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a) Konsulate

65 Rechtsgrundlage der konsularischen Beziehungen ist das Wiener Übereinkommen über konsu-larische Beziehungen v 1963 (WÜK), das 1967 in Kraft getreten ist. Es entspricht in Aufbau und Inhalt im Wesentlichen dem WÜD.
66 Nach Art 5 WÜK sollen Konsulate vor allem die Interessen des Entsendestaats und seiner Staatsangehörigen schützen, Art 5 lit a WÜK, sowie die kommerziellen, wirtschaftlichen, kultu-rellen und wissenschaftlichen Beziehungen zwischen den Staaten fördern, Art 5 lit b WÜK. Hin-zu kommen notarielle, standesamtliche und bestimmte Verwaltungsfunktionen wie das Ausstel-len von Pässen, Reiseausweisen und Sichtvermerken, Art 5 lit f und g WÜK. Da die Funktionen aber nicht in allen
Einzelheiten fest umrissen sind, schließen einige Staaten ergänzende bilate¬rale Abkommen. Eine Vereinbarung auf multinationaler Ebene wurde bislang nicht getroffen. Die Verletzung der Pflicht des Empfangsstaats, im Falle einer Inhaftnahme eines Staatsangehö¬rigen den Entsendestaat zu informieren (Art 36 WÜK), war Gegenstand des Verfahrens vor dem
IGH im Fall der Brüder (und deutschen Staatsangehörigen) LaGrand. Trotz (im Falle von Walter LaGrand ergangener) einstweiliger Anordnung durch den IGH vollstreckten die amerikanischen Behörden die Todesurteile gegen Karl und Walter LaGrand unter Hinweis auf die innerstaatliche Kompetenzverteilung. Der IGH verurteilte die USA wegen Verletzung des Art 36 Abs 1 WÜK. Im Fall Avena festigte der IGH seine Grundsätze zur Belehrungspflicht aus Art 36 WÜK, überließ es aber im Übrigen den nationalen Gerichten, die aus einer Verletzung resultierenden Nachteile zu untersuchen und eine angemessene Rechtsfolge für den Gesetzesverstoß vorzusehen.
Wie Art 14 WÜD nimmt auch Art 9 WÜK eine Einteilung in drei Klassen vor: Generalkonsuln, 67 Vizekonsuln und Konsularagenten. Vor der Ernennung ist die Zustimmung des Empfangsstaats, das Exequatur, einzuholen, das wie das Agrément ohne Angabe von Gründen verweigert werden kann. Nach Art 23 WÜK besteht die Möglichkeit, einen Konsularbeamten zur persona non grata zu erklären. Räume des Konsulats sind unverletzlich, Art 31 WÜK, gleiches gilt für konsularische Archive und Schriftstücke, Art 33 WÜK. Kuriergepäck darf im Gegensatz zum Diplomatengepäck nach Art 35 Abs 3 WÜK bei Vorliegen triftiger Gründe geöffnet und bei Weigerung seitens des Konsularbeamten an den Ursprungsort zurückbefördert werden.
Die Stellung des Konsularbeamten ist im Gegensatz zu der des Personals der diplomatischen 68 Mission abgeschwächt. So kann er keine absolute Immunität geltend machen. Ein Gerichtsver-fahren scheidet nach Art 43 Abs 1 WÜK nur wegen der Handlungen aus, die er in Wahrnehmung konsularischer Aufgaben vorgenommen hat. Anders als ein Diplomat kann ein Konsularbeamter etwa auch als Zeuge geladen werden, Art 44 WÜK. Wie das BVerfG bestätigte, erstreckt sich der personelle Anwendungsbereich von Art 43 WÜK – abweichend von den Regelungen des WÜD – nicht auf Familienmitglieder von Konsularbeamten.
Neben den hauptberuflichen Konsuln gibt es auch Wahl- oder Honorarkonsuln. Diese sind 69 nicht Beamte des Entsendestaats, sondern Staatsangehörige des Empfangsstaats oder eines drit¬ten Staates, die konsularische Aufgaben ehrenamtlich wahrnehmen. Regelungen für Wahl-konsularbeamte finden sich in Kap III des WÜK.
a) Sonderbotschafter
Rechtsgrundlage für die Entsendung von Ad-hoc-Gesandten oder Sonderbotschaftern ist die
Konvention über Sondermissionen v 1961, die 1985 in Kraft getreten ist, von Deutschland je¬doch bislang nicht ratifiziert wurde. Sie lehnt sich inhaltlich an das WÜD an und sieht bei Strei-tigkeiten über Auslegung und Anwendung der Konvention nach Art 1 des Fakultativprotokolls über die obligatorische Streiterledigung die Zuständigkeit des IGH vor. Art 1 lit a der Konvention definiert die Sondermission als „a temporary mission, representing the State, which is sent by one State to another with the consent of the latter for the purpose of dealing with it on specific questions or performing in relation to it a specific task."
71 In den Anwendungsbereich der Konvention fällt insbesondere die Entsendung von Diplo¬maten zu Verhandlungen, Konferenzen und Kongressen. Vor der Entsendung soll der Emp¬fangsstaat über Dauer und Umfang der Mission informiert und um sein Einvernehmen ersucht werden, Art 2.
72 Für Staaten, die die Konvention nicht ratifiziert haben, richtet sich die Rechtstellung von Sondermissionen nach völkerrechtlichem Gewohnheitsrecht. Der BGH musste sich im Tabata¬bai-Fall mit der Frage auseinandersetzen, ob die Rechte eines Sonderbevollmächtigten auch auf Grund nachträglicher Vereinbarung erlangt werden können. Der Iraner Tabatabai berief sich in einem deutschen Ermittlungsverfahren wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln auf seine Immunität als Sonderbotschafter, die aber zunächst weder das Auswärtige Amt noch der Entsendestaat Iran bestätigte. Nach Anklageerhebung teilte der Iran nachträglich die Sonder¬mission mit. Der BGH entschied, dass eine völkergewohnheitsrechtliche Regelung bestehe, wo¬nach der Entsendestaat nach Einzelabsprache mit dem Empfangsstaat einem mit politischen Aufgaben betrauten Ad-hoc-Botschafter über diese Mission Immunität verleihen könne. Bot¬schafter in Sondermissionen seien hierin den ständigen Vertretern eines Staates gleichgestellt und könnten sich daher auf ihre Immunität berufen.
a) Vertretung bei Internationalen Organisationen
73 Die Vertretung bei I. O. regelt die Konvention über die Vertretung von Staaten in Beziehungen mit I. O. v 1975. Ihr Anwendungsbereich erstreckt sich nach ihrem Art 2 Abs 1 auf die Vertre¬tung bei I. O. und bei Konferenzen unter deren Leitung und Schirmherrschaft. Erfasst werden daneben auch die ständigen Beobachter. Für Meinungsverschiedenheiten von zwei oder mehr Staaten sieht Art 84 ein besonderes Streiterledigungsverfahren vor. Die Konvention ist bislang nicht in Kraft getreten. Vor allem die Staaten, in denen I. O. ihren Sitz haben, verweigerten eine Ratifikation, da die Notifizierung der Staatenvertreter bei der Organisation erfolgt und dann dem Empfangsstaat lediglich mitgeteilt wird, Art 15 Abs 1 und 3.
a) Diplomatisches Asyl
74 Personen, die in ihrem Heimatstaat strafrechtlich oder politisch verfolgt wurden und/oder eine Ausreise erzwingen wollten, haben verschiedentlich um Schutz in diplomatischen Vertretungen ersucht. Heute ist anerkannt, dass die diplomatischen Vertretungen nicht exterritorial sind, sondern einen Teil des Staatsgebiets des Empfangsstaats darstellen. Während lateinamerikani-sche Staaten diplomatisches Asyl idR gewähren, wird ein entsprechender Rechtssatz des Völ-kergewohnheitsrechts verneint. Eine Kodifizierung dieses Völkergewohnheitsrechts findet sich allerdings im OAS-Übereinkommen über
das diplomatische Asyl v 1954 (s auch Rn 298). Anlass für eine entsprechende Entscheidung des IGH war das Ersuchen von Haya de la Torre am 3.1.1949 um diplomatisches Asyl in der kolumbianischen Botschaft in Lima, nachdem der Mili¬täraufstand in Peru niedergeschlagen worden war, und er als Anführer versuchte, sich so der Verfolgung zu entziehen. Eine Einschränkung erfährt die Auffassung des IGH, wonach kein gewohnheitsrechtlicher Anspruch auf Gewährung diplomatischen Asyls besteht, allerdings da-
durch, dass der IGH zugleich feststellte, die Unverletzlichkeit des Botschaftsgebäudes gelte auch dann, wenn unter Verletzung der Souveränitätsrechte des Gaststaats diplomatisches Asyl ge¬währt worden sei. Darüber hinaus stellt sich die Frage, ob die Haya de la Torre-Entscheidung angesichts einer neueren Staatenpraxis noch in vollem Umfang als maßgeblicher Präzedenzfall für die Feststellung völkerrechtlichen Gewohnheitsrechts angesehen werden kann. In zahlrei¬chen Fällen haben Staaten in einer Situation unmittelbar bevorstehender Gefahr politischer Ver¬folgung oder unmenschlicher Behandlung Verfolgten Zuflucht im Botschaftsgebäude gewährt, ohne dass diese Befugnis prinzipiell in Frage gestellt worden wäre. Wenn auch das Refoulement- Verbot der Genfer Flüchtlingskonvention und der UN-Folterkonvention auf diese Fälle nicht anwendbar ist, da es sich auf territoriales Asyl beschränkt, können sich doch aus der Staaten¬praxis Anhaltspunkte für die Entstehung einer gewohnheitsrechtlichen Befugnis ergeben, zumin¬dest in extremen Notsituationen vorübergehenden Schutz vor Verfolgung in Botschaftsgebäu¬den zu gewähren.
Diplomatisches Asyl kann nach der einschlägigen Vereinbarung lateinamerikanischer 75 Staaten nur gewährt werden, wenn es sich um eine Verfolgung aus politischen Motiven han¬delt. Der Entsendestaat hat kein Recht, über die Gewährung diplomatischen Asyls in die in¬nerstaatliche Strafverfolgung einzugreifen und den wegen eines unpolitischen Verbrechens Verfolgten dem Zugriff seines Heimatstaats zu entziehen. Etwas Anderes kann allenfalls dann gelten, wenn dem Schutzsuchenden eine unmittelbare Gefahr für Leib und Leben droht. Die Beurteilung der Notlage des Verfolgten sowie die Qualifikation des Verfolgungs¬grunds als politisch oder unpolitisch obliegen dem asylgewährenden Staat. Folgt der Territo¬rialstaat dieser Auffassung nicht, kann er dem Asylsuchenden die Ausreise und die Zusiche¬rung des freien Geleits verweigern, was dazu führt, dass dieser für längere Zeit in der diplomatischen Vertretung verbleibt. Versuche, den diplomatischen Schutz zu kodifizieren, waren bisher nicht erfolgreich. Der Fall des 2012 in die ecuadorianische Botschaft in Lon¬don geflohenen Julian Assange fällt auf den ersten Blick nicht unter die Kategorien des dip¬lomatischen Asyls. Denn es steht zunächst nur eine Auslieferung nach Schweden in Rede, weil dort ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren eingeleitet wurde. Soweit jedoch nach Ab¬schluss des schwedischen Verfahrens eine Auslieferung an die USA nicht ausgeschlossen werden kann und es belastbare Hinweise auf eine politisch motivierte Verfolgung Assanges mit Gefahren für Leib und Leben geben sollte, sind die Voraussetzungen für die Gewährung diplomatischen Asyls gegeben. Bei der Beurteilung dieser Fragen kommt Ecuador als asylge¬währendem Staat ein Einschätzungsvorrang zu, zumal zum gegenwärtigen Umfang unklar ist, inwieweit US-amerikanische Strafverfolgungsbehörden entsprechende Verfahren bereits ein-geleitet haben, und welche Straftaten Assange zur Last gelegt werden. Unabhängig davon, wie die Frage des diplomatischen Asyls letztlich beurteilt wird, ist von der Unverletzlichkeit der
ecuadorianischen Mission in London auszugehen (vgl Art 22 WÜD). Soweit im Voraus absehbar ist, dass der Missionschef seine Zustimmung zum Betreten der Mission nicht geben wird, ist auch die Einschließung und „Belagerung" der Mission durch Sicherheitskräfte zur Einschüchterung mit den völkerrechtlichen Bestimmungen über die diplomatische Mission nicht vereinbar.
11. Der Staat als primäres Völkerrechtssubjekt