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III. Rechtliche Grundlage

  1. Die vier Genfer Konventionen von 1949 sind für alle Staaten international verbindlich geworden:​
  • Genfer Konvention I zur Verbesserung der Lage der Verwundeten und Kranken der Streitkräfte im Feldeinsatz (GC I);
  • Genfer Abkommen zur Verbesserung des Zustands der verwundeten, kranken und schiffbrüchigen Angehörigen der Streitkräfte auf See (GC II);
  • Genfer Abkommen HI zur Behandlung von Kriegsgefangenen (GC III);
  • Genfer Konvention IV zum Schutz von Zivilpersonen in Zeiten von​
War (GC IV).
  1. Die Haager Übereinkommen von 1907 waren nicht nur für die Vertragsparteien bindend, sondern wurden sogar weitgehend als Gewohnheitsrecht anerkannt. Die für das humanitäre Völkerrecht relevanten Dokumente sind:​
  • Haager Übereinkommen III über die Eröffnung von Feindseligkeiten (HC III);
  • Haager Übereinkommen IV über die Gesetze und Gebräuche des Landkriegs (HC IV) und Anhang zum Übereinkommen: Vorschriften über die Gesetze und Gebräuche des Landkriegs (Haager-Verordnung);
  • Haager Übereinkommen V über die Achtung der Rechte und Pflichten neutraler Mächte und Personen im Falle eines Landkrieges (HC V);
  • Haager Übereinkommen VI über den Status feindlicher Handelsschiffe bei Ausbruch von Feindseligkeiten (HC VI);
  • Haager Übereinkommen VII über die Umwandlung von Handelsschiffen in Kriegsschiffe (HC VII);

  • Haager Übereinkommen VIII über das Legen automatischer U-Boot-Kontaktminen (HC VIII);
  • Haager Übereinkommen IX über die Bombardierung durch Seestreitkräfte in Kriegszeiten (HC IX);
  • Haager Übereinkommen XI über bestimmte Beschränkungen hinsichtlich der Ausübung des Gefangennahmerechts im Seekrieg (HC XI);
  • Haager Übereinkommen XIII über die Rechte und Pflichten neutraler Mächte im Seekrieg (HC XIII).
  1. Die beiden Zusatzprotokolle zu den Genfer Abkommen von 1977 sollen die im Genfer Gesetz von 1949 und einem Teil des Den Haager Gesetzes von 1907 enthaltenen Regeln bekräftigen und weiterentwickeln:​
  • Zusatzprotokoll vom 8. Juni 1977 zu den Genfer Abkommen vom 12. August​
1949 und zum Schutz der Opfer internationaler bewaffneter Konflikte -
Protokoll I – (AP I); Und
  • Zusatzprotokoll vom 8. Juni 1977 zu den Genfer Abkommen vom 12. August​
1949 und zum Schutz der Opfer nicht-internationaler bewaffneter Konflikte -
Protokoll II – (AP II).
  1. Andere Abkommen beziehen sich auf spezifische Fragen der Kriegsführung und den Schutz bestimmter Rechtsgüter. Die wichtigsten Dokumente sind:​
  • St. Petersburger Erklärung vom 11. Dezember 1868 über den Verzicht auf den Einsatz von Sprenggeschossen unter 400 Gramm Gewicht in Kriegszeiten (PetersburgDecl 1868);
  • Haager Erklärung vom 29. Juli 1899 über expandierende Geschosse, d. h. sogenannte Dumdum-Geschosse (Haager Dekret 1899);
  • Das Genfer Protokoll vom 17. Juni 1925 zum Verbot des Einsatzes erstickender, giftiger oder anderer Gase sowie bakteriologischer Methoden zur Kriegsführung im Krieg sind: - Genfer Protokoll zur Gaskriegsführung (GasProt);
  • London Proces-Verbal vom 6. November 1936 über die Regeln der U-Boot-Kriegsführung (LondonProt 1936);​
  • Haager Übereinkommen vom 14. Mai 1954 zum Schutz von Kulturgut bei bewaffneten Konflikten – Kulturgutübereinkommen – (CultPropConv);
  • Übereinkommen vom 10. April 1972 über das Verbot der Entwicklung, Herstellung und Lagerung bakteriologischer (biologischer) Waffen und Toxinwaffen und über deren Vernichtung – Übereinkommen über biologische Waffen – (BWÜ);
  • Übereinkommen vom 18. Mai 1977 über das Verbot des militärischen oder anderen feindseligen Einsatzes von Umweltveränderungstechniken – ENMOD-Übereinkommen – (ENMOD);
  • Übereinkommen vom 10. Oktober 1980 über Verbote oder Beschränkungen des Einsatzes bestimmter konventioneller Waffen, die übermäßige Schäden verursachen oder wahllose Wirkungen haben können (WeaponsConv).
  1. Wenn eine Kriegshandlung nicht durch internationale Abkommen oder Gewohnheitsrecht ausdrücklich verboten ist, bedeutet dies nicht zwangsläufig, dass sie tatsächlich zulässig ist. Die sogenannte Martens-Klausel, entwickelt vom livländischen Professor Friedrich von Martens (1845-1909), Delegierter des Zaren Nikolaus II. bei den Haager Friedenskonferenzen, wurde in die Präambel des IV. Haager Übereinkommens von 1907 aufgenommen und im Jahr 1977 erneut bestätigt Das nachstehende Zusatzprotokoll I ist immer anwendbar:​
„In Fällen, die nicht durch dieses Protokoll oder andere internationale Abkommen abgedeckt sind, stehen Zivilisten und Kombattanten weiterhin unter dem Schutz und der Autorität der Grundsätze des Völkerrechts, die sich aus der etablierten Sitte, den
Grundsätzen der Menschlichkeit und den Geboten des öffentlichen Gewissens ergeben." (Art. L Abs. 2 AP I; siehe auch Präambel Abs. 4 AP II).
IV. Humanitäre Anforderungen und militärische Notwendigkeit
  1. Im Krieg darf ein Kriegführender nur die Stärke und Art der Gewalt anwenden, die erforderlich ist, um den Feind zu besiegen. Kriegshandlungen sind nur zulässig, wenn sie sich gegen militärische Ziele richten, nicht geeignet sind, unnötiges Leid zu verursachen und wenn sie nicht perfide sind.​
  2. Das humanitäre Völkerrecht in bewaffneten Konflikten ist ein Kompromiss zwischen militärischen und humanitären Anforderungen. Seine Regeln entsprechen sowohl der militärischen Notwendigkeit als auch den Geboten der Menschlichkeit. Erwägungen der militärischen Notwendigkeit können es daher nicht rechtfertigen, in bewaffneten Konflikten von den Regeln des humanitären Rechts abzuweichen und mit verbotenen Mitteln einen militärischen Vorteil anzustreben.​
  3. Eine Ausnahme von dem üblicherweise vorgeschriebenen Verhalten aus Gründen militärischer Notwendigkeit ist nur zulässig, wenn eine Regel des humanitären Völkerrechts eine solche Möglichkeit ausdrücklich vorsieht. Die Haager Landkriegsordnung verbietet beispielsweise die Zerstörung oder Beschlagnahme feindlichen Eigentums, „es sei denn, dass die Notwendigkeit des Krieges eine solche Zerstörung oder Beschlagnahme zwingend erfordert" (Art. 23 lit. g HaagVO).​
V. Bindungswirkung des Völkerrechts für den Soldaten
  1. Die Verpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland aus dem humanitären Völkerrecht binden nicht nur ihre Regierung und ihr militärisches Oberkommando, sondern auch jeden Einzelnen.​
  2. Nach Artikel 25 des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland sind die allgemeinen Regeln des Völkerrechts Bestandteil des Bundesrechts. Sie gehen dem Gesetz vor und beinhalten Rechte und Pflichten für alle Bewohner des Bundesgebiets. Zu diesen allgemeinen Regeln zählen diejenigen Bestimmungen des humanitären Völkerrechts, die ein Verhalten fordern, wie es sich aus den Grundsätzen der Menschlichkeit und den Geboten des öffentlichen Gewissens ergibt (Art. 1 Abs. 2 AP I; Präambel Abs. 4 AP II).​
  3. Über diese allgemeinen Regeln hinaus sind die Angehörigen der Bundeswehr verpflichtet, alle für die Bundesrepublik Deutschland verbindlichen Verträge des humanitären Völkerrechts einzuhalten und für deren Einhaltung zu sorgen.​
  4. Die vier Genfer Abkommen und die Zusatzprotokolle dazu verpflichten alle Vertragsparteien, den Wortlaut der Abkommen möglichst weit zu verbreiten (Art. 47 GK I; Art. 48 GK II; Art. 127 GK III; Art. 144 GK IV; Art. 83 Abs. 1 AP I; Art. 19 AP II). Dies soll insbesondere durch Ausbildungsprogramme für die Streitkräfte und durch die Ermutigung der Zivilbevölkerung zum Studium dieser Übereinkommen erreicht werden (Art. 83 Abs. 1 AP I). In Anbetracht ihrer Verantwortung in Zeiten bewaffneter Konflikte müssen militärische und zivile Behörden mit dem Wortlaut der Übereinkommen und der Zusatzprotokolle vollständig vertraut sein (Art. 83 Abs. 2 AP I). Für die Bundeswehr sieht § 33 Abs. 2 Soldatengesetz vor, dass die Soldaten der Bundeswehr über ihre völkerrechtlichen Rechte und Pflichten in Frieden und Krieg zu belehren sind.​
  5. Alle Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr erhalten eine Ausbildung im Völkerrecht. Sie wird in den militärischen Einheiten von den Vorgesetzten und Rechtsberatern und an den Schulen der Streitkräfte von den Rechtslehrern durchgeführt. Der Schwerpunkt liegt auf praxisbezogenen Vorträgen. Anhand von Beispielen wird dem Soldaten eine juristische Anleitung zur Auseinandersetzung mit den Problemen und Fragestellungen des Völkerrechts vermittelt: Ziel dieser Unterweisung ist nicht nur die Wissensvermittlung, sondern vor allem auch die Entwicklung eines Bewusstseins dafür, was richtig und was falsch ist . Dem Soldaten​
    1. wird beigebracht, sein Verhalten in jeder Situation an diesem Bewusstsein auszurichten.​
    2. Der Vorgesetzte muss dafür sorgen, dass seine Untergebenen sich ihrer völkerrechtlichen Pflichten und Rechte bewusst sind. Er ist verpflichtet, Verstöße gegen das Völkerrecht zu verhindern und erforderlichenfalls zu unterdrücken oder den zuständigen Behörden zu melden (Art. 87 VV I). Er wird bei diesen Aufgaben durch den Rechtsberater unterstützt (Art. 82 AP I).​
    3. Die Einhaltung der Regeln des humanitären Völkerrechts ist für einen Angehörigen der Bundeswehr eine selbstverständliche Pflicht. Mit welchen Mitteln auch immer Kriege geführt werden, der Soldat wird stets verpflichtet sein, die Regeln des Völkerrechts zu respektieren, einzuhalten und sie als Grundlage seines Handelns heranzuziehen. Sollte er in einer bestimmten Situation Zweifel haben, was das Völkerrecht vorschreibt, muss er die Entscheidung seinen Vorgesetzten überlassen. Wenn dies nicht möglich ist, hat der Soldat immer Recht, sich von den Grundsätzen der Menschlichkeit leiten zu lassen und seinem Gewissen zu folgen.​
    4. Der Soldat hat auch im Kampf Unmenschlichkeit zu vermeiden und sich jeder Gewaltanwendung gegenüber Wehrlosen und Schutzbedürftigen sowie der Begehung jeglicher Niedertracht und Brutalität zu enthalten. Der Soldat soll seinen verwundeten Gegner nur als einen bedürftigen Mitmenschen betrachten. Er soll den Kriegsgefangenen als Gegner respektieren, der für sein Heimatland kämpft. Er soll die Zivilbevölkerung so behandeln, wie er möchte, dass Zivilisten, ziviles Eigentum und Kulturgut seines eigenen Volkes vom Gegner behandelt werden; Gleiches gilt für ausländisches Eigentum und Kulturgüter.​
    5. Vorgesetzte dürfen nur Anordnungen erteilen, die im Einklang mit dem Völkerrecht stehen (§ 10 Abs. 4 des Gesetzes über die Rechtsstellung des Militärpersonals). Ein Vorgesetzter, der eine völkerrechtswidrige Anordnung erlässt, setzt nicht nur sich selbst, sondern auch den gehorchenden Untergebenen dem Risiko einer strafrechtlichen Verfolgung aus (Art. 86 AP I).​
    6. Nach deutschem Recht ist eine Anordnung unverbindlich, wenn:
    7. es die Menschenwürde des betroffenen Dritten oder des Auftragsempfängers verletzt;​
    8. Es ist nicht für den Service geeignet oder​
    9. In einer bestimmten Situation kann vom Soldaten vernünftigerweise nicht erwartet werden, dass er es ausführt. Unverbindliche Befehle müssen vom Soldaten nicht ausgeführt werden (§ 11 Abs. 1 Soldatengesetz).​
    10. Darüber hinaus ist es ausdrücklich verboten, Befehlen Folge zu leisten, deren Ausführung eine Straftat darstellen würde (§ 11 Abs. 2 Soldatengesetz). Schwere Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht (Art. 50 GK I, Art. 51 GK II, Art. 130 GK III, Art. 147 GK IV, Art. 85 AP I) sind nach deutschem Recht strafbar.​
    11. Eine Einrede des Vorgesetzten wird nicht anerkannt, wenn der Untergebene erkannt hat oder nach den ihm bekannten Umständen offensichtlich hätte erkennen können, dass es sich bei der angeordneten Handlung um ein Verbrechen (§ 5 des Wehrstrafgesetzes) handelt.​
    12. Eine Bestrafung wegen Ungehorsams oder Gehorsamsverweigerung ist ausgeschlossen, wenn die Anordnung nicht bindend ist (§ 22 Wehrstrafgesetzbuch).​
    13. VI. Aufgaben des Rechtsberaters
    1. Jedem Militärkommandanten auf Divisionsebene und darüber ist ein zur Ausübung der Richtertätigkeit qualifizierter Rechtsanwalt mit folgenden Aufgaben zugeteilt:​
    2. den Befehlshaber (und seine untergeordneten Disziplinarvorgesetzten) in allen Angelegenheiten zu beraten, die das Militärrecht und das Völkerrecht betreffen;​
    3. militärische Befehle und Weisungen anhand rechtlicher Kriterien zu prüfen;​
    4. Teilnahme an Militärübungen (im Rahmen seines Kriegseinsatzes) als Rechtsoffizier, zu dessen Aufgaben auch die Beratung in Fragen des Völkerrechts gehört; Und​
    5. die rechtliche Ausbildung von Soldaten aller Dienstgrade, insbesondere auch die Fortbildung von Offizieren.​
  1. Der Rechtsberater hat direkten Zugang zum Kommandeur, dem er zugeordnet ist. Der Kommandant darf dem Rechtsberater nur Weisungen erteilen, die sich auf allgemeine Aufgabenbereiche beziehen.​
  2. Weisungen und Weisungen zu Rechtsangelegenheiten erhält der Rechtsberater ausschließlich von seinem leitenden Rechtsberater im Wege der Rechtsspezialisten-Befehlskette.​
  3. Der Rechtsberater übt zusätzlich die Funktion eines Disziplinaranwalts der Streitkräfte aus. Im Falle eines schwerwiegenden Disziplinarvergehens leitet der Rechtsberater die Ermittlungen und erhebt Anklage beim Militärdisziplinargericht. Ein solches Disziplinarvergehen kann einen schwerwiegenden Verstoß gegen das Völkerrecht darstellen, der neben seiner strafrechtlichen Qualität auch disziplinarische Bedeutung hat.​