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§ 6 – Das Kirchenrecht anderer christlicher Konfessionen

A. Orthodoxes Kirchenrecht

  • Das Recht der orthodoxen Kirchen besteht im Wesentlichen aus den Canones der Konzilien des 1. Jahrtausends bis zum 2. Konzil von Nikaia einschließlich.
    ○ Dafür gibt es keine Kodifikation, sondern nur verschiedene mehr oder weniger umfangreiche Sammlungen.
  • Eine bekannte Sammlung der griechisch-orthodoxen Kirche trägt den Namen „Pedalion“ (= das „Steuerruder“ für das Schiff ‚Kirche’).
    ○ Die ältesten kirchenrechtlichen Sammlungen entstanden im Gebiet des späteren oströmischen Reichs.
  • z. B. die „Kirchenordnungen“ der alten Kirche, insbesondere die „Canones Apostolorum“
    ○ Dem Konzil von Chalkedon lag bereits eine Sammlung der Beschlüsse der vorausgegangenen Konzilien vor (sowohl von Ökumenischen Konzilien als auch von Partikularkonzilien).
  • c. 1 des Konzils von Chalkedon: „Wir haben entschieden, dass die bis jetzt von den Heiligen Vätern auf den einzelnen Synoden beschlossenen Canones ihre Kraft behalten.“
  • Insgesamt dürfte es sich im 5. Jh. um eine Sammlung von etwa 600 canones gehandelt haben.
    ○ Das „Corpus von Chalkedon“ wurde – unter Hinzufügung der eigenen Canones dieses Konzils – durch c. 2 des Zweiten Trullanums kanonisiert.
  • „Zweites Trullanum“ = „Quinisextum“ = „Penthékte“ (691/692) = ein Konzil, das vom Kaiser als Ökumenisches Konzil einberufen wurde; es war aber kein päpstlicher Legat anwesend, und das Konzil wurde auch später nicht vom Papst rezipiert; in der orthodoxen Sicht wird es als eine Fortsetzung des 6. Ökumenischen Konzils (= 3. Konzil von Konstantinopel, 680/81) gewertet. Sein Name stammt vom Kuppelsaal („Troullos“) des Kaiserpalastes in Konstantinopel.
  • Mit dem „Ersten Trullanum“ ist das 3. Konzil von Konstantinopel (680/81) gemeint.


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○ Das so entstandene Corpus wurde wiederum um die Canones des II. Trullanum erweitert, und die so entstandene Sammlung von ca. 740 Canones wurde vom 2. Konzil von Nikaia indirekt bestätigt.
 Die von den sieben Ökumenischen Konzilien erlassenen Bestimmungen gelten als „Heilige Canones“ und können nach Auffassung vieler orthodoxer Theologen nur durch ein ökumenisches Konzil geändert werden. Ein solches Konzil hat es nach orthodoxer Auffassung seit dem 2. Konzil von Nikaia aber bis zum Jahr 2016 (siehe unten) nicht mehr gegeben. ○ Nur die Canones zweier späterer Synoden wurden allgemein rezipiert, obwohl sie zunächst nicht die Autorität von Ökumenischen Konzilien hatten.
 sog. Protodeutera (Konstantinopel 861)
 Hagia Sophia (Konstantinopel 879)
 Die Bedeutung, die man im Osten den historischen Kirchenrechtsquellen zumisst, lässt sich auch an den historischen Vorbereitungsarbeiten für das Recht der katholischen Ostkirchen erkennen (Ausgabe der Quellen in 43 Bänden).
 Etwa seit der Wende zum 2. Jahrtausend gibt es in den orthodoxen Kirchen keine einheitliche Rechtsentwicklung mehr. Das hat eine gewisse Tendenz zur Erstarrung des orthodoxen Kirchenrechts zur Folge. Zur Anpassung an neue Gegebenheiten behilft man sich im wesentlichen mit
○ Interpretation
○ Oikonomia
 = das Abweichen von der strengen Gesetzesobservanz (akríbeia), wenn eher durch dieses Abweichen ein Wohlergehen zu erwarten ist als durch die strenge Gesetzesobservanz
○ Gewohnheitsrecht
○ z. T. Gesetzgebung einzelner orthodoxer Kirchen
 Z. B. haben sich die orthodoxen Kirchen in Indien vergleichsweise moderne Verfassungen (Constitutions) gegeben.
 Im Jahre 2016 fand auf Kreta das seit den 1960er Jahren vorbereitete „panorthodoxe Konzil“ („Heiliges und Großes Konzil der Orthodoxen Kirche“) statt. Es hat auch kirchenrechtliche Normen erlassen.
○ Das Konzil wurde einberufen in der Absicht, nach dem Zweiten Konzil von Nikaia erstmals wieder ein Ökumenisches Konzil abzuhalten.
○ Allerdings haben vier der vierzehn autokephalen orthodoxen Kirchen (darunter die mit Abstand größte, die Russisch-Orthodoxe Kirche) nicht teilgenommen, weil sie der Versammlung den Status eines panorthodoxen Konzils absprach.
B. Anglikanisches Kirchenrecht
Beim anglikanischen Kirchenrecht ist zu unterscheiden zwischen
 der Kirche von England, die den Status einer Staatskirche hat, und
 den anderen Mitgliedskirchen der „Anglican Communion“, z. B. der „Episcopal Church“ in den USA.
1. Kirche von England

  • Das mittelalterliche kanonische Recht wurde in England nach der Entstehung der anglikanischen Kirche im Großen und Ganzen beibehalten, im Laufe der Zeit aber


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weiterentwickelt. Man spricht heute von den Canons oder dem Canon Law. Die Bedeutung dieses Canon Law hat im Laufe der Zeit abgenommen.
○ Das Canon Law betrifft die Ekklesiologie, Gottesdienst und Sakramente, Amt und Weihe, laikale Amtsträger, Kirchengebäude, kirchliche Gerichte und Synoden.
○ Gesetzgebendes Organ ist die General Synod. Das Canon Law benötigt, um wirksam zu werden, die Zustimmung der Königin.
 Daneben trat im Laufe der Zeit immer mehr das Ecclesiastical Law, das unter Beteiligung des Parlaments erlassen wird.
○ Das Ecclesiastical Law betrifft das Verhältnis zwischen Kirche und Parlament, die Pfarrei, das Vermögensrecht, Ernennungen, Disziplin und Gerichte, Kathedralen sowie die Planung von Pfarrkirchen.
○ Auch das Ecclesiastical Law wird von der General Synod erlassen. Anders als das Canon Law bedarf es nicht nur der Zustimmung der Königin, sondern auch der Zustimmung des Parlaments.
2. Andere anglikanische Kirchen

  • In Kirchen der „Anglican Communion“ außerhalb Englands gibt es keine solche Zweiteilung, sondern die betreffenden Kirchen erlassen das gesamte kirchliche Recht selbständig.
  • Den höchsten Rang nimmt dabei üblicherweise eine Verfassung (Constitution) ein.

C. Evangelisches Kirchenrecht
1. Einführung

  • Mehr als bei anderen Konfessionen ist die Stellung des Kirchenrechts im evangelischen Bereich problembeladen. Die Gründe für diese Situation sind wesentlich von der Geschichte geprägt, insbesondere
    ○ durch die Ablehnung des mittelalterlichen päpstlichen Rechts,
  • vgl. Luthers Verbrennung des Corpus Iuris Canonici
    ○ durch Luthers entschiedene Gegenüberstellung von Gesetz und Evangelium,
    ○ durch die über Jahrhunderte hin erfolgte rechtliche Ordnung innerkirchlicher Angelegenheiten durch weltliche Autoritäten („landesherrliches Kirchenregiment“),
    ○ durch die Auseinandersetzung mit Rudolph Sohm, dessen These vom Widerspruch zwischen Kirche und Recht sich primär auf das evangelische Kirchenrecht bezog,
    ○ durch die Entwicklungen, die die evangelischen Kirchen in der Zeit des Nationalsozialismus mitgemacht haben.
  • In Anbetracht dessen ist es im evangelischen Raum gerade in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts zu einigen großen Entwürfen einer Theologie des Kirchenrechts gekommen.
    ○ vor allem durch Johannes Heckel, Erik Wolf, Hans Dombois
    ○ Eine wichtige Frage ist in diesem Zusammenhang die nach der Möglichkeit eines ius divinum. Von evangelischen Kirchenrechtlern wird diese Möglichkeit herkömmlich ausgeschlossen. Faktisch wird aber doch eine Art ius divinum vorausgesetzt.
    ○ Zwischen den großen theologischen Entwürfen und der rechtlichen Praxis in den Landeskirchen gibt es nur wenig Berührungspunkte.


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  • „Ein nachhaltiger Einfluss auf die kirchenrechtliche Praxis in Rechtsetzung und Verwaltung auf Grund neuer kirchenrechtstheoretischer Einsichten ist nicht feststellbar.“10
  • Das heißt im Klartext: Kirchenrechtstheorie und faktisch vorhandenes Kirchenrecht entwickeln sich weitgehend unabhängig voneinander.
  • Die nachstehende Darstellung konzentriert sich nicht auf die im evangelischen Raum angestellten theologischen Überlegungen zum Kirchenrecht, sondern auf die kirchenrechtliche Praxis in den Gliedkirchen der „Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD)“.
  • Evangelisches Kirchenrecht gibt es vor allem auf der Ebene der Landeskirchen.
    ○ Außerdem gibt es auch für die kirchlichen Zusammenschlüsse rechtliche Ordnungen, insbesondere für
  • die „Evangelische Kirche in Deutschland (EKD)“,
  • die „Vereinigte Evangelisch-Lutherische Kirche Deutschlands (VELKD)“,
  • die „Union Evangelischer Kirchen in der EKD“ (UEK),
  • die „Konföderation evangelischer Kirchen in Niedersachsen“.
    ○ Zum Teil gibt es in diesen Zusammenschlüssen für bestimmte Sachbereiche eine einheitliche Gesetzgebung der jeweiligen Gliedkirchen. Dabei gibt es eine zunehmende Tendenz zu deutschlandweit einheitlichen Gesetzen.
  • EKD: Pfarrdienstgesetz, Disziplinargesetz, Kirchenmitgliedschaftsgesetz, Datenschutzgesetz, Militärseelsorgegesetz
  • VELKD: Lehrordnung und Verfahren bei Lehrbeanstandungen, Lebensordnung
  • UEK: Disziplinarverordnung, Kirchengesetz über die kirchliche Verwaltungsgerichtsbarkeit, u. a.
  • Diese Gesetze sind z. T. von der– inzwischen aufgelösten – „Evangelischen Kirche der Union (EKU)“ übernommen, die in gewissem Sinne die Vorgängerin der UEK
    war.
  • Die Tatsache, dass das evangelische Kirchenrecht überwiegend aus dem Recht der einzelnen Landeskirchen oder der Zusammenschlüsse unterhalb der Ebene der EKD besteht, führt dazu, dass sich allgemeine Darstellungen des Evangelischen Kirchenrechts auf einem vergleichsweise abstrakten Niveau bewegen müssen. Je mehr man nämlich in die Details gehen würde, desto größer werden die Unterschiede zwischen den einzelnen Landeskirchen der EKD und erst recht zwischen Deutschland und anderen Ländern. Tendenzielle befinden sich die Gliedkirchen allerdings in einem Prozess zunehmender Vereinheitlichung ihres Rechts.
  • Eine wissenschaftliche Beschäftigung mit dem evangelischen Kirchenrecht fand traditionell vor allem in den juristischen Fakultäten der Universitäten statt. In der Gegenwart ist das aber immer weniger der Fall.
  • Die in der Praxis tätigen evangelischen „Kirchenjuristen“ sind von ihrer Ausbildung her in aller Regel nicht Theologen, sondern Juristen.
  • Im Hinblick auf die wissenschaftliche Beschäftigung mit dem evangelischen Kirchenrecht sind von Bedeutung:
    ○ das „Kirchenrechtliche Institut der EKD“ mit Sitz in Göttingen
    ○ die „Zeitschrift für evangelisches Kirchenrecht“.
  • Ein wertvolles Hilfsmittel für die Beschäftigung mit dem evangelischen Kirchenrecht ist das im Jahre 2016 erschienene „Handbuch des evangelischen Kirchenrechts“.

    10 Dietrich Pirson, Art. Kirchenrecht, 3., in: Evangelisches Kirchenlexikon, 1989, Bd. 2, Sp. 1169; ähnlich M. Honnecker, in: LKStKR III 385: „Für die Kirchenrechtspraxis hatten diese Entwürfe relativ wenig Bedeutung, denn für die kirchliche Verwaltung oder das Disziplinarrecht sind aus ihnen keine praktikablen Normen abzuleiten.“


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2. Das Recht der einzelnen Gliedkirchen der EKD
a) Rechtsquellen

  • Die Hl. Schrift hat nicht den Rang einer Rechtsquelle. Aber die kirchliche Rechtssetzung muss sich an der Hl. Schrift orientieren.
  • Auch die reformatorischen Bekenntnisschriften werden nicht als rechtliche, sondern als lehrhafte Dokumente angesehen.
  • Das kirchliche Recht besteht aus den einzelnen Kirchengesetzen und Verordnungen sowie aus dem Gewohnheitsrecht.
    ○ Die Gesetzgebungsgewalt liegt normalerweise bei der Synode.
    ○ In dringenden Fällen hat – für die Zwischenzeit bis zur nächsten Tagung der Synode – häufig auch die oberste kirchliche Verwaltungsstelle Gesetzgebungsgewalt. Man spricht dabei von „Notverordnungen“.
  • Die oberste Verwaltungsstelle kann außerdem die von der Synode erlassenen Gesetze durch Ausführungsverordnungen konkretisieren.
  • Die verbindliche Veröffentlichung der Gesetze erfolgt in den Amtsblättern der Landeskirchen.
  • Es gibt keine Kodifikationen, sondern nur einzelne Dokumente. Für die Praxis haben die meisten Landeskirchen Loseblattsammlungen zusammengestellt.
  • Das evangelische Kirchenrecht ist größtenteils auch im Internet zugänglich:
    b) für die Gliedkirchen der EKD besonders typische Gesetze:
  • Alle 20 Landeskirchen habe eine „Verfassung“.
    ○ Teils wird sie ausdrücklich als „Verfassung“ bezeichnet, teils mit anderen Ausdrücken wie „Grundordnung“ oder „Kirchenordnung“.
  • Ein spezifisches Dokument der evangelischen Kirchen sind die „Lebensordnungen“, die sich vor allem mit den Gottesdiensten aus Anlass von Taufe, Konfirmation, Trauung und Bestattung beschäftigen.
    ○ Sie sind nicht in rechtlicher Sprache verfasst.
    ○ „Sie sind … ein Konglomerat verschiedener Regeln mit schwer zu bestimmendem Charakter. Ihre rechtliche Verbindlichkeit ist umstritten und in den einzelnen Gliedkirchen unterschiedlich ausgeprägt.“11
    ○ In der Regel ist die normative Kraft der Lebensordnungen geringer als bei kirchlichen Gesetzen. Trotzdem erheben sie den Anspruch von Verbindlichkeit, jedenfalls in dem Sinne, dass eine abweichende Praxis einer besonderen Rechtfertigung bedarf.
    c) Die Unterscheidung zwischen „geistlicher Leitung“ und „rechtlicher (äußerer) Leitung“
  • Bei den ordinierten Amtsträgern liegt aus evangelischer Sicht nur die „geistliche Leitung“, die auf Wortverkündigung und Sakramentenverwaltung begrenzt ist.
  • Im Übrigen liegt die („rechtliche“ oder „äußere“) Leitung bei gewählten Kollegialorganen.


11 So Jörg Winter, Oberkirchenrat der Evangelischen Landeskirche in Baden, in: Staatskirchenrecht, Neuwied 2001, S. 47.

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  • Das gilt sowohl für die Ebene der betreffenden Landeskirche als auch für die Ebene der einzelnen Kirchengemeinde.
    d) Leitungsorgane der Gliedkirchen
  • Leitungsorgane sind vor allem: Synode, Leitendes Geistliches Amt, Kirchenleitung und Kirchenverwaltung (Konsistorium).
  • Synode
    ○ Eine Synode gibt es in allen Gliedkirchen der EKD.
  • In Bremen wird sie als „Kirchentag“ bezeichnet.
  • In den reformierten Kirchen haben die Synoden eine lange Tradition.
  • In den lutherischen Kirchen haben sich die Synoden im Allgemeinen im Laufe des 19. Jahrhunderts entwickelt.
    ○ Die Synode gilt als das oberste Leitungsorgan der Kirche.
    ○ Sie besteht in der Regel aus gewählten Mitgliedern aus den verschiedenen Teilen der
    Landeskirche.
    ○ Etwa ein Drittel der Mitglieder sind ordiniert, d. h. Pfarrerinnen und Pfarrer.
    ○ Bei der Synode liegt die Gesetzgebungsgewalt.
  • Leitendes Geistliches Amt
    ○ Die Einrichtung eines „Leitenden Geistlichen Amtes“, das notwendigerweise von einem ordinierten Theologen wahrgenommen wird, gibt es in allen Gliedkirchen der EKD mit Ausnahme von Bremen.
    ○ Beim Inhaber des Leitenden Geistlichen Amts liegen Aufgaben wie Ordination, Visitation und Stellungnahmen gegenüber der Öffentlichkeit. Hingegen ist der Inhaber des Leitenden Geistlichen Amtes für sich allein genommen nicht für die rechtliche Leitung der
    Landeskirche zuständig.
    ○ Die Titel des Amtsträgers sind unterschiedlich:
  • „Bischof“ (in der Mehrzahl der Landeskirchen)
  • In der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland („Nordkirche“) besteht die Besonderheit, dass es fünf Bischöfe für die verschiedenen geographischen Gebiete gibt.
  • In Baden und Württemberg ist diesem Bischof eine Reihe von „Prälaten“ zugeordnet.
  • Abgesehen von einigen Ausnahmen, gibt es evangelische Bischöfe in Deutschland erst seit dem Ende des landesherrlichen Kirchenregiments.
  • „Landessuperintendent“ (in der Lippischen Landeskirche)
  • „Präses“ (in den unierten Kirchen des Rheinlands und Westfalens)
  • Der Präses wird dabei durch die übrigen Mitglieder der Kirchenleitung unterstützt.
  • „Kirchenpräsident“ (in Hessen-Nassau, Pfalz, Anhalt sowie in der Evangelisch-Reformierten Kirche)
    ○ Der Inhaber des „Leitenden Geistlichen Amtes“ wird – direkt oder indirekt – von der Synode gewählt.
  • Kirchenleitung
    ○ Die Kirchenleitung hat eine Art Koordinierungsfunktion, für grundlegende, über die tägliche Verwaltungsarbeiten hinausgehende Aufgaben.
    ○ Es handelt sich um ein Kollegialorgan. Es besteht in der Regel teils aus hauptamtlichen, teils aus ehrenamtlichen Mitgliedern.
    ○ In gewisser Weise kann man sagen, dass die Kirchenleitung das Erbe des landesherrlichen Kirchenregiments angetreten hat.


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○ Die konkrete Ausgestaltung der Kirchenleitung ist unterschiedlich.
 episkopalbehördliche Kirchleitung: der Bischof ist Mitglied und Vorsitzender
 Bayern, Oldenburg, Württemberg
 synodale Kirchenleitung: Kirchenleitung erscheint als ein Organ der Synode
 Reformierte Kirche, Rheinische Kirche
 gemischte Kirchenleitung
 Sie besteht entweder nur aus Vertretern der Synode und Inhabern personaler Leitungsämter.
 Nordkirche und Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz
 Oder sie fasst drei Arten von Mitgliedern zusammen: Vertreter der Synode, Inhaber personaler Leitungsämter sowie Mitglieder der Kirchenverwaltung
 so in der Mehrzahl der Landeskirchen.
 Kirchenverwaltung
○ Sie ist für die laufende Verwaltung zuständig. In den drei Landeskirchen von Bayern, Oldenburg und Württemberg handelt es sich bei Kirchenleitung und Kirchenverwaltung um ein und dasselbe Organ; in den übrigen Landeskirchen kann man zwischen Kirchenleitung
und Kirchenverwaltung unterscheiden.
○ Unter den verschiedenen Leitungsorganen ist die Kirchenverwaltung dasjenige mit der größten historischen Kontinuität. Sie ist hervorgegangen aus dem „Konsistorium“, der Behörde des jeweiligen Landesherrn für die Ausübung seines Kirchenregiments.
○ Die heutige Bezeichnung der Kirchenverwaltung ist unterschiedlich je nach Landeskirche:
„Konsistorium“, „Landeskirchenamt“, „Oberkirchenrat“, „Landeskirchenrat“,
„Kirchenverwaltung“, „Kanzlei“
○ Bei der Kirchenverwaltung handelt es sich um ein Kollegialorgan. Die Mitglieder sind teils Theologen, teils Juristen. Sie tragen Dienstbezeichnungen wie: „Konsistorialrat“, „Landeskirchenrat“, „Oberkirchenrat“.
e) Kirchenmitgliedschaft
 Zur Frage der Kirchenmitgliedschaft haben die evangelischen Kirche in Deutschland eine „Vereinbarung zwischen den Gliedkirchen der EKD über die Kirchenmitgliedschaft“ abgeschlossen.
○ Darin geht es vor allem um den Umzug aus einer Gliedkirche in eine andere: „Innerhalb der EKD setzt sich beim einem Wohnsitzwechsel in den Bereich einer anderen Gliedkirche die Kirchenmitgliedschaft in der Gliedkirche des neuen Wohnsitzes fort.“ (Vereinbarung, III.)
 Falls die neue Gliedkirche einen anderen Bekenntnisstand hat (z. B. reformiert statt lutherisch), wechselt der betreffende also mit dem Umzug automatisch seinen Bekenntnisstand (spöttisch als „Möbelwagenkonversion“ bezeichnet).
○ Es gibt aber eine Widerspruchsmöglichkeit gegen diese automatische Konversion (Vereinbarung, III.).
○ Besondere Fragestellungen ergeben sich, wenn es für ein und dasselbe Gebiet verschiedene zur EKD gehörende Kirchengemeinden unterschiedlicher Bekenntnisse gibt.
3. Evangelisches Kirchenrecht außerhalb der EKD

  • Evangelisches Kirchen außerhalb der EKD gibt es:
    ○ was Deutschland angeht, in den „Freikirchen“,
    ○ außerdem in den evangelischen Kirchen anderer Länder.


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  • In einigen Ländern (Dänemark, Norwegen, Island, Schottland) ist eine evangelische Kirche Staatskirche; kirchliche Gesetze werden dort durch das Parlament erlassen.
  • Davon abgesehen liegt die Rechtssetzungsgewalt im Allgemeinen bei der Synode.
    ○ In den Freikirchen in Deutschland verwendet man allerdings nicht den Ausdruck „Synode“, sondern spricht von „Versammlungen“ oder „Konferenzen“.