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a) Die staatliche Souveränität

83 Grundlage für die zwischenstaatlichen Beziehungen ist die Souveränität der Staaten. Souveräni¬tät bedeutet zunächst, dass Staaten nur dem Völkerrecht untergeordnet, dh völkerrechtsunmit¬telbar sind. Außerdem besteht die Verpflichtung, die Hoheitsgewalt und Unabhängigkeit ande¬rer Staaten zu achten. Es gilt das Verbot der Intervention, die Pflicht zur Achtung der Gebietshoheit sowie zur Friedenswahrung. Die völkerrechtliche Souveränität kann durch völker¬rechtliche Verträge beschränkt werden, etwa wenn Hoheitsrechte auf eine Supranationale Orga¬nisation oder eine I. O. übertragen werden.
84 Die zunehmende Kooperation auf internationaler Ebene, die angesichts globaler Probleme wie etwa der Umweltverschmutzung oder der Erderwärmung immer notwendiger wird, könnte Anlass dazu geben, die Souveränität der Staaten als überholt anzusehen. Allein aus der Not-wendigkeit einer Kooperation und einer verstärkten Zusammenarbeit kann ein Funktionsverlust jedoch nicht gefolgert werden, da verbleibende souveräne Rechte weiterhin auf staatlicher Ebe-ne angesiedelt sind.
85 Probleme treten auf, wenn souveräne Staaten nicht mehr oder vorübergehend nicht in der Lage sind, ihren völkerrechtlichen Rechten und Pflichten nachzukommen (sog failed oder failing states). Für einen solchen Zusammenbruch kann es unterschiedliche Ursachen geben, wie die Ereignisse in Somalia, Bosnien oder Liberia zeigen oder gezeigt haben. Die Handlungsunfä¬higkeit und der Zusammenbruch einer Regierung können auf Naturkatastrophen, Armut oder Bürgerkrieg beruhen. Die UNO versucht in diesen Fällen, Stabilität durch das Konzept des post¬conflict peace-building, wie es in der „Agenda für den Frieden" umschrieben wird, zu erreichen. Dies bedeutet, dass die UNO – wie zB in Kambodscha – Unterstützung vor allem beim Aufbau einer zivilen Verwaltung oder durch Beobachtung und Überwachung von Wahlen gewährt, aber auch die Rückführung von Flüchtlingen unterstützt oder Finanzierungsmöglichkeiten und Hilfsprogramme für den Wiederaufbau anbietet. Weitere Fragen staatlichen (Wieder-)Aufbaus werden im Schrifttum unter dem Begriff des nation-building behandelt.
86 Problematisch ist die Vereinbarkeit derartiger Maßnahmen mit Art 2 Nr 7 UN-Charta. Art 2 Nr 7 UN-Charta beruht auf dem Grundsatz der Souveränität der Staaten und stellt ausdrücklich fest, dass die UNO – mit Ausnahme der Zuständigkeit aufgrund von Kap VII UN-Charta – keine Befugnis hat, in „Angelegenheiten, die ihrem Wesen nach zur inneren Zuständigkeit eines Staa-tes gehören", einzugreifen. Der Staatenpraxis ist außerdem nicht zu entnehmen, dass das tra-
ditionelle System der zwischenstaatlichen Beziehungen und insbesondere die hervorragende Bedeutung des Staates als Bauelement der internationalen Ordnung überholt seien.129 Auch bei failed states sind staatliche Grenzen und die Rechtspersönlichkeit als Staaten nicht in Frage ge¬stellt worden (zB Somalia, Timor-Leste). Weder wurde die Mitgliedschaft in I. O. beendet noch die Fortgeltung völkerrechtlicher Verträge in Frage gestellt.130 Ungeachtet dessen sind Elemente einer dynamischen Fortentwicklung dahingehend zu beobachten, dass die internationale Ge¬meinschaft eine stärkere Verantwortung in der Form von Errichtung transitorischer Verwal¬tungsregime übernimmt, und dass die Eingriffsschwelle von Art 39 und Art 2 Nr 7 UN-Charta idS gesenkt worden ist, dass ein Einschreiten des Sicherheitsrats in die innerstaatlichen Verhältnisse nunmehr nach dem Konsens der Völkerrechtsgemeinschaft dann gerechtfertigt zu sein scheint, wenn gravierende systematische Verletzungen der Menschenrechte oder eine schwerwiegende Missachtung des Gebots der demokratischen Regierungsform vorliegen.131
a) Die Gleichheit der Staaten
Der Grundsatz der souveränen Gleichheit aller Staaten findet sich in Art 2 Nr 1 UN-Charta, wo- 87 nach die Organisation auf dem Grundsatz der souveränen Gleichheit aller ihrer Mitglieder be¬ruht. Er sichert allen Mitgliedern der Staatengemeinschaft zunächst Rechtsgleichheit zu. Dies schließt eine ungleiche Behandlung bei sich nicht unmittelbar aus der Souveränität ergebenden Rechten nicht aus. Die Unterscheidung zwischen der Gleichheit im Recht und der tatsächlichen Gleichbehandlung von Staaten erweist sich in der Praxis jedoch als schwierig.132
Gleichheit der Staaten bedeutet zunächst eine formell gleiche Rechtsposition. In I. O. stehen 88 jedem Staat grundsätzlich dieselben Stimm- und Beteiligungsrechte zu. Eine Stimmengewich¬tung erfolgt aber regelmäßig bei Finanzinstitutionen (zB IWF) und S. O. wie zB der EU. Aus dem Prinzip der Gleichheit der Staaten folgt ferner, dass Entscheidungen grundsätzlich einstimmig zu fällen sind, sofern keine anders lautende Vereinbarung getroffen wird. Einen Sonderfall stel¬len die Entscheidungen des Sicherheitsrats aufgrund der Regelung in Art 27 Abs 3 UN-Charta dar, wonach die nicht verfahrensrechtlichen Entscheidungen die Zustimmung aller fünf ständi¬gen Sicherheitsratsmitglieder erfordern (sog Veto-Recht).
Die Gleichheit der Staaten führt dazu, dass kein Staat über einen anderen zu Gericht sitzen 89 darf (par in parem non habet iuridictionem). Er ist vor den Gerichten anderer Staaten immun.133 Der Grundsatz der Immunität, der ein nationales Gerichtsverfahren gegen einen anderen Staat als Beklagten verbietet, ist von der im US-amerikanischen Raum entwickelten Act-of-State-Doktrin zu trennen. Danach sind Regierungsakte eines Staates durch die Organe eines anderen Staates ein-schließlich der Gerichte nicht zu überprüfen, sondern als wirksam hinzunehmen. Diese Doktrin ist im Gegensatz zur Immunität der Staaten kein Bestandteil des Völkergewohnheitsrechts.134
90 Bis zum Ende des 19. Jhs galt der Grundsatz der absoluten Immunität, dh gerichtliche Ver¬fahren gegen fremde Staaten waren grundsätzlich unzulässig, da die gesamte Staatstätigkeit eng mit den hoheitlichen Aufgaben des Staates verbunden war. Als die Staaten dann aber zuneh¬mend im Bereich privater Wirtschaftsverwaltung tätig wurden, wollte man wirtschaftliches Handeln nicht in der gleichen Weise privilegieren. Daher entwickelte sich im kontinentaleuropä¬ischen Raum die restriktive Immunitätstheorie, die von den USA im Foreign Sovereign Immunities Act v 1976 und von Großbritannien im State Immunity Act v 1978 rezipiert wurden. Die re-striktive Immunitätstheorie unterscheidet zwischen den Hoheitsakten eines Staates (acta iure imperii), die der Immunität unterfallen, und dem nicht-staatlichen Handeln (acta iure gestio- nis). Trotz mancher Zweifel an der völkerrechtlichen Zulässigkeit der Qualifikation der staatli¬chen Handlung nach der lex fori des Gerichtsstaats wird die Unterscheidung zwischen beiden Bereichen mangels völkerrechtlicher Regeln von dem erkennenden nationalen Gericht vorge¬nommen.
91 Das BVerfG erkennt nur die Akte eines Staates als hoheitlich an, die ein öffentlich¬rechtliches Rechtsverhältnis zum Gegenstand haben. Nicht ausreichend ist, dass die staatliche Betätigung in einem engen Zusammenhang mit hoheitlichen Aufgaben steht. Weitgehende Übereinstimmung besteht darüber, dass es für die Abgrenzung nicht auf die Auffassung des be-klagten Staates ankommen kann. Die Gerichte stellen im Allgemeinen auf die Auffassung des Gerichtsstaats ab, die sich allerdings im Einklang mit den gewohnheitsrechtlich anerkannten Regeln über die Reichweite der Staatenimmunität halten muss. In der angelsächsischen Staa-tenpraxis wird sowohl bei kommerziellen Akten, als auch
bei solchen Akten, die mit einer kom¬merziellen Aktivität in Zusammenhang stehen, keine Immunität gewährt. Insbesondere wird dadurch keine Immunität erlangt, dass ein Staat mit hoheitlichen Maßnahmen in den Ablauf eines „gewöhnlichen" kommerziellen Geschäfts eingreift, oder dass Güter, Leistungen oder Geldmittel für öffentliche Zwecke verwendet werden. Obwohl die restriktive Theorie der Im¬munität im Zusammenhang mit kommerziellen Aktivitäten von Staaten entwickelt worden ist, ist sie nicht auf Ansprüche im Zusammenhang mit vertraglichen Beziehungen beschränkt. Nach Art 11 des Übereinkommens kann ein Vertragsstaat vor einem Gericht eines anderen Vertrags¬staats Immunität nicht beanspruchen, wenn das Verfahren den Ersatz eines Personen- oder Sachschadens betrifft, das schädigende Ereignis im Gerichtsstaat eingetreten ist und der Schä¬diger sich bei Eintritt des Ereignisses in diesem Staat aufgehalten hat. Daraus wird man aber – entgegen dem Wortlaut – nicht ableiten können, dass generell schadensstiftende Handlungen im Gerichtsstaat von der Immunität ausgeschlossen sind, gleichgültig, ob es sich um acta iure imperii oder acta iure gestionis handelt. Zu denken ist eher an schadensstiftende Ereignisse bei Gelegenheit amtlicher Tätigkeit, wie zB Verkehrsunfälle. Jedenfalls dürfte es sich insoweit nicht um Völkergewohnheitsrecht handeln.
Eine Vereinheitlichung der Grundsätze der Staatenimmunität wird sowohl auf europäischer 92 Ebene als auch im Rahmen der ILC angestrebt. Im Europarat wurde am 16.5.1972 ein der restrik-tiven Immunitätstheorie folgendes Übereinkommen über Staatenimmunität ausgearbeitet. Der restriktiven Immunitätstheorie folgt auch der Entwurf der ILC über die gerichtliche Immunität von Staaten und ihrem Eigentum, der nach einigen Änderungen im Herbst 1991 der UN-Generalversammlung unterbreitet und am 2.12.2004 von dieser angenommen wurde (United Nations Convention on Jurisdictional Immunity of States and their Property). Der Grundsatz der Staatenimmunität findet sich hier in Art 5. Keine Immunität wird nach Art 10 ff insbesondere für die commercial transactions, die contracts of employment und für personal injuries and damage to property gewährt. Die Konvention soll in Kraft treten, sobald der 30. Signatarstaat die Ratifika¬tionsurkunde hinterlegt hat. Da insgesamt nur 28 Staaten die Möglichkeit zur Unterzeichnung wahrgenommen haben und bislang nur wenige Ratifikationen erfolgt sind, erscheint die Zukunft der Konvention ungewiss. Die BR Deutschland ist weder Signatarstaat, noch hat sie die Konven¬tion ratifiziert.
Aus dem Prinzip der Immunität des fremden Staates vor nationalen Gerichten im Erkennt- 93 nisverfahren folgt das Verbot der Zwangsvollstreckung in die Güter des fremden Staates, soweit sie hoheitlichen Zwecken dienen. Das BVerfG hat hierzu im Philippinischen Botschaftskonto-Fall Stellung genommen, als die Vermieterin des Botschaftsbüros der Republik der Philippinen auf Ersatz von
Mietzinsen und Instandsetzungskosten klagte. Das Gericht hat zwar angenommen, dass die Immunität der Verurteilung der Philippinen auf Zahlung nicht entgegenstand, da es sich insoweit um ein privatrechtliches Geschäft gehandelt habe, es erachtete aber die Zwangs¬vollstreckung in das Konto der Botschaft für unzulässig. Es existiere zwar keine allgemeine Re¬gel des Völkerrechts, nach der eine Zwangsvollstreckung gegen einen fremden Staat schlichtweg unzulässig sei. Der Gegenstand der Vollstreckung habe hier jedoch zumindest auch hoheitlichen Aufgaben gedient. Diesen aus dem Prinzip der Staatenimmunität folgenden Grundsatz hat der BGH in seinem Beschluss vom 5.10.2005 bei der Vollstreckung in öffentliche Luftverkehrsrechte eines ausländischen Staates erneut bestätigt.
Wie das BVerfG im Fall der argentinischen Botschafskonten jüngst feststellte, genügt ein le- 94 diglich pauschaler Immunitätsverzicht grundsätzlich nicht, um auch den Schutz der Immunität für Vollstreckungsmaßnahmen in solches Vermögen aufzuheben, das zur Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit einer diplomatischen Mission dient. Insbesondere ist keine allgemeine Regel des Völkerrechts (Art 25 GG) erkennbar, die das im Völkerrechtsverkehr anerkannte hohe Schutzniveau diplomatischer Belange einschränkt. Damit zeigt das BVerfG erneut, dass Staa-
tenimmunität und diplomatische Immunität unterschiedliche völkerrechtliche Institute sind, die nach jeweils eigenen Grundsätzen zu behandeln sind.
95 Die Stellung fremder Staatsunternehmen war Gegenstand des Verfahrens der National Irani¬an Oil Company. Das BVerfG hatte bei der Pfändbarkeit deutscher Konten dieses Unternehmens zu prüfen, ob der Heimatstaat eines Unternehmens als Inhaber der Forderungen aus Konten anzusehen sei. Das Gericht verneinte diese Frage: „Der Gerichtsstaat ist nicht gehindert, das betreffende Unternehmen als Forderungsberechtigten anzusehen und aufgrund eines gegen dieses Unternehmen gerichteten Vollstreckungstitels, der in einem vorläufigen Rechtsschutzver-fahren über ein nicht-hoheitliches Verhalten des Unternehmens ergangen ist, zur Sicherung des titulierten Anspruchs die betreffenden Forderungen zu pfänden." Diese Grundsätze hat das BVerfG in jüngerer Zeit bestätigt, als es die Zwangsvollstreckung in ein Grundstück der Russi-schen Föderation nicht beanstandete, da der Grundsatz der Staatenimmunität sich nicht auch auf Vermögensgegenstände erstrecke, mit denen keine hoheitlichen Aufgaben erfüllt würden. Dabei wurde es für eine mögliche Erstreckung der Staatenimmunität auch nicht als ausreichend angesehen, wenn ein nicht hoheitlichen Zwecken dienender Vermögensgegenstand einer nach Maßgabe des innerstaatlichen Rechts hoheitlich organisierten Verwaltung unterstellt wird. An¬dernfalls hätte es jeder Staat durch innerstaatliche Organisationsakte selbst in der Hand, sein gesamtes Vermögen dem Vollstreckungszugriff zu entziehen.
96 Bestrebungen in neuerer Zeit, den Grundsatz der Staatenimmunität einzuschränken und bei Verstößen gegen zwingende Normen des Völkerrechts nicht anzuwenden, haben sich bisher in der
Staatenpraxis nicht durchzusetzen vermocht. Zwar haben griechische Gerichte die BR Deutschland wegen Kriegsverbrechen deutscher Streitkräfte im Zweiten Weltkrieg zur Zahlung von Schadenersatz an verschiedene griechische Staatsangehörige verurteilt. Der BGH hat jedoch in Übereinstimmung mit einem Urteil des Obersten Bundesgerichts Griechenlands die Anerken¬nung derartiger Urteile als völkerrechtswidrig angesehen. Auch das BVerfG sah in seiner Nichtannahmeentscheidung keine sich aus dem GG ergebende Schadensersatz- oder Entschädi¬gungspflicht der BR Deutschland, da es davon ausging, dass ein Staat nach geltendem Völker-
recht Befreiung von der Gerichtsbarkeit eines anderen Staates beanspruchen kann, wenn und soweit es um die Beurteilung seines hoheitlichen Verhaltens geht (acta iure imperii). In der Folge haben sowohl der EuGH als auch der EGMR diese Entscheidungen bestätigt. Dabei haben sie Beschwerden, die gegen die Ablehnung der Zwangsvollstreckung gerichtet waren, mit der Begründung zurückgewiesen, es sei nicht erwiesen, dass zum jetzigen Zeitpunkt im Völker¬recht akzeptiert sei, dass Staaten in Bezug auf Schadenersatzklagen wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit nicht mehr zur Immunität berechtigt seien.
Einen neuen Anstoß erhielt die Debatte über die Reichweite der Staatenimmunität durch 97 verschiedene Entscheidungen italienischer Gerichte. Zunächst entschied der Oberste Kassa¬tionshof Italiens (Corte Suprema di Cassazione) im Verfahren des früheren italienischen Zwangsarbeiters Luigi Ferrini, dass sich die BR Deutschland nicht auf ihre Staatenimmunität berufen könne, wenn Ansprüche wegen schwerwiegender Kriegsverbrechen in Rede stünden. Zudem haben der Oberste
Kassationsgerichtshof und das Oberlandesgericht Florenz (Corte d'Appello di Firenze) die Vollstreckungsanerkennung der erstinstanzlichen griechischen Ge¬richtsentscheidungen im Fall Distomo anerkannt, so dass Vollstreckungsmaßnahmen gegen deutsches Eigentum in Italien erfolgt sind. Diese Rechtsprechungspraxis italienischer Gerichte führte dazu, dass die BR Deutschland Klage vor dem IGH gegen Italien einreichte, mit der u a die Verletzung der Staatenimmunität und das (Nicht-)Bestehen einer hinreichenden Anspruchs¬grundlage gerügt wurde.
In seiner Entscheidung v 3.2.2012 stellte der IGH fest, dass Italien durch die Entscheidungen 98 seiner Gerichte gegen den völkergewohnheitsrechtlichen Grundsatz der Staatenimmunität ver-stoßen habe. Dabei erkannte der Gerichtshof zwar im Grundsatz an, dass die Staatenimmuni¬tät Ausnahmen unterliege; die im konkreten Verfahren in Anspruch genommenen Ausnahmen konnten in Ermangelung völkerrechtlicher Anerkennung jedoch nicht überzeugen. So wies der IGH sowohl den Hinweis darauf ab, dass die fraglichen Handlungen auf dem Territorium des Gerichtsstaats erfolgt seien („Inlandsdelikte" bzw „foreign tort exception"), als auch, dass die in Frage stehenden Rechtsverletzungen deutscher Streitkräfte von besonderer Schwere gekenn¬zeichnet gewesen seien und somit einen ius cogens-Verstoß darstellten. Ungeachtet der von Tei¬len des völkerrechtlichen Schrifttums über Jahre befürworteten Einschränkung der Staatenim¬munität durch ius cogens verwies der IGH darauf, dass Bedenken auf der Grundlage von ius cogens die Begründetheit einer Klage beträfen, während die Staatenimmunität sich bereits auf ihre Zulässigkeit beziehe. Folglich könnten Staaten sich auch bei schwerwiegenden Verlet¬zungen des humanitären Völkerrechts auf die Staatenimmunität berufen. Soweit der Einwand vorgebracht wurde, die streitgegenständlichen Klagen seien die letzte Möglichkeit für die Kläger, Entschädigungen für erlittene Schäden zu erlangen, sah der Gerichtshof hierin ebenfalls keine Ausnahme vom Grundsatz der Staatenimmunität. Allerdings verwies er darauf, dass die (pro¬zedurale) Zuerkennung von Immunität die völkerrechtliche Verantwortlichkeit des beklagten Staates grundsätzlich unberührt lasse. Im Ergebnis ist damit eine Beilegung der unverändert bestehenden Situation durch zwischenstaatliche Reparationsregelungen nicht ausgeschlos- sen.
99 Der Grundsatz der Staatenimmunität geht aus dem Verfahren vor dem IGH gefestigt und eingehend begründet hervor. Sofern insbesondere vom IGH und nationalen Gerichten gegen¬wärtig eine restriktive Theorie der Staatenimmunität vertreten wird, knüpft diese vor allem an die Unterscheidung zwischen Hoheitsakten (acta iuris imperii) und nicht-staatliche Akten (acta iure gestionis) an. Aufgrund des prozeduralen Charakters der Staatenimmunität haben materiell¬rechtlich begründete Ausnahmen auch zukünftig nur wenig Aussicht auf Anerkennung, es sei denn, die Staaten einigen sich auf entsprechende internationale Abkommen.