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2. Die aramäischen Inschriften von Sfire

Problemstellung

Die aramäischen Inschriften von Sfire sind für die Frage nach der Rezeption des altorientalischen Vertragsrechts in mehrfacher Hinsicht von zentraler Bedeutung: Erstens sind sie die bislang einzigen Staatsverträge in einer mit dem Hebräischen eng verwandten nordwestsemitischen Sprache; zweitens sind sie die einzigen Vertreter der aramäischen Vertragsrechtstradition, an der ausweislich der alttestamentlichen Historiographie auch die Königreiche Israel und Juda partizipiert haben;[1] und drittens sollte nicht übersehen werden, dass die Sfire-
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[1] Vgl. etwa 1Kön 15,18f: Asa von Juda schließt mit Ben-Hadad von Aram-Damaskus einen (Vasallen-)Vertrag.

Inschriften von allen überlieferten altorientalischen Vertragstexten den Verhältnissen in Israel und Juda auch geopolitisch am nächsten stehen. Sie entspringen im Gegensatz zu den hethitischen oder assyrischen Verträgen nicht einem der altorientalischen Großreiche, den damaligen Machtzentren, sondern levantinischen Klientelkönigreichen, die auf der einen Seite vom assyrischen Reich abhängig waren und sich auf der anderen Seite im Umfeld der hethitischen Nachfolgestaaten vorfanden. Von daher bieten sich die Inschriften von Sfire vorzüglich

als traditionsgeschichtliches Modell für die bundestheologischen Texte im Alten Testament an. Das Hauptaugenmerk der folgenden Ausführungen gilt deshalb einer traditionsgeschichtlichen Verortung der Inschriften.

In der neueren Forschung sind diesbezüglich hauptsächlich die Gemeinsamkeiten zwischen den Sfire-Inschriften und der neuassyrischen Vertragsrechtstradition betont worden. So sind etwa A. Lemaire und J.-M. Durand nicht zuletzt aufgrund der Götterliste in Sf I A und der zahlreichen stilistischen Berührungen mit dem etwa zeitgleichen Assur-neräri-Vertrag zu dem Schluss gelangt, dass der assyrische General (turtanu) Samsi-ilu für die Inschriften verantwortlich zeichnet.[1] S. Parpola sieht in dem Vertragswerk gar das aramäische Gegenstück zum keilschriftlichen Vertrag zwischen Assur-nerän V. und Mati'-'el von Arpad[2] und vertritt entsprechend die Meinung, das Dokument sei „in reality nothing but an Assyrian treaty".[3] Gegen diese einseitig assyrische Herleitung der Inschriften wird in jüngerer Zeit vereinzelt darauf aufmerksam gemacht, dass sich neben den assyrischen auch genuin nordsyrisch-aramäische Elemente ausmachen lassen, etwa in den Flüchen oder den Stipulationen.[4] Die folgende traditionsgeschichtliche Analyse der Sfire-Inschriften berücksichtigt neben den einschlägigen aramäischen und assyrischen Quellen insbesondere das umfangreiche Korpus der hethitischen Staatsverträge. Der Einbezug der hethitischen Quellen ist nicht zuletzt deshalb geboten, da erkannt ist, dass hethitische (Rechts-)Traditionen im eisenzeitlichen Nordsyrien, wo hethitische Nachfolgestaaten und Aramäerstaaten miteinander auf engstem Raum lebten, erhalten blieben und ihre Spuren hinterlassen haben.[5]

Der zeithistorische Kontext der Sfire-Inschriften

Die aramäischen Sfire-Inschriften wurden seit 1930 durch Einwohner am Rande der etwa 25 km südöstlich von Aleppo gelegenen Ortschaft Sfire auf den Bruchstücken dreier Basaltstelen entdeckt.[6] Der mutmaßliche Fundort Sfire liegt in dem in den Vertragstexten erwähnten (vgl. Sf I B: 11; II B: 10) eisenzeitlichen Aramäerstaat Bet Gus (akk. Bit Agüsi), dessen Hauptstadt in dieser Zeit Arpad
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[1] Lemaire/Durand, Inscriptions, 51-56. Vgl. dazu kritisch Krebernik, Rezension, sowie Fales, Rezension.

[2] Vgl. Parpola/Watanabe, Treaties, XXVIIf. Die damit verbundene These, Brg'yh sei in Wirklichkeit ein aufgrund diplomatischer Rücksichtnahme gewählter Deckname für den assyrischen Großkönig, wird von Fales, Evidence, 143f, mit überzeugenden Argumenten zurückgewiesen.​

[3] Vgl. Parpola, Treaties, 183: „The Sefire Treaty [...] is in reality nothing but an Assyrian treaty imposed on a defeated adversary, but written in his mother tongue. In some details of its formulation, this treaty may well conform with local traditions, but it is good to keep in mind that these local traditions also had their roots in older practices largely originating in Mesopo- tamia." (kursiv im Original)
[4] Genuin aramäische Traditionen wurden von Fales, Istituzioni, 149-173, und Morrow, Sefire Treaty, 83-99, herausgearbeitet.
[5] S. dazu den Exkurs S. 27-29.
[6] Vgl. dazu Donner/Röllig, KAI II, 238.

war.[1] Die drei Stelen sind mit einem Vertrag zwischen Bar-ga'yah von Ktk und Mati'-'el von Arpad beschrieben. Während der zuletzt genannte auch in einem neuassyrischen Dokument Erwähnung findet, ist die Identität des gleichfalls einen aramäischen Namen tragenden Bar-ga'yah von Ktk umstritten. Nach einer ansprechenden These von E. Lipinski ist das Toponym Ktk mit der bei Theodoret von Kyrrhos in dessen Kirchengeschichte erwähnten Stadt Ki,ttika gleichzusetzen und Hauptstadt des eisenzeitlichen, westlich von Karkamis gelegenen aramäischen Staates Bet ¥ullül, der in den Vertragstexten zweimal neben Bet Gus erscheint (Sf I B: 3; II B: 10).[2] Demnach handelt es sich bei den Inschriften um Vertragstexte zweier aramäischer Nachbarstaaten,[3] wobei Mati'-'el von Arpad in der Position des unterlegenen Vertragspartners in Erscheinung tritt.[4]

Der zeithistorische Kontext des Vertragsabschlusses ergibt sich aus der im 9. Jh. einsetzenden Westexpansion des neuassyrischen Reiches, von der die nordsyrischen Aramäerstaaten unmittelbar betroffen waren.[5] Seit etwa 870 werden in den assyrischen Quellen immer wieder Tributzahlungen der Herrscher von Bit-Agüsi erwähnt. Gelegentlich ist denn auch von Rebellionen der Aramäer und folgenden Strafexpeditionen der Assyrer die Rede, die seit Salmanassar III. die östliche Grenze von Bit-Agüsi bilden und in Garnisonsstädten im Bereich der Aramäerstaaten permanente Präsenz zeigen. Nachdem der Aramäer- staat im Jahre 805 noch einmal als Anführer einer antiassyrischen Koalition in Erscheinung tritt, schweigen die assyrischen Quellen für etwa ein halbes Jahrhundert. Eine erneute Rebellion machte dann im Jahre 754 eine weitere assyrische Kampagne gegen Bit-Agüsi notwendig, in deren Folge die Beziehung zwischen Oberherrn und Vasall neu geordnet wurde. Davon gibt der schon erwähnte Vasallenvertrag Zeugnis, der vermutlich im Jahre 754 v.Chr.[6] zwischen dem assyrischen König Assur-nerärl V. und dem aramäischen König Mati'-ilu von Bit-Agüsi geschlossen worden ist, der sicherlich mit dem Mati'-'el von Arpad der Sfire-Inschriften identisch ist.[7] In diesem zeithistorischen Kontext ist vermutlich auch der Vertrag zwischen Bar-ga'yah von Ktk und Mati'-'el von Arpad zu sehen, an dessen Zustandekommen der assyrische Großkönig bzw. sein
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[1] Vgl. zu Arpad Fitzmyer, Inscriptions, 62f und Veenhof, Geschichte, 247.
[2] Vgl. Lipinski, Aramaeans, 221-231; vgl. zu anderen Interpretationen Fitzmyer, Inscriptions, 59f und 167-174.
[3] Für die Annahme einer direkten Nachbarschaft der beiden Staaten spricht auch, dass eine Funktion der Vereinbarung offenbar die Festsetzung der Grenze zwischen Bar-ga'yah und Mati'-'el war (vgl. Sf III: 23ff und dazu Klengel, Syria, 216, und Lipinski, Aramaeans, 223f).
[4] Vgl. dazu Fitzmyer, Inscriptions, 165f, der die Inschriften m.E. zu Recht als Vasallenverträge bezeichnet.
[5] Die keilschriftlichen und aramäischen Quellen bietet Sader, Etats, 99-136; vgl. zu ihrer Auswertung auch Lipinski, Aramaeans, 211-219.
[6] Vgl. Parpola/Watanabe, Treaties, XXVII; Lamprichs, Westexpansion, 107 ; Lipinski, Aramaeans, 216f.
[7] Vgl. zur Identität der beiden z.B. Donner/Röllig, KAI II, 272.

General Samsi-ilu auf irgendeine Weise beteiligt gewesen sein dürfte.[1] Der terminus ante quem der Inschriften von Sfire ist in jedem Fall das Jahr 740, in dem Tiglatpileser III. Arpad nach langer Belagerung zerstörte.[2]

Der Aufbau der Sfire-Inschriften

Der schlechte Erhaltungszustand der Sfire-Inschriften sowie die fehlende Worttrennung machen eine eindeutige Rekonstruktion des Vertragsformulars zu einem schwierigen Unterfangen. Unter der Voraussetzung, dass die drei Stelen drei Exemplare ein und desselben Vertrags darstellen[3] und sich folglich bei einem Rekonstruktionsversuch wechselseitig ergänzen können, lässt sich aber dennoch eine feste Abfolge der einzelnen Vertragselemente plausibel machen.

Nach der überzeugenden Rekonstruktion von H. F. van Rooy[4] war die ursprüngliche Reihenfolge der Seiten bei Stele I ADBC, was sich insbesondere aus Stele III, einer ursprünglich zweiseitig beschrifteten Steinplatte, ergibt, die die Stipulationen auf der Rückseite präsentiert und demnach die umfangreiche Fluchsequenz samt Präambel und Götterliste am Textanfang bezeugt haben muss.

Sf I A (Vorderseite) Erste Präambel Eidgötterliste Vertragsflüche
Sf I D (linke Seite) -


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[1] Dies legt sich aus folgenden Gründen nahe: Erstens ist es schwer vorstellbar, dass ein aramäischer Nachbarstaat, der ansonsten nirgends explizit bezeugt ist, das relativ mächtige Reich von Arpad aus eigenen Kräften in ein Vasallenverhältnis zwingen kann; zweitens verdient Beachtung, dass der assyrische Reichsgott Assur mit seiner Parhedra Mulissu die Götterliste anführt (vgl. Sf I A: 7f und dazu S. 60, Anm. 231); drittens bringt Bar-ga'yah seinen Protektor selbst ins Spiel, wenn er mit der Annexion von Bit-Agüsi durch die Assyrer droht, falls Mati'-'el ihm gegenüber eidbrüchig werden sollte (Sf I A: 24f); schließlich wird der Herrschaftssitz Samsi-ilus als am Vertragsschluss beteiligte Stadt erwähnt (vgl. Sf I A: 5 und dazu Lipinski, Aramaeans, 204-206). Gegen eine assyrische Abhängigkeit von Bar-ga'yah spricht nicht, dass sich dieser als mlk „König" bezeichnet. Die Bilingue vom Tell Fe'eriye macht deutlich, dass sich ein aramäischer Herrscher, der vom assyrischen König abhängig war und dementsprechend den Titel saknu „Statthalter" trug, in seinem aramäischen Umfeld durchaus mlk „König" nennen konnte. Vgl. dazu auch Fales, Evidence, 145, der Bar-ga'yah als „a brief-lived puppet fully enmeshed in the astute political-diplomatical preparations for future Assyrian expansionism in Inner Syria" bezeichnet und hinzufügt: „It is indisputable that this ruler was fully conversant with the religious, and consequently the political-ideological, foundations of the Assyrian state, and that he did not hesitate to transfer them to the Aramaic texts which bear his name."
[2] Vgl. Donner/Röllig, KAI II, 274; Fitzmyer, Inscriptions, 19; Lipinski, Aramaeans, 218f.
[3] Dafür sprechen die großen Übereinstimmungen der erhaltenen Textpartien, vgl. McCarthy, Treaty, 99f.
[4] Vgl. zum Folgenden van Rooy, Structure.

Sf I B (Rückseite) Zweite Präambel Stipulationen
Sf I C (rechte Seite) Segen-Fluch-Formular (Nachtrag des Mati'-'el?)[1]


Die weitaus schlechter erhaltene Stele II bietet auf den Breitseiten A und B lediglich geringe Teile der Fluchsequenz sowie der Stipulationen. Aus Seite C geht aber immerhin hervor, dass der Vertrag eine Deponierungsklausel beinhaltete. Daraus folgt für Stele I, dass die nicht erhaltene Seite D möglicherweise eine entsprechende Deponierungsklausel bezeugte.

Sf II A Vertragsflüche
Sf II C Deponierungsklausel
Sf II B Stipulationen
Sf II D -

Von Stele III ist, wie gesagt, einzig die Rückseite mit den Stipulationen erhalten:



Vorderseite -
Rückseite Stipulationen


Das Vertragsformular der Sfire-Inschriften dürfte somit folgendermaßen ausgesehen haben:

Präambel

Eidgötterliste

Vertragsflüche

Deponierungsklausel

Stipulationen

2.4 Traditionsgeschichtliche Analyse der Sfire-Inschriften[2]

Das Vertragsformular

Die Einordnung der Vertragstexte von Sfire in die neuassyrische Vertragsrechtstradition hat vornehmlich in einem Vergleich der Formulare ihr Recht. Schon die Präambel zeigt die Nähe zu den neuassyrischen Verträgen. Denn während die Überschrift der hethitischen Vasallenverträge nur den hethi- tischen Großkönig nennt,[3] führt die Präambel der Sfire-Inschriften nach
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[1] Van Rooy zufolge gehörte Sf I C aufgrund des Wechsels in die wörtliche Rede des Mati'-'el nicht dem ursprünglichen Vertrag an (a.a.O., 134). Diese Annahme ist jedoch nicht zwingend, da die Vereidigten auch in anderen Vertragstexten zu Wort kommen (vgl. etwa SAA II 6 § 57).
[2] Die folgenden Ausführungen gehen größtenteils auf einen Vortrag zurück, den ich auf dem Mainzer Symposium „Vertrag, Treueid und Bund" am 04.12.2004 gehalten habe (s. Koch, Hatti).
[3] Kienast, Vertrag, 233, Anm. 8, stellt dazu fest: „Es handelt sich hier also deutlich um ein Diktat des hethitischen Großkönigs auch der Form nach."

mesopotamischem Vorbild[1] sowohl den überlegenen als auch den unterlegenen Vertragspartner auf:[2]

„Vertrag (rdy) des Bar-gaVah, des Königs von Ktk, mit (rm) Matir-1 el ..., dem König von [Arpad]." (Sf I A: 1)

Überblickt man das ganze Vertragsformular, so bestätigt sich auch hier, dass die Sfire-Inschriften vom Standardformular der hethitischen Vasallenverträge[3] erheblich abweichen. Vor allem die dem hethitischen Formular fremde Kopfstellung der Fluchformeln und Endposition der Stipulationen stechen bei einem Vergleich in die Augen.[4] Beide Auffälligkeiten reihen sich gut in das Formular der neuassyrischen Vertragstexte ein, die im Vergleich zu den hethitischen Vasallenverträgen folgende unterscheidende Charakteristika zu erkennen geben: 1. eine paritätisch formulierte Präambel, die in der Regel nahtlos in die Götterliste übergeht;[5] 2. das Fehlen einer historischen Einleitung; 3. das Fehlen einer Segensformel; 4. eine gewisse Flexibilität in der Reihenfolge der einzelnen Elemente des Formulars.[6] Van Rooy hat die Sfire-Inschriften aufgrund der Gemeinsamkeiten bezüglich des Formulars zu Recht den neuassyrischen Verträgen an die Seite gestellt.[7] Gegen eine rein neuassyrische Herleitung des Formulars sprechen allerdings Spuren einer Segensformel, die Einflüsse der hethitischen Vertragsrechtstradition zu erkennen geben. In Sf I C heißt es in einem stark beschädigten Kontext (Z. 15f):

„Mögen die Götter seine Lebenszeit und sein Haus bewahren (ysrw)!" [8]

Dass diese Segensformel, deren Einleitung nicht erhalten ist, nicht allein auf den Inschriftenschutz, sondern vor allem auf die Einhaltung der Vertragsinhalte abzielt, macht die Einleitung der sich anschließenden Fluchformel wahrscheinlich (Z. 16f):[9]


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[1] Vgl. zu den neuassyrischen Präambeln, deren Standardform ade sa A issi B lautete, Parpola/ Watanabe, Treaties, XXXVf.
[2] Den in der vorliegenden Arbeit gebotenen eigenen Übersetzungen aus den Sfire-Inschriften liegt, sofern nicht anders angegeben, die jüngste Edition der aramäischen Texte von Schwider- ski, Inschriften, 402-406, sowie der Kommentar von Fitzmyer, Inscriptions, 40-161, zugrunde. Bei der Wiedergabe des Aramäischen transkribiere ich aramäisches X grundsätzlich mit s.
[3] 1. Präambel; 2. Historischer Prolog; 3. Stipulationen; 4. Deponierungsklausel; 5. Eidgötterliste; 6. Segen und Fluch.
[4] Daher ist in der Forschung auch eine die Vertragsbestimmungen nach vorn rückende Seitenabfolge erwogen worden, vgl. van Rooy, Structure, 136f.
[5] Vgl. Barre, God-List, 15-17. Darin haben sie ihr Vorbild in den hethitischen Staatsverträgen mit einer Personenmehrheit, die darüber hinaus durch das Fehlen einer historischen Einleitung und den Zusatz einer Vereidigtenliste vom Normalformular abweichen; vgl. dazu von Schuler, Sonderformen, 455.
[6] Vgl. van Rooy, Structure, 137f.
[7] Vgl. a.a.O., 138f.
[8] Vgl. zu dieser Übersetzung Rössler, TUAT I, 184; vgl. zur Interpretation auch Fitzmyer, Inscriptions, 118.
[9] Vgl. auch Steymans, Deuteronomium 28, 174. Auch der Beleg für nsr in Sf I B: 8, wo es eindeutig um den Vertragsinhalt geht, der bewahrt werden soll, spricht gegen eine Eingrenzung auf den Inschriftenschutz.

„Und wer die Worte der Inschrift, die auf dieser Stele ist, nicht bewahrt (lysr) .."

Die Formen ysrw und lysr (3. Person Plural Jussiv Peal und l' + 3. Person Singular PK Peal von nsr) entsprechen exakt den akkadischen Verbformen von nasäru „bewahren", die häufig in den recht monoton formulierten Segensformeln der hethitischen Vasallenverträge begegnen. So etwa in dem Vertrag zwischen Mursili II. und Niqmepa von Ugarit (Z. 116'-119'):[1]

„Und wenn Niqmepa diese Worte der Bindung und des Eides, die auf dieser Tafel geschrieben stehen, bewahrt (inassarsunu), so mögen die Eide bei den Göttern den Niqmepa mit seinem Haupt, seinen Frauen, seinen Söhnen, seinen Enkeln, seinem Haus, seiner Stadt, seinem Land und mit seinem Besitz bewahren (lissurüsu)."

In Übereinstimmung mit der hethitischen Tradition wird in den Vertragstexten von Sfire mit der Wurzel nsr „bewahren" nicht nur der göttliche Schutz für den gehorsamen Vasallen, sondern auch das dem Segen vorangehende Befolgen der Vertragsbestimmungen zum Ausdruck gebracht:[2] Wer die Vertragsbestimmungen bewahrt, den werden entsprechend die Götter bewahren.


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[1] Übersetzt nach Del Monte, Trattato, 32f.
[2] Vgl. dazu auch Fensham, Malediction, 7, mit dem Hinweis auf nsr in Dtn 33,9.