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III. Kriegführende Besetzung 1. Allgemeine Bestimmungen

  1. Die Besatzungsmacht übernimmt die Verantwortung für das besetzte Gebiet und seine Bewohner (Art. 29, 47 ff GK IV; Art. 43 HaagerVO).​
  2. Als besetzt gilt ein Gebiet, wenn es tatsächlich unter die Herrschaft feindlicher Streitkräfte gelangt ist (Art. 42 Haager Verordnung). Die Besatzungsmacht muss ihre Macht tatsächlich ausüben können.
  3. Eine Truppe, die in feindliches Gebiet eindringt, kann ihre berufliche Autorität nur dann beweisen, wenn sie in der Lage ist, die der Zivilbevölkerung erteilten Anweisungen durchzusetzen.​
  4. Zu den besetzten Gebieten zählen nicht die Kampfgebiete, d. h. Gebiete, die noch umkämpft sind und keiner ständigen Besatzungsgewalt unterliegen (Invasionsgebiet, Rückzugsgebiet). Es gelten die allgemeinen Regeln des humanitären Völkerrechts.​
  5. Im besetzten Gebiet wird die Souveränität des besetzten Staates außer Kraft gesetzt. An ihre Stelle tritt die tatsächliche Autorität der Besatzungsmacht.​
  6. Die Besatzungsmacht ist kein Rechtsnachfolger der vorübergehend suspendierten nationalen Autorität. Es ist ihr untersagt, eigene Souveränitätsrechte auf das besetzte Gebiet zu übertragen.​
  7. Die Besatzungsmacht ist verpflichtet, die öffentliche Ordnung und Sicherheit soweit wie möglich wiederherzustellen und zu gewährleisten (Art. 43 Haager Verordnung); Es sollte eine Perspektive für die Beendigung der Besatzung bieten.​
  8. Zivilisten haben Anspruch auf Achtung ihrer Person, ihrer Ehre, ihrer Familienrechte, ihrer religiösen Überzeugungen sowie ihrer Sitten und Gebräuche. Ihr Privateigentum ist geschützt (Art. 27 Abs. 1 GK IV; Art. 48 ff, 75 AP I; Art. 46 HaagerVO).​
  9. Jegliche Diskriminierung aus Gründen der Rasse, der Nationalität, der Sprache, der religiösen Überzeugungen und Praktiken, der politischen Meinung, der sozialen Herkunft oder Position oder ähnlichen Erwägungen ist rechtswidrig (Art. 27 GK IV; Art. 75 API).​
  10. Zivilpersonen sind vor jeglicher Gewalt zu schützen (Art. 13, 27 GK IV; Art. 46 HaagerVO).​
  11. Repressalien gegen Zivilpersonen und deren Eigentum sind verboten (Art. 33 Abs. 3 GK IV; Art. 20, 51 Abs. 6 AP I). .​
  12. Gleiches gilt für Kollektivstrafen sowie Einschüchterungs- und Terrormaßnahmen (Art. 33 Abs. 1 GK IV). Plünderungen sind verboten (Art. 33 Abs. 2 GK IV; Art. 47 HaagerVO).​
  13. Niemand darf für eine Straftat bestraft werden, die er nicht persönlich begangen hat. Die Geiselnahme ist verboten (Art. 33 Abs. 1, 34 GGB IV).​
  14. Jede der am Konflikt beteiligten Parteien ist verpflichtet, Informationen über das Schicksal der geschützten Zivilisten, die sich in ihrer Gewalt befinden (Art. 136 GK IV), sowie der Kriegsgefangenen (Art. 122 GK III), Verwundeten, Kranken, schiffbrüchig und tot (Art. 16 GK I; Art. 19 GK II, siehe unten §§ 611, 708). Zu diesem Zweck wird bei Ausbruch eines Konflikts und in allen Besetzungsfällen ein Nationales Informationsbüro eingerichtet (Art. 136 – 141 GK IV). Das Büro arbeitet mit der Zentralen Suchagentur des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz zusammen (Art. 140 GC IV).​
Beispiel: In der Bundesrepublik Deutschland ist das Deutsche Rote Kreuz gemäß Artikel 2 des Gesetzes zu den Zusatzprotokollen I und II zu den Genfer Abkommen mit der Planung und Vorbereitung des Nationalen Informationsbüros beauftragt. Mit der Umsetzung in der Bundeswehr ist das Personalstammamt der Bundeswehr (Bundeswehrauskunftsstelle) beauftragt.
  1. Mit dem Ende des Kriegszustandes endet die Besatzungszeit. Eine Besatzungsmacht darf keine Maßnahmen anordnen, die über das Kriegsende hinaus wirksam bleiben. Allerdings führt allein die Einstellung militärischer Operationen nicht zwangsläufig zur Beendigung des Besatzungszustandes (Art. 6 Abs. 3 Satz 1 GK P7).​
  2. Sollte die Besatzung fortgesetzt werden, bleibt die Besatzungsmacht an die grundlegenden humanitären Bestimmungen der IV. Genfer Konvention gebunden (Art. 6 Abs. 3 Satz 2).​
  1. Rechtlicher Status der Bevölkerung
  1. Die Rechtsstellung der Bevölkerung darf weder durch eine zwischen den Behörden der besetzten Gebiete und der Besatzungsmacht geschlossene Vereinbarung noch durch eine Annexion des gesamten oder eines Teils des besetzten Gebiets durch diese verletzt werden (Art. 47 GK IV).​
  2. Die geschützten Personen können ihre Rechte aus der IV. Genfer Konvention (Art. 8) nicht aufheben.​
  3. Die Besatzungsmacht darf geschützte Personen grundsätzlich nicht in einem besonders kriegsgefährdeten Gebiet festhalten (Art. 49 Abs. 5 GK W).​
  4. Eine vorübergehende Räumung bestimmter Gebiete ist zulässig, wenn die Sicherheit der Bevölkerung oder zwingende militärische Gründe dies erfordern. Eine Evakuierung von Personen in Gebiete außerhalb der Grenzen des besetzten Gebietes ist nur im Notfall zulässig (Art. 49 Abs. 2 GK IV).​
  5. Ist eine Evakuierung erforderlich, sorgt die Besatzungsmacht für ausreichende Unterbringung und Versorgung. Angehörige derselben Familie dürfen nicht getrennt werden (Art. 49 Abs. 3 GK IV).​
  6. Aus zwingenden Gründen der Sicherheit kann die Besatzungsmacht einzelne Zivilpersonen einer Aufenthaltszuweisung oder Internierung unterwerfen (Art. 78 Abs. 1 GK IV).​
  1. Rechte und Pflichten der Besatzungsmacht
  1. Die im besetzten Gebiet geltenden nationalen Gesetze bleiben grundsätzlich in Kraft. Gesetze, die der Kriegsführung in dem jetzt besetzten Gebiet dienten oder eine Gefahr für die​
    1. Sicherheit oder ein Hindernis für die Anwendung des humanitären Rechts darstellen, können von der Besatzungsmacht aufgehoben oder außer Kraft gesetzt werden (Art. 64 GK IV; Art. 43 HaagerVO).​
    2. Die Besatzungsmacht kann eigene Rechtsvorschriften erlassen, wenn militärische Notwendigkeiten oder die Verpflichtung zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung dies erfordern (Art. 64 Abs. 2 GK IV; Art. 43 HaagerVO).​
    3. Der Verwaltung des besetzten Gebietes ist Gelegenheit zur Ausübung ihrer Tätigkeit zu geben. Die Gerichtsbarkeit des besetzten Gebietes bleibt in Kraft.​
    4. Die Besatzungsmacht kann eigene Verwaltungsorgane einrichten, wenn militärische Notwendigkeiten oder die Verpflichtung zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung dies erfordern (Art. 64 Abs. 2 GK IV).​
    5. Der Status von Richtern und Amtsträgern darf nicht geändert werden. Es ist verboten, sie gegen ihr Gewissen zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben zu zwingen (Art. 54 Abs. 1 GK IV). Amtsträger können ihres Amtes enthoben werden (Art. 54 Abs. 2 GK IV).​
    6. 4. Anforderung ziviler Ressourcen durch die Besatzungsmacht
    1. Im Rahmen der geltenden Gesetze kann die Besatzungsmacht selbst Steuern, Zölle und Abgaben erheben, wozu auch die Verpflichtung gehört, alle sich daraus ergebenden Verwaltungskosten zu tragen (Art. 48 HaagerV). Etwaige zusätzliche Geldbeiträge dürfen nur zur Deckung des Bedarfs der Besatzungsmacht oder zur Deckung der Verwaltungskosten erhoben werden (Art. 49 HaagerVO).​
    2. Es dürfen keine zusätzlichen Gebühren (Beiträge) erhoben werden, es sei denn, es liegt eine schriftliche Anordnung eines Oberbefehlshabers vor. Für jeden Beitrag wird den Beitragszahlern eine Quittung ausgehändigt (Art. 51 HaagerVO).​
    3. Ein örtlicher Befehlshaber kann von der Bevölkerung und den Behörden des besetzten Gebiets Sachleistungen und Leistungen (Anforderungen) zur Befriedigung der Bedürfnisse der Besatzungstruppen verlangen (Art. 52 Abs. 1 und 2 HaagerVerordnung). Die Anforderungen müssen im Verhältnis zu den Möglichkeiten des Landes stehen. Es ist verboten, Angehörige der Bevölkerung zu militärischen Operationen gegen das eigene Land zu zwingen (Art. 52 Abs. 1 HaagerVO).​
    4. Die Bezahlung der Bestellungen erfolgt grundsätzlich in bar. Ist dies nicht möglich, ist eine Quittung auszuhändigen. Die Zahlung erfolgt schnellstmöglich (Art. 52 Abs. 3 HaagerVO).​
    5. Bewegliches Staatseigentum, das für militärische Zwecke verwendet werden darf, wird zur Kriegsbeute (Art. 53 Abs. 1 HaagerVerordnung). Bei der Beschlagnahme geht es ohne Entschädigung in das Eigentum des Besatzungsstaates über. Hierzu zählen beispielsweise Transportmittel, Waffen und Lebensmittelvorräte (Art. 53 Abs. 1 HaagerVO). Letztere dürfen nur unter Berücksichtigung der Bedürfnisse der Zivilbevölkerung requiriert werden (Art. 55 Abs. 2 GK IV). Zunächst ist der Bedarf der Zivilbevölkerung zu decken (Art. 55 Abs. 1 GK IV).​
    6. Bewegliches Privatvermögen, das für militärische Zwecke genutzt werden darf, und unbewegliches Staatseigentum dürfen nur beschlagnahmt, nicht aber eingezogen werden (Art. 53 Abs. 2, 55 HaagerVO). Das Eigentum an diesem Eigentum geht nicht auf den Besatzungsstaat über. Nach Kriegsende sind die beschlagnahmten Gegenstände und Immobilien zurückzugeben.​
    7. Sämtliches Privateigentum ist vor dauernder Beschlagnahme zu schützen (Art. 46 Abs. 2 HaagerVO) – mit Ausnahme von Gebrauchsgegenständen.​
    8. Das Eigentum von Gemeinden, das von Einrichtungen der Religion, der Wohltätigkeit und der Bildung sowie der Künste und Wissenschaften wird als Privateigentum behandelt (Art. 56 Abs. 1 HaagerVO).​
    9. Zivile Krankenhäuser dürfen nur vorübergehend und nur in Fällen dringender​
      1. Notwendigkeit beschlagnahmt werden. Die Betreuung und Behandlung der Patienten muss gewährleistet sein (Art. 57 Abs. 1 GK IV). Material und Vorräte ziviler Krankenhäuser können nicht beschlagnahmt werden, solange sie für die Zivilbevölkerung benötigt werden (Art. 57 Abs. 2 GK IV; Art. 14 Abs. 2 AP I).​
      2. Es ist verboten, Kulturgut zu beschlagnahmen, zu zerstören oder zu beschädigen (Art. 56 HaagerVO; Art. 5 CultPropConv).​
      3. Die Besatzungsmacht darf Angehörige der Bevölkerung nicht zum Dienst in ihren Streitkräften zwingen (Art. 51 Abs. 1 GK IV). Auch jegliche Druck- oder Propagandatätigkeit, die auf die Einberufung in die Streitkräfte abzielt, ist seitens der Besatzungsmacht verboten (Art. 51 Abs. 1 GK IV).​
      4. Es ist verboten, gegen Angehörige der Zivilbevölkerung körperlichen oder seelischen Zwang auszuüben, um von ihnen allgemeine (Art. 31 GK IV) und militärische (Art. 44 Haager VO) Informationen zu erhalten.​
      5. Zum Nutzen der Besatzungstruppen oder zur Sicherstellung öffentlicher Versorgungsleistungen sowie der Ernährung, Unterbringung, Kleidung, Beförderung und Gesundheit der Bevölkerung kann die Besatzungsmacht Zivilisten über 18 Jahre hinweg zur Arbeit zwingen. Von dieser Regelung ausgenommen sind Arbeiten, die sie in die Verpflichtung zur Teilnahme an militärischen Einsätzen (Art. 51 Abs. 2 GK IV; Art. 52 HaagerVO) einbeziehen oder zur Mobilisierung von Arbeitnehmern in militärischen oder halbmilitärischen Organisationen führen würden (Art . 51 Abs. 4 GK IV).​
      6. Arbeitspflichtige Zivilpersonen sind, soweit möglich, an ihren üblichen Einsatzorten zur Verrichtung von Arbeiten für die Besatzungsmacht zu belassen. Bestehende Arbeitsbedingungen (z. B. Löhne, Arbeitszeiten, Arbeitsschutz) dürfen von der Besatzungsmacht nicht geändert werden (Art. 51 Abs. 3 GK IV).​
      7. Es ist verboten, geschützte Personen für Arbeiten außerhalb des besetzten Gebietes zu beschäftigen (Art. 51 Abs. 3 GK IV).​
      8. Versorgungsaktivitäten in besetzten Gebieten​
      9. Die Besatzungsmacht ist verpflichtet, die Versorgung der Zivilbevölkerung im Rahmen ihrer Möglichkeiten sicherzustellen. In erster Linie sollen die Ressourcen des besetzten Gebietes genutzt werden. Bei Bedarf sind Nachschublieferungen durch die Besatzungsmacht vorzunehmen (Art. 55 Abs. 1 GK IV; Art. 69 Abs. 1 AP I).​
      10. Die im besetzten Gebiet vorhandenen Vorräte dürfen zur Nutzung durch die Besatzungsmacht nur dann requiriert werden, wenn der Bedarf der Zivilbevölkerung berücksichtigt wird und für die requirierten Güter ein angemessener Wert gezahlt wird (Art. 55 Abs. 2 GK IV).​
      11. Ist die Bevölkerung eines besetzten Gebietes ganz oder teilweise nicht ausreichend versorgt, muss die Besatzungsmacht Hilfsaktionen anderer Staaten oder humanitärer Organisationen zustimmen (Art. 59 GK IV; Art. 69-71 AP I).​
      12. Die Besatzungsmacht hat die Pflicht, in Zusammenarbeit mit den zuständigen Behörden des besetzten Gebietes die medizinische Versorgung der Zivilbevölkerung sowie die öffentliche Gesundheit und Hygiene sicherzustellen und aufrechtzuerhalten. Zur Verhinderung ansteckender Krankheiten und Epidemien sind angemessene prophylaktische Maßnahmen zu treffen (Art. 56 Abs. 1 GK IV; Art. 14 Abs. 1 AP I).​
      13. Die nationale Rotkreuz- oder Rothalbmondgesellschaft soll ihre Tätigkeit im Einklang mit den Grundsätzen des Roten Kreuzes ausüben können. Anderen Hilfswerken ist die Weiterführung ihrer humanitären Tätigkeit unter gleichwertigen Bedingungen gestattet (Art. 63 GC IV).​
      14. 6. Gerichtsstand

      1. Die nationalen Gesetze zur Verfolgung von Straftaten bleiben grundsätzlich in Kraft. Die​
        1. Strafgesetze des besetzten Gebietes können von der Besatzungsmacht aufgehoben werden, wenn sie ihre Sicherheit gefährden (Art. 64 Abs. 1 GK IV).​
        2. Aus diesen Gründen und insbesondere zur Aufrechterhaltung einer ordnungsgemäßen Verwaltung kann die Besatzungsmacht eigene Strafbestimmungen erlassen (Art. 64 Abs. 2 GK IV). Diese Strafbestimmungen treten erst in Kraft, wenn sie in der Sprache der Bewohner des besetzten Gebietes verkündet wurden (Art. 65 GC IV).​
        3. Gerichte der Besatzungsmacht dürfen Straftaten, die vor der Besetzung begangen wurden, nicht strafrechtlich verfolgen, es sei denn, sie stellen Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht dar (Art. 70 Abs. 1 GK IV).​
        4. Verstöße gegen die Strafgesetze des besetzten Gebietes werden weiterhin von den örtlichen Gerichten verfolgt. Die Zuständigkeit geht nur dann auf ein Militärgericht der Besatzungsmacht über, wenn diese Gerichte nicht arbeitsfähig sind.​
        5. Verstöße der Besatzungsmacht gegen die Strafvorschriften können vor ordnungsgemäß eingerichteten Militärgerichten der Besatzungsmacht verfolgt werden (Art. 66 GK IV).​
        6. Gerichtsverfahren vor Militärgerichten der Besatzungsmacht müssen im Einklang mit der Rechtsstaatlichkeit geführt werden (Art. 67, 69 – 75 GK IV; Art. 75 AP I).​
        7. Bagatelldelikte können nur mit Internierung oder einfacher Freiheitsstrafe geahndet werden (Art. 68 Abs. 1 ZGB IV). Schwere Straftaten (Spionage, schwere Sabotageakte, Tötungsdelikte) werden mit der Todesstrafe bestraft, wenn solche Straftaten im besetzten Gebiet vor Beginn der Besetzung ebenfalls mit der Todesstrafe bedroht waren (Art. 68 Abs. 2 GK IV; Art. 76 Abs. 3). , 77 Abs. 5 AP I).​
        8. Angehörige der Besatzungsmacht, die vor der Besetzung im Hoheitsgebiet des besetzten Staates Zuflucht gesucht haben, dürfen aus diesem Grund nicht verfolgt werden. Strafbar sind Verbrechen und andere strafbare Handlungen, die nach Ausbruch der Feindseligkeiten begangen wurden und bereits in Friedenszeiten eine Auslieferung gerechtfertigt hätten (Art. 70 Abs. 2 ZGB IV).​
        9. Personen, denen Straftaten vorgeworfen oder verurteilt werden, werden unter menschenwürdigen Bedingungen festgehalten. Alle verhängten Strafen müssen im besetzten Gebiet vollstreckt werden (Art. 76 Abs. 1 GK IV). Inhaftierte haben das Recht, von Delegierten der Schutzmacht und des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz besucht zu werden (Art. 76 Abs. 6 GK IV).​
        10. Nach Beendigung der Besetzung sind alle Häftlinge und die entsprechenden Aufzeichnungen den Behörden des befreiten Gebiets zu übergeben (Art. 77 GK IV).​
        11. IV. Ausländer im Territorium einer Konfliktpartei
        1. Alle Zivilpersonen dürfen das Hoheitsgebiet verlassen, es sei denn, ihre Abreise widerspricht den nationalen Interessen des Staates (Art. 35 Abs. 1 GK IV). Die Ausreise hat unter menschenwürdigen Bedingungen zu erfolgen (Art. 36 AGB IV).​
        2. Wird einer solchen Person die Ausreise verweigert, so ist dafür zu sorgen, dass die Verweigerung durch ein hierfür besonders zuständiges Gericht oder Verwaltungsgremium erneut geprüft wird (Art. 35 Abs. 2 GK IV).​
        3. Im Hoheitsgebiet einer Konfliktpartei verbleibende Ausländer werden grundsätzlich genauso behandelt wie in Friedenszeiten.​
        4. Insbesondere bedeutet dies unter anderem:
        5. Gewährleistung der medizinischen Versorgung und der Religionsfreiheit und​
        6. das Recht, Gebiete zu verlassen, die den Gefahren des Konflikts ausgesetzt sind.​
        7. Diese Rechte stehen Ausländern im gleichen Umfang zu wie den Staatsangehörigen des Staates, in dem sie leben (Art. 38 GK IV).

        1. Ausländern soll die Möglichkeit gegeben werden, einen Arbeitsplatz zu finden. Diese Möglichkeit soll mit der der Staatsangehörigen des Staates, in dem sie leben, gleichwertig sein​
          1. (Art. 39 GK IV). Ausländer dürfen nur unter den gleichen Bedingungen zur Arbeit gezwungen werden wie Staatsangehörige der Macht, in deren Hoheitsgebiet sie sich befinden (Art. 40 Abs. 1 GK IV).​
          2. Die Unterbringung oder Internierung von Fremden darf nur angeordnet werden, wenn dies aus Sicherheitsgründen zwingend erforderlich ist (Art. 42 Abs. 1 GK IV) oder eine ausreichende Kontrolle dieser Personen nicht möglich ist (Art. 41 Abs. 1 GK IV). ). Es besteht auch die Möglichkeit, diese Maßnahmen durch ein zuständiges Gericht oder eine Verwaltungsbehörde überprüfen zu lassen (Art. 43 Abs. 1 AGB IV).​
          3. Flüchtlinge und Staatenlose sind in jedem Fall als geschützte Personen zu behandeln (Art. 44 GK IV; Art. 73 AP I).​
          4. Feindliche Ausländer können an eine Vertragspartei des Genfer Abkommens IV überstellt werden, wenn dadurch für diese Personen kein Nachteil entsteht (Art. 45 GK IV).​
          5. Alle den feindlichen Ausländern auferlegten Beschränkungen werden so bald wie möglich nach Beendigung der Feindseligkeiten aufgehoben (Art. 46 GK IV).​
            V. Internierung von Zivilisten
          1. Eine Internierung von Zivilpersonen ist nur in Ausnahmefällen zulässig:​
          2. wenn es in bestimmten Fällen aus zwingenden Gründen der Sicherheit erforderlich ist (Art. 41-43, 78 Abs. 1 AGB IV); oder​
          3. als Strafe gegen Zivilisten (Art. 68 GK IV).​

          • Über die Internierung wird nach einem ordentlichen Verfahren entschieden und einer regelmäßigen Überprüfung unterzogen (Art. 43, 78 Abs. 2 GK IV).
          1. Die Behandlung von Internierten entspricht grundsätzlich der Behandlung von Kriegsgefangenen (Art. 79 – 141 GK IV). Vertreter der Schutzmacht und Delegierte des IKRK können jederzeit Internierte in ihren Lagern besuchen und einzeln und ohne Zeugen mit ihnen sprechen.​
          2. Der Ort der Internierung ist einem verantwortlichen Beamten oder einem aus der Zivilverwaltung des Gewahrsamsstaates gewählten Amtsträger zu unterstellen (Art. 99 Abs. 1 GK IV). Der Gewahrsamsstaat hat die Internierten nach Möglichkeit entsprechend ihrer Nationalität, Sprache und Gebräuche zu beherbergen (Art. 82 Abs. 1 GB TV). Die Haftbehörde sorgt dafür, dass die Mitglieder derselben Familie gemeinsam am selben Internierungsort untergebracht werden. Eine vorübergehende Trennung kann aus beruflichen oder gesundheitlichen Gründen oder zur Vollstreckung von Straf- oder Disziplinarmaßnahmen erforderlich sein (Art. 82 Abs. 2 ZGB IV).​
          3. Internierte sind stets getrennt von Kriegsgefangenen und aus anderen Gründen inhaftierten Personen (z. B. Strafgefangenen) unterzubringen (Art. 84 GK IV),​
          4. Internierte werden menschenwürdig behandelt. Insbesondere sind jegliche Viktimisierung, Bestrafungsübungen, Militärübungen oder die Kürzung von Lebensmittelrationen verboten (Art. 100 GK IV). Der Kontakt mit der Außenwelt ist zulässig (Art. 105 – 116 GC IV).​
          5. Grundsätzlich besteht für Internierte keine Arbeitspflicht (Art. 95 Abs. 1 GK IV). Internierte dürfen jedoch für Arbeiten am Internierungsort oder für Tätigkeiten im eigenen Interesse eingesetzt werden (Art. 95 Abs. 3 GK IV). Freiwillige Tätigkeiten, die im Zusammenhang mit der Durchführung von Militäreinsätzen stehen, dürfen keine Internierten leisten.​
          6. Für Internierte, die Straftaten begehen, gelten die Gesetze, die im Hoheitsgebiet ihrer Inhaftierung gelten (Art. 117 Abs. 1 ZGB IV).​
          7. Nach Beendigung der Feindseligkeiten oder der Besetzung sorgen die kriegführenden Parteien für die Rückkehr aller Internierten an ihren letzten Wohnort oder erleichtern ihre Rückführung (Art. 134 GK IV).​