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Kapitel 9 Schutz von Kulturgütern I. Allgemein

  1. Unter dem Begriff „Kulturgut" versteht man, unabhängig von Herkunft oder Besitz, bewegliche oder unbewegliche Gegenstände von großer Bedeutung für das kulturelle Erbe aller Völker (z. B. Denkmäler der Architektur, Kunst oder Geschichte, seien sie weltlicher oder religiöser Natur, archäologische Stätten und Sammlungen). ) (Art. 53 lit. a AP I; Art. 16 AP II; Art. l CultPropConv).​
  2. Neben diesem eigentlichen Kulturgut sollen auch eine Reihe indirekter Kulturgüter geschützt werden. Zu diesen indirekten Kulturgütern gehören:​
  • Gebäude zur Erhaltung oder Ausstellung von Kulturgütern (Museen, Archive usw.);​
  • Schutzhütten zur Unterbringung von Kulturgütern; Und​
  • Zentren mit Denkmälern, d. h. Zentren mit einer großen Menge an Kulturgütern (Art. l CultPropConv).​
Geschützte Kulturgüter in der Bundesrepublik Deutschland sind in regionalen Kulturgutverzeichnissen dokumentiert, die bei den Gebietskommandos erhältlich sind.
  1. Kulturgüter dürfen weder direkt noch indirekt zur Unterstützung militärischer Bemühungen verwendet werden. Gegen Kulturgut gerichtete feindselige Handlungen sind zu unterlassen (Art. 4 Abs. 1 CultPropConv).​
  2. Darüber hinaus sollen auch zivile Objekte, wie Kirchen, Theater, Universitäten, Museen, Waisenhäuser, Altenheime und andere Objekte, soweit möglich, geschont werden, auch wenn sie keinen historischen oder künstlerischen Wert haben (Art. 27 Abs 1 HaagerVO; Art. 5 HCIX).​
  1. Besondere Bestimmungen zum Schutz von Kulturgut
  1. Allgemeiner Schutz
  1. Der allgemeine Schutz gilt für alle Kulturgüter und bedarf keiner Eintragung in ein besonderes Register. Unter Allgemeinschutz stehendes Kulturgut darf weder angegriffen noch sonst beschädigt werden (Art. 53 AP I; Art. 16 AP II; Art. 4 Abs. 1 CultPropConv). Es ist auch verboten, Kulturgut, seine unmittelbare Umgebung und die zu seinem Schutz genutzten Geräte der Gefahr der Zerstörung oder Beschädigung auszusetzen, indem es für einen anderen als den ursprünglich vorgesehenen Zweck verwendet wird (Art. 4 Abs. 1 KultPropVerw).​
  2. Eine Ausnahme hiervon ist nur in Fällen zwingender militärischer Notwendigkeit zulässig (Art. 4 Abs. 2 CultPropConv). Die Entscheidung obliegt dem zuständigen Militärbefehlshaber. Auch Kulturgüter, die der Feind für militärische Zwecke nutzt, sollen soweit wie möglich geschont werden.​
  3. Die Konfliktparteien treffen ausreichende Vorkehrungen, um zu verhindern, dass Kulturgut für militärische Zwecke genutzt wird.​
Beispiel: Am 19. Juni 1944 wurden auf Anordnung der deutschen Behörden alle militärischen Einrichtungen aus Florenz entfernt, um zu verhindern, dass diese reichhaltige Kunststadt zum Kriegsschauplatz wird. Die breiten Alleen rund um die Stadt Florenz auf ihren ehemaligen Befestigungsanlagen galten als Grenze, die von Militärtransporten nicht überschritten werden durfte.
  1. Jeglicher Diebstahl, Plünderung, Unterschlagung, Beschlagnahme oder Vandalismus gegen Kulturgut sind verboten (Art. 4 Abs. 3 CultPropConv).​
  2. Es ist verboten, Kulturgut zum Gegenstand von Repressalien zu machen (Art. 52 Abs. l, 53 lit. c AP I; Art. 4 Abs. 4 CultPropConv).​
  1. Besonderer Schutz
  1. Die Vertragsparteien können eine begrenzte Anzahl von Kulturgütern unter besonderen Schutz stellen (Art. 9 CultPropConv).​
  1. Ein besonderer Schutz kommt nur für folgende Kulturgüter in Betracht (Art. 8 Abs. 1 CultPropConv):​
  • Zufluchtsorte, die Kulturgüter im Falle eines bewaffneten Konflikts beherbergen sollen;​
  • Zentren mit Denkmälern; Und
  • unbewegliches Kulturgut von sehr großer Bedeutung.​
  1. Besonderer Schutz wird unter folgenden Voraussetzungen gewährt:​
  • Das zu schützende Objekt muss sich in ausreichender Entfernung von einem großen Industriezentrum oder einem anderen wichtigen militärischen Ziel befinden, das besonders gefährdet ist (Flugplatz, Rundfunkstation, Rüstungsanlage, Hafen oder Bahnhof von relativer Bedeutung, kritische Flussüberquerung). oder Hauptkommunikationsweg) (Art. 8 Abs. 1 lit. a CultPropConv);​
  • das zu schützende Gut darf nicht für militärische Zwecke genutzt werden (Art. 53 lit. b AP I; Art. 16 AP II; Art. 8 Abs. 1 lit. b CultPropConv);​
  • Das zu schützende Gut ist in das vom Generaldirektor der UNESCO geführte Internationale Register für besonders geschütztes Kulturgut (Art. 8 Abs. 6 CultPropConv) einzutragen (Art. 12 – 16 RegEx CultPropConv). Auf Antrag der Bundesrepublik Deutschland wurde der im Breisgau (Hochschwarzwald) gelegene Oberrieder Stollen als zentrales Kulturgut-Schutzgebiet in dieses Verzeichnis eingetragen.​
  1. Auch ein Refugium für bewegliches Kulturgut kann unabhängig von seinem Standort unter besonderen Schutz gestellt werden, wenn es so gestaltet ist, dass es im Falle eines Angriffs aller Wahrscheinlichkeit nach nicht beschädigt wird. Das Gleiche gilt für den Fall, dass sich der um besonderen Schutz bittende Teil verpflichtet, im Falle eines bewaffneten Konflikts ein militärisches Objekt, das sich in der Nähe von Kulturgütern befindet, insbesondere im Falle eines Hafens, Bahnhofs usw., nicht zu nutzen Flugplatz, den gesamten Verkehr von dort umzuleiten (Art. 8 Abs. 2 und 5 CultPropConv).​
  2. Weder unter besonderem Schutz stehendes Kulturgut noch seine Umgebung dürfen für militärische Zwecke genutzt werden (Art. 9 CultPropConv).​
  3. Als militärisch genutzt gilt ein Denkmallager auch dann, wenn es für den Transport von Streitkräften oder militärischem Material, auch im Transit, genutzt wird. Gleiches gilt, wenn im Zentrum Tätigkeiten ausgeübt werden, die in unmittelbarem Zusammenhang mit militärischen Einsätzen, der Stationierung von Streitkräften oder der Produktion militärischen Materials stehen (Art. 8 Abs. 3 CultPropConv).​
  4. Die Bewachung von Kulturgütern durch besonders dazu ermächtigte bewaffnete Aufseher oder die Anwesenheit von Polizeikräften, die für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung sorgen, gelten nicht als Nutzung für militärische Zwecke (Art. 8 Abs. 4 CultPropConv).​
  5. Ausnahmsweise ist es zulässig, unter besonderem Schutz stehendes Kulturgut zum Angriffsobjekt zu machen, wenn Gründe einer unumgänglichen militärischen Notwendigkeit dies erfordern. Eine solche unvermeidbare militärische Notwendigkeit kann nur der Kommandeur einer Division oder eines übergeordneten Großverbandes feststellen. Vorab ist der zuständige Rechtsberater zu konsultieren. Sofern die Umstände dies zulassen, ist die Entscheidung auch dem Gegner mit angemessener Frist im Voraus mitzuteilen (Art. 11 Abs. 2 CultPropConv). Wird ein Generalkommissar für Kulturgut nominiert (Art. 2 – 1 0 RegEx CultPropConv), so ist dieser unter Angabe der Gründe schriftlich zu informieren (Art. 11 Abs. 3 CultPropConv).​
  6. Verstößt eine der Konfliktparteien gegen ihre Verpflichtung, Kulturgut unter besonderem Schutz zu schützen, ist die andere Partei, solange dieser Verstoß andauert, von ihrer Verpflichtung zur Gewährleistung der Immunität des betreffenden Vermögens entbunden. Dennoch muss die letztgenannte Partei den Gegner nach Möglichkeit zunächst auffordern,​
    1. den Verstoß innerhalb einer angemessenen Frist einzustellen (Art. 11 Abs. 1 CultPropConv). Darüber hinaus sind nur die Maßnahmen zu ergreifen, die zur Abwehr der aus einem solchen Verstoß entstehenden Gefahr erforderlich sind.​
    2. Schutz von Kulturgut während der Besatzung
    1. Der Schutz von Kulturgut erstreckt sich auch auf die Besatzungszeit. Dies impliziert, dass die Partei, die ein Gebiet besetzt hält, verpflichtet ist, jeden Diebstahl, jede Plünderung, Beschlagnahme oder sonstige Enteignung von Kulturgütern sowie jeden gegen sie gerichteten Vandalismus zu verbieten, zu verhindern und gegebenenfalls zu unterbinden (Art. 4). Abs. 3 CultPropConv).​
    2. Es ist verboten, Institutionen, die sich der Religion, Wohltätigkeit und Bildung sowie den Künsten und Wissenschaften widmen, zu beschlagnahmen, vorsätzlich zu zerstören oder zu beschädigen; das Gleiche gilt für historische Denkmäler und andere Werke der Kunst und Wissenschaft (Art. 56 Haager Verordnung; Art. 52 und 53 lit. a AP I; Art. 16 AP II).​
    3. Die Besatzungsmacht unterstützt die Behörden des besetzten Landes soweit wie möglich bei der Sicherung und Erhaltung von Kulturgut (Art. 5 Abs. 1 CultPropConv). Sollten die nationalen Behörden nicht in der Lage sein, solche Erhaltungsmaßnahmen für bereits beschädigtes Kulturgut zu ergreifen, wird die Besatzungsmacht selbst in enger Zusammenarbeit mit diesen Behörden die notwendigsten Maßnahmen einleiten (Art. 5 Abs. 2 CultPropConv).​
    4. Jede Konfliktpartei ist verpflichtet, die Ausfuhr von Kulturgut aus einem von ihr während eines internationalen bewaffneten Konflikts besetzten Gebiet zu verhindern (§ l Abs. 1 Protokoll CultPropConv). Sollte trotz dieses Verbots dennoch Kulturgut aus dem besetzten Gebiet in das Gebiet einer anderen Partei überführt werden,​

    1. dieser ist verpflichtet, dieses Vermögen unter seinen Schutz zu stellen. Dies erfolgt entweder bereits automatisch bei der Einfuhr des Vermögens oder, falls dies nicht der Fall ist, zu einem späteren Zeitpunkt auf Antrag der Behörden des betreffenden besetzten Gebiets (Abschnitt I Abs. 2 und 3 Protokoll CultPropConv).
    1. Transport von Kulturgütern
    2. Genehmigte Transporte von Kulturgütern, die ausschließlich der Übertragung solcher Güter dienen, können unter besonderen Schutz gestellt werden. Gegen solche Transporte gerichtete Feindseligkeiten sind verboten (Art. 12 CultPropConv). Es ist auch verboten, solches Eigentum während des Transports zu beschlagnahmen (Art. 14 CultPropConv).​
    3. Transporte von Kulturgütern, die in dringenden Fällen zur Sicherung besonders wertvollen Kulturgutes durchgeführt werden müssen, ohne dass die Möglichkeit besteht, das Verfahren zur Gewährung eines besonderen Schutzes anzuwenden, sind nach Möglichkeit zu unterlassen. Nach Möglichkeit ist der Gegner vorab über einen solchen Transport zu informieren (Art. 13 CultPropConv).​
    4. Wird Kulturgut in das Hoheitsgebiet eines anderen Staates übertragen, so hat dieser Staat dieses mit der gleichen Sorgfalt zu verwahren, mit der er sein eigenes Kulturgut behandelt (Art. 18 lit. a RegEx CultPropConv).​
    1. Personal, das sich mit dem Schutz von Kulturgütern befasst
    1. Personal, das sich mit dem Schutz von Kulturgut beschäftigt, ist zu respektieren (Art. 15 CultPropConv).​
    2. Sollte dieses Schutzpersonal in die Hände des Gegners fallen, ist es ihm gestattet, seine Aufgaben weiterhin wahrzunehmen (Art. 15 CultPropConv).​
    3. Zu Beginn eines bewaffneten Konflikts ernennt der Generaldirektor der UNESCO einen Generalkommissar für Kulturgut, der gemeinsam mit Inspektoren die Einhaltung der Kulturgutkonvention überwacht (Art. 2-10 RegEx CultPropConv).​