Skip to main content

2.4.3 Die Flüche

In den Sfire-Inschriften lassen sich drei Fluchgattungen unterscheiden: Erstens einfache Flüche, die sowohl mit als auch ohne Anrufung einer Gottheit erscheinen; zweitens Nichtigkeitsflüche; und drittens Vergleichsflüche. Während die einfachen Flüche, die im Alten Orient weit verbreitet und in zahlreichen Textsorten belegt sind, hier außer Acht bleiben können, verdienen zumal unter traditionsgeschichtlicher Fragestellung die eher selten bezeugten Nichtigkeitsund Vergleichsflüche besondere Aufmerksamkeit.

Die so genannten Nichtigkeitsflüche, die im englischsprachigen Raum auch futility curses bezeichnet werden,[1] stehen in den Sfire-Inschriften am Anfang der Fluchsektion und sind wie die beiden anderen Fluchtypen aufgrund ihrer präventiven Funktion an die konditionale Protasis in Sf I A: 14: „Wenn Mati'-'el vertragsbrüchig wird ..." angeschlossen. Die Fluchreihe lässt sich folgendermaßen rekonstruieren (Sf I A: 21-24):[2]

„[Und sieben Widder mögen] ein Schaf [bespringen], aber es soll nicht empfangen; und sieben [Am]men mögen [ihre Brüste] salben,[und] (22) sie mögen ein Kind stillen, aber es soll nicht satt werden; und sieben Stuten mögen ein Fohlen säugen, aber es soll nicht satt [werden; und sieben] (23) Kühe mögen ein Kalb säugen, aber es soll nicht satt werden; und sieben Schafe mögen ein Lamm säugen, aber [es soll nicht satt] werden; (24) und sieben seiner Töchter mögen in einem Ofen Brot backen, aber
[HR=3][/HR]
[1] Wolff, Micha, 162f, prägte den Ausdruck „Nichtigkeitsflüche"; der englische Terminus ,futili- ty curses" geht auf Hillers, Treaty-Curses, 28f, zurück.
[2] Die eigene Übersetzung orientiert sich an der Kommentierung von Fitzmyer, Inscriptions, 79-83, und der Übersetzung von Rössler, TUAT I, 180.

sie sollen ihn nicht füllen!"[1]

Die sechs erhaltenen Nichtigkeitsflüche machen deren stereotypen Bauplan deutlich: In der Protasis wird eine lebenswichtige Tätigkeit genannt, deren erhoffte Wirkung in der syndetisch angeschlossenen Apodosis verneint wird (aram. w'l + PK).[2]

Die assyrisch-aramäische Bilingue vom Tell Fe'eriye aus dem 9. Jh.[3] enthält ebenfalls Nichtigkeitsflüche und ermöglicht zudem einen direkten Vergleich der assyrischen und aramäischen Formulierungsgewohnheiten. Die aramäische Fassung der Fluchformeln lautet in Übersetzung (Z. 20-22):[4]

„Und hundert Mutterschafe mögen ein Lamm säugen, aber es soll nicht satt werden; und hundert Kühe mögen ein Kalb säugen, aber es soll nicht satt werden; und hundert Frauen mögen ein Kind stillen, aber es soll nicht satt werden; und hundert Frauen mögen in einem Ofen Brot backen, aber sie sollen ihn nicht füllen."

Die direkte Gegenüberstellung der beiden Fassungen zeigt, dass lediglich der aramäische Text klassische Nichtigkeitsflüche bezeugt, was sich an dem folgenden Fluch beispielhaft demonstrieren lässt:[5]

Assyrische Fassung (Z. 33) Aramäische Fassung (Z. 20f)
1 me latu la usabba muri wm'h swr Ihynqn rgl w'l yrwy
„100 Kühe sollen ein Kalb nicht sättigen!" „und hundert Kühe mögen ein Kalb säugen, aber es soll nicht satt werden!"


Die assyrischen Flüche, die schon aus gattungskritischen Gründen eine Übersetzung der aramäischen Nichtigkeitsflüche darstellen dürften,[6] vereinfachen deren antithetischen Satzbau zu schlichten Wunschsätzen.[7] Der akkadischen Tradition scheint demnach im 9. Jh. die Formulierung von Nichtigkeitsflüchen
[HR=3][/HR]
[1] Vgl. zu den Rekonstruktionsproblemen des letzten Fluchs Kaufman, Reflections, 170-172, und Zuckerman, Story.
[2] In Anlehnung an die formgeschichtliche Beschreibung bei Wolff, Micha, 162; vgl. auch Hillers, Treaty-Curses, 28: „The form may be described as consisting of a protasis, which describes the activity, and an apodosis, the frustration of the activity."
[3] Vgl. zu dieser Inschrift Schwiderski, Studien.
[4] Der aramäische Text ist ediert bei Schwiderski, Inschriften, 194.
[5] Transkriptionen nach Abou-Assaf/Bordreuil/Millard, Statue, 16 und 23.
[6] Die Richtung der Abhängigkeit ergibt sich m.E. aus der Tatsache, dass die aramäische Fassung eine geprägte aramäische Fluchgattung bietet, was in der assyrischen Fassung, die hier mehr schlecht als recht eine Übertragung in den assyrischen Fluchstil versucht, nicht der Fall ist. Vgl. auch schon Dohmen, Statue, 92, Anm. 6, und vor allem Greenfield/Shaffer, Notes, 49: „We believe that along side this division one following the original language of composition can be made: Assyrian original - Assyrian II. 1-26 = Aramaic II. 1-16; Aramaic original - Assyrian: II. 26-38 = Aramaic II. 16-23. This last part, to be discussed here in detail, contains the curse portion of the inscription. The Aramaic is rich while the Assyrian equivalent is, except for the last curse, poor and secondary."
[7] Vgl. auch Fales, Bilinguisme, 249, und Steymans, Deuteronomium 28, 159.

noch fremd zu sein.[1]

Die aus dem heutigen Iran stammende und erst vor wenigen Jahren bekannt gewordene aramäische Inschrift von Bukän, auf die später noch näher eingegangen wird,[2] bezeugt zwei weitere Nichtigkeitsflüche, die denen in den Sfire-Inschriften und der Tell Fe'eriye-Inschrift zum Teil wörtlich entsprechen. Die fragmentarische Inschrift beweist, dass nicht nur die aramäische Sprache, sondern auch geprägte aramäische Sprachformen bereits im 8. Jh. weit in den Osten hinein gewirkt haben.

Wenden wir uns dem assyrischen Kernland zu, so erscheint das die aramäischen Nichtigkeitsflüche bestimmende Motiv des Sättigungsverlustes nicht direkt in Gestalt von Flüchen, sondern in einem Feldzugsbericht, der sich aber an dieser Stelle explizit auf eingetroffene Vertragsflüche bezieht und sich dabei auch formal eng an die aramäischen Nichtigkeitsflüche anlehnt. Der assyrische König Assurbanipal schildert in einem Brief an den Gott Assur die Not der vertragsbrüchigen arabischen Stämme, gegen die er von Damaskus aus militärisch vorgegangen war (VAT 5600+) :[3]

„(10) Alle die Flüche, die im Eid(estext) (11) unter Nennung meines Namens und (der Namen) der Götter, deiner Kinder, geschrieben stehen, (12) bestimmtest du ihnen genauso als schlimmes Geschick: (13) Ein Kamelfohlen, ein Eselfohlen, ein Kalb, ein Lamm (14) mochten an sieben Milchtieren saugen und (15) konnten doch ihren Bauch an Milch nicht sättigen. (16) Die Leute in Arabien (17) fragten einander gegenseitig: (18f.) ,Weshalb ist [Arabien] ein solches Un[heil widerfahren?]' - (20) ,Weil wir [die großen] E[ide bei Assur nicht gehalten,] (21) [uns] gegen die Güte A[ssurbani]pals, (22) [des Königs na]ch dem Herzen Ellils, [vergan]gen haben!'"

Da es sich um einen Bericht handelt, steht die Protasis im Gegensatz zu den aramäischen Nichtigkeitsflüchen im Indikativ. Die Apodosis (-ma sizbu la usabbü karassun) zeigt aber die formal konstitutiven Elemente Konjunktion (-ma) und Negation (la) + Präsens, die dem w'l im Aramäischen entsprechen. H. U. Stey- mans stellt treffend fest: „Besser könnte man die westsemitische Form derfutility curses im Akkadischen kaum wiedergeben."[4] Da der an dieser Stelle gemeinte arabische Qedar-Stamm in der syrischen Wüste in Nachbarschaft zu den Ara- mäern lebte, ist eine Vermittlung der aramäischen Nichtigkeitsflüche über die arabischen Stämme in die akkadische Literatur gut vorstellbar.[5] Aus den bisher besprochenen aramäischen und akkadischen Beispielen geht hervor, dass die dort bezeugten Nichtigkeitsflüche thematisch auf den Bereich von Fruchtbarkeit und Nachkommenschaft begrenzt sind, wobei vor allem der Sättigungsverlust thematisiert wird, der somit ein konstitutives Element dieser Flüche darstellen
[HR=3][/HR]
[1] Auch nach Steymans bezeugt das Fehlen der Antithesen im assyrischen Text „unterschiedliche Fluchstile" (a.a.O., 160, Anm. 1).
[2] Vgl. dazu S. 286f.
[3] Zitiert nach Weippert, Kämpfe, 82; vgl. auch a.a.O., 76.
[4] Steymans, Deuteronomium 28, 183.
[5] Vgl. ebd.

dürfte.[1]

Nun verbindet, wie T. Podella aufzeigen konnte,[2] das Motiv des Essens, ohne satt zu werden, die aramäischen Nichtigkeitsflüche mit dem hethitischen Vorstellungskomplex vom Verschwinden und der Wiederkehr einer Gottheit. Das prominenteste Beispiel ist der Mythos vom Vegetationsgott Telipinu, der bereits der protohattischen Mythologie entstammen dürfte.[3] Sein Verschwinden bewirkt in der Götter-, Menschen- und Tierwelt eine Notzeit, die darin besteht, „dass vitale Lebensäußerungen ihre Wirkung verlieren: Essen und Trinken führen nicht zur Sättigung; der Fortpflanzungsakt bringt keine Nachkommen."[4] Der folgende Abschnitt aus dem Telipinu-Mythos schildert anschaulich die AusWirkungen der Notzeit:[5]

„Telipinu ist fortgegangen: Korn, Fruchtbarkeit^), Wachstum, Gedeihen und Sättigung trug er mit sich fort - (hinaus) in Flur und Wiese, mit hinein ins Moor. [...] Nun wachsen Korn (und) Emmer nicht mehr; Rinder, Schafe (und) Menschen begatten sich nicht mehr. Und (selbst) jene, die bereits geschwängert/trächtig sind, gebären nicht. Die Berge vertrockneten, die Quellen trockneten aus, und im Lande entstand eine Hungersnot. Menschen und Götter kommen durch Hunger um."

Später heißt es dann:[6]

„Die große Sonnengöttin bereitet ein Fest; und sie rief die 1000 Götter zu sich; sie aßen, sättigten sich aber nicht, sie tranken - berauschten sich aber nicht."

Die zuletzt genannten Antithesen bieten mit der Konjunktion nu und der Negation UL in der Apodosis[7] im Wesentlichen den Bauplan der späteren aramäischen Nichtigkeitsflüche. Ein Unterschied besteht lediglich darin, dass das Schema hier nicht in Fluchform, sondern als Schilderung einer bestehenden Notzeit in Erscheinung tritt. Entscheidend ist aber, dass in den Antithesen des Telipinu-Mythos das Motiv des Essens, ohne satt zu werden, eine wichtige Rolle spielt. Von daher ist die Vorgeschichte der aramäischen Nichtigkeitsflüche mit Podella
[HR=3][/HR]
[1] Vgl. Podella, Notzeit-Mythologem, 436, der nach einem Vergleich der alttestamentlichen Nichtigkeitsflüche mit denen aus der Umwelt des Alten Testaments feststellt: „Thematisch sind die Beispiele aus der Umwelt auf den Vorgang des Trinkens beim Stillen und Säugen und auf Aussaat und Ernte begrenzt, so dass hier sehr viel stärker als in den alttestamentlichen Belegen der Kontext von Fruchtbarkeit und Nachkommenschaft hervortritt."
[2] Vgl. a.a.O., 427-254.
[3] Vgl. dazu von Schuler, Notzeit, 189; die älteste Fassung des Mythos befindet sich in der mit- telhethitischen Abschrift einer althethitischen Tafel, vgl. Haas, Geschichte, 708.
[4] Podella, Notzeit-Mythologem, 439.
[5] Zitiert nach Haas, Geschichte, 709. - Das mit dem Thema Sättigungsverlust verwandte Motiv der Unfruchtbarkeit erscheint etwa in einer Fluchformel in einem der so genannten Kaskäer- Verträge (CTH 139), die wie folgt lautet: „Wenn ihr die Eide brecht, [sollen] sich eure Rinder, eure Schafe (und) die Menschen nicht fortpflanzen. Und die Eidgötter sollen euch eure Söhne in eurem Herzen fressen." (von Schuler, Kaskäer, 111).
[6] Haas, Geschichte, 710. - Der Sättigungsverlust ist im Übrigen nach der Wiederkehr der Gottheit aufgehoben: „(Die Götter) aßen und [sättigten sich], auch tranken sie [und berauschten sich]" (a.a.O., 719).
[7] Vgl. zum hethitischen Text Otten, Überlieferungen, 15.

wohl am wahrscheinlichsten im hethitischen Notzeit-Mythologem zu suchen.[1] An Überzeugungskraft gewinnt diese These zusätzlich durch die in ihrem Bekanntheitsgrad wachsende hieroglyphen-luwische Überlieferung der späthethitischen Nachfolgestaaten Nordsyriens. Texte aus Tabal, die Anklänge an das hethitische Notzeit-Mythologem zu erkennen geben, deuten nach M. Hutter darauf hin, „dass dieses Motiv als luwische Tradition auch im 1. Jt. bekannt war".[2] In einer Segensformel heißt es:[3] [4]

„Zu Tuwatis sollen diese Götter gut kommen, ihm sollen sie zu essen und zu trinken sowie Leben für seine Person geben; lange Tage sollen ihm alle diese Götter geben."

Die zweite für die traditionsgeschichtliche Fragestellung relevante Fluchgattung sind die Vergleichsflüche oder Zeremoniellen Flüche .271 Sie wurden ursprünglich im Zusammenhang einer auf dem Prinzip des Analogiezaubers basierenden Symbolhandlung ausgesprochen,[5] die den Vereidigten auf drastische Weise die Folgen einer Verletzung der Eide vor Augen führte. In den Sfire-Inschriften erinnert lediglich das Demonstrativum an eine im Hintergrund stehende demonstratio ad oculos,[6] wenn es etwa heißt (Sf I A: 37f):

„Wie ('ykh zy) dieses Wachs (('wt') im Feuer verbrennt, so (kn) verbrenne Ma[ti'-'el im Feu]er."

Die größte formale wie inhaltliche Nähe der Vergleichsflüche in den Sfire- Inschriften besteht zu Ritualflüchen in hethitischen Treueiden und Verträgen.[7] Die eindrücklichsten Belege befinden sich in den Militärischen Eiden, deren erster in die mittelhethitische Zeit datiert.[8] Dort heißt es etwa (Vs. I 47-II 4):[9]

„Dann legt er (sc. der vereidigende Priester) ihnen Wachs und Schaffett in die Hände, wirft es dann in die offene Flamme und spricht: ,Wie (ma'han) dieses Wachs schmilzt, das Schaffett aber zerläuft, so soll nun, wer auch immer diese Eide übertritt und sich gegen den [König des Lande]s Hatti hinterhältig beträgt, wie Wachs schmelzen, wie Schaffett aber soll er zerlaufen!' Jene aber sprechen: ,Das soll (so) sein!'"

Hier ist der eigentliche Fluch noch ganz in den Zusammenhang der demonstratio
[HR=3][/HR]
[1] Vgl. Podella, Notzeit-Mythologem, 438-446; vgl. auch Grätz, Wettergott, 84-89. Wenn Steymans, Deuteronomium 28, 183f, die traditionsgeschichtliche Herleitung der Gattung der Nichtigkeitsflüche von der hethitischen Tradition aufgrund eines mittelbabylonischen Belegs ablehnt, so ist dagegen zu betonen, dass in den dort verzeichneten Flüchen das für die aramäischen Nichtigkeitsflüche ganz elementare Motiv des Essens, ohne satt zu werden, fehlt.
[2] Hutter, Widerspiegelungen, 433.
[3] Zitiert nach Hutter, Widerspiegelungen, 433.
[4] Hillers, Treaty-Curses, 18, spricht von „simile curses", Parpola/Watanabe, Treaties, XLII, gebrauchen die Bezeichnung „ceremonial curses".
[5] Vgl. dazu Haas, Magie, 244f, der die von einem Ritual begleiteten Flüche unter „manipulierte Analogien mit Kontiguitätsbeziehung" verbucht.
[6] Vgl. Hillers, Treaty-Curses, 19, der das Demonstrativpronomen für seine Untergruppe „ritual or ceremonial curses" verbindlich macht, da es anzeigt, „that the object was present and was handled in some sort of ritual (at least when the curse was first composed)".
[7] Zu Vergleichsflüchen in einem Staatsvertrag vgl. z.B. HDT 6A § 15.
[8] Vgl. Giorgieri, Treueide, 338.
[9] Oettinger, Eide, 8f.

ad oculos gestellt. Zugleich zeigt die dem Fluch folgende Zustimmung der Vereidigten, dass die Symbolhandlung einen Drohritus der Selbstverfluchung darstellt.

Flüche in Form von Vergleichssätzen sind auch im neuassyrischen EST vertreten, wobei der Vergleich mit der Verbindung ki sa eingeleitet wird, der im Aramäischen die Verbindung 'yk zy entspricht.[1] § 89 lautet entsprechend:[2]

„Wie (ki sa) eine Figur aus Wachs im Feuer verbrannt wird ..., so (ki) mögen sie eure Gestalt im Feuer verbrennen."

Die formal wie inhaltlich enge Beziehung zu den etwas älteren aramäischen Flüchen lässt nach wie auch immer zu bestimmenden Abhängigkeiten fragen. Drei Beobachtungen sprechen für die schon von K. Watanabe in ihrer einschlägigen Arbeit zum EST vorgetragene These, nach der die Vergleichsflüche in der neuassyrischen Vertragsrechtstradition sekundär und zudem von der westlichen Fluchtradition abhängig sind:[3] Erstens haben Vergleichsflüche in der mesopotamischen Literatur kaum Vorbilder.[4] Zweitens stehen im EST die Vergleichsflüche vorwiegend in assyrischer Sprache, wohingegen die traditionellen Flüche ohne Vergleich in der üblichen babylonischen Literatursprache verfasst sind,[5] ganz so, als sollte das der eigenen Tradition fremde auch sprachlich als Novum gekennzeichnet werden. Drittens häufen sich im Bereich der Vergleichsflüche die Aramaismen,[6] was kaum ein Zufall sein wird. Da Vergleichsflüche in der neuassyrischen Vertragsrechtstradition sonst nur noch in dem Vertrag Assur- neräris mit dem Aramäer Mati'-'el von Arpad Vorkommen und auch andere neuassyrische Vasallenverträge offenkundig lokale Traditionen der Vasallenstaaten aufgenommen haben,[7] könnte die Vermittlung der Vergleichsflüche über eben solche mit Aramäerstaaten geschlossene Verträge geschehen sein.


[HR=3][/HR]
[1] Vgl. Fitzmyer, Inscriptions, 92.
[2] Watanabe, ade-Vereidigung, 172f.
[3] A.a.O., 33f; vgl. auch Grätz, Wettergott, 80-82.
[4] Vgl. Streck, Flüche, 181, mit dem Hinweis, „dass Vergleichsflüche in der mesopotamischen Fluchtradition anscheinend keine große Rolle spielen, mithin literarische Vorbilder in der Regel fehlen". Ebd., Anm. 28, führt Streck den Nergalfluch aus dem Codex Hammurapi als Beleg für einen Vergleichsfluch in der mesopotamischen Fluchtradition an. Allerdings ist zu beachten, dass die hethitischen wie später auch die aramäischen und akkadischen Vergleichsflüche stets ohne ein göttliches Subjekt auftreten.
[5] Vgl. Watanabe, ade- Vereidigung, 33, und die Feststellung a.a.O., 44: „Bemerkenswert ist, dass die Flüche, die aus dem Westen zu stammen scheinen, in neuassyrischer Sprache abgefasst sind."
[6] Vgl. a.a.O., 204; vgl. zu dieser Beobachtung schon Grätz, Wettergott, 82.
[7] Auch der Vertrag Asarhaddons mit Baal von Tyrus (SAA II 5) gibt, insbesondere in den Fluchformeln, westliches Lokalkolorit zu erkennen, wenn es etwa heißt: „So mögen Baal-sameme, Baal-malage und Baal-Saphon einen bösen Wind sich gegen eure Schiffe erheben lassen, ihr Schiffstau lösen, ihren Schiffspfahl herausreißen ." (Borger, TUAT I, 159 [Kol. IV Z. 10'-12']). Vgl. dazu auch Radner, Handelspolitik, 160f, Anm. 31.

Für den westlichen Ursprung der von einer demonstratio ad oculos begleiteten Vergleichsflüche spricht schließlich auch, dass allein im Westen entsprechende Selbstverfluchungsriten auf die Vertragsterminologie eingewirkt haben. So stehen aramäisch gzr 'dy „einen Vertrag schneiden" und hebräisch krt bryt „einen Bund schneiden" idiomatisch für „einen Vertrag schließen".[1] Die terminologischen Übereinstimmungen zwischen den idiomatischen Formeln einerseits und den Symbolhandlungen andererseits verraten den Zusammenhang: Nachdem in den Vertragstexten von Sfire in I A: 7 davon die Rede war, dass Bar-ga'yah den vorliegenden Vertrag geschnitten hat (gzr 'dy), heißt es in einem Vergleichsfluch (Sf I A: 39f):

„[Und wie] dieses Kalb zerschnitten wird (ygzr), so werde zerschnitten (ygzr) Mati'-'el und werden zerschnitten (wygzrn) seine Großen."

Ganz entsprechend kann für das Alte Testament auf die Formel krt bryt „einen Bund schneiden" im Zusammenhang mit einem Selbstverfluchungsritus in Jer 34,18 verwiesen werden, wo es heißt:

„Ich mache die Männer, die meinen Bund (bryty) übertreten und die Worte des Bundes (dbry hbryt), den sie vor mir geschnitten hatten ('sr krtw Ipny), nicht gehalten haben, dem Kalb gleich,[2] das sie in zwei Hälften zerschnitten haben ('sr krtw lsnym) und zwischen dessen Stücken sie hindurchgegangen sind."[3]

2.4.4 Die Vertragsbestimmungen

Die Vertragsbestimmungen der Inschriften von Sfire sind von W. Morrow unter formalen und stilistischen Gesichtspunkten analysiert worden.[4] Textgrundlage der formgeschichtlichen Beschreibung sind die Bestimmungen in Sf I B: 21ff, Sf II B: 5ff und Sf III: 1ff. Die aufgezählten Vertragsbestimmungen bestehen aus aneinander gereihten, aber freistehenden Einheiten. Die in Form von Wenn-Dann-Satzgefügen stilisierten Paragraphen werden jeweils durch die Konditionalpartikel hn „wenn" eingeleitet und durch eine so genannte Repressionsformel abgeschlossen, die meist folgendermaßen lautet:[5]


[HR=3][/HR]
[1] Vgl. auch Tadmor, Treaty, 137: „Thus, the idiom ,to cut a covenant' would be an isogloss that separates the western from the eastern, or Mesopotamian, treaty terminology in which compacts were ,bound' or ,established' but never ,cut'." Vgl. zu phönizisch krt }lt a.a.O., 136.
[2] Vgl. zu dem grammatischen Problem, das MT an dieser Stelle mit h'gl an Stelle von k'gl bereitet, McKane, Jeremiah II, 873.
[3] Vgl. Haase, Deuteronomium, 71f, zu einem vergleichbaren hethitischen Ritual, das - sollte das fragmentarisch überlieferte Ritual mit einer Vereidigung in Zusammenhang stehen - eine brauchbare Parallele zu Jer 34,18 darstellen würde. Ob auch die in der Mari-Literatur erscheinende idiomatische Formel hayarum qatalum „einen Esel töten" auf einen Ritualfluch zurückgeht, oder nicht eher einen Bundesratifikationsritus darstellt, bleibt dagegen umstritten; vgl. Hasel, trk, 366.
[4] Morrow, Sefire Treaty.
[5] Vgl. z.B. Sf III 4; Morrow, Sefire Treaty, 84, bezeichnet die die Paragraphen abschließende Formel im Anschluss an Kestemont („clause repressive") als „repression formula" (ebd., Anm. 5); die Formel wird durch die Wendung whn lhn eröffnet, die Fitzmyer, Inscriptions, 113, mit „and if not so" wiedergibt.

„... wenn nicht (whn Ihn), dann seid ihr eidbrüchig gegenüber allen Vertragsgöttern, die in dieser Inschrift stehen."

In den Stipulationen der neuassyrischen Verträge bilden die gesuchten Merkmale die Ausnahme. Vorherrschend ist ein anderes Prinzip, das Parpola wie folgt erläutert:[1]

„Typologically, the attested stipulations fall into declarations, demands, injunctions, obligations, commands and prohibitions, and they are usually phrased in the form of sentences beginning with the particle summa and ending in a subjunctive predi- cate."

Neben diesen in Eidesform stilisierten Stipulationen begegnen vereinzelt Sätze im Indikativ:[2]

„„Normal' main clauses with indicative predicates are interspersed among the subjunctive ones, but they form a clear minority."

Lediglich in zwei Verträgen erscheinen dabei durch summa „wenn" eingeleitete Sätze im Indikativ, die eindeutig als Konditionalsätze zu bestimmen sind. Zum einen in Asarhaddons Vertrag mit Baal von Tyrus (SAA II 5), in dem sich trotz des schlechten Erhaltungszustandes der Stipulationen in III 6-14 eine Reihe von summa-Sätzen im Indikativ erschließen lässt, die Protasen zu den eigentlichen Bestimmungen darstellen und damit eindeutig als Konditionalsätze zu interpretieren sind. Zum anderen im EST (SAA II 6). Auch hier begegnen summaSätze im Indikativ, die eindeutig als Konditionalsätze aufzufassen sind.[3] Da die recht seltenen konditionalen summa-Sätze im Indikativ im EST über das gesamte Dokument verteilt erscheinen, kommt es im Gegensatz zu den Sfire-Inschriften jedoch zu keinerlei Reihenbildung. Die Beobachtung, dass es keine weiteren Beispiele für zweifelsfreie Konditionalsätze in Verträgen gibt, entspricht der Einschätzung von Morrow: „By and large, the NA comparative group does not organize its contents in series of free-standing conditional constructions."[4] Der einzige Vertrag, der isolierte Konditionalsätze in Reihenbildung aufweist, ist demnach der Vertrag Asarhaddons mit Baal von Tyrus.[5] Eine den Stipulationen der Sfire-Inschriften vergleichbare Repressionsformel ist in neuassyrischen Verträgen nirgends belegt.

Die Stipulationen der hethitischen Verträge sind demgegenüber regelmäßig als Konditionalsätze formuliert. Die Protasis wird mit der Partikel man „wenn" eingeleitet.[6] Die Apodosis besteht in den meisten Fällen aus einer stereotypen Repressionsformel (istu mamiti itetiq „dann wirst du den Eid übertreten"[7]), die
[HR=3][/HR]
[1] Parpola/Watanabe, Treaties, XXXVIII.
[2] A.a.O., XXXVIIIf.
[3] Vgl. dazu Streck, Flüche, 188, sowie S. 88 in der vorliegenden Arbeit.
[4] Morrow, Sefire Treaty, 86.
[5] Aus dem Rahmen fällt SAA II 2, ein Vertrag, der auf die Stipulationen jeweils sofort einen Fluch folgen lässt.
[6] Vgl. dazu Friedrich, Staatsverträge II, 144.
[7] Vgl. McCarthy, Treaty, 60. vgl. zu hethitischen Belegen für die Repressionsformel a.a.O., 103, Anm. 57.

allgemein das Übertreten der Eide ankündigt. Gelegentlich folgt als Apodosis eine konkrete Bestimmung. Längere Reihen von konditionalen Satzgefügen finden sich vor allem in den syro-hethitischen Verträgen,[1] die auch am ehesten als Kontaktmedien im Hinblick auf die nordsyrischen Aramäer in Frage kommen. Ein Vergleich zweier Paragraphen über die Auslieferung von Flüchtlingen aus einem syro-hethitischen Vertrag illustriert die formale Nähe der Stipulationen der Sfire-Inschriften zur hethitischen Tradition.

Vertrag mit Duppi-Tessup von Amurru § 13[2]
Sfire-Vertrag III 4-7[3]
„... wenn mir 40von diesen Gefangenen jemand entläuft und er zu dir 41hinkommt und du ihn nicht ergreifst 42und ihn dem König des Landes 'atti nicht zurückgibst 43und vielmehr folgendermaßen zu ihm sprichs[t: ,Auf,] geh, 44wohin du geh[en will]st; ich aber mag dich nicht 45ken- nen', so verletzest du die Eide." „Und wenn mir ein Flüchtling entflieht . und sie nach Aleppo gehen, dann hast du sie nicht mit Nahrung zu versorge[n] und nicht zu ihnen zu sagen: ,Bleibt ruhig an eurem Ort!' und nicht 6ihre Partei gegen mich zu ergreifen, vielmehr hast du sie zu begütigen und sie zu mir zurückzubringen . Wenn du aber ihre Partei 7ge- gen mich ergreifst und sie mit Nahrung versorgst und zu ihnen sagst: ,Bleibt wo ihr seid und kehrt nicht zu seinem Gebiet zurück!' so seid ihr eidbrüchig gegen diese Verträge."

Als Differenz bleibt lediglich festzuhalten, dass in den Stipulationen der Sfire- Inschriften die Apodosis nicht wie in der Regel in den hethitischen Verträgen mit der Repressionsformel identisch ist, sondern meist aus einer konkreten Bestimmung besteht, auf die dann erst am Ende einer thematischen Einheit die Repressionsformel folgt.

Neben dem Aufbau der Vertragsbestimmungen kann auch deren Sprachregelung ein weiterer Baustein für die traditionsgeschichtliche Verortung der Inschriften sein. In den Stipulationen der Sfire-Inschriften spricht der Vertragsherr Bar-ga'yah in der 1. Pers. Sg., während die Anrede des unterlegenen Mati'-'el in der 2. Pers. Sg. erfolgt. Lediglich die Repressionsformel erscheint in der Regel in pluralischer Anrede - vielleicht um klarzustellen, dass die Sanktionen bei Vertragsbruch auch die Untertanen des Mati'-'el treffen werden. Ein Blick auf das Korpus der neuassyrischen Vasallenverträge und Treueide zeigt, dass die Sprachregelung dort einigermaßen flexibel gehandhabt werden konnte. Während der assyrische Vertragsherr zwar immer in der 3. Pers. Sg. auftritt, können im Anschluss an A. K. Grayson hinsichtlich der Anredeform drei Gruppen
[HR=3][/HR]
[1] Vgl. etwa die Wenn-Dann-Satzgefüge in den §§ 3-6 und 9-15 des Vertrags zwischen Suppiluliuma und Aziru von Amurru (HDT 5).
[2] Friedrich, Staatsverträge I, 19.
[3] Rössler, TUAT I, 187.

unterschieden werden. Von Belang ist hier in erster Linie die Gruppe, in der die Adressaten wie in den Sfire-Inschriften in direkter Rede angesprochen werden:[1]

„In these texts the superior party is in the third person and imposes the ade upon the inferior party who is in the second person and enjoined under oath to observe various injunctions."

Von den 14 in SAA II zusammengestellten Texten gehören ihr die Hälfte, nämlich SAA II 3, 5, 6, 8, 10, 12 und 13, an.[2] Davon haben SAA II 3, 6, 8, 10 und 12 eine pluralische Anrede. Allein Asarhaddons Vertrag mit Baal von Tyros (SAA II 5) sowie ein sehr schlecht erhaltener Vasallenvertrag (SAA II 13) stimmen mit den Vertragsbestimmungen der Sfire-Inschriften in der Anrede überein.[3] Festzuhalten bleibt aber, dass der assyrische Großkönig an keiner Stelle wie der Aramäer Bar-ga'yah in der 1. Pers. Sg. in Erscheinung tritt. In den hethitischen Vasallenverträgen ist hinsichtlich der Sprachregelung in den Stipulationen eine größere Homogenität zu beobachten. Die Regel ist, dass der hethitische Großkönig von sich in der 1. Pers. Sg. spricht und den Vasallen in der 2. Pers. Sg.


[HR=3][/HR]
[1] Grayson, Treaties, 131. In der zweiten und dritten Gruppe erscheinen entweder Großkönig und Vasall in der 3. Person (SAA II 11 und 14) oder der Großkönig in der 3. (Grayson spricht hier irrtümlich von der 2. Pers., vgl. ebd.) und die Vasallen in der 1. Person (SAA II 9). Bei der zweiten Gruppe handelt es sich nach Grayson womöglich um „an archival copy of a treaty" (ebd.).
[2] SAA II 2 ist hinsichtlich der Sprachregelung uneinheitlich. In den Kolumnen III und V ist ebenfalls gelegentlich die Anrede in der 2. Pers. Sg. bezeugt. Auch Text 4 bietet in 12ff vom Kontext abweichend die 2. Pers. Sg.
[3] Angesichts der geringen Anzahl an erhaltenen Tafeln, muss offen bleiben, ob die beiden Verträge die in assyrischen Vasallenverträgen gebräuchliche Anredeform spiegeln.

anredet, wobei dieser gelegentlich namentlich genannt werden kann.[1] Verträge mit Personenmehrheiten zeigen demgegenüber die pluralische Anrede (z.B. im Ismeriga-Vertrag).[2] Die Inschriften von Sfire folgen bei der Sprachregelung in den Stipulationen folglich nicht den assyrischen, sondern den hethitischen Vasallenverträgen.

Zusammenfassend ist zu sagen, dass eine assyrische Herkunft der genannten formalen Elemente wenig wahrscheinlich ist. Reihen von freistehenden Wenn- Dann-Satzgefügen sowie eine singularische Anrede der Vereidigten sind im neuassyrischen Vertragskorpus selten und begegnen gemeinsam nur im Vertrag Asarhaddons mit Baal von Tyrus, wohl nicht zufällig einem Vertrag mit einem westlichen Herrscher;[3] das Auftreten des Vertragsherrn in der 1. Pers. Sg. sowie eine die einzelnen Stipulationen abschließende Repressionsformel fehlt hingegen im neuassyrischen Vertragskorpus völlig. Alles in allem dürften sich die Vertragsbestimmungen der Inschriften von Sfire formal somit der hethitischen Vertragsrechtstradition verdanken, mit der sie größtenteils konform gehen.[4]

Die Stipulationen der Inschriften von Sfire stehen der hethitischen Tradition aber auch inhaltlich nicht fern.[5] So begegnen aus hethitischen Vasallenverträgen vertraute Bestimmungen über militärische Hilfe (I B: 26-33), die Versorgung (der Truppe?) (I B: 33ff), „böse Worte" (III: 1-4), die Auslieferung von Flüchtlingen (III: 4-7; 19-21) Usurpationsversuche (III: 9-19), Nichteinmischung in innere Angelegenheiten (III: 21-23) und territoriale Ansprüche (III: 23ff).[6] Die Tatsache, dass sich in dieser Hinsicht mehr Gemeinsamkeiten zu hethitischen als zu assyrischen Vasallenverträgen auffinden lassen, mag freilich auch an der schmaleren Quellenbasis der assyrischen Texte liegen; denn in den ohnehin vergleichsweise wenigen überkommenen assyrischen Vasallenverträgen sind oft gerade die Stipulationen schlecht erhalten.308 Bei zwei der in den Stipulationen vorkommenden Themen scheint mir der hethitische Einfluss jedoch offenkundig zu sein.


[HR=3][/HR]
[1] Vgl. HDT 3; 5; 6A; 7; 8; 9; 10; 11; 12; 13; 16; 17; 18B. Dabei kommt es in HDT 6A, 7, 16 und 18B gelegentlich zu einem Wechsel in die 3. Pers. Sg.
[2] Daneben gibt es auch hier einige wenige Verträge, in denen vom Vasallen durchgängig in der 3. Pers. Sg. die Rede ist, vgl. z.B. HDT 18C.
[3] Vgl. Morrow, Sefire Treaty, 87: „The fact that this document is from the western part of the neo-Assyrian empire should not be overlooked."
[4] Dass die traditionsgeschichtlichen Wurzeln der Vertragsbestimmungen der Sfire-Inschriften im Westen zu suchen sind, vermutet auch Morrow: „[W]e must assume that in the composition of its treaty stipulations the scribes of Sefire made use of a non-Assyrian tradition which is best attested in the western part of the fertile crescent." (a.a.O., 89)
[5] So schon McCarthy, Treaty, 103.
[6] Vgl. zu den Vasallenpflichten in hethitischen Verträgen Korosec, Staatsverträge, 66-89.

Erstens: In Sf I B: 24f taucht inmitten der Stipulationen[1] ein Konditionalsatzgefüge auf, das sich dem Inhalt nach wie eine Segensformel ausnimmt. Denn während die vorangehende sowie die nachfolgenden Stipulationen jeweils verbotene Aktionen des Mati'-'el aufführen und mit einem Hinweis auf den mit diesen einhergehenden Vertragsbruch, eben der Repressionsformel, schließen, verspricht in Sf I B: 24f der überlegene Bar-ga'yah dem gehorsamen Mati'-'el den Schutz seiner sowie seiner Nachkommen Herrschaft:[2]

„24[Wenn du aber hörst ...] ... diese Verträge und sagst: ,[Ich] bin ein Vertragsmann!' [dann kann ich meine] 25[Hand nicht] gegen dich [erheben] (sl" yd b),[3] und mein Sohn kann die Hand nicht gegen [deinen] Sohn erheben, und meine Nachkommenschaft (nicht) gegen [deine] Nachkommenschaft."

Obwohl auch die gehorsamen Vasallen des assyrischen Großkönigs in Notlagen auf assyrische Hilfe hoffen durften,[4] sucht man eine vergleichbare Sicherheits- garantie[5] in assyrischen Vertragstexten vergebens. Ganz anders ist der Befund in den hethitischen Vasallenverträgen. Im 'uqqana-Vertrag findet sich eine entsprechende Klausel in § 6:[6]

„And if you always behave well and benevolently protect My Majesty, then I, My Majesty, will later act favorably in regard to your sons, and my son will benevolently protect your sons. I, My Majesty, will protect you."

Wie in den Sfire-Inschriften gilt auch in dem hethitischen Vertrag der zugesicherte Schutz sowohl dem angeredeten Vasallenkönig selbst als auch dessen Thronfolger(n). Eine bemerkenswerte Gemeinsamkeit ist sodann, dass auch in dem hethitischen Vertrag die Klausel nicht im Zusammenhang mit der obligatorischen Segensformel am Vertragsende, sondern im Bereich der Stipulationen erscheint, die sie allerdings beschließt. Es scheint somit, als handele es sich bei der Sicherheitsgarantie um eine den übrigen Stipulationen gleichwertige Verpflichtung des Oberherrn gegenüber seinem Vasallen. Im Anschluss an die Garantie folgt eine Art Überleitung zur Götterliste:[7]

„I have now placed these words under oath for you, and we have now summoned the Thousand Gods to assembly in this matter."

Nach der überzeugenden Interpretation von A. Altman ergibt sich aus der Erklärung des hethitischen Königs, er habe „diese Worte" - nämlich die vorangehenden Stipulationen samt der Sicherheitsgarantie - für den Vasallen mit einem
[HR=3][/HR]
[1] Abzulesen daran, dass in I B: 23 eine die einzelnen Stipulationen abschließende Repressionsformel vorangeht und in I B: 27f eine weitere folgt.
[2] Rössler, TUAT I, 183.
[3] So nach Sf II B: 6 rekonstruiert. Vgl. zu Bedeutung und Parallelen der Formel sl" yd b „die Hand erheben gegen .." Tawil, Notes, 32-37.
[4] Vgl. dazu o. S. 45.
[5] Steymans, Deuteronomium 28, 175, spricht von „menschliche[n] Wohlwollensäußerungen".
[6] HDT 3 § 6.
[7] Ebd.

Eid abgesichert, dass dieser selbst wie der Vasall einen Eid geleistet hat.[1]

„In such a case, we would have to understand the words ,for you' not as meaning that it should be ,your oath' but rather that this oath (taken by both sides) will be both to ,your advantage and disadvantage'."

Diese Interpretation, nach der auch der Oberherr einen Eid zu leisten hatte, hat Anhalt sowohl an der Fluchformel[2] desselben Vertrags als auch an zahlreichen anderen Stellen in hethitischen Vasallenverträgen.[3] Ob nun die Sicherheitsgarantie in Sf I B 24f auch bei den Sfire-Inschriften auf einen Eid des Oberherrn schließen lässt, wage ich mangels weiterer Indizien in den Sfire-Inschriften nicht zu beantworten. In jedem Fall stellt aber die in neuassyrischen Verträgen nicht belegte Sicherheitsgarantie eine weitere Nahtstelle zu den hethitischen Verträgen dar, die im Gegensatz zu den assyrischen Texten neben den negativen stets auch die positiven Folgen für den Vasallen aufzeigen.

Zweitens: Der erste Paragraph der dritten Stele regelt das Verfahren mit politischen Gegnern, die „böse Worte" gegen Bar-ga'yah oder seine Nachkommen reden (Sf III: 1-4). Es heißt dort:[4]

„<Und wenn irgendeiner zu dir kommt> ... und [ge]gen mich re[d]et (wymll cly) ..., oder gegen meine Nachkommenschaft, ebenso wenn irgend jemand 2kommt, der Zuflucht sucht und böse Worte über mich redet (wymll mln l"yt l'ly) [...], darfst du die Worte nicht von ihm annehmen ."

Hinter der Formel mll mln l"yt lcl „böse Worte reden gegen ..." steht die sich magischem Denken verdankende und aus der altorientalischen Beschwörungsliteratur bekannte Vorstellung vom „bösen Wort". V. Korosec hat diesen Vorstellungskomplex in den hethitischen Staatsverträgen untersucht und festgestellt, dass dort mit der Terminologie des „bösen Wortes" nicht nur jede Form der Beleidigung des Großkönigs bezeichnet wird, sondern auch die Tatbestände der Empörung und des feindlichen Einfalls, die sich in den Dokumenten auch terminologisch differenzieren lassen.[5] Der häufige und terminologisch differenzierte Gebrauch der Vorstellung vom „bösen Wort" in den hethitischen Vasallenverträgen, in denen mit der Terminologie handfeste politische Tatbestände bezeichnet werden, spricht für die Annahme, dass die in Sf III: 1-4 bezeugte Bestimmung über den Umgang mit Menschen, die „böse Worte" gegen den Vertragsherrn reden, ebenfalls ein Erbe der hethitischen Vertragsrechtstradition darstellt.

Die hethitische Vorstellung vom „bösen Wort" hat von dort aus vielleicht
[HR=3][/HR]
[1] Altman, Oath, 179.
[2] „But if you in any way do evil, then I, My Majesty, will treat you badly. I, My Majesty, shall be free from this oath before the gods." (HDT 3 § 36)
[3] Vgl. Altman, Oath. Die These, dass der Oberherr in hethitischen Vasallenverträgen ebenfalls einen Eid ablegte, dürfte ein neues Licht auf Texte wie Gen 15 oder die so genannte Bundesformel Dtn 26,16f werfen.
[4] Rössler, TUAT I, 186.
[5] Vgl. Korosec, Staatsverträge, 78f.

auch Eingang in neuassyrische Vertragstexte gefunden. Den aramäischen Wendungen mll 'l und mll mln l"yt l'l „böse Worte reden gegen ..." in Sf III: 1-4 entsprechen im Akkadischen die Formeln ina muhhi PN dababu und amat le- mutti qabu,[1] die u.a. in EST § 10 und 57 begegnen. Das Nebeneinander von abutu la —abtu „böse Worte" und verschiedenen Termini für „Aufstand" (z.B. bartu) zeigt,[2] dass die Terminologie vom „bösen Wort" im EST wie in den hethitischen und aramäischen Verträgen den innenpolitischen Tatbestand der Empörung bezeichnet.

Neben den genannten assyrischen und hethitischen enthalten die Inschriften von Sfire fraglos auch genuin aramäische Elemente. Bemerkenswert ist in dieser Hinsicht ein stilistisches Proprium, auf das Morrow aufmerksam gemacht hat.[3] Es handelt sich um eine Infinitiv-Konstruktion, die dem ugaritischen und hebräischen infinitivus absolutus entspricht und der Verstärkung des verbum finitum dient.[4] Morrow hat gezeigt, dass der so genannte paronomastische Infinitiv in den Inschriften von Sfire gleich in dreifacher Gestalt begegnet:[5] bei Typ 1 erscheint der paronomastische Infinitiv „in an apodosis contrasting with the negative clause(s) beginning the apodosis"[6]; bei Typ 2 begegnet er dagegen in der Protasis „which contrasts with the negative commands in the apo- dosis of the preceding conditional structure"[7]; Typ 3 gibt im Gegensatz zu den vorangehenden Typen keinerlei kontrastierende Funktion zu erkennen; vielmehr erscheinen paronomastische Infinitive hier „as emphatic commands resuming a series of related instructions"[8]. Da auf zwei der von Morrow namhaft gemachten Verwendungsweisen im Zusammenhang der traditionsgeschichtlichen Analyse von Dtn 13 näher eingegangen werden soll,[9] genügt an dieser Stelle der Hinweis, dass eine vergleichbare Infinitivkonstruktion Morrow zufolge bislang in keinem weiteren altorientalischen Vertragstext nachgewiesen werden konnte. Von daher scheint es sich bei dem differenzierten Gebrauch innerhalb der Stipulationen der Sfire-Inschriften um eine spezifisch aramäische Verwendungsweise zu handeln.[10]


[HR=3][/HR]
[1] Vgl. Tawil, Hadad Inscription, 478 mit Anm. 19 u. 20.
[2] Vgl. z.B. EST § 16.
[3] Vgl. Morrow, Sefire Treaty, 89-96.
[4] Vgl. Segert, Grammatik, 390 (6.6.5.3.); Waltke/O'Connor, Introduction, § 35.3.1; vgl. auch Fitzmyer, Inscriptions, 144f und 212.
[5] Vgl. Morrow, Sefire Treaty, 89-91; Typ 1: III: 2 und 5f; Typ 2: III: 18; Typ 3: III: 12f und 13.
[6] A.a.O., 89.
[7] A.a.O., 90.
[8] Ebd.
[9] S. u. S. 148-150.
[10] Vgl. Morrow, Sefire Treaty, 96: „It appears that the emphatic infinitive constructions in Sefire represent a native rhetorical tradition which Old Aramaic shares with Canaanite but which it did not necessarily borrow."