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Das rechtliche Geflecht

Zur Intersubjektivität bei Fichte​


Max Maureira

Als Fichte in einem Brief von 1795 an Reinhold bemerkte, daß bei Kant eine „Deduktion der Realität des Rechtsbegriffs"1 fehlt, war ihm, wie sein Werk über das Naturrecht von 1796 bestätigt, bereits bewußt, welche Bewandtnis es damit hatte. Was er bereits in seiner Nachricht an Reinhold mit der geforderten Deduktion im Sinne hatte, war nicht nur, das Recht anders als Kant zu betrachten, sondern eine im Grunde ganz neue Rechtskonzeption zu entwerfen.

Zunächst geht es bei Fichte eher um eine transzendentale Deduktion als um eine logische. Die Frage also, welche bei Kant im Hintergrund steht, ist auch die seine, nämlich „wie sich Begriffe a priori [hier das Recht] auf Gegenstände beziehen können"[1] [2]. Auf dieser Spur fragt Fichte nicht einfach nach dem quid facti der Erfahrung oder des reellen Begriffs bzw. Rechtsbegriffs, sondern nach dem quid iuris. Was mit transzendentaler Deduktion gemeint ist, ist bei Kant eine Frage nach der quidditas der Erfahrung bzw. eine nach dem Wo und Wie der Gegenstände, wenn man sie im Rahmen eines rechtlichen Kontextes betrachten will. Anders gesagt: es wird nach der possibilitas gefragt, welche empirisch die res oder das ens synthetisiert, indem diese res oder ens possibilia sind. In dieser Synthesis liegt nach Kant eine apriorische Notwendigkeit, die er „de[n] höchste[n] Punkt" nennt, und zwar deswegen, weil sie gerade das quid iuris der empirischen Synthesis vertritt[3]. Fichte fordert auch diese Kantische Deduktion ein, also die apriorische Notwendigkeit oder die quaestio iuris des Begriffs bzw. Rechtsbegriffs zu entwickeln. Aber die Weise, wie er sie betrachtet, ist eine andere als bei Kant - und daraus ergibt sich auch eine andere Konzeption des Rechts.


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[1] Fichte: Brief von 1795 an Reinhold, in: ders.: Gesamtausgabe der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, hrsg. v. Reinhard Lauth u. Hans Jacob, Stuttgart-Bad Cannstatt 1962 ff. Im folgenden GA, mit Angabe der Abteilung, des Bandes und der Seitenzahl, hier: GA III, 2, 385.
[2] Immanuel Kant: Kritik der reinen Vernunft, B 117.
[3] Vgl. Immanuel Kant: a.a.O. B 134 Anm.

Die Genese der Zweiheit​


Wie Fichte nach der possibilitas a priori fragt, entscheidet dann die Frage nach dem Recht. Das sollte zumindest im Überblick erklärt werden. Er meint damit, daß die possibilitas oder das Was selbst ist, was es ist. Das heißt, daß mit dem Das, was es ist, das geschieht, was es a priori ist. Oder noch einmal in der Fichteschen Terminologie: Was es (handelnd) ist (nämlich durch ein Handeln), ist das (Tat), was aus sich selbst ist. Dieses Selbstgeschehen, das Fichte mehrmals zu beschreiben versucht, bezeichnet er erst als Tathandlung und später mit dem Wort Genesis[1]. Was sich manifestiert, soll daher genetisch betrachtet werden. Damit betont er, daß der Übergang von dem, was ist, sich durch das Handelnde selbst erklären soll. Was Fichte dabei präsentiert, ist darum eine Methode, und zwar eine genetische Methode, welche diese Selbstrelation erfaßt. Um diese handelnde, selbstbezügliche Relation zu berücksichtigen, ist nach ihm folglich eine absolute Reflexion nötig, die konsequenterweise „ursprünglich und genetisch [...] einige, und einen Punkt gebe, aus welchem wir das Objekt und Subjekt [...] in einer qualitativen Einheit [...] hervorgehen sehen"[2]. Subjekt und Objekt sind hier dann Momente dieser Relation, die aus ihrer Selbstsetzung genetisch zu sich zurückkommen. Nun benennt Fichte diese selbstbezügliche Reflexion - besonders in seinen ersten Schriften - mit dem Wort Ich, wie auch später mit diesen anderen Worten: Licht, Vernunft oder Gott. Jedenfalls meint er damit immer dasselbe, nämlich eine ursprüngliche Disjunktion bzw. ein Unterscheiden des Selbst, also eine ursprüngliche Einheit, und somit die innere Notwendigkeit einer Nachkonstruktion des Ursprünglichen, das also aus einer Zweiheit zu sich zurückkommen soll[3].

Indem das Ich oder das Licht sich offenbart, spaltet es sich. Wenn es in der Tat so ist, erscheint es oder setzt es sich, aber als gespalten. Demzufolge besteht das Ich oder das Licht mit dieser Offenbarung nicht mehr als solches, sondern als Gesetztes. Nun bedeutet diese Selbstbeziehung des Ichs, obwohl damit eine Relation gemeint ist, daß sie „absolut [sein soll], und das absolute soll nichts weiter seyn, als eine Relation"[4]. Daß sie so geäußert wird, fordert darum nichts anderes als eine innerlich rekonstruierte Relation, welche nach Fichte zur ursprünglichen Einheit zurückkommt[5]. Mit ihr ist sicherlich nichts Empirisches gemeint und wie Fichte in einem Brief an Schelling von 1801 berichtet, kann auf diese Weise die für ihn höchste Synthesis erreicht werden. Er denkt an diese Synthesis, wenn er in diesem Brief von der „GeisterWelt"[6] spricht.


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[1] In der Wissenschaftslehre 1794 ist von der Tathandlung die Rede. Damit betont Fichte, daß es hier um eine Tat und zugleich um eine Handlung geht. In der Wissenschaftslehre 1804 benutzt er hingegen, allerdings in demselben Sinn, das Wort Genesis. Mit „Genesis", heißt es da, sei die vormalige Tathandlung gemeint (vgl. Fichte: Wissenschaftslehre 1804. Zweiter Vortrag, in: GA II, 8, 202).
[2] Fichte: Vorlesungen der Wissenschaftslehre im Winter 1804, in: GA II, 7, 162. Siehe dazu ausführlicher Lauth, Reinhard: „Transzendentale Konstitution der gesellschaftlichen Erfahrung", in: ders.: Transzendentale Entwicklungslinien von Descartes bis zu Marx und Dostojewski, Hamburg 1989, 204.
[3] Vgl. Fichte: Wissenschaftslehre 1804. Zweiter Vortrag, in: GA II, 8, 365.
[4] Fichte: Grundlage der gesammten Wissenschaftslehre als Handschrift für seine Zuhörer, in: GA I, 2, 345.
[5] Fichte: Grundlage der gesammten Wissenschaftslehre, in: GA I, 2, 331.
[6] Fichte: Brief von 1801 an Schelling, in: GA III, 5, 45.

In der Geisterwelt werden nach Fichte durch „einen unbegreiflichen RealGrund der Getrenntheit der Einzelnen", die in der sinnlichen Welt dominiert, alle Menschen verbunden[1] [2]. Was nach Fichte überhaupt bindet, ist mithin dieser unbegreifliche Realgrund, der sich bei jedem Einzelnen entfaltet. Die Nachkonstruktion der ursprünglichen Einheit hebt überdies die sinnliche Getrenntheit auf11. Aber wie kann das möglich sein, ohne jeweils immer in Zweiheit zu zerfallen? Oder wie kann dieser Grund aus der Zerrissenheit alles einzelnen Handelns als solcher deduziert werden, wenn man bedenkt, daß die Zerrissenheit in ihrer Zweiheit als solche nicht mehr im Mittelpunkt stehen kann ?

Die Realisierung der Freiheit​


Indem jemand handelt - so erklärt es Fichte - wird eine Tat gesetzt, die durch sein Handeln geschieht. Das, was hierbei stattfindet, ist der Übergang vom Handeln zur Tat. Beim Handeln geht es überhaupt um eine Selbstbeziehung, worin nach Fichte das Faktum der Freiheit besteht: „Es ist eben Alles, wie die Freiheit es macht, und wird nicht anders, wenn sie es nicht anders macht"[3]. In aller Handlung oder Tätigkeit realisiert sich also die Freiheit. Fichte ergänzt, daß „ich [...] mich durch den anderen gedacht als handelnd [finde]"[4]. Jeder steht mit den anderen durch sein Handeln in Beziehung. Da er frei ist, handelt er auch frei. Alles also, was ist, besteht in diesem Mitsein. Oder mit Fichte gesagt: „Das ich ist alles das, was es ist, nur darum, weil es sich selbst se[t]zt"[5]. Oder real ist überhaupt das, was frei verwirklicht wird[6]. Was
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[1] GA III, 5, 48. Es ist übrigens bekannt genug, daß dieser Realgrund nach Fichte nur für den Verstand sprachlich unbegreiflich ist, „nicht aber für die Vernunft, welche die absolute Identität, das untrennbare Beisammenseyn des Endlichen mit dem Unendlichen, als das Erste setzt und von dem Ewigen ausgeht, welches weder endlich noch unendlich, sondern beides gleich ewig ist". Vgl. Schelling: Brief von 1801 an Fichte, in: GA III, 5, 84. Über die Schwierigkeit der Sprache, jenen Grund ausdrücken zu können, siehe dazu: Manfred Zahn: „Fichtes Sprachproblem und die Darstellung der Wissenschaftslehre", in: Klaus Hammacher (Hrsg.): Der transzendentale Gedanke. Die gegenwärtige Darstellung der Philosophie Fichtes, Hamburg, 1981, 160; sowie Wolfgang Janke: „Die Wörter ,Sein' und ,Ding' - Überlegungen zu Fichtes Philosophie der Sprache", in: Klaus Hammacher (Hrsg.), a.a.O., 49 ff. Hoffmann betont noch dazu, daß die Notwendigkeit der Sprache kein Substrat ist, sondern daß sie die „natürliche" Notwendigkeit, sich vermitteln zu müssen, voraussetzt. Vgl. Thomas Sören Hoffmann: Philosophische Physiologie. Eine Systematik des Begriffs der Natur im Spiegel der Geschichte der Philosophie, Stuttgart-Bad Cannstatt 2003, 505 - 507.
[2] Fichte: Wissenschaftslehre 1804. Zweiter Vortrag, in: GA II, 8, 118- 119 und 402.
[3] Fichte: Darstellung der Wissenschaftslehre aus den Jahren 1801/02, in: GA II, 6, 264. Daß die Freiheit für Fichte das Motiv überhaupt war, wird oft betont. Henrich ist sogar der Meinung, daß er (Fichte) deswegen Philosoph wurde. Vgl. Dieter Henrich: Fichtes ursprüngliche Einsicht, Frankfurt a. M. 1967, 17.
[4] Fichte: Wissenschaftslehre nova methodo ca. 1796-1799, in: GA IV, 2, 180. Düsing interpretiert diesen Satz durch ein doppeltes Finden, das hier formuliert wird, nämlich das Finden zu mir und zu den Anderen. Vgl. Edith Düsing: Intersubjektivität und Selbstbewußtsein. Behavioristische, phänomenologische und idealistische Begründungstheorien bei Mead, Fichte und Hegel, Köln 1986, 267.
[5] Fichte: Wissenschaftslehre nova methodo ca. 1796 - 1799, in: GA IV, 2, 24.
[6] In der Formulierung von Fritz Medicus gibt die Freiheit Realität, indem sie das Mögliche wirklich macht. Cf. Fritz Medicus: Fichte. Dreizehn Vorlesungen, Berlin 1905, 176.

es also real gibt, ist dann die Realisierung der Freiheit schlechthin. Oder noch einmal mit anderen Worten ausgedrückt: In jeder freien Handlung entfaltet sich die quidditas der Freiheit.

Nun - so setzt Fichte fort - „wenn sie [die Freiheit] einmal war, so sollte sie material bestimmt seyn"[1]. Was es daher bei der Freiheit zu deduzieren gibt, soll aus ihrer eigenen Materialität bzw. Realität geschaffen werden. Sie muß aus ihrer reinen Möglichkeit deduziert werden, indem sie sich selbst bestimmt und keine leere Bestimmtheit ist. Aus was sie sich damit deduziert, ist ihr Sein, d. h. das Sein der Realität. Dabei ist vorausgesetzt, daß die Einheit der reinen Möglichkeit sich durch die Konvergenz verschiedener Realisierungen in der sinnlichen Welt manifestiert[2] und darum ist bei all diesen Realisierungen des Handelns eine Vermittlung bzw. Selbstvermittlung impliziert.

Da nach Fichte dieses Handeln bzw. diese Vermittlung oder Selbstvermittlung nicht leer ist, fordert er, daß das Ich oder das Licht sich unmittelbar weiß und zugleich auch äußert. Wie und wo ist das möglich? Er antwortet: Im Wollen. Denn das reine Wollen ist „reelles Selbstbestimmen seiner selbst durch sich selbst"[3], das sich auch in diesem Sinne äußert bzw. objektiviert. Bei jedem Einzelnen aber objektiviert sich nach Fichte das Sollen, das ein „Postulat" des genetischen Handelns ist. Es ist so, wie sich das Wollen im Bewußtsein des Individuums, der Person oder des Ichs konkretisiert[4], indem es damit die „objektive Bestimmung der Freiheit" setzt[5]. Das heißt, das Sollen äußert sich im Bewußtsein, und damit konkretisiert sich bei jedem Einzelnen das Wollen, das „der Anfang des Bewußtseins und der eigentliche Mittelpunkt [ist,] an den das übrige angeknüpft wird"[6]. Was nach Fichte alle Menschen verbindet, ist aber weder ein Wollen noch ein entsprechendes Motiv bzw.
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[1] Fichte: Darstellung der Wissenschaftslehre aus den Jahren 1801/02, in: GA II, 6, 252.
[2] In diesem Sinne betont Lauth, daß „jede weitere interpersonale Manifestation eine Projektion auf der Basis der schon erfolgten Integration [darstellt]". Vgl. Reinhard Lauth, a.a.O., 203. Das Entscheidende ist m. E. aber hier, daß diese Realisierungen oder (mit Lauth) Manifestationen, die sich treffen, sich in einer ständigen Bestimmung und in einem ständigen Wechsel und nicht in einem Zustand befinden. Deshalb trifft für mich das Wort Konvergenz den Sachverhalt genauer.
[3] Fichte: Das System der Sittenlehre nach den Principien der Wissenschaftslehre, in: GA I, 5, 40.
[4] Fichte nutzt oft diese drei Wörter sowie freie Wesen als Synonyme, z. B.: „das Vorstellende (oder Ich) ist ein Bewusstsein" (Fichte: Wissenschaftslehre nova methodo ca. 1796 - 1799, in: GA IV, 2, 23) oder an einer anderen Stelle „unser Ich oder das Vorstellende, oder das Bewusstsein ist idem. Unser Ich ist nichts anders als das Bewußtsein selbst" (Fichte: Wissen- schaftslehre nova methodo ca. 1796-1799, in: GA IV, 2, 24), sowie etwa „das freie Wesen nöthigt durch seine bloße Gegenwart in der Sinnenwelt, ohne weiteres, jedes andere freie Wesen es für eine Person anzuerkennen" (Fichte: Grundlage des Naturrechts nach Principien der Wissenschaftslehre, in: GA I, 3, 384).
[5] Vgl. Wilhelm Metz: „Der oberste Deduktionsgrund der Sittlichkeit. Fichtes Sittenlehre von 1798 in ihrem Verhältnis zur Wissenschaftslehre", in: Fichte-Studien 11 (1997) 152.
[6] Fichte: Wissenschaftslehre nova methodo ca. 1796 - 1799, in: GA IV, 2, 189. Schüssler und Radrizzani analysieren, daß durch das Wollen bei Fichte sich die Bestimmung oder Äußerung des Ichs vollzieht. Cf. Ingeborg Schüssler: „Conscience de soi et volonte. A propos de la determination de la raison finie dans le Fondement du droit naturel de Fichte", in: Revue de Thelogie et de Philosophie 123.3 (1993) 329; sowie in demselben Sinne Edith Düsing, a.a.O., 243.

das Sollen, sondern ein Realgrund, der die sinnliche Getrenntheit aufhebt. Alle bestimmten Möglichkeiten, die bei jedem Individuum bzw. in seinem Bewußtsein stattfinden, setzen deshalb noch keine Synthesis voraus, die dieser Realgrund impliziert, sondern mehrere Individuen, ein interindividuelles Geflecht von ihnen, und somit kann sicherlich keine Synthesis der Geisterwelt erreicht werden. Wenn dennoch jedes Individuum sich des Bewußtseins bewußt wäre, kann der Kern der Freiheit getroffen werden[1] und damit kann nach Fichte eine solche Synthesis plausibel werden.

Daß jeder in der sinnlichen Welt seiner Freiheit bewußt ist, fordert aber zugleich das Bewußtsein, daß „ich selbst mich nicht denken [kann], ohne vernünftige Wesen außer mir anzunehmen"[2]. Daraus ist zu folgern, daß sich bei jedem freien Handeln nicht nur das Ich konstituiert, sondern auch andere vernünftige Wesen, die in einer freien bzw. wechselseitigen Beziehung zueinander stehen, bei der alle untereinander (auf)gefordert werden. Was Fichte hier genetisch verbindet, soll mithin aus dieser konstitutiven Intersubjektivität deduziert werden. Besonders seit der Wissenschaftslehre nova methodo kümmert sich Fichte explizit darum[3]. Alles was verbunden wird, impliziert also genetisch eine Intersubjektivität, die sich in der sinnlichen Welt entfaltet. Nun sind der materielle Rahmen dieser Entfaltung und die Bedingung ihrer Nachkonstruktion nach Fichte das Recht. Wenn vom Recht die Rede ist, handelt es sich nach ihm also um eine Bedingung, welche die Getrenntheit der Einzelnen nicht aufhebt, sondern vielmehr die Synthesis der Geisterwelt ermöglicht. Denn das Recht steht zwischen der sinnlichen und der intelligiblen Welt, und zwar als genetisches Moment. Was heißt das aber?

Die denknotwendige Verbindung freier Subjekte im Recht​



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[1] Der Kern des Selbstbewußtseins ist für Fichte nach Heimsoeth „zugleich der Kern der Freiheit". Vgl. Heinz Heimsoeth: Fichte, München 1923, 91.
[2] Fichte: Brief von 1801 an Reinhold, in: GA III, 2, 385.
[3] Aber bereits 1785 schreibt er: „Es ist kein Individuum, wenn es ihrer nicht wenigstens zwei giebt" (Fichte: Brief von 1801 an Reinhold, in: GA III, 2, 387). Dazu auch Ives Rad- rizzani: „Le fondement de la communaute humaine chez Fichte", in: Revue de Theologie et de Philosophie 119.2 (1987) 203 ff., sowie Reinhard Lauth, a.a.O., 205 und auch von ihm „Le probleme de l'interpersonalite chez J.G. Fichte", in: Archives de Philosophie 25 (1962) 332333. Dazu auch noch Alexis Philonenko: La liberte humaine humaine dans la philosophie de Fichte, Paris 1966, insbesondere Kap. II und III. Auf dieser Spur ist Naulin der Meinung, daß: „c'est seulement par la communication que l'individu a chance de s'elever a la liberte". Vgl. „Philosophie et communication chez Fichte", in: Revue internationale de Philosophie 90.4 (1969) 418. Hieraus schließt Renault, daß für Fichte nicht die Subjektivität sondern die Intersubjektivität die Bedingung des Recht ist. Vgl. Alain Renault: Le systeme du droit. Philo- sophie et droit dans la pensee de Fichte, Paris 1986, 237. Ferry meint ebenso übereinstimmend, daß die Intersubjektivität die rechtliche Beziehung formiert. Vgl. Luc Ferry: „Sur la distinction du droit et de l'ethique dans la premiere philosophie de Fichte", in: Archives de Philosophie 26 (1981) 301. Dagegen beschreibt Siep die Aufforderung, durch welche die anderen mich provozieren, nicht in einem rechtlichen Sinne, sondern sieht sie als einen Erziehungsakt. Vgl. Ludwig Siep, a.a.O., 295.

In der sinnlichen Welt bestimmt sich die reine Möglichkeit, die, indem sie sich bestimmt, nicht mehr rein ist. Daher kann sie in dieser Welt nie als solche sein. Wenn sie sich nicht manifestiert, wird sie aber auch nicht gesetzt, und wenn sie sich bestimmt, ist sie nicht mehr rein. Die Pointe der Frage bezieht sich also auf dieses Durch, auf die Vermittlung oder die Relation. Wenn diese äußerlich betrachtet wird, dann kann sie nie absolut sein. Wenn sie dennoch in ihrer eigenen bzw. inneren Selbstbeziehung berücksichtigt wird, dann muß sie absolut sein. Diese Relation vertritt nach Fichte die Freiheit überhaupt. Was sich bei ihrer Bestimmung setzt, ist deshalb die eigene Entfaltung ihrer Selbstbeziehung, worin sie durchaus als solche besteht. Wenn sie sich mithin bestimmt, wird sie bestimmend selbstvermittelt. Oder anders gesagt: Als reine Möglichkeit ist die Freiheit als solche gemeint, während sie als bestimmte „von sich" ist, d. h. so wie es Fichte ausdrückt, ihre Disjunktion liegt durchaus in diesem ihrem Von[1].

In Ansehung der inneren Einheit dieser beiden Momente der Freiheit soll sie nach Fichte aus der Konvergenz der entsprechenden Bestimmtheiten jedes Bewußtseins, der Individuen oder Personen nachkonstruiert werden. Der Ort aber an dem sich zuerst diese notwendige bzw. konstitutive Konvergenz aller intersubjektiven Bestimmtheiten „garantiert" einfindet, ist im Recht[2]. In diesem Sinne deduziert Fichte das Recht schon in seinem Naturrecht von 1796[3]. Unter Recht versteht Fichte also keinen Begriff, der aus einem anderen Begriff bzw. der Freiheit abgeleitet wird, sondern etwas Anderes und zwar eine innere Notwendigkeit. Der Rechtsbegriff wird gefordert, weil er bei jedem Individuum, die Bedingung aller Möglichkeiten seine Freiheit zu bestimmen darstellt und das heißt, das Recht ist eine verbindende „Denknotwendigkeit aller als frei, in der synthetischen Einheit des Begriff"[4]. Die materielle Möglichkeit der individuellen Freiheit konkretisiert sich also im Recht. Das Recht ist deshalb ein Begriff, der mit der Realisierung der Freiheit jedes Einzelnen zu tun hat, oder wie Fichte an Jacobi schreibt: „Die Bedingungen der Individualität [bzw. der individuellen Freiheit] heißen Rechte"[5]. Gerade weil das Recht in Beziehung zur realisierten Freiheit bzw. zu ihrer intersubjektiven Mannigfaltigkeit steht, wird zu dieser Entfaltung von ihnen weder ein Individuum noch ein Bewußtsein und auch kein
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[1] Vgl. Fichte: Wissenschaftslehre 1804. Zweiter Vortrag, in: GA II, 8, 306.
[2] Daß übrigens damit auch der Zwang impliziert wird, ist unvermeidbar. Was den rechtlichen Zwang möglich macht, ist aber - wie es Janke formuliert -, daß er konsequenterweise die „Verhinderung der Freiheit verhindert". Vgl. Wolfgang Janke: „Anerkennung. Fichtes Grundlegungen des Rechtsgrundes", in: Kant-Studien, 82.2 (1991) 209.
[3] Im Allgemeinen siehe Ingeborg Schüssler: „Die Deduktion des Begriffs des Rechts aus Prinzipien der Wissenschaftslehre (J.G. Fichte: Grundlage des Naturrechts §§ 1 - 4)", in: Fichte-Studien 11 (1997) 39-40, sowie Jürgen Stolzenberg: „Fichtes Begriff des praktischen Selbstbewußtsein", in: Wolfram Hogrebe (Hrsg.): Fichtes Wissenschaftslehre 1794. Philoso- phische Resonanzen, Frankfurt a. M. 1995, 79 ff. und die ausführlichen Arbeiten in Michael Kahlo / Ernst Wolff / Rainer Zaczik (Hrsg.): Fichtes Lehre vom Rechtsverhältnis, Frankfurt a. M. 1992, hauptsächlich Rainer Zaczik: „Die Struktur des Rechtsverhältnisses (§§ 1-4) im Naturrecht Fichtes", 9-27; Claudio Cesa: „Zur Interpretation von Fichtes Theorie der Intersubjektivität", 53 - 70; sowie Wolfgang Bartuschat: „Zur Deduktion des Rechts aus der Vernunft bei Kant und Fichte", 173- 193.
[4] Fichte: Rechtslehre 1812, in: GA II, 13, 203.
[5] Fichte: Brief von 1795 an Jacobi, in: GA III, 2, 392.

Handeln gefordert, sondern die gesamte konvergierte Freiheit, die im Recht ermöglicht wird. Der Rechtsbegriff wird bei Fichte daher als eine Bedingung der Entäußerung der Freiheit überhaupt deduziert. Damit versteht er das Recht bereits anders als Kant. Bei Fichte gibt es in der Tat keine possibilitas aller possibilia, die im Hintergrund stünde. Bei ihm ist das Was, das die reine possibilitas ist, schon aus derselben possibilitas entwickelt worden. Wenn er das Recht als Bedingung der Freiheit so formuliert, setzt er genetisch ihre notwendige Bedingung. Also: Da die Offenbarung der Freiheit immer mannigfaltig ist, nämlich durch verschiedene Individuen bzw. in einer intersubjektiven Beziehung geschieht, ist eine Instanz notwendig, welche dieselbe Mannigfaltigkeit d. h. dieses Sich-Setzen der Freiheit ermöglicht, nämlich das Recht.

Fichte entwickelt damit die Position des Rechts in der sinnlichen Welt mit einer Fiktion, die es jedem Einzelnen ermöglicht, dort auch zu wirken: das Urrecht[1]. Mit ihm meint er „das absolute Recht der Person[,] in der Sinnenwelt nur Ursache zu sein", woraus sich der subjektive Anspruch aller Individuen ableitet. Somit objektiviert sich subjektiv die Freiheit und zwar nach Fichte in einer Wechselwirkung. Es muß nach ihm so sein, weil „jemand sein Vermögen der Freiheit denke, ohne zugleich etwas Objektives sich einzubilden, auf welches er mit dieser Freiheit hand- le"[2]. Das Objektive macht deshalb ein intersubjektives Geflecht aus, in dem jedoch alle durch die „Übereinstimmung aller zu derselben praktischen Überzeugung" verbunden sind[3]. Diese Übereinstimmung, die besagt, „daß Gemeinschaft zwi- sehen freien Wesen, als solchen, fortdauernd stattfinden solle, erscheint [...] selbst als ein Beliebiges, als ein solches, das jeder nur sich selbst durch die Freiheit aufgeben könnte"[4]. Also - betont Fichte - der Rechtsbegriff wird dadurch notwendig, „daß das vernünftige Wesen sich nicht als ein solches mit Selbstbewußtsein setzen kann, ohne sich als Individuum, als Eines unter mehreren vernünftigen Wesen zu setzen"[5]. Und daraus kann Fichte - hauptsächlich in seinen letzten Arbeiten - schließen, daß die Freiheit den Rechtsbegriff konstitutiv impliziert[6]. Damit ist ein „Wechselbegriff, d. h. ein solcher, der nur in Beziehung auf ein anderes Denken gedacht werden kann"[7], gemeint. Die Wechselwirkung entwickelt deswegen nichts Anderes als die Selbstbeschränkung der Freiheit: „Freiheit, als Freiheit, ist nur beschränkt durch andere Freiheit"[8]. Die Menschen sind untereinander frei, insofern sie in Beziehung
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[1] Ein Urrecht ist für ihn „eine blosse Fiction" (Fichte: Grundlage des Naturrechts nach Principien der Wissenschaftslehre, in: GA I, 3, 404).
[2] Fichte: Das System der Sittenlehre nach den Principien der Wissenschaftslehre, in: GA I, 5, 84.
[3] Fichte: Das System der Sittenlehre, in: GA I, 5, 213.
[4] Fichte: Grundlage des Naturrechts, in: GA I, 3, 385 - 386.
[5] Fichte: Grundlage des Naturrechts, in: GA I, 3, 319. Das Selbstbewußtsein braucht eine Aufforderung, denn „kein Individuum kann sich aus sich selbst erklären" (Fichte: Wissenschaftslehre nova methodo ca. 1796-1799, in: GA IV, 2, 77). Vgl. auch Edith Düsing: „Intersubjektivität", a.a.O., 252.
[6] In der Formulierung Oestereichs ist sie die Substanz des Rechtes. Vgl. Heinrich Oeste- reich: Freiheitsidee und Rechtsbegriff in der Philosophie von Johann Gottlieb Fichte. Ein Beitrag zur Rechtsphilosophie des transzendentalen Idealismus, Jena 1935, 81.
[7] Fichte: Grundlage des Naturrechts, in: GA I, 3, 354.
[8] Fichte: Darstellung der Wissenschaftslehre aus den Jahren 1801/02, in: GA II, 6, 305.

zu anderen, die auch frei sind, stehen. Jeder „geht aus der Wechselwirkung mit der ganzen Welt der Freiheit hervor"[1] und in dieser Wechselwirkung, welche die freie Intersubjektivität ausmacht, steht daher nicht nur die sinnliche Welt, sondern auch implizit die der Freiheit überhaupt, die sinnlich im Recht realisiert wird. Die reine Freiheit äußert sich dann bestimmend in einem rechtlichen, sie ermöglichenden Geflecht, oder die innere Freiheit aller Individuen realisiert sich im Recht, und indem es so ist, wird nicht nur die sittliche Freiheit ermöglicht, sondern auch das entsprechende sittliche Gesetz entwickelt[2]. Daß die Bestimmung der Freiheit in der Sinnenwelt nicht in jedem Fall die gleiche sein kann, bedeutet für Fichte aber nicht, daß keine Übereinstimmung möglich sei. Die sittliche Freiheit ist nach ihm das Ziel aller freien Menschen. Deshalb ist das, was das Recht ermöglicht, wenn damit eine Übereinstimmung gemeint wird, nach Fichte die Übereinstimmung der sittlichen Freiheit. Aber mit der Konkordanz, die damit zur Sprache kommt, meint er sicherlich mehr als eine Einheit, nämlich eine Synthesis, die für ihn die größte ist, nämlich die der Geisterwelt. Auf welche Weise das Recht dazu nötig ist, erklärt Fichte folgendermaßen:

Wenn jedes sittliche Ich rechtlich mit anderen Personen, und zwar in einer intersubjektiven Beziehung, konvergiert, projiziert sich dabei die ursprüngliche Einheit. Was das Recht garantiert, ist demgemäß nicht einfach das unmittelbare materielle Handeln, sondern die Freiheit überhaupt. Gerade in diesem Sinne ist das Recht ein Moment derselben Genese. Die Transzendenz reflektiert sich somit in der Intranszendenz. Weil jeder das Werkzeug dieser Selbstrealisation ist, ermöglicht das Recht die ständige Nähe zur inneren Einheit, welche die Freiheit schlechthin vertritt.

Während in der sinnlichen Welt das Recht nötig ist, um intersubjektiv die reine Möglichkeit der Freiheit zu realisieren, ist das Sittengesetz nicht durch das Recht bedingt, da sich diese reine Möglichkeit im Vernunftwesen schon vollzieht[3]. Beide Momente der Realisierung der Vollständigkeit der reinen Möglichkeit sind aber trotzdem genetisch gebunden, indem beide sich in jedem Handeln in einer Gemeinschaft äußern und sich damit dort das Ganze der vernünftigen Wesen handelnd realisiert. Auch in einem rechtlichen Sinne ist also der Handlungsbegriff „der einzige, der beide Welten, die für uns da sind, vereinigt, die sinnliche und die intelli- gible"[4]. Denn mit ihm ist die innere Zweiheit bzw. ihre Synthesis gemeint, welche bei ihm als Moment erwähnt wird. Er erklärt es noch einmal mit anderen Worten: „Unsere Existenz ist in der intelligiblen Welt das Sittengesetz, unsere Existenz in der Sinnenwelt die wirkliche Tat"[5]. Es handelt sich damit wieder um dieselbe, d. h. die ursprüngliche Einheit. Mit dem Realgrund der Getrenntheit der Einzelnen meint Fichte
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[1] Ebd., in: GA II, 6, 308.
[2] Vgl. Fichte: Das System der Sittenlehre, in: GA I, 5, 258. Insofern „die äussere Bedingung der sittlichen Freiheit" das rechtliche Gesetz ist, wird bei Fichte bemerkt, daß die Zweck von ihm die Realisierung des sittlichen Gesetzes ist". Vgl. auch Georg Geismann: „Fichtes ,Aufhebung' des Rechtsstaates", in: Fichte Studien 3 (1991) 100.
[3] Vgl. Fichte: Das System der Sittenlehre, in: GA I, 5, 229.
[4] Fichte: Versuch einer neuen Darstellung der Wissenschaftslehre, in: GA I, 4, 220. Naulin stellt einen Fortschritt in Etappen heraus, der von der individuellen Existenz, nämlich von einer politischen, über einen ethischen bis zu einer religiösen Gemeinde reicht. Vgl. P. Naulin, a.a.O., 413.
[5] Fichte: Das System der Sittenlehre, in: GA I, 5, 94.

deswegen, wie er es nennt, ein „ideales Band aller"[1], das er genetisch deduziert.

Im rechtlichen Geflecht, das die bestimmte bzw. materielle Freiheit in ihrer mannigfaltigen Möglichkeit ausdrückt, zeigt sich dann ein Band, das die Getrenntheit dieser Realisierungen eint. Alle Individuen sind auf diese Weise untereinander auf ihre Entscheidungen oder Intentionen[2], die bei jedem realisiert werden, bezogen. Was das Recht garantiert, ist stets diese intersubjektive Realisierung der Freiheit, so daß diese in ihrer Spontaneität sowie in ihrer entsprechenden in- tersubjektiven Anerkennung[3] von dem idealen Band her gefordert wird. Damit wird natürlich auch die materielle Entfaltung der Freiheit, nämlich die Leiblichkeit, geschützt, indem sie dabei vorausgesetzt wird[4]. Aber es soll noch erklärt werden, inwiefern dieses ideale Band einigt, oder wie mit ihm nicht nur eine Konvergenz der realisierten Freiheit, sondern eine geistige Synthesis gemeint ist.

Jeder hat, so schreibt Fichte in dem erwähnten Brief von 1801 an Schelling, an diesem Band teil. Dieses Band oder, wie es Fichte auch nennt, Gott, gibt es jedoch nur im eigenen Sich-Selbstunterscheiden. Deshalb muß man immer das Bewußtsein von ihm abziehen[5], da das Bewußtsein im Von, d. h. in der Disjunktion liegt. Die Menschen werden in diesem Band alle wechselseitig vereinigt, aber dies geschieht in der sinnlichen Welt als Erscheinung[6]. Jenes ist dort dann ein Moment „von sich", das Fichte genetisch nachkonstruiert.

Was sich im Moment des materiellen Handelns äußert, das Fichte nachkonstruiert, ist dann das sittliche Wollen. Mit einem Realgrund der Getrenntheit der Einzelnen denkt er darum ein nachkonstruierendes Band, das sich zwischen den Menschen subjektiv bzw. intersubjektiv reflektiert. Also projiziert sich im rechtlichen Geflecht dieses Bands das Ziel einer menschlichen Einheit. Damit ist freilich noch nichts Bestimmtes gesetzt, sondern eine Übereinkunft, die er auch genetisch versteht: „es ist nur Eins, worin sie [die Menschen] völlig übereinkommen, ihr letztes Ziel, die
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[1] Fichte: Brief von 1801 an Schelling, in: GA III, 5, 48.
[2] Während Lauth der Meinung ist, daß „das unmittelbar interpersonal vermittelte Momente der Freiheit [...] nicht die Entscheidung, sondern ein anderes, nämlich die Intention" ist (vgl. Reinhard Lauth: „Transzendentale", a.a.O., 206), glaubt Hammacher, daß die Freiheit bei Fichte „letztlich [.] als Dezisionismus" erscheint (vgl. Klaus Hammacher: Transzendentale Theorie und Praxis. Zugänge zu Fichte, Amsterdam / New York 1996, 147). Ähnlich wie er denkt auch Siep, d. h. was die anderen Vernunftwesen mitteilen, sind Intentionen, die mich „zu einen freien Willenakt" auffordern (vgl. Ludwig Siep: „Fichtes und Hegels philosophische Begründung des Rechts", in: Giornale di Metafisica. Genova 1983, 263 -279; 272).
[3] Über Anerkennung vgl. Wolfgang Janke: „Anerkennung", a.a.O. 202, auch Binkelmann, der drei wesentliche Moment der Anerkennung postuliert, vgl. Christoph Binkelmann: Theorie der praktischen Freiheit. Fichte-Hegel, Berlin / New York 2007, 124.
[4] Denn der Leib ist „das unmittelbare Instrument meines Willens" (Fichte: Das System der Sittenlehre, in: GA I, 5, 123). Vgl. Edith Düsing: „Das Problem der Individualität in Fichtes früher Ethik und Rechtslehre", in: Fichte-Studien 3 (1991) 47-48.
[5] Vgl. Fichte: Wissenschaftslehre 1804. Zweiter Vortrag, in: GA II, 8, 204.
[6] Fichte: Brief von 1801 an Schelling, in: GA III, 5, 49.

Vollkommenheit"[1]. Somit ist die Unvollkommenheit unvermeid- bar[2], weil jedes Handeln nur als Moment der Vollkommenheit erscheinen kann. Diese Momente können nach Fichte jedoch im Wollen synthetisiert werden. Im Wollen zeigt sich „das Wesentliche der Vernunft", d. h. der „absoluten Vernunft"[3], insofern die Vernunftwesen ihr praktisches an ihr theoretisches Wollen binden. Mit jedem Handeln geschieht damit letztendlich, daß die Vernünftigkeit auf sich zurückgeht, und d. h., daß das sittliche Gesetz, welches auf das theoretische Wollen gerichtet ist, mit dem rechtlichen Gesetz oder mit dem praktischen Wollen verbunden ist. Denn beide sind Momente derselben Genese. Das sittliche bzw. subjektive Wollen synthetisiert sich auf diese Weise mit dem rechtlichen bzw. inter- subjektiven Wollen[4]. Was daraus genetisch deduziert wird, ist dann die transzendentale „Gemeinde der Geister" oder die „Geisterwelt", allerdings nur in einem Moment, nämlich dem ihrer wechselseitigen Intranszendenz.


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[1] Fichte: Über die Bestimmung des Gelehrten, in: GA I, 3, 40.
[2] Dies betont z. B. Alain Perrinjaquet: „Individuum und Gemeinschaft in der WL zwischen 1796 und 1800", in: Fichte-Studien 3 (1991) 26.
[3] Fichte: Wissenschaftslehre 1804. Zweiter Vortrag, in: GA II, 8, 398.
[4] Das ist übrigens die Aufgabe des Rechts nach Fichte, „einen Wille[n] zu finden, in welchem Privatwille, und gemeinsamer synthetisch vereinigt sey" (Fichte: Grundlage des Naturrechts, in: GA I, 3, 433).