3. Das Recht auf Asyl
Die Rechtsstellung des Einzelnen kommt insbesondere im Flüchtlingsrecht zum Ausdruck. Durch 297 neuere Entwicklungen in diesem Bereich haben die Rechte der Flüchtlinge eine Stärkung und zunehmende institutionelle Ausgestaltung erfahren.
a) Der Begriff des Flüchtlings
Der Begriff des Flüchtlings ist für die Anwendung von Flüchtlingskonventionen definiert. 298 Bedeutende völkervertragliche Übereinkommen über Flüchtlingsfragen sind etwa die Genfer Flüchtlingskonvention (GFK), die Afrikanische Flüchtlingskonvention, die Konventionen im Rahmen der Organisation der amerikanischen Staaten über das diplomatische und das territo-
riale Asyl, beide v 23.3.1954, und die Vereinbarung über Flüchtlingsseeleute. Diese Konven¬tionen enthalten zT unterschiedlich weite Bestimmungen dieses Begriffs. Grundsätzlich be¬stimmt die GFK den Begriff des Flüchtlings in Art 1 Abschn A Nr 2 als jede Person, die „aus be¬gründeter Furcht vor Verfolgung wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Überzeugung sich außerhalb des Landes befindet, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzt, und den Schutz dieses Landes nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Befürchtungen nicht in Anspruch nehmen will […]." In den Anwendungsbereich der GFK fallen daher alle politischen Flüchtlinge, nicht hinge¬gen Personen, die vor Bürgerkriegen, Naturkatastrophen und wirtschaftlichen Krisen fliehen. Die Afrikanische Flüchtlingskonvention wiederholt in Art 1 Nr 1 die Definition der GFK, erweitert den Flüchtlingsbegriff jedoch in Art 1 Nr 2 auf eine Person, welche „owing to external aggres¬sion, occupation, foreign domination or events
seriously disturbing public order in either part or the whole of his country of origin or nationality, is compelled to leave his place of habitual resi¬dence […]." Auf den Grund der Verfolgung kommt es durch diese Erweiterung nicht in erster Linie an.
299 In der Staatenpraxis wird über die GFK hinaus auch De-facto-Flüchtlingen häufig ein gewis¬ser Schutz gewährt. Das sind insbesondere sog Gewaltflüchtlinge oder auch subsidiär Schutz-bedürftige, dh Personen, die vor Krieg oder Kriegsfolgen wie Hungersnot und ethnischer Gewalt fliehen. Mit Zustimmung der Vertragsstaaten ist das Mandat des UNHCR auf sonstige als schutzbedürftig angesehene Personen erweitert worden. So fällt nunmehr jeder Flüchtling in die Zuständigkeit des UNHCR, der sein Heimatland als Folge von Unruhen, bewaffneten Konflikten oder schweren systematischen Menschenrechtsverletzungen verlassen hat (displaced persons in a refugee-like situation). Erfasst werden seit 1985 auch „persons who are compelled to leave their homeland because of man-created disasters, e.g. armed conflict or other political and social up- heavels."
300 Die Erweiterung der Zuständigkeit des UNHCR führte jedoch nicht zu einer völkergewohn¬
heitsrechtlichen Pflicht zur Aufnahme. Vielmehr ergeben sich aus der Staatenpraxis eher An¬haltspunkte dafür, dass es sich um eine Hilfeleistung handelt, die ein Staat nach seinen Erfor¬dernissen einschränken oder von Bedingungen wie finanzieller Unterstützung durch dritte Staaten oder Übernahmeerklärungen abhängig machen kann. Gleiches gilt für das Konzept der vorübergehenden Aufnahme (temporary protection) zum Schutz von Gewaltflüchtlingen.
b) Das Recht auf Asyl
Obgleich Art 14 Nr 1 AEMR bestimmt, dass jeder Mensch das Recht habe, in anderen Ländern vor 301 Verfolgung Asyl zu suchen und zu genießen, gibt es im Völkerrecht weder ein Recht des Einzelnen auf Asyl noch eine Pflicht der Staaten, Flüchtlinge aufzunehmen. Es handelt sich hier vielmehr um ein zwischenstaatliches Recht zur Asylgewährung, das seinen Grund in Völkervertrags- oder Völkergewohnheitsrecht haben kann. Die Gewährung von Asyl stellt weder einen feindlichen Akt gegenüber dem Heimatstaat noch eine unzulässige Einmischung in dessen innere Angele¬genheiten dar.
Bei Gewährung und Ausgestaltung des Asyls ist der gewährende Staat frei, sofern er völker- 302 rechtliche Mindestanforderungen wie die Gewährung von Menschenrechten, den in der GFK enthaltenen Mindeststandard für Flüchtlinge und das Verbot der Rückschiebung in den Verfol-gerstaat (Prinzip des Non-Refoulement) beachtet.
Asylverweigerungsgründe können sich aus Auslieferungsverträgen oder aus Verträgen zur 303 Bekämpfung terroristischer Straftaten ergeben, deren Bekämpfung im Interesse der internatio¬nalen oder regionalen Gemeinschaft liegt. Nach Art 1 Nr 2 der Erklärung über das territoriale Asyl der UN-Generalversammlung kann sich derjenige nicht auf das Recht auf Asyl berufen, bei dem schwerwiegende Gründe dafür vorliegen, dass er ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat. Oftmals wird von der Asylgewährung auch dann abgesehen, wenn der Bewerber über ein Drittland einreist, in dem er bereits vor Verfolgung sicher war.
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