu dieser Funktion des ky Dtn 21,9).[1] Und indem der Beginn von V. 19 mit ky tsm' bqwl yhwh 'lhyk ausdrücklich die Verbote, auf die Verführer zu hören, aus V. 4 und V. 9 aufnimmt und klarstellt, auf wessen Stimme demgegenüber zu hören ist, dient der Vers zugleich als Fazit und Beschluss der drei in Dtn 13 zusammengestellten Stipulationen.

Die literarische Analyse hat eine singularische Grundschicht zu Tage gefördert, die in den V. 3b[Ende].4b.5.6aa*.8.10abb.11a.16b-18 redaktionell erweitert worden ist. Die Erweiterungen stellen einerseits theologische Nachinterpretationen dar (V. 4b.5; V. 8); andererseits dienen sie der - schon in der Überlieferung des hebräischen Textes zu beobachtenden - Angleichung von Texten, die - sei es im Buch Deuteronomium, sei es darüber hinaus - in späterer Zeit nebeneinander gestellt worden sind (V. 3b[Ende]; V. 6aa*; V. 10abb.11a; V. 16b-18). Der rekonstruierte Grundtext von Dtn 13 ergibt eine parallele Struktur der drei Einheiten:

Die Protasis - eingeleitet mit der Konjunktion ky „wenn" - definiert mit wechselnden Subjekten den Tatbestand, der in der Verführung zum Dienst anderer Götter besteht und in der ersten Einheit mit der Formel nlkh 'hry }lhym ,"rym und in den beiden nachfolgenden Einheiten jeweils mit der Formel nlkh wn'bdh Uhym 1"rym zum Ausdruck gebracht wird. Die Apodosis bestimmt die Rechtsfolge, die in den beiden ersten Einheiten mit einem Verbot, auf die Worte der Verführer zu hören (V. 4a; V. 9), beginnt und - nach einem adversativen ky „vielmehr" - mit der Forderung der Tötung der Verführer schließt. Die Apodosis der dritten Einheit folgt einer Bestimmung über das Ermittlungsverfahren (V. 15) und fordert die Vernichtung der abgefallenen Stadt. Die drei Einheiten schließen mit einer Begründung der Rechtsfolge, die ebenfalls mit ky „denn" eingeleitet wird, sowie einer paränetischen Formel. Demnach ergibt sich ein sehr schön am dreifachen Auftreten der Partikel ky abzulesender dreiteiliger Aufbau der drei Einheiten (s.
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[1] Die Konjunktion ky verbindet an dieser Stelle ebenfalls ein Gebot mit einer Motivation (vgl. in Dtn 13 die Abfolge V. 16a und V. 19). Die Bezeichnung „kausal" meint im Anschluss an Aejmelaeus, Function, 202, zugleich „cause, reason, motivation, and explanation"; vgl. auch a.a.O., 203: „These types of yk clauses are in fact very loose in relationship to their main clause, or, indeed, they sometimes do not seem to have any main clause."u. die Übersetzung).