§ 2 – Die Quellen des geltenden kanonischen Rechts
A. Einführung
- Wie in § 1 der Vorlesung erläutert, lassen sich die Normen des kanonischen Rechts in vier Teile aufteilen:
- (1) Naturrecht
- (2) positives göttliches Recht
- (3) Gewohnheitsrecht
- (4) schriftliches Recht
- Im Folgenden geht es darum, einen Überblick über die vierte Art von Normen zu geben, d. h. über die verschiedenen schriftlichen Rechtsquellen.
- Es lassen sich vier Arten von schriftlichen Rechtsquellen unterscheiden:
○ Gesetze (cc. 7-22)
○ Ausführungsverordnungen (decreta generalia exsecutiva; cc. 31-33) - Sie richten sich (ebenso wie Gesetze) an alle Gläubigen; sie sind aber den Gesetzen untergeordnet und enthalten nähere Bestimmungen über die Anwendung der Gesetze.
○ Instruktionen (c. 34 § 1) - Sie sind (ebenso wie Ausführungsverordnungen) den Gesetzen untergeordnet; sie richten sich aber nicht an alle, sondern nur an diejenigen, „die dafür sorgen müssen, dass die Gesetze zur Ausführung gelangen“, d. h. die Verwaltungsorgane (bzw., falls um Prozessrecht geht, die Rechtsprechungsorgane).
○ autonom erlassene Statuten (c. 94) - Im Unterschied zu den drei voranstehend genannten Arten von Rechtsnormen, die einer Gemeinschaft von der zuständigen Autorität gegeben werden, kommen autonom erlassene Statuten dadurch zustande, dass eine Gemeinschaft sich selbst Rechtsnormen gibt.
- Diese klare Unterscheidung zwischen vier Arten von schriftlichen Rechtsquellen spiegelt sich allerdings nicht in den Bezeichnungen wieder, die in der kirchlichen Praxis verwendet werden.
○ Wenn z. B. der Apostolische Stuhl ein Dokument mit der Überschrift „Instruktion“ versieht, ist damit noch nicht sichergestellt, dass es tatsächlich um eine Instruktion im Sinne von c. 34 handelt. Es könnte sich z. B. auch um ein Gesetz oder um eine Ausführungsverordnung
handeln.
○ Für die rechtliche Qualifizierung ist also nicht die Überschrift ausschlaggebend, sondern der Inhalt eines Dokuments. Das führt in der Praxis nicht selten zu erheblichen Unsicherheiten.
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Zuständigkeit für das Erlassen von Rechtsnormen
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- Autoritäten, die Rechtsnormen erlassen können:
○ Gesetze können nur von Inhabern gesetzgebender Gewalt erlassen werden. Das sind: - Papst und Bischofskollegium
- mit päpstlicher Beteiligung: die Behörden der Römischen Kurie
- das Partikularkonzil
- die Bischofskonferenz
- der Diözesanbischof
○ Ausführungsverordnungen und Instruktionen können nicht nur von Inhabern gesetzgebender Gewalt, sondern auch von Inhabern ausführender Gewalt erlassen werden. Das sind: - die zuständigen Behörden der Römischen Kurie
- Generalvikar und Bischofsvikar
- Die Zuständigkeit für das Erlassen von Rechtsnormen richtet sich nach der jeweiligen Ebene:
○ Für die gesamte Kirche (bzw. die gesamte Lateinische Kirche oder die Gesamtheit der
katholischen Ostkirchen) sind zuständig: - der Papst
- das Bischofskollegium
- Das Bischofskollegium handelt in erster Linie auf dem Ökumenischen Konzil.
- Einige Beschlüsse des Zweiten Vatikanischen Konzils haben durchaus den Charakter von unmittelbar wirksamen Rechtsnormen. Diese Rechtsnormen wurden allerdings von ihrem Inhalt her praktisch alle auch in die päpstliche Gesetzgebung der folgenden Jahre übernommen.
- die Behörden der Römischen Kurie
- Die voranstehend genannten Autoritäten können nicht nur Rechtsnormen für die gesamte Kirche, sondern auch für einzelne Teile erlassen.
- Z. B. hat der Papst die Militärseelsorge in Deutschland durch ein kirchliches Gesetz näher geordnet.3
○ Für die Ebene zwischen der Gesamtkirche und der Diözese sind außerdem zuständig: - die Bischofskonferenz
- für ihr jeweiliges Gebiet
- das Partikularkonzil, sei es ein Plenarkonzil (für den gesamten Bereich einer Bischofskonferenz) oder ein Provinzialkonzil (für eine Kirchenprovinz)
3 Johannes Paul II., Statuten für den Jurisdiktionsbereich der Katholischen Militärseelsorge für die Deutsche Bundeswehr, vom 23.11.1989: AAS 81 (1989) 1284-1294 = AfkKR 158 (1989) 476-483.
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- Partikularkonzilien finden faktisch nur ziemlich selten statt. Was Deutschland angeht, hatte Ähnlichkeit mit einem Partikularkonzil die „Gemeinsame Synode der Bistümer in der Bundesrepublik Deutschland“, die 1971-1975 in Würzburg abgehalten wurde („Würzburger Synode“). Sie hat nur einige wenige rechtliche Anordnungen beschlossen; diese wurden in der Folgezeit auch in die Gesetzgebung der Bischofskonferenz bzw. der Diözesanbischöfe aufgenommen.
○ Für die Diözese sind zuständig: - der Diözesanbischof (→ alle Arten von Rechtsnormen)
- der Generalvikar und der Bischofsvikar (→ nur Ausführungsverordnungen und Instruktionen)
○ Autonomes Satzungsrecht ist in vielen Arten von Personen- und Sachengesamtheiten möglich. Beispiele sind etwa die Statuten: - der Bischofskonferenz
- des Priesterrats
- einer Ordensgemeinschaft
- eines Vereins
- einer kirchlichen Hochschule
- einer Stiftung
B. Vom Papst bzw. vom Apostolischen Stuhl erlassene Normen
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1. Codices und zugehörige Quellen
- CIC/1983 und CCEO (von 1990)
○ Beide Codices wurden vom Papst erlassen.
○ Ihr jeweiliger Geltungsbereich wird in c. 1 CIC und c. 1 CCEO abgegrenzt: - CIC → Lateinische Kirche
- CCEO → katholische Ostkirchen
○ Rechtlich verbindlich ist nur der lateinische Text.
○ Von beiden Codices gibt es eine deutsche Übersetzung - CIC: dt. Übersetzung im Auftrag der Deutschen Bischofskonferenz angefertigt
- CCEO: dt. Übersetzung von einer privaten Übersetzergruppe
- Beide Codices wurden im Laufe der Zeit mehrfach geändert.
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○ Der CIC wurde bislang sechsmal geändert (siehe unten § 3 D 1).
○ Der CCEO wurde bislang zweimal geändert, durch das MP Ad tuendam fidem (1998) und durch das MP Mitis et misericors (2015).
2. Andere vom Papst persönlich erlassene Normen
- Abgesehen von den Codices und den Staatskirchenverträgen gibt es unter den vom Papst erlassenen Rechtsnormen von der Form her vor allem zwei Arten:
○ die Apostolische Konstitution (Constitutio Apostolica)
○ das Motu proprio - Für bedeutendere Angelegenheiten wird die Form der Apostolischen Konstitution (AK) gewählt, für weniger bedeutende Angelegenheiten das Motu proprio (MP). Formalrechtlich gibt es aber keinen Unterschied zwischen diesen beiden Formen.
- Die Zitation erfolgt normalerweise nach den lateinischen Anfangsworten (dem Incipit).
- Beispiele für päpstliche Gesetze:
○ AK Universi Dominici gregis von 1996 über die Sedisvakanz und das Konklave
○ AK Veritatis gaudium von 2017 über die Kirchlichen Fakultäten
○ AK Ex corde Ecclesiae von 1990 über die Katholischen Universitäten (wie z. B. die Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt)
○ AK Divinus perfectionis Magister von 1983 über das Heiligsprechungsverfahren
○ MP Apostolos suos von 1998 über die Lehrautorität der Bischofskonferenzen
○ MP Summorum Pontificum von 2007 über die traditionelle Liturgie
3. Verträge zwischen Kirche und Staat
- Auch die Verträge zwischen Kirche und Staat stellen kirchliches Recht dar.
○ Sie stellen allerdings gleichzeitig auch staatliches Recht dar, sei es unmittelbar oder auf dem Wege einer Transformation in ein staatliches Gesetz. - Einige ältere, aber noch geltende Verträge tragen in der Überschrift die Bezeichnung „Konkordat“. Die neueren Verträge verwenden diese Überschrift nicht mehr. Die Frage der Überschrift hat keine rechtlichen Folgen.
- Vertragspartner auf kirchlicher Seite ist vor allem der Heilige Stuhl. Unterzeichnet wird der Vertrag mit päpstlicher Vollmacht vom päpstlichen Gesandten (d. h. in Deutschland: vom „Apostolischen Nuntius“). Sofern der Vertrag der Ratifikation bedarf, wird diese vom Papst vorgenommen.
- Im kirchlichen Bereich treten die Verträge mit ihrer offiziellen Veröffentlichung automatisch in Kraft; es ist also nicht eine „Transformation“ in ein kirchliches Gesetz erforderlich.
- Die wissenschaftliche Behandlung der Verträge zwischen Staat und Kirche geschieht vor allem im Zusammenhang mit dem staatlichen Religionsrecht.
- Quellensammlungen des Vertragsrechts:
○ für Deutschland für die Zeit bis 1987: - Die Konkordate und Kirchenverträge in der Bundesrepublik Deutschland, hrsg. v. Joseph Listl, 2 Bde., Berlin 1987
○ internationale Sammlung: - https://www.iuscangreg.it/accordi_santa_sede.php
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4. Von den Behörden der Römischen Kirche erlassene Normen
- Die Behörden der Römischen Kurie haben an sich keine Gesetzgebungsgewalt, sondern nur ausführende Gewalt. Normen, die gesetzgebende Gewalt erfordern, können die Kurienbehörden daher nur mit besonderer päpstlicher Beteiligung erlassen. Diese Beteiligung wird im geltenden Recht als „Bestätigung in besonderer Form“ (approbatio in forma specifica) oder einfach „besondere Bestätigung“ (approbatio specifica) bezeichnet (vgl. AK Pastor bonus, Art. 18).
- Um unklare Normen verbindlich auszulegen, besteht innerhalb der Römischen Kurie der „Päpstliche Rat für Gesetzestexte“ (aktuelle Abkürzung: PCLT).
- Der Name dieses Rates wurde im Laufe der Zeit mehrfach geändert.
○ Die verbindlichen Auslegungen von Rechtsnormen bezeichnet der Codex als „authentische Interpretationen“. - Siehe dazu c. 16 §§ 1 und 2.
- Die einzelnen Interpretationen bedürfen jeweils der Gutheißung des Papstes, um verbindlich zu werden.
- In der Zeit zwischen 1983 und 1999 hat der Päpstliche Rat für Gesetzestexte 28 authentische Interpretationen veröffentlicht. Eine weitere authentische Interpretation erfolgte 2016.
- Eine Auflistung der Interpretationen findet sich am Ende der lat.-dt. Ausgabe des CIC.
- Die Canones, zu denen eine authentische Interpretation erging, sind in der lat.-dt. Ausgabe des CIC mit einem Sternchen gekennzeichnet.
- Fundstelle der authentischen Interpretationen:
- https://www.iuscangreg.it/risposte.php?lang=DE
- Es gibt eine deutsche Übersetzung der Interpretationen:
- Franz Kalde, Authentische Interpretationen zum CIC
- Bd. I (1984-1994) (Subsidia ad ius canonicum vigens applicandum, Bd. 1)
- Bd. II (1995-2005) (Subsidia ad ius canonicum vigens applicandum, Bd. 9)
- Im Rahmen ihrer ausführenden Gewalt, also ohne die Notwendigkeit einer päpstlichen Beteiligung, können die Kurienbehörden Ausführungsverordnungen und Instruktionen erlassen (cc. 31 § 1, 34 § 1).
- Beispiele für Normen, die von den Kurienbehörden erlassen wurden:
○ Glaubenskongregation, Normen über Glaubensbekenntnis und Treueid, von 1989
○ Glaubenskongregation, Normen über die Laisierung von Klerikern, von 1980
○ Glaubenskongregation, Ordnung für die Lehrüberprüfung, von 1997 (mit päpstlicher approbatio in forma specifica)
○ Glaubenskongregation, Normen über die Auflösung von Ehen zugunsten des Glaubens, von 2001
○ Gottesdienstkongregation, Instruktion Redemptionis Sacramentum über Missbräuche bei der Feier der Eucharistie, von 2004
○ Kleruskongregation zusammen mit sieben weiteren Kongregationen, Instruktion zu einigen Fragen über die Mitarbeit der Laien am Dienst der Priester, von 1997 (mit päpstlicher approbatio in forma specifica)
○ und viele andere Dokumente - In einem weiteren Sinne gehören zu den vom Apostolischen Stuhl erlassenen Rechtsnormen auch die liturgischen Bücher (vgl. c. 2).
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5. Fundstellen für die vom Apostolischen Stuhl erlassenen Rechtsnormen
- Die Promulgation der vom Apostolischen Stuhl erlassenen Rechtsnormen erfolgt gemäß c. 8 in der Rege in den Acta Apostolicae Sedis (AAS).
○ Die AAS haben die Funktion eines Gesetzblatts des Apostolischen Stuhls. Sie enthalten aber keineswegs nur Rechtsnormen, sondern auch viele andere Arten von Texten.
○ Päpstliche Gesetze, authentische Interpretationen zum CIC sowie Verträge zwischen Staat und Kirche werden fast immer in den AAS abgedruckt.
○ Bedauerlicherweise erscheinen die AAS seit mehreren Jahren mit einer erheblichen Verspätung (mehr als ein Jahr). Um neue Normen zeitnah zu promulgieren, greifen die Päpste deswegen seit 2013 häufig anstelle der AAS auf den Osservatore Romano (die Zeitung des Heiligen Stuhls) zurück; in den AAS erfolgt dann ca. ein Jahr später ein zusätzlicher Abdruck der Normen. - Dokumente von untergeordneter Bedeutung (z. B. Ausführungsverordnungen und Instruktionen) werden manchmal nicht in den AAS, sondern auf andere Weise veröffentlicht. Man findet sie:
○ z. B. in der Zeitschrift „Communicationes“ (herausgegeben vom Päpstlichen Rat für Gesetzestexte)
○ oder in der Zeitschrift „Notitiae“ (herausgegeben von der Gottesdienstkongregation) - Auf der Homepage des Vatikan (www.vatican.va) sind praktisch alle neueren Dokumente (seit ca. 1995) und auch viele ältere Dokumente des Apostolischen Stuhls zu finden; meist gibt es dort neben dem lateinischen Original auch eine deutsche Übersetzung.
- Eine umfassende Sammlung der geltenden vom Apostolischen Stuhl erlassenen Normen gibt es unter der Adresse:
○ https://www.iuscangreg.it/diritto_universale.php?lang=DE - Weitere gedruckte Fundstellen der lateinischen Originaltexte sind z. B.
○ die „Leges Ecclesiae“ (bislang 10 Bde.)
○ die Zeitschrift „Archiv für katholisches Kirchenrecht“ - Viele Übersetzungen ins Deutsche findet man in der Reihe „Verlautbarungen des Apostolischen Stuhls“, die von der DBK herausgegeben wird.
C. Von der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) bzw. von den deutschen Bischöfen erlassene Normen
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1. Deutsche Bischofskonferenz
- Die Bischofskonferenz kann nicht auf beliebigen Gebieten rechtsetzend tätig werden, sondern gemäß c. 455 § 1 nur auf solchen Gebieten,
○ in denen das allgemeine Recht es vorsieht oder
○ in denen der Apostolische Stuhl ihr im Einzelfall eine entsprechende Vollmacht erteilt. - Man könnte die Zuständigkeitsverteilung zwischen Bischofskonferenz und einzelnen Bischöfen vergleichen mit der Zuständigkeitsverteilung zwischen Bund und Ländern. Der Bundestag kann nicht auf allen möglichen Gebieten Gesetze erlassen, sondern nur für solche Gebiete, für die ihm nach dem Grundgesetz die Gesetzgebungskompetenz zukommt. Für andere Dinge sind die Länder zuständig. Ebenso kann die Bischofskonferenz nur auf bestimmten Gebieten gesetzgeberisch tätig werden.
- Daraus ergibt sich eine Art Sammelsurium von Einzelkompetenzen der Bischofskonferenz. Dabei geht es zum Teil um bedeutende, zum Teil um ziemlich unwichtige Angelegenheiten. Zum Teil ist die Bischofskonferenz verpflichtet, in der betreffenden Angelegenheit rechtsetzend tätig zu werden, zum Teil ist es ihr freigestellt.
- Die von der Bischofskonferenz erlassenen Rechtsnormen werden im CIC als decreta generalia bezeichnet (c. 455). Im Deutschen spricht man für gewöhnlich von „Partikularnormen“ der Bischofskonferenz.
- Eine Liste der von der DBK erlassenen Partikularnormen findet am Ende der lat.-dt. Ausgabe des CIC. Dort sind auch die Themen dieser Partikularnormen genannt.
○ Die meisten Normen wurden aufgrund einer im CIC erwähnten Gesetzgebungskompetenz erlassen. - Ein wichtiges Beispiel ist die „Rahmenordnung für die Priesterbildung“ (geltende Fassung von 2003).
- Zu den Partikularnormen gehört auch das „Ehevorbereitungsprotokoll“ zusammen mit seiner Anmerkungstafel.
○ Beispiele für Normen, die aufgrund einer besonderen Bevollmächtigung durch den Apostolischen Stuhl erlassen wurden: - Dekret „Aufnahme ins Seminar (Konvikt) von Priesterkandidaten, die zuvor in anderen
Seminaren (Konvikten), Ordensinstituten oder sonstigen kirchlichen Gemeinschaften waren“, von 2000 - Kirchliche Arbeitsgerichtsordnung (KAGO), geltende Fassung von 2010
- Die DBK veröffentlicht des Öfteren auch Rechtstexte für Gebiete, auf denen sie keine Gesetzgebungskompetenz besitzt. Bei solchen Texten handelt es sich dann nur um Empfehlungen, die ggf. von den einzelnen Diözesen umgesetzt werden sollen. Dass es sich nur um Empfehlungen handelt, ist vom Wortlaut her häufig nicht zu erkennen.
○ Zum Teil wird in solchen Fällen der Ausdruck „Rahmenordnung“ verwendet, z. B. im Falle der „Rahmenordnung für eine Mitarbeitervertretungsordnung“.
2. Von den deutschen Bischöfen übereinstimmend erlassene Normen
- Es kommt vor, dass die deutschen Bischöfe Rechtsnormen für ganz Deutschland einführen wollen, die Bischofskonferenz für das betreffende Rechtsgebiet aber keine Gesetzgebungskompetenz besitzt. Dann legt sich nahe, dass die Normen zwar inhaltlich von der DBK vorbereitet werden, anschließend aber von jedem der 27 Bischöfe einzeln für seine Diözese erlassen werden.
- Beispiele:
○ Anordnung über das kirchliche Meldewesen, von 2005
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○ Grundordnung des kirchlichen Dienstes im Rahmen kirchlicher Arbeitsverhältnisse, von 2015
= das grundlegende Dokument über das Arbeitsrecht der katholischen Kirche in Deutschland
○ Gesetz über den kirchlichen Datenschutz (KDG), von 2017
Ein Problem bei dieser Art des Erlassens von Normen besteht in der Unsicherheit, ob die Normen tatsächlich in allen Diözesen erlassen werden oder ob es in einzelnen Diözesen – aus Versehen oder absichtlich – nicht zur Veröffentlichung der Normen kommt.
3. Fundstellen zu den Rechtsnormen der DBK und der deutschen Bischöfe
- Anders als andere Bischofskonferenzen besitzt die DBK kein eigenes Amtsblatt. Für die Veröffentlichung ihrer Rechtsnormen ist sie daher auf andere Publikationsorgane angewiesen. Dafür kommen in Frage:
○ die Amtsblätter der einzelnen Diözesen (Dort ist manchmal nicht zu erkennen, ob die betreffenden Normen nur für die jeweilige Diözese oder übereinstimmend für ganz Deutschland erlassen wurden.)
○ die Reihe „Die deutschen Bischöfe“, hrsg. vom Sekretariat der DBK - Außerdem gibt es die folgenden Sammlungen:
○ Partikularnormen der DBK, hrsg. von Heribert Schmitz und Franz Kalde, Metten 1996 (Subsidia ad ius canonicum vigens applicandum, Heft 5)
○ die Loseblattsammlung: Beschlüsse der DBK, hrsg. von Reinhard Wenner (Die Sammlung enthält nicht nur Rechtsnormen, sondern auch etliche Texte ohne rechtlichen Charakter.)
○ die Buchreihe „Dokumente der Deutschen Bischofskonferenz“: Diese Buchreihe erscheint seit 1998 und soll alle Dokumente veröffentlichen, die die Deutsche Bischofskonferenz (oder ihre Organe) seit dem Zweiten Vatikanum beschlossen hat; bislang sind allerdings nur zwei Bände erschienen (für die Zeit von 1965 bis 1970).
○ Fundstellen im Internet: - Partikularnormen der DBK:
- www.kirchenrecht-online.de/kanon/partikularnormen.html
- weitere (gemeinsame) Beschlüsse der deutschen Bischöfe:
- www.kirchenrecht-online.de/kanon/fundstellen_ddb.html
D. Recht einzelner deutscher Diözesen
- Die einzige gesetzgebende Autorität in der Diözese ist der Diözesanbischof. Er kann seine Gesetzgebungsgewalt nicht delegieren (c. 135 § 2).
○ Manchmal werden Diözesangesetze im Zusammenhang mit einer Diözesansynode erlassen; auch in diesem Fall ist aber der Bischof der einzige Gesetzgeber (c. 466). - Während die Gesetzgebungsgewalt der Bischofskonferenz auf bestimmte Angelegenheiten beschränkt ist, kann der Diözesanbischof auf allen möglichen Gebieten gesetzgeberisch tätig werden, vorausgesetzt, dass seine Gesetzgebung sich dabei nicht übergeordnetem Recht entgegensetzt (c. 135 § 2).
- Der Generalvikar (und die Bischofsvikare) verfügen nur über ausführende Gewalt (c. 479). Sie können daher keine Gesetze, sondern nur Ausführungsverordnungen und Instruktionen erlassen.
- Angelegenheiten, für die Diözesangesetze bestehen, sind z. B.
○ die Besoldung der Priester
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○ der Dienst der Pastoral- und Gemeindereferenten/innen
○ das kirchliche Arbeitsrecht
○ Pfarrgemeinderat, Vermögensverwaltungsrat der Pfarrei, usw.
○ Dechant und Dekanat
○ Diözesanpastoralrat, Vermögensverwaltungsrat der Diözese, Kirchensteuerrat
○ Archive
○ Datenschutz
○ Friedhöfe
○ Vermögensverwaltung
○ usw.
Hinzu kommen staatskirchenrechtliche Verträge, z. B. zwischen einem Bundesland und den darin vertretenen Diözesen.
Fundstellen
○ die diözesanen Amtsblätter; der Ausdruck „Amtsblatt“ wird dabei als zusammenfassender Begriff gebraucht; die konkreten Namen sind unterschiedlich, z. B.
„Amtsblatt des Bistums Limburg“
„Kirchliches Amtsblatt für die Diözese Osnabrück“
„Kirchliches Amtsblatt für die Erzdiözese Hamburg“
„Kirchlicher Anzeiger für das Bistum Hildesheim“.
○ Die Diözesen veröffentlichen ihre Amtsblätter zunehmend auch im Internet.
○ Was Rechtssammlungen angeht, gehen die deutschen Diözesen unterschiedliche Wege:
offizielle / private Sammlungen
bloße Fundstellensammlungen, die das Nachschlagen im Amtsblatt erforderlich machen / Sammlungen der vollständigen Texte
Sammlungen für einzelne Rechtsgebiete / für das gesamte Diözesanrecht / für das Diözesanrecht und auch Rechtsnormen übergeordneter Gesetzgeber
ein festes Buch (das also im Laufe der Zeit mehr und mehr veraltet) / Sammlungen, die von Zeit zu Zeit aktualisiert werden (z. B. Loseblattsammlungen)
gedruckte Sammlungen / Sammlungen im Internet
○ Zu den diözesanen Amtsblättern und Rechtssammlungen im Internet siehe:
Diözesanrecht der deutschen Bistümer
E. Autonomes Satzungsrecht
- Zu „Satzungen“ (= „Statuten“) im Allgemeinen siehe c. 94. Man kann danach unterscheiden, ob eine Personen- oder Sachengesamtheit
○ sich ihre Satzungen selbst gibt („autonomes Satzungsrecht“)
○ oder ihre Satzungen von der zuständigen kirchlichen Autorität erhält. - Das autonome Satzungsrecht ist den kirchlichen Gesetzen untergeordnet und davon abhängig. In der kanonistischen Literatur begegnet dafür der Ausdruck „sekundäres Recht“.
○ Um im kirchlichen Rechtsbereich wirksam zu sein, bedürfen die autonom erlassenen Satzungen einer Genehmigung seitens der zuständigen kirchlichen Autorität. Dass das Satzungsrecht „autonom“ ist, heißt also nicht, dass diese Art von Recht völlig unabhängig von der kirchlichen Autorität erlassen würde.
○ Autonomes Satzungsrecht gibt es sowohl im Bereich des Verfassungsrechts als auch – und vor allem – im Bereich des Vereinigungsrechts.
○ Beispiele aus dem Bereich des Verfassungsrechts: - das Statut der Deutschen Bischofskonferenz
- die Satzungen des Priesterrats und des Domkapitels
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- abgedruckt in den Amtsblättern der Diözesen
○ Beispiele aus dem Bereich des Vereinigungsrechts: - Satzungen der Ordensgemeinschaften (unter verschiedenen Bezeichnungen, z. B. „Regel“, „Konstitutionen“ oder allgemein „Eigenrecht“)
- Satzungen der Vereine
- Satzungen aus dem Bereich des Vereinigungsrechts sind in der Regel nicht veröffentlicht, sondern nur in internen Dokumenten zugänglich.
- Satzungen, die nicht „autonomes Satzungsrecht“ darstellen, sondern von der zuständigen kirchlichen Autorität erlassen werden, sind z. B. die Satzungen des Pfarrgemeinderates, Diözesanpastoralrates und des Kirchensteuerrates. Diese Satzungen geben sich die betreffenden Gremien nicht selbst, sondern sie werden vom Diözesanbischof erlassen, ebenso die Satzungen mancher Stiftungen. Solche Satzungen stellen einen Teil der Diözesangesetzgebung dar. Sie bilden nicht „sekundäres“, sondern „primäres Recht“.
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